Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuerliche Gegenleistung bei Erwerb eines Grundstücks durch einen Gesellschafter zu einem weit unter dem Verkehrswert liegenden Buchwert
Leitsatz (amtlich)
Erwirbt der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft von dieser ein Grundstück "zum Buchwert", so ist dieser vereinbarte Preis (zuzüglich etwaiger weiterer Leistungen) auch dann der Berechnung der Grunderwerbsteuer zugrunde zu legen, wenn er weit unter dem Verkehrswert liegt. Die bewußte Hinnahme der Schmälerung des "inneren Werts" des Gesellschaftsrechts unter unveränderter Beibehaltung der Gesellschafterstellung kann als solche nicht Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne sein.
Normenkette
GrEStG BE § 20 Abs. 1; GrEStG BE § 21 Abs. 1 Nr. 1; GrEStG 1983 § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
FG Berlin (Entscheidung vom 22.05.1986; Aktenzeichen I 59/84) |
Tatbestand
Die Klägerin erwarb durch notariell beurkundeten "Grundstücksüberlassungsvertrag" vom 5.November 1979 das dem Geschäftsbetrieb der A Kassel und Berlin KG (KG) dienende, in Berlin belegene, Grundstück zum Buchwert von 116 332 DM. Nach dem Inhalt der Urkunde ist der Übergang des mittelbaren Besitzes "mit der Maßgabe erfolgt, daß das Vertragsobjekt weiterhin der" KG "überlassen und steuerlich als Sonderbetriebsvermögen aktiviert bleibt". Die Klägerin war nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) als Kommanditistin zu 82 v.H. beteiligt.
Wegen dieses Erwerbs setzte das Finanzamt (FA), zuletzt in der Einspruchsentscheidung, gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 23 940 DM fest. Bei der Berechnung der Gegenleistung legte das FA den von ihm geschätzten Verkehrswert des Grundstücks in Höhe von 1,9 Mio DM zugrunde und ließ gemäß § 16 Abs.2 des Grunderwerbsteuergesetzes Berlin (GrEStG) die Steuer in Höhe von 82 v.H. unerhoben.
Der Klage, mit der die Klägerin begehrt, bei der Steuerberechnung den vereinbarten Kaufpreis als Gegenleistung anzusetzen und unter Berücksichtigung ihrer Beteiligung an der KG die Steuer entsprechend zu ermäßigen, hat das FG stattgegeben. Es hat die Steuer auf 1 466 DM herabgesetzt. Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1987, 134 veröffentlicht.
Mit der vom FG zugelassenen Revision beantragt das FA, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Es rügt unrichtige Anwendung des § 20 Abs.1 GrEStG sowie ungenügende Sachaufklärung durch das FG.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA führt zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.
1. Die Steuer für den gemäß § 1 Abs.1 Nr.1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang ist vom Wert der Gegenleistung zu berechnen (§ 20 Abs.1, § 21 Abs.1 Nr.1 GrEStG = § 8 Abs.1, § 9 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn gilt jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt für den Erwerb des Grundstücks gewährt oder die der Veräußerer als Entgelt für die Veräußerung des Grundstücks empfängt (ständige Rechtsprechung: z.B. Senatsurteil vom 5.November 1980 II R 28/75, BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174). Der Erwerb des Grundstücks und die Gegenleistung für den Erwerb müssen kausal verknüpft sein. Eine Gegenleistung in diesem Sinn kann auch bei Grundstücksübertragungen auf gesellschaftsrechtlicher Grundlage gegeben sein (vgl. zuletzt Senatsurteil vom 25.Januar 1989 II R 26/86, BFHE 156, 251, BStBl II 1989, 466). Dabei ist entscheidend, ob im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft neben der ausdrücklich im Vertrag genannten Gegenleistung ein weiterer Leistungsaustausch feststellbar ist, insbesondere ob als Entgelt für den Erwerb des Eigentums an dem Grundstück anderweitige Ansprüche aufgegeben oder durch die Grundstücksübereignung ersatzweise erfüllt werden (vgl. BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174). Ohne Bedeutung ist, ob hinsichtlich der Aufgabe und Erfüllung von Ansprüchen ausdrückliche oder stillschweigende Vereinbarungen getroffen wurden oder ob insoweit die Aufgabe oder Erfüllung von Ansprüchen mit dem Grundstückserwerb von Gesetzes wegen verbunden sind (vgl. Senatsurteil vom 25.Juli 1979 II R 55/76, BFHE 128, 476, BStBl II 1979, 692).
a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß der vereinbarte Kaufpreis zur Gegenleistung gehört.
b) Weiter ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin in Höhe des Unterschiedsbetrags zwischen dem vereinbarten Kaufpreis und dem Verkehrswert des Grundstücks weder eine Leistung an die KG erbracht noch die KG eine solche erhalten hat. Zwar hatte der Verkauf des Grundstücks unter dem gemeinen Wert die Wirkung, daß der Unterschiedsbetrag eine Minderung des inneren Werts der Gesellschaftsanteile --also auch der Beteiligung der Klägerin an der KG-- mit sich brachte sowie daß die Veräußerung sich nicht in einer Gewinnrealisierung niederschlug. Weder in dem einen noch in dem anderen Umstand liegt jedoch eine Leistung der Klägerin (oder eines Dritten) an die KG. Denn sowohl die Minderung des Werts des Vermögens der KG wie die Nichtrealisierung eines (möglichen) Gewinns könnte nur dann sich auf die grunderwerbsteuerrechtliche Bemessungsgrundlage auswirken, wenn --und soweit-- darin als Entgelt für den Grundstückserwerb die Aufgabe oder die ersatzweise Erfüllung anderweitiger Ansprüche der Klägerin gegen die KG gesehen werden könnten (vgl. BFHE 132, 111, BStBl II 1981, 174). Solche Ansprüche standen der Klägerin aber im Zeitpunkt des Grundstückserwerbs nicht zu.
