Leitsatz (amtlich)
Die personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung sind gegeben, wenn der Inhaber des Besitzunternehmens in der als GmbH und Co. KG ausgestalteten Betriebsgesellschaft zu 98 v. H. Gesellschafter der Komplementär-GmbH ist, Kommanditisten der Betriebsgesellschaft die Ehefrau und die beiden erwachsenen Kinder des Inhabers des Besitzunternehmens sind und im Gesellschaftsvertrag der KG vereinbart ist, daß Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Mehrheit der abgegebenen Stimmen bedürfen und daß im Falle der Stimmengleichheit die Stimme der Komplementär-GmbH entscheidet.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Inhaber eines Installationsbetriebs. Im Jahre 1969 gründete er zusammen mit dem Prokuristen seines Einzelunternehmens die J-GmbH (GmbH), deren Gegenstand der Bau von Rohrleitungen, Heizungs- und Sanitäranlagen ist. Von dem Stammkapital von 50 000 DM übernahm der Kläger 49 000 DM. Ende 1970 gründeten die GmbH, die Ehefrau des Klägers und dessen volljährige Kinder P und L die J-GmbH & Co. KG (KG). Die GmbH wurde die persönlich haftende Gesellschafterin; eine Einlage wurde von ihr nicht geleistet. Die drei übrigen Gesellschafter wurden Kommanditisten mit Einlagen von je 50 000 DM. Nach dem Gesellschaftsvertrag obliegt die Geschäftsführung und Vertretung der KG der Komplementärin (GmbH). Beschlüsse der Gesellschafterversammlung bedürfen der Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Jeder Gesellschafter hat eine Stimme. Bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Komplementärin.
Der Kläger überließ durch weiteren Vertrag der KG das gesamte Umlaufvermögen seines Einzelunternehmens gegen Zahlung von DM. Die KG übernahm ferner die dem Umlaufvermögen gegenüberstehenden Verbindlichkeiten des Einzelunternehmens. Gleichzeitig verpachtete der Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1971 das gesamte Anlagevermögen (Grundstücke, Werkstatt mit Einrichtung, Maschinen, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Kraftfahrzeuge und geringwertige Wirtschaftsgüter) gegen eine umsatzabhängige Pacht von 7 v. H. an die KG. Diese führte den Betrieb des Klägers unverändert fort.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) zog den Kläger auch für die Zeit nach dem 1. Januar 1971 zur Gewerbesteuer heran, weil er eine Betriebsaufspaltung als gegeben ansah. Das FA setzte mit Vorauszahlungsbescheid die Gewerbesteuervorauszahlungen rückwirkend für 1973 auf ... DM fest. Nach erfolgloser Beschwerde wandte sich der Kläger mit der Klage gegen die Festsetzung der Vorauszahlungen. Er bestritt das Vorliegen einer Betriebsaufspaltung. Der Kläger beantragte, diesen Bescheid ersatzlos aufzuheben.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es hielt die sachlichen und persönlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung für gegeben.
Gegen diese Entscheidung wendet sich der Kläger mit der Revision. Er rügt Verletzung materiellen Rechts und führt aus, allein der Umstand, daß er, jedenfalls für eine gewisse Zeit, über größere Berufserfahrungen verfüge, gebe ihm nicht die Stellung eines beherrschenden Gesellschafters. Maßgeblich sei allein der gesellschaftsrechtliche Einfluß. Das FG habe, um wenigstens zu einem 50 %igen Einfluß des Klägers innerhalb der KG zu gelangen, den Stimmrechten der GmbH (Komplementärin) die Stimmrechte der Ehefrau des Klägers hinzugerechnet. Dadurch werde Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Diese Zurechnung sei auch willkürlich; denn ebenso könnten die Stimmrechte der GmbH den Stimmrechten der Ehefrau zugerechnet werden. Es sei nicht zulässig, Eheleute als steuerliche Einheit zu betrachten. Ferner sei die Annahme lebensfremd, eine Ehefrau werde stets zusammen mit ihrem Ehemann und gegen ihre gemeinsamen Kinder stimmen oder Eheleute seien auch in wirtschaftlichen Fragen stets einer Meinung. Der Stichentscheid der GmbH könne eine Anteilsmehrheit nicht schaffen. Eine Beherrschung mittels Stichentscheids sei nur denkbar bei Koppelung der Stimme der GmbH mit der Stimme eines anderen Gesellschafters. Es sei daher wahrscheinlich, daß eine 75 %ige Mehrheit gegen den einen wie gegen den anderen Elternteil entstehen könne.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Der Kläger betreibt mit der Verpachtung des gesamten Anlagevermögens seines Einzelunternehmens an die KG weiterhin einen Gewerbebetrieb und unterliegt demnach der Gewerbesteuer (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes -- GewStG --).
