Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuerpflicht einer Organgesellschaft trotz Gewerbesteuerfreiheit einer Schwester-Organgesellschaft
Leitsatz (amtlich)
Die Befreiung einer Organgesellschaft von der Gewerbesteuer gemäß § 3 Nr. 20 GewStG 1984 erstreckt sich auch dann nicht auf eine andere Organgesellschaft desselben Organkreises, die die Befreiungsvoraussetzungen ihrerseits nicht erfüllt, wenn die Tätigkeiten der Gesellschaften sich gegenseitig ergänzen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen einer gesetzlichen Steuerbefreiung müssen von der jeweiligen Organgesellschaft selbst erfüllt werden.
Normenkette
KStG 1984 § 14 Nrn. 1-2; GewStG 1984 § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 2, § 3 Nr. 20 Buchst. b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, betreibt ein Unternehmen, dessen Gegenstand insbesondere die Verwaltung und Verwertung einer Badekureinrichtung ist. Sie hatte ihren Grundbesitz an Beteiligungsgesellschaften verpachtet, deren Alleingesellschafterin sie in den Streitjahren 1985 bis 1989 war. Bei diesen Beteiligungsgesellschaften handelte es sich u.a. um die Klinik-GmbH, die ein nach § 3 Nr. 20 Buchst. b des Gewerbesteuergesetzes (GewStG 1984) steuerbefreites Krankenhaus betrieb, und die Kur-GmbH, deren Unternehmensgegenstand der Betrieb von Thermalwasserbädern zur ambulanten Durchführung von Heil-, Vorsorge- und Kurbehandlungen jeder Art war. Die Klägerin war mit diesen beiden Gesellschaften im Rahmen einer umsatz- und gewerbesteuerlichen Organschaft als Organträgerin verbunden.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt ―FA―) vertrat die Auffassung, dass die Leistungen der Kur-GmbH auch insofern gewerbesteuerpflichtig seien, als sie der ambulanten Durchführung von Heil- u.ä. Behandlungen aufgrund ärztlicher Verordnung dienten. Die Klägerin räumte demgegenüber zwar ein, dass die ambulanten Leistungen von der rechtlich selbständigen Kur-GmbH erbracht worden seien. Allerdings seien diese Leistungen wegen der vorliegenden gewerbesteuerlichen Organschaft mit denen der Klinik-GmbH und damit denen eines Krankenhauses eng verbunden, weshalb die Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 1984 dennoch erfüllt seien.
Die Klage gegen die entsprechend geänderten Gewerbesteuermessbescheide des FA hatte Erfolg. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 214 abgedruckt.
Seine Revision stützt das FA auf Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung.
1. Nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG 1984 gelten Kapitalgesellschaften, die derart in ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen eingegliedert sind, dass die Voraussetzungen des § 14 Nrn. 1 und 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) 1984 erfüllt sind, als Betriebsstätten des anderen Unternehmens (sog. gewerbesteuerrechtliche Organschaft). Trotz dieser Fiktion bilden die eingegliederten Kapitalgesellschaften (die Organgesellschaften) und das andere Unternehmen (der Organträger) kein einheitliches Unternehmen. Sie bleiben vielmehr selbständige Gewerbebetriebe, die einzeln für sich bilanzieren und deren Gewerbeerträge getrennt zu ermitteln sind (sog. gebrochene oder eingeschränkte Einheitstheorie; s. zur insoweit ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs ―BFH― Urteile vom 18. September 1996 I R 44/95, BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181; vom 22. April 1998 I R 109/97, BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748). Die Organschaft führt dazu, dass die persönliche Gewerbesteuerpflicht der Organgesellschaften für die Dauer der Organschaft dem Organträger zugerechnet wird (s. Senatsurteil vom 27. Juni 1990 I R 183/85, BFHE 161, 157, 160, BStBl II 1990, 916, 918). Deshalb ist der einheitliche Gewerbesteuermessbetrag für die zum Organkreis gehörenden Gewerbebetriebe ―das sind die Gewerbebetriebe des Organträgers und der Organgesellschaft(en)― allein gegenüber dem Organträger festzusetzen.
Um den für die Festsetzung des Steuermessbetrages nach dem Gewerbeertrag maßgebenden Gewerbeertrag des Organkreises zu ermitteln, sind die getrennt ermittelten Gewerbeerträge des Organträgers und der Organgesellschaft(en) zusammenzurechnen und die Summe um die sich aufgrund der Zusammenrechnung etwa ergebenden steuerlichen Doppelbelastungen oder ungerechtfertigten steuerlichen Entlastungen zu korrigieren. Je nachdem, um welchen Rechenposten es sich handelt, sind die Korrekturen entweder bereits bei den selbständig ermittelten Gewerbeerträgen der zum Organkreis gehörenden Betriebe oder nachfolgend durch Hinzurechnungen zu bzw. Abzügen von der Summe der getrennt ermittelten Gewerbeerträge vorzunehmen. Rechtsgrundlage der Korrekturen ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG 1984 (s. Senatsurteile vom 6. November 1985 I R 56/82, BFHE 145, 78, BStBl II 1986, 73, m.w.N.; vom 2. Februar 1994 I R 10/93, BFHE 173, 426, BStBl II 1994, 768; vom 25. Juli 1995 VIII R 54/93, BFHE 178, 448, BStBl II 1995, 794; in BFHE 181, 504, BStBl II 1997, 181; in BFHE 186, 443, BStBl II 1998, 748).
