Leitsatz (amtlich)
1. § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB hält sich im Rahmen der Ermächtigung des § 16 Abs. 2 UStG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Ziff. 1 UStG.
2. Den Werklieferungen im Sinne des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB stehen nicht die Lieferungen von Seeschiffen durch eine Werft an einen inländischen Abnehmer gleich.
3. Eine Werft kann daher für die Lieferung von sog. Vorratsschiffen an einen inländischen Abnehmer im Ausland Ausfuhrvergütung nach § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB nicht erhalten.
Normenkette
UStG § 16 Abs. 2, § 18 Abs. 1 Nr. 1; UStDB § 71 Abs. 1 Ziff. 5, § 77 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Nach den unstreitigen Feststellungen des Finanzgerichts baute die Bfin., ohne daß ein Auftrag dafür vorgelegen hatte, das Fahrgastmotorschiff "X". Die Bfin. übergab das Schiff nach Fertigstellung ihrer Organgesellschaft. Die Übergabe fand am 13. August 1959 im Ausland statt. Für diesen Vorgang beantragte die Bfin. wegen des Organverhältnisses keine Umsatzsteuervergütung. Die Organgesellschaft überließ das Schiff entsprechend einem bereits früher von der Bfin. abgeschlossenen Chartervertrag an die ausländische X-Linie. Am 7. Juni 1961 verkaufte die Bfin. das Schiff an die inländische Y-AG und übergab es dieser am 10. Juni 1961 in ausländischen Hoheitsgewässern. Den Kaufpreis vereinnahmte die Bfin. im II. Halbjahr 1961.
Am 12. Juni 1961 beantragte die Bfin. Ausfuhrvergütung. Das Finanzamt lehnte die Vergütung mit Bescheid vom 7. August 1961 mit der Begründung ab, die Übergabe des Schiffes an die Y-AG stelle nicht eine Werklieferung im Sinne des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB, sondern eine Lieferung dar, da die damalige Herstellung des Schiffes infolge des zwischenzeitlichen Gebrauchs mit der jetzt erfolgten Übergabe nicht in Verbindung gebracht werden könne. Lieferungen im Ausland an inländische Abnehmer seien aber nicht vergütungsfähig. Die Ablehnung begründete das Finanzamt auch damit, daß die Ausschlußfrist für die Antragstellung abgelaufen sei.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht war der Auffassung, daß § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB durch die Ermächtigung der §§ 16, 18 Abs. 1 Ziff. 1 UStG 1951 nicht gedeckt sei, da im Fall des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB ein Gegenstand nicht ausgeführt werde. Wenn man aber diese Vorschrift als gültig ansehe, könne die Bfin. Ausfuhrvergütung nicht beanspruchen, da eine Werk lieferung an die Y-AG nicht ausgeführt worden sei.
Mit der Rb. macht die Bfin. geltend, der vorliegende Sachverhalt weiche, wirtschaftlich betrachtet, von dem regelmäßigen Tatbestand bei Schiffsneubauten nur wenig ab. § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB umfasse daher auch diesen Sonderfall. Im übrigen gehöre das Wort "Werklieferung" nicht zum materiell-rechtlichen Tatbestand der Bestimmung. Der Begriff diene lediglich der Zusammenfassung der beiden in § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB geregelten Vergütungstatbestände. Dabei müsse angenommen werden, daß der Verordnungsgeber bei Abfassung dieser Vorschrift den vorliegenden Sondersachverhalt nicht im Auge gehabt habe. Diese Annahme werde dadurch gestützt, daß hinter dem Wort Werklieferung im § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB der in Ziff. 2 und 4 dieser Vorschrift verwendete Klammer-Zusatz "§ 3 Abs. 2 des Gesetzes" weggelassen sei; gerade dadurch sei zum Ausdruck gebracht, daß das Wort Werklieferung eine materiell-rechtliche Bedeutung nicht besitze. Würde man dem Begriff materiell-rechtliche Bedeutung beimessen, so würden die vergütungsrechtlichen Vergünstigungen auf Werklieferungen beschränkt. Für eine solche Beschränkung ergebe sich jedoch keinerlei sachlicher Grund, da die Verwendungsart von Seeschiffen, die auf Grund von Werklieferungsverträgen erbaut worden seien und von in Fahrt gesetzten sogenannten Vorratsschiffen völlig gleich sei. Auch würde eine solche Beschränkung der Entstehungsgeschichte des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB zuwiderlaufen, weil gerade für die Werftindustrie in Krisenzeiten der Bau von Vorratsschiffen ohne Vorliegen von Bauaufträgen angezeigt sei, um die Betriebe nicht zum Erliegen kommen zu lassen.
