Leitsatz (amtlich)
Die in mehreren Betrieben vereinnahmten Entgelte (§ 11 Abs. 1 Satz 2 UStG) sind für die Frage, ob die Steuerfreiheit nach § 4 Ziff. 13 UStG 1934 (§ 4 Ziff. 17 UStG 1951) zu gewähren ist, auch dann zusammenzurechnen, wenn sich die Betriebe teils innerhalb der Westzonen und teils innerhalb der Sowjetzone Deutschlands befinden.
Normenkette
UStG § 2 Abs. 1 S. 2; UStG 1934 § 4 Ziff. 13; UStG 1951 § 4 Ziff. 17, § 11 Abs. 1 S. 2; GG Art. 116
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist Handelsvertreter, der seine Tätigkeit sowohl in Berlin-West als auch in Berlin-Ost ausübt. Seine Westberliner Umsätze haben im Jahre 1950 2 289 DM und im Jahre 1951 4 187 DM betragen. Der Bf. begehrte insoweit Umsatzsteuerfreiheit nach § 4 Ziff. 13 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1934 bzw. § 4 Ziff. 17 UStG 1951, weil die jeweiligen Freigrenzen nicht überschritten worden seien. Das Finanzamt lehnte das mit den Veranlagungen und den Einspruchsentscheidungen ab. Das Verwaltungsgericht ist dem Finanzamt beigetreten, weil auch der Sowjetsektor Berlins zum Inlande gehöre, infolgedessen für die Bestimmung des Gesamtumsatzes im Sinne des § 4 Ziff. 13 (Ziff. 17) UStG 1934 (1951) auch die im sowjetischen Sektor Berlins erzielten Umsätze des Bf. zu berücksichtigen seien und mangels einer Angabe auf einen Betrag geschätzt werden müßten, durch den sich jeweils ein Gesamtumsatz, der höher als die Freigrenze sei, ergebe.
Mit der Rechtsbeschwerde wird unter Berufung auf das frühere Vorbringen im wesentlichen ausgeführt, Deutschland sei keine Einheit mehr. Das Potsdamer Abkommen bestehe ebenfalls nicht mehr. Die Rechtsprechung der Zivilgerichte und des Sozialversicherungsamtes, die Handhabung auf den Gebieten der Einkommen- und der Gewerbesteuer, Äußerungen von Angehörigen der Besatzungsmächte, die verschiedenen Währungen, die verschiedene Zollbehandlung und die Ereignisse vom 17. Juni 1953 erwiesen, daß die Sowjetzone und der sowjetische Sektor von Berlin für die Bundesrepublik dem Auslande gleichständen. Artikel 116 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland (GG) sei demgegenüber bedeutungslos, da die Bundesrepublik nicht Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches sei. Die Vordrucke zu den Umsatzsteuererklärungen fragten auch nur nach den Umsätzen, die innerhalb des Bundesgebietes erzielt worden seien; darüber hinaus bestehe also keine Auskunftspflicht. Die Anordnungen der Besatzungsmächte vom 28. August und 12. November 1948 hätten die Tatsache, daß Berlin in zwei Umsatzsteuergebiete aufgeteilt sei, erkennbar gemacht. Es wäre auch eine Unbilligkeit, dem Bf. die Umsatzsteuerfreiheit zu versagen, weil er zwei voneinander völlig getrennte Büros unterhalten müsse und keinen Zweigbetrieb haben dürfe. Für ihn bestehe auch eine zweifache Krankenversicherungspflicht. Der kleinere Betrieb in West-Berlin sei steuerpolitisch schutzbedürftiger als der andere Betrieb.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde kann keinen Erfolg haben.
