Leitsatz (amtlich)
1. Die Entschädigung für eine faktische Bausperre unterliegt auch dann nicht der Einkommensteuer, wenn sie anhand eines gedachten Erbbauzinses errechnet worden ist.
2. Die Zinsen für die verspätete Auszahlung einer solchen Entschädigung sind Einnahmen aus Kapitalvermögen.
Orientierungssatz
1. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ergänzt die Einkünftetatbestände der §§ 13 bis 23 EStG, schafft indessen keinen neuen Besteuerungstatbestand. Es muß demgemäß eine kausale Verknüpfung zwischen Entschädigung und den entgangenen Einnahmen bestehen. Die entgangenen Einnahmen müssen, falls sie erzielt worden wären, steuerpflichtig sein. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist auch dann noch anwendbar, wenn die Art der entgangenen Einnahmen zwar nicht eindeutig bestimmt werden kann, aber nach allen denkbaren Sachverhaltsalternativen steuerpflichtige Einnahmen einer bestimmten Einkunftsart entgangen sind. Kommen mehrere Einkunftsarten in Betracht, entfällt die Anwendbarkeit der Vorschrift (vgl. BFH-Rechtsprechung). Gleiches gilt, wenn nicht auszuschließen ist, daß die Entschädigung auch als Ersatz für entgangene nicht steuerbare Einnahmen gewährt worden sein könnte.
2. Eine faktische Bausperre ist dadurch gekennzeichnet, daß der Grundstückseigentümer mit Rücksicht auf die Erklärung des Bauamts von der Einreichung eines formellen Baugesuchs absieht oder an einer beabsichtigten Veräußerung als Bauland gehindert wird. Der Vorgang stellt eine entschädigungspflichtige Eigentumsbeschränkung i.S. des Art. 14 Abs. 3 GG dar. Zu ersetzen ist lediglich der Substanzschaden. Der Schaden wird nach der sog. Bodenrenteformel errechnet. Danach besteht die Entschädigung aus dem fiktiven Mietzins, Pachtzins oder Erbbauzins für das unbebaute Grundstück (vgl. BGH-Rechtsprechung; Literatur).
3. § 24 Nr. 3 EStG erweitert die Einkommensteuerpflicht nicht. Diese Vorschrift sondert vielmehr Nutzungsvergütungen, die bereits nach § 2 Abs. 1, §§ 13 bis 23 EStG der Besteuerung unterliegen, zwecks Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 3 EStG aus. Werden Zinsen (oder Nutzungsvergütungen) i.S. des § 24 Nr. 3 EStG für einen Zeitraum von mehr als drei Jahren nachgezahlt, ist die Vergünstigung des § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 EStG nicht auf den drei Jahre überschreitenden Vergütungszeitraum zu beschränken (vgl. BFH-Urteil vom 14.3.1985 IV R 143/82).
4. Sonstige Kapitalforderungen jeder Art i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG 1971 (siehe auch § 20 Abs. 1 Nr. 8 EStG 1977) sind alle auf einen Geldbetrag gerichteten Forderungen, die nicht schon nach einem anderen Tatbestand des § 20 Abs. 1 EStG zu erfassen sind; Zinsen hieraus sind alle Entgelte, die für eine solche Kapitalüberlassung im weitesten Sinne entrichtet werden, gleichviel, ob die Forderung vertraglich oder hoheitlich begründet worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 29.9.1981 VIII R 39/79).
Normenkette
EStG 1971 § 20 Abs. 1 Nr. 4, § 21 Abs. 1 Nr. 1, § 22 Nr. 3, § 24 Nr. 1 Buchst. a, Nr. 3, § 34 Abs. 2 Nr. 3; EStG 1977 § 20 Abs. 1 Nr. 8; GG Art. 14 Abs. 3; EStG §§ 13-23
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist der Sohn und Alleinerbe seiner 1974 verstorbenen Mutter (Steuerpflichtige).
Die Steuerpflichtige war Eigentümerin eines Trümmergrundstücks. Sie war durch eine sog. faktische Bausperre an einem Wiederaufbau des Gebäudes gehindert. Es war zwar keine förmliche Bausperre ausgesprochen; die Stadt A hatte jedoch angekündigt, keine Baugenehmigung zu erteilen.