Entscheidungsgründe
Die Rb. hat keinen Erfolg.
1. Der Senat kann der Auffassung des Finanzgerichts nicht folgen, daß § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB sich nicht im Rahmen der Ermächtigung des § 16 Abs. 2 UStG in Verbindung mit § 18 Abs. 1 Ziff. 1 UStG halte. Das Finanzgericht hat insoweit Bezug genommen auf seine Entscheidung vom 27. Februar 1961 III 101/59 (Entscheidungen der Finanzgerichte -- EFG -- 1961 S. 379). In dieser Entscheidung hat das Finanzgericht die Auffassung vertreten, daß durch § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB Vergütung gewährt werde, obwohl eine Ausfuhr im Sinne des § 16 UStG nicht vorliege. Der Senat hat in den Entscheidungen V 91/59 U, V 151/61 U und V 161/61 U, jeweils vom 10. Mai 1962 (BStBl 1962 III S. 293, 295) mangels einer Begriffsbestimmung den Begriff der Ausfuhr im Sinne des § 16 UStG ausgelegt. Dabei kann aber nicht verkannt werden, daß der Senat den Ausfuhrbegriff im Hinblick auf den den entschiedenen Fällen zugrunde liegenden Sachverhalt auszulegen hatte. In den angeführten Entscheidungen ist es darum gegangen, ob Schiffe, die unter deutscher Flagge fahren und einem inländischen Reeder gehören, einen deutschen Heimathafen haben und im Schiffsregister registriert sind, als ausgeführt anzusehen sind, wenn sie im Rahmen ihres normalen Einsatzes die Zollgrenze jeweils überschreiten. Für diese Fälle hat der Senat entschieden, daß eine Ausfuhr so lange nicht stattfindet, als mit der Überschreitung der Zollgrenze eine endgültige Veränderung in den Eigentumsverhältnissen nicht zu erwarten ist. Dem Bereich der inländischen Wirtschaft hat der Senat nur für jene Fälle der Schiffsbewegung über die Zollgrenze Bedeutung beigemessen, die im Rahmen des normalen Einsatzes eines deutschen Seeschiffes immer wieder stattfindet (vgl. Urteil V 151/61 U vom 10. Mai 1962, a. a. O.).
Aus den entschiedenen Fällen läßt sich nicht ohne weiteres der Schluß ziehen, auch bei der Übergabe eines Seeschiffes durch eine Werft an ihren inländischen Abnehmer liege eine Ausfuhr nicht vor. Denn es handelt sich hier um einen besonderen Sachverhalt, der mit dem Sachverhalt der entschiedenen Fälle nicht vergleichbar ist. Die Übergabe eines Seeschiffes durch eine Werft außerhalb der Zollgrenze ist mit einer einmaligen Schiffsbewegung verbunden, die nichtim Rahmendes normalen Einsatzes eines Schiffes stattfindet. Aus den erwähnten Entscheidungen des Senats ergibt sich jedoch, daß der Ausfuhrbegriff mindestens eine Überschreitung der Zollgrenze voraussetzt. Es kann daher dem Begriff, da er rechtlich nicht bestimmt ist, auch in den Fällen genügt sein, in denen die Zollgrenze überschritten wird, um einen Schiffsneubau im Ausland zu übergeben.
