Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat der Steuerschuldner durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben Steuern verkürzt, so steht das der Anerkennung dieser Steuern als das Vermögen mindernde Belastung an denjenigen Stichtagen entgegen, an denen die Verkürzung weder vom Finanzamt aufgedeckt noch der Wille des Steuerpflichtigen, seine Angaben zu berichtigen oder zu ergänzen, erkennbar geworden ist.
Dieser Grundsatz gilt für vor dem 21. Juni 1948 entstandene und verkürzte Steuern auch für die Vermögensabgabe.
Normenkette
BewG § 74 Abs. 1 Ziff. 1; BewDV § 53a; BewG § 118/1/1, § 105; StAnpG § 1 Abs. 2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist durch Bescheid vom 27. Februar 1954 zur Vermögensabgabe mit einem Vierteljahresbetrag von 286,10 DM (abzüglich 2 DM für Familienermäßigung nach den Verhältnissen vom 1. Januar 1952) herangezogen worden. Der Berechnung der Vermögensabgabe wurde der auf den 21. Juni 1948 festgestellte Einheitswert des Betriebsvermögens mit 34.600 DM zugrunde gelegt. Streitig ist der Abzug von Steuerschulden, die sich auf Grund einer am 28. September 1948 eingeleiteten Betriebsprüfung als Nachzahlungen für bis zum Währungsstichtag verkürzte Steuern im Betrag von 606.888 RM zur Einkommensteuer und Vermögensteuer und im Betrage von 162.548 RM zur Umsatzsteuer und Gewerbesteuer ergaben, sowie einer wegen dieser Verkürzungen verhängten Geldstrafe von 11.000 DM. Die Vorbehörden haben die nachzuentrichtenden Steuern und die Steuerstrafe nicht zum Abzug zugelassen und sich dazu wegen der Nachzahlungen zur Umsatzsteuer und Gewerbesteuer auf die Bindung an den auf den 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens, wegen der Nachzahlungen zur Einkommensteuer und Vermögensteuer und wegen der Steuerstrafe auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs sowie auf die Vermögensteuerrichtlinien (VStR) 1949 Abschn. 115 Buchst. b Abs. 3 bezogen. In der Rechtsbeschwerde (Rb.) macht der Bf. geltend, bei der Beurteilung der Abzugsfähigkeit von Steuernachforderungen könnten nur objektive Maßstäbe angelegt werden. Soweit am Stichtag die Steuerschuld entstanden gewesen sei, müsse bei der Intensität der deutschen Steuerfahndung auch objektiv mit der Entdeckung einer etwaigen Steuerhinterziehung gerechnet werden. Es gehe nicht an, das subjektive Empfinden des Steuerpflichtigen, das Rechnen mit der Entdeckung, in den Vordergrund zu stellen. Aber selbst wenn man der Finanzbehörde nachsehen würde, für die verhältnismäßig kurze Dauer einer Vermögensteuer-Hauptveranlagung den Abzug tatsächlich bestehender Steuerschulden abzulehnen, könne es nicht Rechtens sein, die das halbe Vermögen in Anspruch nehmende, sich auf den Zeitraum von 27 Jahren erstreckende Vermögensabgabe unrichtig festzusetzen und den Pflichtigen durch Versagung des Abzugs gewissermaßen ein zweites Mal zu bestrafen. Im übrigen seien auch die Ausführungen des Finanzgerichts - Bindung wegen der Umsatzsteuer- und Gewerbesteuernachzahlungen an den zum 21. Juni 1948 festgestellten Einheitswert des Betriebsvermögens - nicht richtig, da die für die Vermögensteuer-Hauptveranlagung 1949 getroffenen Feststellungen nach § 21 des Lastenausgleichsgesetzes (LAG) für die Ermittlung der Vermögensabgabe zwar zu berücksichtigen seien, ohne daß jedoch schlechthin eine Bindung an sie bestehe.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu der Frage der Abzugsfähigkeit hinterzogener oder sonst verkürzter Steuern war die überlegung, daß steuerrechtlich für die Abzugsfähigkeit einer Schuld nicht maßgebend ist, ob die Schuld rechtlich besteht, sondern ob der Schuldner am Stichtag damit rechnen kann, daß der Gläubiger die Forderung geltend macht. Unter diesem Gesichtspunkt hat das Urteil III A 28/37 vom 24. Juni 1937 (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1937 S. 798) ausgeführt, bei hinterzogenen oder sonst verkürzten Steuern, die auf Grund einer Berichtigungsveranlagung nachgefordert würden, sei die Steuerschuld regelmäßig nur dann beim steuerpflichtigen Vermögen abzuziehen, wenn die Verkürzung vor dem Stichtag aufgedeckt worden sei. In dem Urteil III 221/37 vom 17. Februar 1938 (RStBl. 1938 S. 549) hat der Reichsfinanzhof weiter dargelegt, maßgebend für die Abzugsfähigkeit sei nicht, ob der Steuerpflichtige am Stichtag mit der Nachforderung habe rechnen müssen, es genüge vielmehr, wenn er damit habe rechnen können. Das sei aber im allgemeinen erst dann der Fall, wenn er seine Angaben berichtigt oder das Finanzamt die Verkürzung entdeckt habe.