1. Die bloße Verpachtung von Grundstücken und Sachinbegriffen, insbesondere von beweglichem Betriebsvermögen, ist in der Regel Vermögensverwaltung und stellt keine gewerbliche Tätigkeit dar (§ 9 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung -- GewStDV --). Etwas anderes gilt jedoch für Verpachtungsbetriebe, die im Zuge einer sogenannten echten oder unechten Betriebsaufspaltung entstanden sind (vgl. zur näheren Begründung den Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; zur Verfassungsmäßigkeit der ständigen Rechtsprechung zur Betriebsaufspaltung vgl. Beschluß des Bundesverfassungsgerichts -- BVerfG -- vom 14. Januar 1969 1 BvR 136/62, BStBl II 1969, 389). In Fällen der Betriebsaufspaltung geht die Verpachtung über den Rahmen einer bloßen Vermögensverwaltung hinaus, wenn die verpachteten Wirtschaftsgüter zu den wesentlichen Grundlagen der Betriebsgesellschaft (Pächterin) gehören (sachliche Voraussetzungen) und enge personelle Verflechtungen zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen bestehen (personelle Voraussetzungen). Diese steuerrechtliche Beurteilung hat ihren Grund darin, daß die hinter dem Besitz- und dem Betriebsunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, der (über das Betriebsunternehmen) auf die Ausübung einer gewerblichen Betätigung (§ 1 Abs. 1 GewStDV) gerichtet ist (vgl. BFH-Urteil vom 18. Juni 1980 I R 77/77, BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39).
Die Grundsätze über die Betriebsaufspaltung hat die Rechtsprechung zwar anhand von Sachverhalten entwickelt, in denen das Betriebsunternehmen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft und das Besitzunternehmen als Personengesellschaft geführt wurden. Sie gelten aber ebenfalls, wenn wie im Streitfall das Betriebsunternehmen eine Personengesellschaft ist und das Besitzunternehmen als Einzelunternehmen betrieben wird, sofern der Inhaber des Besitzunternehmens nicht als Mitunternehmer des von der Betriebspersonengesellschaft betriebenen Unternehmens angesehen werden kann (BFH-Urteile vom 18. Oktober 1972 I R 184/70, BFHE 107, 142, BStBl II 1973, 27; vom 29. Juli 1976 IV R 145/72, BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750).
Es ist ferner nicht erforderlich, daß der oder die Inhaber des Besitzunternehmens unmittelbar an dem Betriebsunternehmen beteiligt sind. Den für die Betriebsaufspaltung maßgeblichen Einfluß auf das Betriebsunternehmen kann auch eine mittelbare Beteiligung gewähren (BFH-Urteil vom 14. August 1974 I R 136/70, BFHE 114, 98, BStBl II 1975, 112).
2. Das FG geht im Streitfall zu Recht von einer (echten) Betriebsaufspaltung aus.
Die sachlichen Voraussetzungen dafür sind gegeben, weil die vom Kläger an die KG verpachteten Grundstücke und sonstigen Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach den unbestrittenen Feststellungen des FG zu den wesentlichen Grundlagen des Betriebs der KG gehören. Die personellen Voraussetzungen sind ebenfalls erfüllt, weil der Kläger als der Inhaber des Besitzunternehmens über die von ihm zu 98 v. H. beherrschte GmbH zugleich auch im Betriebsunternehmen (KG) seinen Willen durchsetzen kann.
Für die Durchsetzung des Willens in einem Unternehmen ist grundsätzlich der Besitz der Mehrheit der Anteile erforderlich. An dem Erfordernis einer Beteiligung von 75 v. H. hat der Senat in der Entscheidung vom 28. November 1979 I R 141/75 (BFHE 129, 279, BStBl II 1980, 162) nicht mehr festgehalten. In besonders gelagerten Einzelfällen kann die Fähigkeit, den Willen in dem Betriebsunternehmen durchzusetzen, auch ohne Anteilsbesitz durch eine besondere tatsächliche Machtstellung gegeben sein (BFHE 119, 462, BStBl II 1976, 750). Für die Durchsetzung des Willens im Betriebsunternehmen, das im Streitfall in der Rechtsform einer KG geführt wird, sind nach dem Gesellschaftsvertrag die Stimmrechtsverhältnisse maßgebend. Der Kläger hat über die von ihm beherrschte GmbH zwar nur eine Stimme gegenüber den drei Stimmen der Kommanditisten (seiner Ehefrau und seiner beiden Kinder). Die Stimme der Ehefrau ist ihm jedoch hinzuzurechnen.