Die Stadt A überwies der Steuerpflichtigen 1973 einen Entschädigungsbetrag von 72 723,34 DM. Die Zahlung war in einem Schreiben der Stadt A wie folgt erläutert worden:
"Die Entschädigungspflicht für Bausperren im Saarland beginnt mit der Einführung des Grundgesetzes am 1.1.1957, und endet im vorliegenden Falle am 6.4.1964 mit der Bekanntmachung als Umlegungsgebiet.
Die Stadtverwaltung macht Ihnen folgendes Entschädigungsangebot:
435 qm x 217,- DM/qm = 94.395,- DM Bodenwert x 7 % gedachten Erbbauzins = 6 607,65 DM jährliche Entschädigung.
Somit vom 1. 1. 1957 bis 6. 4. 1964 = 48.015,15 DM
zuzügl. Zinsen mit 2 % über Diskont bis
vorerst 31. 12. 1969 = 23.831,12 DM
------------
71.846,27 DM."
Der Auszahlungsbetrag erhöhte sich um weitere 877,07 DM Zinsen für die Zeit vom 1.Januar bis 20.März 1970.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfaßte in der Veranlagung der Steuerpflichtigen zur Einkommensteuer für 1973 die Hauptentschädigung von 48 015 DM als Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung --davon tarifbegünstigt 30 010 DM-- und die Zinsen von 24 708 DM als Einkünfte aus Kapitalvermögen --davon tarifbegünstigt 22 214 DM--. Die Tarifbegünstigung wurde gemäß § 24 Nr.3, § 34 Abs.2 Nr.3 des Einkommensteuergesetzes 1971 (EStG) insoweit gewährt, als die Entschädigung und die Zinsen einen um drei Jahre übersteigenden Zeitraum betrafen. Der Einspruch hatte im Streitpunkt keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab: Die Hauptentschädigung sei ein Ausgleich für entgangene Miet- oder Pachtzinseinnahmen, die die Steuerpflichtige ohne die faktische Bausperre hätte erzielen können. Unerheblich sei, daß die Stadt A das Grundstück tatsächlich nicht genutzt habe. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe Nutzungsentschädigungen, die wegen eines behördlichen Eingriffs zum Ausgleich für Mietverluste gezahlt worden seien, als Einkünfte gemäß § 21 Abs.1 Nr.1 EStG angesehen (Urteil vom 14.Juni 1963 VI 216/61 U, BFHE 77, 169, BStBl III 1963, 380).
Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung der §§ 2, 20, 21, 24 EStG und mangelnde Sachaufklärung. Er macht geltend:
§ 21 EStG erfasse lediglich Gebrauchsüberlassungen. Die Stadt A habe keine Möglichkeit gehabt, das Grundstück zu nutzen. Es sei vielmehr ein hoheitlicher Eingriff in das Eigentum gemäß § 18 des Bundesbaugesetzes (BBauG) oder analog Art.14 Abs.3 des Grundgesetzes (GG) entschädigt worden. Charakteristisch für eine solche Entschädigung sei, daß sie den eigentlichen Substanzschaden ausgleiche und keinen Ersatz für entgangene Nutzungsmöglichkeiten gebe. Das FG unterstelle überdies zu Unrecht, daß die Steuerpflichtige das Grundstück durch Vermietung hätte nutzen können.
Eine sonstige Leistung nach § 22 Nr.3 EStG entfalle, weil nicht einmal ein Unterlassen der Steuerpflichtigen zu erkennen sei; die Bausperre sei behördlich verfügt worden.
Die sog. Verzugszinsen könnten nicht gemäß § 20 EStG erfaßt werden. Die Zinszahlungen hätten ihren Rechtsgrund in § 99 Abs.3 BBauG und seien untrennbarer Teil der Entschädigung. Das BFH-Urteil vom 22.April 1980 VIII R 120/76 (BFHE 130, 451, BStBl II 1980, 570) verkenne den untrennbaren Zusammenhang von Entschädigung und Verzinsung; beide glichen den erlittenen Substanzschaden aus. Die Zinsregelung des § 99 Abs.3 BBauG habe bei wirtschaftlicher Betrachtung den Charakter einer Wertsicherung. Die Vorinstanz habe feststellen müssen, auf welchen Zeitpunkt der Ausgangswert ermittelt worden sei. Vorsorglich werde die Verletzung der Sachaufklärungspflicht gerügt (§ 76 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und der Einspruchsentscheidung den Einkommensteuerbescheid insoweit abzuändern, daß die Bausperrennutzungsvergütung von 72 723,34 DM nicht der Einkommensteuer unterworfen wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur niedrigeren Steuerfestsetzung (§ 126 Abs.3 Nr.1 FGO).