Der Bundesfinanzhof tritt der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs insoweit bei, als nicht schlechthin das bürgerlich-rechtliche Vorhandensein einer Schuld für die Abzugsfähigkeit entscheidend ist. Grundsätzlich kommt es zwar für die Abzugsfähigkeit von Schulden darauf an, ob sie am Stichtag objektiv bestehen. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise führt jedoch dazu, eine wirtschaftliche Belastung dann nicht anzunehmen, wenn der Steuerpflichtige am Stichtag damit rechnen kann, der Gläubiger werde seine Forderung nicht geltend machen. Kann der Gläubiger nach den Verhältnissen am Stichtag seine an sich bestehende Forderung deshalb nicht geltend machen, weil er infolge vorsätzlicher Irreführung von Seiten des Schuldners zu diesem Zeitpunkt gar nicht erkennen konnte, daß ihm eine Forderung zustand, so kann dieses dolose Verhalten des Schuldners bei der Beurteilung der Streitfrage nicht außer Betracht bleiben. In einem solchen Fall kann der Schuldner nach den auch im Verhältnis von Steuerschuldner zu Steuergläubiger geltenden Grundsätzen von Treu und Glauben nicht mit dem Vorbringen gehört werden, er habe damit gerechnet, oder auch nur damit rechnen können, daß der Gläubiger die Irreführung später einmal erkennen und dann seine Forderung geltend machen werde. Wenn der Steuerschuldner durch vorsätzlich unrichtige oder unvollständige Angaben Steuern verkürzt hat, so steht das zwar der objektiven Entstehung der verkürzten Steuern nach den allgemeinen Grundsätzen nicht entgegen, wohl aber ihrer Anerkennung als das Vermögen mindernde Belastung an denjenigen Stichtagen, an denen die Verkürzung weder vom Finanzamt aufgedeckt noch der Wille des Pflichtigen, seine Angaben zu berichtigen oder zu ergänzen, etwa durch eine bis zum Stichtag oder kurz nach dem Stichtag (und vor der Aufdeckung durch die Behörde) erfolgte Selbstanzeige, erkennbar geworden ist. Denn ein Pflichtiger, der für die Behörde nicht erkennbare Steuerschulden an einem bestimmten Tag offensichtlich nicht aufgedeckt wissen will, kann sich nach dem Grundsatz der Unbeachtlichkeit des "venire contra factum proprium" auf den gleichen Tag auch nicht darauf berufen, er habe gleichwohl mit der späteren Aufdeckung rechnen können und sei daher, wenn es inzwischen dazu gekommen sei, berechtigt, die Abzugsfähigkeit auf diesen Tag zu verlangen. Wer am Stichtag bestehende Steuerschulden der Behörde gegenüber verheimlicht hat und weiterhin verheimlichen wollte, rechnete ohne Rücksicht darauf, ob die spätere Aufdeckung mehr oder weniger wahrscheinlich ist, am Stichtag damit, die Verkürzung werde nicht herauskommen; denn andernfalls würde er zur Vermeidung weiterer steuerstrafrechtlicher Nachteile von der Selbstanzeige nach § 410 der Reichsabgabenordnung (AO) Gebrauch gemacht haben. Dann muß er sich aber auch gefallen lassen, daß die Behörde sein Verhalten entsprechend beurteilt, indem sie die betreffenden Steuerschulden, deren Bezahlung sich der Pflichtige nach den Verhältnissen am Stichtag offensichtlich entziehen wollte, auch nicht als Belastung an diesem Tag ansieht. Erst recht nicht kommt der Abzug einer Steuerstrafe in Betracht, die wegen erst nach dem Stichtag aufgedeckter Steuerverkürzungen verhängt wird.
