Leitsatz (amtlich)
Verwendet ein Bediensteter der Europäischen Gemeinschaften sein Bausparguthaben innerhalb der Sperrfrist für einen Wohnungsbau am Arbeitsplatz in Belgien, so kann das Finanzamt bereits gewährte Wohnungsbauprämie zurückfordern.
Normenkette
WoPG 1960 § 2 Abs. 2 S. 3, § 5 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte hat im August 1963 mit dem Beamtenheimstättenwerk einen Bausparvertrag über eine Bausparsumme von 40 000 DM abgeschlossen. Für die im selben Jahr geleisteten prämienbegünstigten Aufwendungen auf den Bausparvertrag in Höhe von 4 590 DM hat der Beklagte und Revisionskläger (FA) eine Wohnungsbau-Prämie in Höhe von 400 DM gewährt.
Im Mai 1965 erhielt das FA die Mitteilung des Beamtenheimstättenwerks, daß der Kläger seine Ansprüche aus dem Bausparvertrag in Höhe von 40 000 DM beliehen und die Bausparsumme für einen Wohnungsbau im Ausland verwendet habe. Der Kläger, der Bediensteter der Europäischen Atomgemeinschaft (Euratom) ist, hat in der Nähe seines Arbeitsplatzes, nämlich in R. (Belgien) ein Eigenheim erbaut und hierfür die Bausparsumme verwendet.
Mit Bescheid vom 17. Januar 1966 forderte das FA die Wohnungsbau-Prämie für das Kalenderjahr 1963 zurück, weil ein Bauvorhaben im Ausland nicht prämienbegünstigt sei. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Sprungklage gab das FG statt und hob den Rückforderungsbescheid gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO auf. Das FG führte in seinem in EFG 1969, 278 veröffentlichten Urteil aus, daß der Kläger die Prämie nicht an das FA zurückzuzahlen habe. Er habe die Prämie und die prämienbegünstigten Aufwendungen erst nach der Zuteilung des Bausparvertrages erhalten. Mit den empfangenen Beträgen habe er sich als Bediensteter der Euratom unverzüglich und unmittelbar ein Eigenheim an seinem Arbeitsplatz in Belgien gebaut. Er habe damit die Prämie und die prämienbegünstigten Aufwendungen zu dem vertragsgemäßen Zweck im Sinne des § 5 Abs. 2 Satz 1 WoPG verwendet. Entgegen der vom FA vertretenen Auffassung könne der vertragsgemäße Zweck auch dann erfüllt werden, wenn ein deutscher Bediensteter der Europäischen Gemeinschaften an seinem Arbeitsplatz im Ausland baue. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 2 Satz 3 WoPG komme es nicht darauf an, ob der Prämienberechtigte im Inland oder im Ausland baue. Im Vordergrund stünden die Wohnraumbeschaffung für den Berechtigten, der Spargedanke und die Eigentumsbildung. Erst als das Bauen im Ausland größere Bedeutung erlangt habe, habe der Gesetzgeber lediglich die Anwendung des § 7b EStG auf Gebäude eingeschränkt, die im Geltungsbereich des EStG und im Saarland errichtet würden (vgl. Deutscher Bundestag, 3. Wahlperiode 1958, Drucksache 260 zu Art. 1 Ziff. 5a und Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zur Änderung steuerlicher Vorschriften auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und Ertrag und des Verfahrensrechts vom 18. Juli 1958, BStBl I 1958, 412 [416]). Die hier interessierenden Vorschriften der §§ 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG, 2 Abs. 2 WoPG seien im Zusammenhang mit der Änderung des § 7b EStG in dieser Hinsicht nicht geändert worden (vgl. Drucksache 260 zu Art. 1 Nr. 10 und Drucksache 264). Der Gesetzgeber habe damit in Kenntnis des Problems auf eine entsprechende Beschränkung des Sonderausgabenabzugs und der Prämienvergünstigung verzichtet. Daß sich daran auch für das WoPG 1960 nichts geändert habe, sei dem im Einvernehmen mit dem BdF ergangenen Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 11. Januar 1962 - abgedruckt in Der Betrieb 1962 S. 81 (DB 1962, 81) - zu entnehmen, in dem es ausdrücklich heiße, daß Beiträge an Bausparkassen auch dann begünstigt seien, wenn der Bausparer beabsichtige, die Bausparsumme innerhalb der Sperrfrist für ein Bauvorhaben im Ausland zu verwenden. Wenn die deutschen Bediensteten bei der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) nach dem früheren Art. 13 und jetzigen Art. 14 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Europäischen Gemeinschaft (Protokoll vom 8. April 1965, BGBl II, 1482) wie unbeschränkt Steuerpflichtige behandelt würden und damit prämienberechtigt seien (so Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaffsteuer, Anm. 98 zu § 10 EStG), dann sei es auch geboten, ihnen die Vergünstigung zu belassen, wenn sie innerhalb der Sperrfrist mit den empfangenen Beträgen ein Eigenheim an ihrem Wohnort und Arbeitsplatz in Belgien errichteten.