Die Entschädigung unterliegt nicht der Einkommensteuer. Die Zinsen sind hingegen zu Recht als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelt worden.
1. Die Entschädigung von 48 015,15 DM unterliegt nicht der Einkommensteuer.
a) Dem FG kann nicht darin gefolgt werden, daß der Betrag eine Einnahme aus Vermietung und Verpachtung darstellt.
aa) Nach § 21 Abs.1 Nr.1 EStG sind Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung die Einkünfte aus der Vermietung und Verpachtung von unbeweglichem Vermögen, insbesondere von Grundstücken. Zwischen der Steuerpflichtigen und der Stadt A war kein Miet- oder Pachtverhältnis über das Trümmergrundstück zustande gekommen. Die Steuerpflichtige war vielmehr auch nach Eintritt der faktischen Bausperre allein nutzungsberechtigt. Die Nutzungsmöglichkeiten, die ihr durch die Bausperre genommen worden waren, waren nicht auf die Stadt übergegangen. Zwar ist, wie das FG zu Recht ausführt, unerheblich, daß die Stadt das Grundstück tatsächlich nicht genutzt hat. Erforderlich wäre aber gewesen, daß sie es hätte nutzen können. An einer solchen Berechtigung fehlte es.
Die Bezugnahme des FG auf das Urteil in BFHE 77, 169, BStBl III 1963, 380 geht fehl. Nach diesem Urteil sind Nutzungsentschädigungen, die einem Grundstückseigentümer für die Beschlagnahme des Grundstücks durch die Besatzungsmacht gewährt wurden, Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. In diesem Fall war die Besatzungsmacht jedoch --wenn auch aufgrund eines hoheitlichen Eingriffs-- berechtigt, das beschlagnahmte Grundstück zu nutzen; sie hatte es offenbar auch tatsächlich genutzt. Es stellte sich die Frage, ob eine zwangsweise Gebrauchsüberlassung unter § 21 Abs.1 Nr.1 EStG fällt. Der BFH hat diese Frage mit der Erwägung bejaht, daß § 21 Abs.1 Nr.1 EStG unabhängig von der zivilrechtlichen Einkleidung generell die Gebrauchsüberlassung unbeweglichen Vermögens besteuern will (siehe auch Urteil vom 5.Oktober 1973 VIII R 78/70, BFHE 111, 43, BStBl II 1974, 130). Das Gesetz gibt jedoch keinen Anhalt dafür, daß auch Gebrauchsminderungen eines Grundstücks als Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs.1 Nr.1 EStG qualifiziert werden könnten, ohne daß ein Dritter die Nutzungsmöglichkeit erlangte.
bb) Die Entschädigung kann nicht als Ersatz für entgangene Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs.1 Nr.1, § 24 Nr.1 Buchst.a EStG angesehen werden. § 24 Nr.1 Buchst.a EStG ergänzt die Einkünftetatbestände der §§ 13 bis 23 EStG, schafft indessen keinen neuen Besteuerungstatbestand (BFH-Urteil vom 25.März 1975 VIII R 183/73, BFHE 115, 472, 475, BStBl II 1975, 634). Es muß demgemäß eine kausale Verknüpfung zwischen Entschädigung und den entgangenen Einnahmen bestehen (BFH-Urteil vom 19.Oktober 1978 VIII R 9/77, BFHE 126, 405, 408, BStBl II 1979, 133). Die entgangenen Einnahmen müssen, falls sie erzielt worden wären, steuerpflichtig sein (BFH-Urteil vom 16.August 1978 I R 73/76, BFHE 126, 199, BStBl II 1979, 120). § 24 Nr.1 Buchst.a EStG ist nach Auffassung des erkennenden Senats auch dann noch anwendbar, wenn die Art der entgangenen Einnahmen zwar nicht eindeutig bestimmt werden kann, aber nach allen denkbaren Sachverhaltsalternativen steuerpflichtige Einnahmen einer bestimmten Einkunftsart entgangen sind. Kommen mehrere Einkunftsarten in Betracht, entfällt die Anwendbarkeit der Vorschrift (BFH-Urteil vom 21.September 1982 VIII R 140/79, BFHE 137, 407, 411, BStBl II 1983, 289). Gleiches gilt, wenn nicht auszuschließen ist, daß die Entschädigung auch als Ersatz für entgangene nicht steuerbare Einnahmen gewährt worden sein könnte.