Diese für die Vermögensteuer geltenden Grundsätze müssen auch für die Vermögensabgabe gelten. Der Senat vermag den Ausführungen des Steuerpflichtigen und den in gleicher Richtung gehenden Darlegungen von Littmann, "Der Betriebs-Berater" 1954 S. 122 F., die Versagung der Abzugsfähigkeit hinterzogener Steuern sei jedenfalls für die Vermögensabgabe infolge ihrer besonders starken steuerlichen Belastung und ihrer langen Laufzeit mit den Auslegungsgrundsätzen des § 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG) nicht vereinbar, nicht zu folgen. Auch die Vermögensabgabe beruht, wenn man von gewissen im Gesetz angeordneten Auflockerungen, wie z. B. in Rückerstattungs- und Demontagefällen nach dem §§ 27 Abs. 1 und 28 LAG sowie bei Bedingungen und Befristungen nach § 64 LAG, absieht, auf dem Stichtagsprinzip. Der Senat vermag daher einen rechtlichen Unterschied in der Frage der Abzugsfähigkeit bzw. der Nichtabzugsfähigkeit hinterzogener Steuern zwischen der Vermögensteuer und der Vermögensabgabe nicht anzuerkennen. Geht man mit dem Senat davon aus, daß grundsätzlich an einem bestimmten Stichtag nicht aufgedeckte Steuerhinterziehungen nicht zu einer steuerlich anzuerkennenden Belastung des Steuerpflichtigen mit der entsprechenden Steuernachforderung auf diesen Stichtag führen können, eine Schuld des Pflichtigen im steuerlichen Sinne also am Stichtag nicht besteht, so kann die Beurteilung für die Vermögensabgabe nicht anders ausfallen als für die Vermögensteuer. Daß das Stichtagsprinzip bei der Vermögensabgabe, die ein für allemal nach den Verhältnissen am 21. Juni 1948 veranlagt wird und später eintretenden, das Vermögen belastenden Umständen, abgesehen von den im Gesetz ausdrücklich zugelassenen Ausnahmen, nicht Rechnung trägt, zu unbilligen Härten führen kann, hat der Gesetzgeber in Kauf genommen. Eine Milderung dieser Härten ist nur über die Bestimmung des § 203 Abs. 5 LAG in Verbindung mit den dazu ergangenen Verwaltungsanordnungen möglich, über deren Anwendung der Bundesfinanzhof im gegenwärtigen Rechtsstreit nicht zu entscheiden hat.
Für die Entscheidung der strittigen Frage ist es an sich ohne Belang, ob es sich um hinterzogene Personalsteuern oder mit einem Betrieb des Steuerpflichtigen zusammenhängende Steuern handelt. Die entsprechenden Steuernachforderungen sind nach den oben dargelegten Grundsätzen regelmäßig weder bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens noch bei der Veranlagung des Gesamtvermögens zur Vermögensteuer noch bei der Ermittlung des der Vermögensabgabe unterliegenden Vermögens abzugsfähig. Im übrigen kann über die Frage der Abzugsfähigkeit der nachgeforderten Betriebsteuern (Umsatzsteuer und Gewerbesteuer) im gegenwärtigen Verfahren nicht entschieden werden. Sie könnten, wenn überhaupt, nur bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens berücksichtigt werden. Bei der Veranlagung zur Vermögensabgabe besteht insoweit eine Bindung an den Einheitswert. Das ergibt sich eindeutig aus der Vorschrift des § 21 Abs. 1 Ziff. 1 LAG in Verbindung mit § 73 Abs. 3 des Bewertungsgesetzes (BewG). Nach § 21 Abs. 1 Ziff. 1 LAG errechnet sich bei unbeschränkt Abgabepflichtigen das der Vermögensabgabe unterliegende Vermögen nach den bei der Vermögensteuer für die Ermittlung des Gesamtvermögens maßgebenden Vorschriften. Für die Bewertung des Gesamtvermögens sind aber nach § 73 Abs. 3 BewG die Wirtschaftsgüter, für die ein Einheitswert festzustellen ist, mit den festgesetzten Einheitswerten anzusetzen. Eine Abweichung von diesen Einheitswerten käme nach § 21 Abs. 1 Satz 1 LAG nur in Betracht, wenn in den §§ 22 bis 27 LAG für die Abzugsfähigkeit der streitigen Steuerschulden etwas anderes angeordnet wäre. Das ist aber nicht der Fall. Auch der Hinweis des Bf. auf die Kopplungsvorschrift des § 75 Abs. 1 des D-Markbilanzgesetzes (DMBG) führt zu keinem anderen Ergebnis, da die Kopplung mit den Ansätzen in der DM-Eröffnungsbilanz für die Vermögensabgabe nur mittelbar und insoweit von Bedeutung ist, als sie bei der Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens auf den 21. Juni 1948, der wiederum der Veranlagung der Vermögensabgabe zugrunde zu legen ist, zu beachten ist.
Hiernach mußte die Rb. mit der Kostenfolge des § 307 AO als unbegründet zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 408144 |
BStBl III 1955, 123 |
BFHE 1955, 321 |
BFHE 60, 321 |