Das FA beruft sich zur Begründung seiner Revision auf das in EFG 1966, 101 veröffentlichte Urteil des FG Hamburg und das Urteil des BFH VI 269/61 U vom 1. März 1963 (BFH 76, 550, BStBl III 1963, 200), wonach als Wohnungsbau im Sinne des § 2 WoPG nur der Wohnungsbau im Inland zu verstehen sei. Diese Auffassung habe auch das BVerfG im Beschluß 1 BvR 268/63 vom 18. Dezember 1963 (DB 1964, 280) bestätigt, in dem es entschieden habe, daß die eingelegte Verfassungsbeschwerde gegen das BFH-Urteil VI 269/61 U (a. a. O.) offensichtlich unbegründet sei. Nach dem Sinn des Gesetzes könne nur der Wohnungsbau im Inland begünstigt sein; der deutsche Gesetzgeber könne nur das Ziel verfolgt haben, den Wohnungsbau im Inland zur Behebung der inländischen Wohnungsnot zu begünstigen. Aus den Begründungen zum WoPG könne für die Auffassung des FG nichts hergeleitet werden.
Der Kläger und Revisionsbeklagte weist in seiner Stellungnahme zur Revision darauf hin, daß er dem Beamtenstatut vom 18. Dezember 1961 (im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. 45 vom 14. Juni 1962) unterlegen habe. Danach habe er am Ort seiner dienstlichen Verwendung oder in dessen Nähe Wohnung nehmen müssen. Nach den vom FG angeführten Protokollen seien die Beamten der Gemeinschaften lediglich von den innerstaatlichen Steuern auf die von den Gemeinschaften gezahlten Gehälter befreit. Für die Erhebung der Einkommensteuer seien sie aber so anzusehen, als hätten sie ihren früheren Wohnsitz in Deutschland beibehalten. Danach seien die deutschen Beamten der Gemeinschaften unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, obwohl sie im Inland ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt seien. Als unbeschränkt Einkommensteuerpflichtigem stünde ihm unstreitig die Wohnungsbau-Prämie zu. Es bestehe kein Grund, dem deutschen Beamten der Europäischen Gemeinschaften die Wohnungsbau-Prämie wieder abzufordern, wenn er sich an seinem Dienstort im Ausland ein Eigenheim errichte.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision des FA ist begründet.
Das Urteil des FG verletzt geltendes Recht; es steht mit den Vorschriften der §§ 2 Abs. 2 Satz 3, 5 Abs. 2 WoPG i. d. F. vom 25. August 1960 (BGBl I 1960, 713, BStBl I 1960, 617) nicht im Einklang. Der Senat hat bereits in dem Urteil VI 269/61 U (a. a. O.) zu den entsprechenden Vorschriften des WoPG i. d. F. vom 21. Dezember 1954 ausgesprochen, daß eine schädliche Verwendung der vorzeitig ausgezahlten Bausparsumme vorliegt, wenn diese für einen Wohnungsbau im Ausland verwendet worden ist. Der Senat hält an dieser Rechtsauslegung grundsätzlich fest und vermag sie auch nicht für Bauvorhaben einzuschränken, die ein deutscher Bediensteter bei den EWG-Behörden an seinem Dienstort im Ausland ausführt und dazu Bausparmittel innerhalb der Sperrfrist verwendet.
Der Auffassung des FG, es komme nach dem eindeutigen und vollständigen Wortlaut des WoPG nicht darauf an, ob der Prämienberechtigte im Inland oder im Ausland baue, kann nicht gefolgt werden. Die Vorschriften des WoPG, die nach den Eingangsworten des § 1 die "Förderung des Wohnungsbaus" bezwecken, können sich vielmehr eindeutig nur auf die Förderung des Wohnungsbaus in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) beziehen. Das Gesetz hat seinen Grund in der Wohnungsnot nach dem Krieg. Diese durch Förderungsmaßnahmen auf dem Gebiet des inländischen Wohnungsmarktes zu beseitigen, war der Zweck des WoPG. Hierfür spricht auch die Fassung der §§ 1 und 2 WoPG, die nicht bereits die hier angeführten Beiträge im Hinblick auf ihre Leistung als solche begünstigen, sondern sie ausdrücklich auf Aufwendungen zur "Förderung" des Wohnungsbaus beschränken und dann anführen, welche Aufwendungen als solche zur Förderung des Wohnungsbaus "gelten" (§ 2 Abs. 1 Nr. 1-4 WoPG). Zugleich hat das Gesetz den Prämienanspruch zwar auf natürliche Personen beschränkt und weiter auf solche, die im Sinne des EStG unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind; es hat aber diesen den Anspruch nur gegeben, wenn sie die Voraussetzungen des Gesetzes auch sonst erfüllen.