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend als Inland im Sinne des UStG das Reichsgebiet nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 angesehen (Art. 116 Abs. 1 GG). Der sowjetische Sektor von Berlin gehört sonach auf jeden Fall zum Inlande. Er ist nicht, wie z. B. das Saargebiet, einem fremden Zollgebiet angeschlossen und auch nicht, wie die jenseits der Oder-Neiße gelegenen Gebiete, der vorläufigen Auftragsverwaltung eines fremden Staates überwiesen worden. Infolge dieser ganz klaren Regelung, die eine analoge Anwendung der §§ 24 Abs. 3, 27 Abs. 3 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1951 in ausdehnendem Sinne nicht erlaubt, bildeten die Betriebe des Bf. in West-Berlin und in Ost-Berlin ein einheitliches Unternehmen (§ 2 Abs. 1 Satz 2 UStG). Als daher das Finanzamt prüfte, ob die Voraussetzungen für die Anwendung des § 4 Ziff. 13 (Ziff. 17) UStG 1934 (1951) vorlägen, mußte es zwecks Ermittlung der Gesamtumsätze nach den Umsätzen forschen, die der Bf. im sowjetischen Sektor von Berlin erzielt hatte. Daß diese sowjetzonalen Umsätze des Bf. nicht in West-Berlin zur Umsatzsteuer herangezogen werden, sondern seit der in der zweiten Hälfte des Jahres 1948 getroffenen Regelung der Besatzungsmächte im sowjetischen Sektor von Berlin, und daß deshalb die Vordrucke zu den Umsatzsteuererklärungen zunächst nicht nach den sowjetzonalen Umsätzen fragen, ändert nichts daran, daß diese sowjetzonalen Umsätze jeweils einen Teil des Gesamtumsatzes des Bf. bilden.
Gegenüber dieser umsatzsteuerlichen Behandlung und Betrachtungsweise ist es nicht von Belang, welche Regelungen auf den Gebieten des Einkommen-, des Gewerbesteuer- und des Zollrechts getroffen worden sind, welche Rechtsprechung die Zivilgerichte oder das Sozialversicherungsamt für die von ihnen zu beurteilenden Rechtsgebiete eingehalten haben, in welcher Weise sich Angehörige der Besatzungsmacht geäußert haben, und wie sich die Ereignisse vom 17. Juni 1953 und die Währungsverschiedenheit ausgewirkt haben. Wegen der Rechtsnachfolge der Bundesrepublik Deutschland im Verhältnis zum Deutschen Reiche kann auf das Urteil des Bundesfinanzhofs IV 439/51 S vom 21. Februar 1952 (Bundessteuerblatt 1952 III S. 128) und die daselbst angeführte Literatur und Rechtsprechung verwiesen werden.
Dieses Ergebnis ist auch nicht, wie der Bf. meint, unbillig. Hätte er nur ein Büro in Berlin, von wo aus er in den Westzonen und in der sowjetischen Zone seinem Berufe nachgehen könnte, so hätte er, wenn er die jeweiligen Freigrenzen des § 4 Ziff. 13 (Ziff. 17) UStG 1934 (1951) überschritte, nicht anders seine Umsätze zu versteuern, als in den Jahren 1950 und 1951, in denen er zwei Büros unterhielt. Wenn dem Bf. dadurch, daß er zwei Büros einrichtete, besondere Unkosten erwuchsen, so ist demgegenüber darauf hinzuweisen, daß er nicht so gehandelt hätte, wenn er sich keinen Vorteil davon versprochen hätte. Hat er aber das Risiko, das mit einer derartigen gewerblichen Betätigung sowohl in West-Berlin als auch in Ost-Berlin verbunden war, auf sich genommen, so muß er auch die steuerlichen Folgen tragen. Zu diesen steuerlichen Folgen gehört es auch, daß das Finanzamt, da der Bf. eine Auskunft über seine sowjetzonalen Umsätze verweigert, die Gesamtumsätze als die jeweiligen Freigrenzen übersteigend angenommen hat.
Die Rechtsbeschwerde ist nach alledem mit der Kostenfolge des § 307 der Reichsabgabenordnung zurückzuweisen.
Fundstellen
BStBl III 1954, 181 |
BFHE 1954, 710 |