Die Gewährung von Vergütung widerspricht auch in diesen Fällen mit Rücksicht auf die Zweckbestimmung der Seeschiffe, vorwiegend im Ausland eingesetzt zu werden, nicht dem Sinn und Zweck des § 16 Abs. 2 UStG. Denn die Befreiung des Exportes von der Umsatzsteuer mit Hilfe der Vergütung hat ganz allgemein den Zweck, dem deutschen Kaufmann auf dem Auslandsmarkt die gleichen Startmöglichkeiten zu sichern wie dem ausländischen Kaufmann. Treten aber mit Umsatzsteuer belastete deutsche Seeschiffe auf dem Auslandsmarkt mit Umsatzsteuer entlasteten ausländischen Seeschiffen in Frachtenwettbewerb, so kann durch die Umsatzsteuervorbelastung der deutschen Seeschiffe eine Benachteiligung der deutschen Reeder eintreten. Unter diesen Umständen hält es der Senat als mit dem Sinn und Zweck des Vergütungsrechts vereinbar, wenn für Schiffe, die von deutschen Werften für inländische Reeder erbaut und an diese im Ausland übergeben werden, nach § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB Umsatzsteuervergütung gewährt wird. Damit werden nicht, wie das Finanzgericht meint, Beförderungsleistungen als solche begünstigt, sondern es wird nur dem Umstand Rechnung getragen, daß die Seeschiffe, die solche Beförderungsleistungen ausführen, ohne Entlastung von der Umsatzsteuer durch die Vergütung in ihrer Wettbewerbsfähigkeit beschränkt wären.
2. Gleichwohl kann aber die Rb. keinen Erfolg haben. Nach dem Wortlaut des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB gilt als gewerbliche Verwendung im Ausland und damit als ausfuhrvergütungsfähiger Vorgang im Sinne des § 77 Abs. 1 Ziff. 2 UStDB die Werklieferung im Ausland an einen inländischen Abnehmer, soweit es sich um ein vom Antragsteller hergestelltes Seeschiff handelt. Nach bürgerlichem Recht (§ 651 BGB) ist unter Werklieferung ein Vertrag zu verstehen, durch den jemand verpflichtet wird, ein Werk aus von ihm zu beschaffenden Stoffen herzustellen. In Anlehnung an diese bürgerlich-rechtliche Auffassung liegt nach § 3 Abs. 2 UStG eine Werklieferung vor, wenn jemand die Bearbeitung oder Verarbeitung eines Gegenstandes übernommen hat und hierbei selbst beschaffte Stoffe verwendet, die nicht nur Zutaten oder Nebensachen sind. Die in der Herstellung des Werkes liegende Leistung wird jedoch umsatzsteuerrechtlich nicht aufgeteilt in eine Arbeitsleistung und in die Lieferung des fertigen Werkes, sondern einheitlich als Lieferung des fertigen Werkes betrachtet (Eckhardt-Schettler, Umsatzsteuer, 7. Auflage, S. 39). Die Werklieferung ist somit umsatzsteuerrechtlich ein Unterfall der Lieferung, jedoch mit besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen. Trifft dies aber zu, dann kann in solchen Fällen wie z. B. in § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB, in denen besondere Rechtsfolgen gerade an eine Werklieferung geknüpft sind, nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, daß dieselben Rechtsfolgen auch bei einer Lieferung eintreten sollen, unbeschadet des Umstandes, daß umsatzsteuerrechtlich Lieferung und Werklieferung gleichbehandelt werden. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob durch einen besonderen Klammerzusatz auf den Begriff der Werklieferung in § 3 Abs. 2 UStG verwiesen ist. Denn dieser Begriff ist durch § 3 Abs. 2 UStG einheitlich für das ganze UStG bestimmt. Es müßte im Gegenteil eine Abweichung davon besonders zum Ausdruck gebracht werden. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß in § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB der Begriff der Werklieferung nicht im Sinn des § 3 Abs. 2 UStG gebraucht wäre, auch wenn eine Verweisung auf diese Vorschrift fehlt. Nachdem Wortlaut des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB ist sonach nur vergütungsfähig die Werklieferung und nicht die Lieferung eines Seeschiffes an einen inländischen Abnehmer.