Hätte der Revisionsbeklagte die Sperrfrist eingehalten, so wäre eine Rückforderung der Prämie nicht in Betracht gekommen. Bei Beiträgen zu Bausparkassen ist nach § 2 Abs. 2 WoPG eine Förderung des inländischen Wohnungsbaus bereits darin zu sehen, daß die Beiträge während der Sperrfrist der Bausparkasse zur Verfügung stehen und von dieser zur Gewährung von Baudarlehen an andere Bausparer verwendet werden können. Nach Ablauf der Sperrfrist kann der Bausparer über sein Guthaben und die ihm gemäß § 3 WoPG gewährten Prämien frei verfügen. Unstreitig hat der Revisionsbeklagte aber die im Kalenderjahr 1963 geleisteten prämienbegünstigten Bausparbeiträge innerhalb der Sperrfrist mit der Zuteilung der Bausparsumme zurückerhalten. Er hat diese zwar unverzüglich zum Bau eines Eigenheims verwendet, aber eben nicht im Gebiet der BRD, was wie dargelegt allein unschädlich gewesen wäre.
Der Hinweis des FG auf die geänderte Fassung des § 7b EStG 1958 (vgl. auch § 54 EStG 1963) vermag die vom Senat bereits im Urteil VI 269/61 U (a. a. O.) vertretene enge Auslegung des WoPG nicht zu widerlegen. Der Senat sieht darin nur eine Klarstellung des bereits vorher geltenden Rechtes, weil der Gesetzgeber auch im Rahmen des § 7b EStG keinesfalls den Wohnungsbau im Ausland durch erhöhte Abschreibungen zu fördern einen Anlaß gehabt haben konnte. Bei dieser Auslegung kann es dahinstehen, weshalb nicht auch in § 10 Abs. 2 Nr. 2 EStG eine entsprechende Klarstellung erfolgt ist. Das WoPG ist jedenfalls nach Ansicht des Senats klar und eindeutig. Auch der Hinweis des FG auf den in DB 1962, 81 abgedruckten mit Zustimmung des BdF ergangenen Erlaß beweist nichts; er ist durch das Urteil VI 269/61 U (a. a. O.) überholt (vgl. dazu DB 1962, 654 und den dort angef. Erlaß des Finanzministers Nordrhein-Westfalen vom 10. Mai 1962).
Der Senat hat den Darlegungen des FG entsprechend erwogen, ob bei dem hier gegebenen Sachverhalt die Verwendung der vorzeitig ausgezahlten Bausparmittel um deswillen als unschädlich im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 3 2. Halbsatz WoPG behandelt werden kann und muß, weil der Wohnsitz des Klägers in R. in Belgien nach Art. 13 des Protokolls über die Vorrechte und Befreiungen der Euratom (BGBl II 1957, 1212) einkommensteuerrechtlich als in der BRD befindlich angesehen wird. Für eine solche Behandlung haben sich Stäuber-Hartung-Walter (Kommentar zum Wohnungsbau-Prämiengesetz, 3. Aufl., Tz. 63) ausgesprochen, um den im Inland unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Bediensteten der Europäischen Gemeinschaften damit die Möglichkeit zu geben, an ihrem ständigen dienstlichen Wohnsitz ein Familieneigenheim zu bauen. Hierfür mag manches sprechen; das wäre dann aber ein Anliegen an den Gesetzgeber. Der Senat sieht sich zu einer derartigen Behandlung nicht als befugt an. Geht man wie der Senat davon aus, daß das WoPG ausschließlich die Förderung des inländischen Wohnungsbaus betrifft, so läge in jener Behandlung eine Ausweitung der gesetzlichen Regelungen, für die allein die Wohnsitzfingierung und die dadurch bedingte unbeschränkte Steuerpflicht keine zureichende Grundlage bieten, zumal die Einhaltung der Sperrfrist ja den Prämienanspruch belassen hätte.
Das Urteil des FG war danach wegen Verletzung geltenden Rechts aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO); die Sache ist spruchreif. Nach den unstreitigen Sachfeststellungen des FG hat der Kläger die im Kalenderjahr 1963 geleisteten Bausparbeiträge innerhalb der Sperrfrist prämienschädlich, nämlich für einen nicht begünstigten Wohnungsbau im Ausland, verwendet. Das FA war deshalb gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 3 WoPG 1960 berechtigt, die bereits gewährte Wohnungsbau-Prämie mit Bescheid vom 17. Januar 1966 zurückzufordern. Die gegen diesen Bescheid erhobene Sprungklage war abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 413153 |
BStBl II 1972, 304 |
BFHE 1972, 405 |