Diese Voraussetzungen sind nach den Feststellungen des FG nicht gegeben. Allerdings hat die Stadt den Entschädigungsbetrag anhand eines "gedachten Erbbauzinses" von 7 % des Bodenwerts für den entschädigungspflichtigen Zeitraum 1.Januar 1957 bis 6.April 1964 errechnet. Wird angenommen, daß die Steuerpflichtige ohne die faktische Bausperre das Grundstück im Erbbaurecht zu dem genannten Erbbauzins vergeben hätte, wären die Erbbauzinsen steuerpflichtige Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung i.S. des § 21 Abs.1 Nr.1 EStG gewesen (BFH-Urteil vom 19.Januar 1982 VIII R 102/78, BFHE 135, 434, 436, BStBl II 1982, 533 mit Nachweisen). Ebenso würde es sich verhalten, wenn der nicht näher begründeten Annahme des FG gefolgt werden könnte, die Steuerpflichtige hätte ohne die Bausperre "höhere Mieteinnahmen erzielen können".
Die Revision weist demgegenüber zu Recht darauf hin, daß außer der Erbbaurechtsbestellung an dem unbebauten, aber bebauungsfähigen Grundstück und außer der Bebauung mit anschließender Vermietung noch andere Möglichkeiten der Nutzung und Verwertung in Betracht gekommen wären, die vom FG nicht in Erwägung gezogen worden sind. Zu denken ist vor allem daran, daß das Grundstück unbebaut verkauft worden wäre; so soll der Kläger später verfahren sein. Die Bausperre hätte sich unter diesem Blickwinkel für die Steuerpflichtige als kaufpreismindernder Umstand ausgewirkt; entgangen wäre ihr ein höherer Kaufpreis, der als außerbetrieblicher Veräußerungserlös nicht der Einkommensteuer unterlegen hätte. Es ist auch die --allerdings fernliegende-- Möglichkeit nicht ganz auszuschließen, daß die Steuerpflichtige das Grundstück weder verkauft noch bebaut, sondern es beispielsweise als Garten genutzt hätte. Die Steuerpflichtige hätte dann --möglicherweise zu Unrecht-- die Entschädigung erhalten, ohne daß ihr überhaupt Einnahmen entgangen wären. Schließlich kann der Annahme des FG, daß ein errichtetes Gebäude vermietet worden wäre, entgegengehalten werden, die Steuerpflichtige hätte ein solches Gebäude auch für eigene gewerbliche Zwecke nutzen oder einem Dritten --beispielsweise einem Angehörigen-- zum Wohnen oder für gewerbliche Zwecke überlassen können. Die Voraussetzungen, die eine Steuerpflicht ausgelöst hätten, wären in diesen Fällen teilweise nicht gegeben gewesen.
Das FG hat von diesen zahlreichen Verhaltensmöglichkeiten der Steuerpflichtigen nur die Bebauung und Vermietung herausgegriffen und die anderen außer acht gelassen. Es bedarf keiner Zurückverweisung an das FG, damit dieses feststellt, welche Möglichkeit die Steuerpflichtige konkret in Betracht gezogen hätte. Abgesehen davon, daß solche Ermittlungen wenig erfolgversprechend sind, weil die Steuerpflichtige verstorben ist, wären derartige "Feststellungen" rechtsunerheblich. Die Vorstellungen des Grundstückseigentümers hinsichtlich der Nutzung seines Grundstücks für den Fall der Bebaubarkeit sind hypothetischer Natur. Für die Bemessung der Entschädigung war die fehlende Bebauungsmöglichkeit als solche erheblich. Damit entfallen auch einkommensteuerrechtlich spekulative Überlegungen darüber, welche Nutzung im Falle einer Bebauungsmöglichkeit stattgefunden hätte. Sämtliche aufgezeigten Nutzungsmöglichkeiten sind in Betracht zu ziehen, keine von ihnen kann ausgeschlossen werden, wenn der Nachteil der fehlenden Bebauungsmöglichkeit nicht zu eng gesehen werden soll. Da danach auch Verluste von nicht steuerbaren Einnahmen, das Fehlen von Einnahmenverlusten oder Verluste von steuerpflichtigen Einnahmen nach mehreren Einkunftsarten in Betracht kommen, entfällt die Anwendung des § 24 Nr.1 Buchst.a EStG.