2. Nach diesen Grundsätzen kann die Klage keinen Erfolg haben.
a) Dabei kann dahinstehen, ob die Klinik-GmbH überhaupt taugliche Organgesellschaft der Klägerin sein konnte, weil sie nach § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 1984 von der Gewerbesteuer befreit ist (vgl. ―diese Rechtsfrage im Ergebnis gleichermaßen offen lassend― Senatsurteil vom 9. Oktober 1974 I R 5/73, BFHE 114, 242, BStBl II 1975, 179; s. allgemein zum Streitstand z.B. Walter in Arthur Andersen, Körperschaftsteuergesetz, § 14 Rz. 96 ff.). Ebenso kann dahinstehen, ob die Steuerfreiheit der Klinik-GmbH infolge ihrer organschaftlichen Eingliederung in den Betrieb der Klägerin verloren geht (so ―bezogen auf § 3 Nr. 9 GewStG 1984― Senatsurteil in BFHE 114, 242, BStBl II 1975, 179). Denn auch wenn beides im Sinne der Klägerin zu entscheiden wäre, würde dies nichts daran ändern, dass nur die Klinik-GmbH, nicht aber die Kur-GmbH und damit im Ergebnis die Klägerin hinsichtlich des Gewerbeertrags und des Gewerbekapitals der Kur-GmbH gewerbesteuerbefreit wäre. Die Kur-GmbH war in den Streitjahren gewerbesteuerpflichtig; sie erfüllte die Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 1984 nicht. Der für sie ermittelte Gewerbeertrag ist der Klägerin zuzurechnen.
b) Die organschaftliche Verbundenheit der Klägerin mit der steuerbefreiten Klinik-GmbH steht dem nicht entgegen. Die zwischen diesen beiden Gesellschaften bestehende Organschaft wirkt sich auf die Kur-GmbH unbeschadet der auch zwischen dieser und der Klägerin bestehenden Organschaftsbeziehung nicht aus.
Zwar trifft es zu, dass die Gewerbesteuerbefreiung der Klägerin zugute gekommen wäre, wenn sie ihrerseits die Voraussetzungen des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 1984 ―über Betriebsstätten und nicht über selbständige Tochtergesellschaften― erfüllt hätte. Es trifft auch zu, dass eine Kapitalgesellschaft, die Organgesellschaft i.S. des § 14 Nrn. 1 und 2 KStG 1984 ist, nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GewStG 1984 als Betriebsstätte des Organträgers gilt und insofern mit dieser eine wirtschaftliche Einheit bildet. Diese Fiktion einer Betriebsstätte hat jedoch nicht zur Folge, dass die Steuerbefreiung einer Organgesellschaft auf eine andere Organgesellschaft ausgedehnt wird, wenn ―so aber das FG― die Tätigkeiten der Gesellschaften des Organkreises "sich insofern gegenseitig ergänzen und gemeinsam zur Tatbestandserfüllung führen". Vielmehr bleibt es bei der rechtlichen Selbständigkeit der Organgesellschaften. Die Betriebsstättenfiktion wirkt sich lediglich derart aus, dass die für die Organgesellschaften isoliert zu ermittelnden Gewerbeerträge dem Organträger zuzurechnen und von diesem zu versteuern sind (vgl. Güroff in Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, 5. Aufl., § 2 Rz. 191, m.w.N.). Dementsprechend müssen auch die tatbestandlichen Voraussetzungen gesetzlicher Vergünstigungen und damit auch einer gesetzlichen Steuerbefreiung von der jeweiligen Organgesellschaft selbst erfüllt werden (vgl. z.B. Senatsurteile vom 29. Mai 1968 I 198/65, BFHE 93, 289, BStBl II 1968, 807, hinsichtlich des Bankenprivilegs gemäß § 19 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung; vom 30. Juli 1969 I R 21/67, BFHE 96, 362, BStBl II 1969, 629, hinsichtlich der sog. erweiterten Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG 1984; Jonas/Müller, Deutsches Steuerrecht, 1988, 623; Herlinghaus, EFG 2002, 216; Güroff in Glanegger/Güroff, a.a.O., § 2 Rz. 201). Für eine "tätigkeitsübergreifende" Steuerbefreiung verschiedener Steuerrechtssubjekte, wie sie das FG jedenfalls für § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG 1984 annimmt, gibt das Gesetz auch im Organkreis keine Handhabe (vgl. insoweit ebenso für eine ―im Streitfall aufgrund der Grundbesitzverpachtung zusätzlich vorliegende― Betriebsaufspaltung BFH-Urteil vom 19. März 2002 VIII R 57/99, BFHE 198, 137, BStBl II 2002, 662).
Ein anderes Ergebnis hätte sich für die Klägerin in Anbetracht dessen nur erreichen lassen, wenn sie das Krankenhaus selbst betrieben und hierbei zugleich die streitigen Leistungen der Kur-GmbH erbracht hätte. Diesen Weg ist sie aber nicht gegangen, er konnte der Besteuerung deshalb auch nicht zugrunde gelegt werden.
3. Da die Vorinstanz eine abweichende Rechtsauffassung vertreten hat, war ihr Urteil aufzuheben. Die Klage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1016855 |
BFH/NV 2003, 1661 |
BStBl II 2004, 244 |
BFHE 2004, 171 |
BFHE 203, 171 |
BB 2003, 2448 |
DB 2003, 2420 |
DStR 2003, 1968 |
DStRE 2003, 1424 |
HFR 2004, 34 |