Mit der Frage, welchen Einfluß es hat, daß an dem Betriebsunternehmen nicht nur der Inhaber des Besitzunternehmens, sondern außerdem nahe Angehörige -- Ehefrau und Kinder -- beteiligt sind, hat sich der erkennende Senat mehrfach befaßt. Er ist von der im Einzelfall widerlegbaren Vermutung ausgegangen, daß der Gesellschafter die Rechte seiner an der Gesellschaft beteiligten Ehefrau und seiner Kinder, soweit sie noch minderjährig und wirtschaftlich von ihm abhängig sind, in gleicher Richtung mit seinem eigenen Interesse wahrnimmt (BFH-Urteil vom 12. März 1970 I R 108/66, BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439, weiterhin BFHE 107, 142, BStBl II 1973, 27 und BFHE 131, 388, BStBl II 1981, 39). Sind Kinder erwachsen oder sind fremde Dritte an dem Betriebsunternehmen beteiligt, sind in der Regel keine Gründe ersichtlich, die es ausschließen, die Beteiligung der Ehefrau der des Ehemannes zuzurechnen. Diese Grundsätze beruhen entgegen der Auffassung der Revision nicht auf überholten patriarchalischen Vorstellungen; sie ergeben sich aus dem gemeinsamen Interesse der Eheleute als einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft.
Die Vermutung, daß Eheleute in der Regel gleichgerichtete Interessen vertreten und ihre Einwirkungsmöglichkeiten auf die Geschicke ihres Unternehmens übereinstimmend gestalten, verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Diese Verfassungsnorm verbietet zwar, Eheleute gegenüber Ledigen zu benachteiligen. Sie schließt aber nicht aus, daß die Ehe Anknüpfungspunkt für Rechtsfolgen aus den von Eheleuten gestalteten wirtschaftlichen Sachverhalten sein kann, soweit diese Rechtsfolgen der Natur eines geregelten Lebensverhältnisses angemessen sind (BVerfG-Entscheidung vom 14. April 1959 1 BvL 23, 34/57, BVerfGE 9, 237, 247, BStBl I 1959, 204, 240). Danach knüpft die Vermutung der gleichgerichteten Interessen unter Eheleuten nicht an die Ehe als solche an, sondern an die Lebenserfahrung, daß zwischen Eheleuten enge persönliche Bindungen bestehen, die eine Übereinstimmung in wirtschaftlichen Fragen erwarten lassen. Daraus folgt, daß bei der Prüfung, ob bei einer Betriebsaufspaltung ein Beherrschungsverhältnis besteht, bis zur Widerlegung der Vermutung vom Bestehen gleichgerichteter Interessen die Anteile von Eheleuten zusammenzurechnen sind (BFH--Urteil vom 24. Februar 1981 VIII R 159/78, BFHE 132, 472, BStBl II 1981, 379, mit Rechtsprechungsnachweis).
Wird im Streitfall die Stimme der Ehefrau der Stimme der vom Kläger beherrschten GmbH (Komplementärin) hinzugerechnet, ergibt sich zwar ein Stimmenverhältnis, das dem Kläger noch nicht den beherrschenden Einfluß in der KG sichert; den zusammengerechneten beiden Stimmen der GmbH und der Ehefrau stehen die beiden Stimmen der erwachsenen Kinder der Eheleute gegenüber. Es treten aber besondere Umstände hinzu, die dem Kläger den beherrschenden Einfluß in dem Betriebsunternehmen sichern. Abgesehen davon, daß er der Geschäftsführer der Komplementärin (GmbH) ist, die zur Geschäftsführung der KG berufen ist, entscheidet aufgrund des Gesellschaftsvertrags bei Stimmengleichheit die Stimme der Komplementärin. Die Stimme des hinter der GmbH stehenden Klägers und die ihm zuzurechnende Stimme der Ehefrau geben somit bei Meinungsverschiedenheiten mit beiden Kindern den Ausschlag. Gewähren somit diese Stimmrechtsverhältnisse dem Kläger die Beherrschung des Betriebsunternehmens (KG), dann ist die personelle Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen auch dann gegeben, wenn das Besitzunternehmen einem Ehegatten -- hier dem Kläger -- allein gehört.
Fundstellen
Haufe-Index 74501 |
BStBl II 1983, 136 |
BFHE 1982, 67 |