Hierzu führt auch die Überlegung der Revision, daß ein Substanzverlust entschädigt worden ist. Eine faktische Bausperre ist dadurch gekennzeichnet, daß der Grundstückseigentümer mit Rücksicht auf die Erklärung des Bauamts in verständlicher Weise von der Einreichung eines formellen Baugesuchs absieht oder an einer beabsichtigten Veräußerung als Bauland gehindert wird (Urteil des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10.Februar 1972 III ZR 188/69, BGHZ 58, 124, 129 f.). Der Vorgang stellt eine entschädigungspflichtige Eigentumsbeschränkung i.S. des Art.14 Abs.3 GG dar (BGH-Urteile in BGHZ 58, 124, 130; vom 14.Dezember 1978 III ZR 77/76, BGHZ 73, 161, 182; vom 25.September 1980 III ZR 18/79, BGHZ 78, 152, 160). Zu ersetzen ist lediglich der Substanzschaden (BGH-Urteil vom 4.Juni 1962 III ZR 163/61, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1962, 2051). Der Schaden wird nach der sog. Bodenrenteformel errechnet. Danach besteht die Entschädigung aus dem Betrag, den ein Bauwilliger gezahlt hätte, wenn ihm gestattet worden wäre, auf dem Grundstück ein Haus zu errichten (Bodenrente), abzüglich des Werts der Nutzung, die durch die Bausperre nicht beeinträchtigt worden ist (BGH-Urteil vom 20.März 1975 III ZR 16/72, Der Betrieb --DB-- 1975, 1842). Das ist der fiktive Miet-, Pacht- oder Erbbauzins für das unbebaute Grundstück (Gelzer/Busse, Der Umfang des Entschädigungsanspruchs aus Enteignung und enteignungsgleichem Eingriff, 2.Aufl., 1980 S.171; Aust/Jacobs, Die Enteignungsentschädigung, 2.Aufl., 1984 S.161).
Die auch im Streitfall angewandte Bodenrenteformel geht zwar von einem zu erzielenden fiktiven Ertrag aus, benutzt diesen jedoch lediglich als ein Hilfsmittel zur Berechnung der durch die Bausperre entstandenen Substanzeinbuße. Die Bebaubarkeit ist für ein unbebautes Grundstück ein werterhöhendes Merkmal; fehlt sie, ist der Wert des Grundstücks gemindert. Die Wertminderung ließe sich möglicherweise auch anders ermitteln, beispielsweise, falls Vergleichsobjekte in ausreichender Zahl vorhanden sind, durch einen Preisvergleich bebaubarer und nicht bebaubarer Grundstücke. Die Besteuerung kann nicht davon abhängig sein, nach welcher Wertermittlungsmethode die Substanzeinbuße bemessen wird.
Die Auffassung des FA, eigentumsbeschränkende Maßnahmen --wie hier die faktische Bausperre-- hätten keine (teilweise) enteignende Wirkung, steht im Widerspruch zu Art.14 GG und der angeführten Rechtsprechung zur faktischen Bausperre.
b) Der Entschädigungsbetrag gehört auch nicht zu den Einkünften aus Leistungen i.S. des § 22 Nr.3 EStG. Allerdings hat die Rechtsprechung Entgelte für wertmindernde Einschränkungen der Rechte des Grundstückseigentümers unter gewissen Voraussetzungen nach § 22 Nr.3 EStG erfaßt (BFH-Urteile vom 5.August 1976 VIII R 97/73, BFHE 120, 180, BStBl II 1977, 26 betreffend Verzicht auf Einhaltung des vorgeschriebenen Grundstücksabstands; vom 26.Oktober 1982 VIII R 83/79, BFHE 138, 177, BStBl II 1983, 404 betreffend Gestattung eines Hochbaues auf dem Nachbargrundstück). In diesen Fällen lag indessen ein vertraglich vereinbartes Dulden vor. Im Streitfall wurde hingegen hoheitlich in das Eigentumsrecht der Steuerpflichtigen eingegriffen. Es ist kein Verhalten der Steuerpflichtigen erkennbar, das als Dulden, Unterlassen oder sonstiges Tun angesehen werden könnte.