3. Der Bfin. kann auch nicht darin gefolgt werden, daß die hier vertretene Auffassung eine sachlich ungerechtfertigte Einschränkung der Ausfuhrvergütung zur Folge hätte, obwohl der Sachverhalt bei Werklieferung und Lieferung wirtschaftlich nur wenig abweiche. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Voraussetzung, von der die Bfin. ausgeht, zutrifft. Sobald es sich jedenfalls um die Auswirkungen auf das Vergütungsrecht handelt, besteht ein erheblicher Unterschied zwischen Lieferung und Werklieferung. Denn bei einer Lieferung steht die Vergütung nur dem Händler, bei einer Werklieferung aber auch dem Hersteller zu. Es kann nicht ohne weiteres angenommen werden, daß der Verordnungsgeber eine Vergütung, die dem Wortlaut der Bestimmung nach nur dem Hersteller gewährt werden sollte, auch dem Händler zukommen sollte. Dies gilt um so mehr für den Tatbestand des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB, der in Abweichung von dem übrigen Vergütungsrecht eine Vergütung auch vorsieht, wenn der Abnehmer der Werklieferung ein Inländer ist. Wollte man mit der Bfin. auch § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB auf die Fälle der Lieferung an inländische Abnehmer anwenden, so würden damit alle Schiffsverkäufe zwischen Inländern, wenn nur die Übergabe des Schiffes im Ausland stattfindet, vergütungsfähig sein. Damit würde aber der Tatbestand des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB in einer Weise ausgedehnt, die mit dem Sinn der Ausfuhrvergütung und mit dem Sinn dieser Bestimmung nicht vereinbar wäre. Der Sinn dieser Bestimmung liegt auch darin, den Werften Aufträge zu verschaffen. Es erscheint dem Senat ausgeschlossen, daß der Verordnungsgeber für alle Schiffsverkäufe an Inländer schlechthin Vergütung gewähren wollte. Denn nach dem Wortlaut des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB, der auch insoweit einen guten Sinn hat, sollen lediglich die Hersteller von Seeschiffen, d. h. die Werften, mit den Schiffsneubauten vergütungsberechtigt sein, und zwar auch dann, wenn es sich um inländische Abnehmer handelt.
Auch wenn man in § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB mit der Bfin. darin eine Lücke sehen sollte, daß die Lieferungen nicht als vergütungsfähig angeführt sind, so kann nicht angenommen werden, daß der Verordnungsgeber die Lücke vernünftigerweise in dem Sinn geschlossen hätte, daß auch Lieferungen an inländische Abnehmer vergütungsberechtigt sein sollen.
Kann demnach § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB nicht auf Lieferungen an inländische Abnehmer ausgedehnt werden, so kann dies auch nicht geschehen, wenn, wie im Streitfall, eine Werft ein Seeschiff liefert.
4. Gegen diese Auffassung kann auch nicht eingewendet werden, daß dadurch der Bau von Schiffen ohne Auftrag in Krisenzeiten gehindert werde und damit eine solche Auslegung zu einem wirtschaftlich unvernünftigen Ergebnis führe. Dabei wird übersehen, daß die Werften tatsächlich an dem Bau von Vorratsschiffen nicht gehindert werden; denn die hier vertretene Auslegung des § 71 Abs. 1 Ziff. 5 UStDB steht nur einer Vergütung für den Verkauf von Vorratsschiffen an inländische Abnehmer entgegen. Beim Verkauf von Vorratsschiffen an ausländische Abnehmer erhalten die Werften ohne weiteres Vergütung, weil der Verkauf eines sogenannten Vorratsschiffes an einen ausländischen Abnehmer im Ausland den Vergütungstatbestand des § 71 Abs. 1 Ziff. 1 UStDB erfüllt.
Unter diesen Umständen war die Rb. als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411852 |
BStBl III 1965, 742 |
BFHE 1966, 667 |