Ein Gewinnauszahlungsanspruch (§ 169 des Handelsgesetzbuches --HGB--), auf den die Klägerin im Zusammenhang mit dem Grundstückserwerb hätte verzichten können, ist in bezug auf die Grundstücksübertragung mangels Gewinnrealisierung nicht entstanden; die Nichtrealisierung von Gewinnerwartungen begründet keinen Anspruch, auf den der Kommanditist wirksam zugunsten der KG verzichten könnte (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26.Oktober 1977 II R 115/69, BFHE 124, 237, BStBl II 1978, 201). Aus diesem Grund kann auch in der Gewinnschmälerung nicht eine Verpflichtung zu einer zukünftigen Leistung gesehen werden.
Auch in der Hinnahme der Minderung des inneren Wertes der Gesellschaftsbeteiligung der Klägerin durch die Vereinbarung eines unter dem gemeinen Wert liegenden Kaufpreises kann keine Leistung der Klägerin an die KG gesehen werden; denn die KG hat dadurch keine Vermögensmehrung erfahren und die Klägerin nicht auf Ansprüche gegen die KG verzichtet. Als Kommanditistin hat die Klägerin --vorbehaltlich einer abweichenden vertraglichen Vereinbarung-- Ansprüche auf Realisierung des "inneren Werts" ihres Gesellschaftsanteils nur im Falle ihres Ausscheidens aus der Gesellschaft (§ 138 HGB) oder von deren Auflösung (§§ 131 ff. HGB). In diesen Fällen hat der Gesellschafter gemäß §§ 734, 738 des Bürgerlichen Gesetzbuches einen Anspruch auf Auszahlung seines Auseinandersetzungsguthabens bzw. auf Verteilung des Gesellschaftsvermögens (§ 155 HGB). Anhaltspunkte dafür, daß die Vereinbarung vom 5.November 1979 als erste Stufe der Auseinandersetzung infolge Auflösungsbeschlusses anzusehen wäre, sind nicht ersichtlich; einer derartigen Annahme würde auch die Vereinbarung der Weiterüberlassung des Grundstücks an die KG und die Verpflichtung zur Aktivierung als Sonderbetriebsvermögen widersprechen. Dem Hinweis des FA auf die im Jahre 1982, also mehr als zwei Jahre nach dem Grunderwerb, erfolgte Auflösung der KG und der insoweit erhobenen Aufklärungsrüge wäre --wenn sie ordnungsgemäß erhoben worden wäre-- mangels erkennbaren Sachzusammenhangs mit dem Erwerb des Grundstücks nicht nachzugehen.
In der Aushöhlung des "inneren Werts" der Beteiligungen an der KG ist auch nicht ohne weiteres eine Teilliquidation zu erblicken. Denn Anhaltspunkte dafür, daß die KG etwa ihren Betrieb in Berlin aufgeben oder einschränken wollte und die Gesellschafter insoweit bezüglich des dem Betrieb der Gesellschaft in Berlin dienenden Vermögens die Auseinandersetzung beschlossen hätten, sind nicht ersichtlich. Gegen diese Annahme spricht vielmehr die Pflicht, das Grundstück der KG weiterhin zu überlassen. Die bewußte Hinnahme der Wertschmälerung unter unveränderter Beibehaltung der gesellschaftsrechtlichen Beziehungen (anders beispielsweise bei Untergang der Gesellschaftsrechte, vgl. zuletzt BFHE 156, 251, BStBl II 1989, 466) kann als solche nicht als Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn angesprochen werden.
c) Das FG hat aber unzutreffend angenommen, der vereinbarte Kaufpreis bilde allein die Gegenleistung. Nach § 21 Abs.1 Nr.1 GrEStG (*= § 9 Abs.1 Nr.1 GrEStG 1983) gelten neben dem Kaufpreis als Gegenleistung die vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und die dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen. Nach dem Inhalt der Vereinbarung vom 5.November 1979 hat sich die Klägerin als Grundstückserwerberin zur weiteren Überlassung des Grundstücks an die KG als Grundstücksveräußerin verpflichtet. Soweit darin eine Verpflichtung zur unentgeltlichen Gebrauchs- und Nutzungsüberlassung o.ä. enthalten ist, ist diese auf kaufvertraglicher Vereinbarung beruhende Leistungspflicht der Klägerin eine weitere Gegenleistung.
2. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben, weil das FG insoweit den Begriff der Gegenleistung verkannt hat. Die Sache ist nicht spruchreif, weil Feststellungen über die Ausgestaltung der Überlassungspflicht nicht vorliegen; sie ist deshalb an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Fundstellen
Haufe-Index 62629 |
BFH/NV 1990, 11 |
BStBl II 1990, 186 |
BFHE 159, 255 |
BFHE 1990, 255 |
BB 1990, 483 |
BB 1990, 483 484 (LT) |
DB 1990, 464 (ST) |
DStR 1990, 115 (KT) |
HFR 1990, 195 (LT) |
StE 1990, 53 (K) |