c) Das FG stützt seine Entscheidung schließlich auf § 24 Nr.3 EStG. Danach gehören zu den Einkünften i.S. des § 2 Abs.1 EStG auch die Nutzungsvergütungen für die Inanspruchnahme von Grundstücken für öffentliche Zwecke. Auch diese Vorschrift erweitert die Steuerpflicht nicht (BFH-Urteil vom 21.April 1966 VI 366/65, BFHE 85, 448, BStBl III 1966, 460). Sie sondert vielmehr Nutzungsvergütungen, die bereits nach § 2 Abs.1, §§ 13 bis 23 EStG der Besteuerung unterliegen, zwecks Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 34 Abs.2 Nr.3 EStG aus. Die Entschädigung des Streitfalls ist, wie vorstehend dargelegt, weder eine Nutzungsvergütung nach § 21 Abs.1 Nr.1 EStG noch nach § 22 Nr.3 EStG.
2. Hingegen sind die Zinsen in Höhe von 24 708 DM Einnahmen aus Kapitalvermögen, nämlich Zinsen aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art (§ 20 Abs.1 Nr.4, siehe auch § 20 Abs.1 Nr.8 EStG 1977). Sonstige Kapitalforderungen jeder Art sind alle auf einen Geldbetrag gerichteten Forderungen, die nicht schon nach einem anderen Tatbestand des § 20 Abs.1 EStG zu erfassen sind; Zinsen hieraus sind alle Entgelte, die für eine solche Kapitalüberlassung im weitesten Sinne entrichtet werden, gleichviel, ob die Forderung vertraglich oder hoheitlich begründet worden ist (BFH-Urteil vom 29.September 1981 VIII R 39/79, BFHE 134, 281, BStBl II 1982, 113 betreffend Verzugszinsen). Der Senat hat demgemäß Zinsen, die gemäß § 99 Abs.3 BBauG für eine Grundstücksenteignungsentschädigung gezahlt werden, nach § 20 Abs.1 Nr.4 EStG erfaßt (BFHE 130, 451, BStBl II 1980, 570).
Es kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall die Verzinsung aus § 99 Abs.3 BBauG oder unmittelbar aus Art.14 GG (dazu Gelzer/Busse, a.a.O., S.69) herzuleiten ist. Enteignungsrechtlich wird die Verzinsung als ein Ausgleich dafür angesehen, daß die im Zeitpunkt des Enteignungsakts an die Stelle des entzogenen Vermögenswerts tretende (Geld-)Entschädigung regelmäßig erst später ausgezahlt wird. Die Zinsen sind ein Ausgleich dafür, daß der Enteignete die Entschädigung eine Zeit lang nicht nutzen konnte (Aust/Jacobs, a.a.O., S.258). Es handelt sich um das Entgelt dafür, daß das in der Entschädigung festliegende Kapital vorerst nicht anderweit genutzt werden kann.
Nicht gefolgt werden kann der Auffassung der Revision, daß die Zinsen, wirtschaftlich gesehen, lediglich die eingetretenen Inflationsverluste aus der verspäteten Auszahlung der Hauptentschädigung milderten; die Zinsregelung habe den Charakter einer Wertsicherung. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf seine Urteile vom 14.Mai 1974 VIII R 95/72 und VIII R 162/73 (BFHE 112, 546 und 567, BStBl II 1974, 572 und 582). Auf die Verfahrensrüge kommt es danach nicht an.
Es bestehen keine Bedenken gegen die Gewährung des begünstigten Steuersatzes nach § 24 Nr.3, § 34 Abs.2 Nr.3 EStG. Die Zinsen beziehen sich auf eine Entschädigung für die Inanspruchnahme des Grundstücks für öffentliche Zwecke. Die Vergünstigung ist nicht auf den drei Jahre überschreitenden Vergütungszeitraum zu beschränken (BFH-Urteil vom 14.März 1985 IV R 143/82, BFHE 143, 457, BStBl II 1985, 463).
3. Die Vorentscheidung, die teilweise von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Einkommensteuer 1973 ist wie folgt herabzusetzen: ...
Fundstellen
Haufe-Index 60924 |
BStBl II 1986, 252 |
BFHE 145, 320 |
BFHE 1986, 320 |
BB 1986, 373-374 (ST) |
HFR 1986, 237-238 (ST) |