Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Finanziert ein Steuerpflichtiger mit Hilfe des von einer Bausparkasse auf Grund eines Bausparvertrags erhaltenen Geldes noch innerhalb der Sperrfrist das Bauvorhaben eines anderen auf dessen Grundstück, so liegt keine unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau im Sinn von § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG 1953 vor, wenn er dadurch die Errichtung von Wohnungen für seine Arbeitnehmer als Kreditgeber fördert.
Tritt in einem Jahr ein nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Satz 5 EStG 1953 den Sonderausgabenabzug ausschließender Umstand ein, so kann das FA die Nachversteuerung bereits in dem Jahr vornehmen, in dem die zunächst als Sonderausgaben behandelten Bausparbeiträge gezahlt wurden, sofern die Veranlagung für dieses Jahr noch nicht rechtskräftig ist.
Normenkette
EStG § 10/1/2/b; EStG § 10/1/3; EStG § 10/2/2; EStDV § 15b
Tatbestand
Streitig ist der Abzug von Bausparkassenbeiträgen von 63.000 DM für 1953 und 39.000 DM für 1954 als Sonderausgaben. Die Stpfl. haben diese Zahlungen auf zwei im Dezember 1953 geschlossene Bausparverträge über 120.000 DM und 80.000 DM geleistet. Die Bausparkasse zahlte dem Stpfl. im Jahre 1955 auf die beiden Verträge insgesamt 193.696 DM aus. Die Stpfl. verwendeten diese Zahlungen zur teilweisen Abdeckung eines Kredits bei einer Sparkasse und zur Bezahlung von Baurechnungen für ein Haus, dessen Errichtung auf dem Grundstück des Vaters der Ehefrau am 1. April 1953 begonnen wurde und das im Sommer 1954 bezugsfertig geworden war. Die Baukosten von etwa 3000.000 DM hatten die Stpfl. bis auf einen geringen Betrag von 6.500 DM allein getragen, und zwar durch Hingabe von § 7c-Geldern und weiteren Darlehen.
Das FA, das bei den Einkommensteuerveranlagungen Im Jahre 1953 und 1954 die im Dezember 1953 und im Dezember 1954 an die Bausparkasse geleisteten Zahlungen im Rahmen der Höchstbeträge zunächst als Sonderausgaben anerkannt hatte, berichtigte diese Veranlagungen, als es durch eine Betriebsprüfung von der Verwendung der Zahlungen der Bausparkasse Kenntnis erhielt und die Einkommensteuerveranlagungen bereits aus anderen Gründen zu ändern waren. Es versagte nunmehr den Sonderausgabenabzug. Der Einspruch der Stpfl. hiergegen wurde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Berufung der Stpfl. hatte Erfolg. Das FG führte zur Begründung seines in EFG 1965, 535 veröffentlichten Urteils insbesondere aus: Die streitigen Bausparbeiträge seien allein deshalb, weil mit ihrer Hilfe Wohnungen für die Arbeitnehmer errichtet worden seien, noch nicht Betriebsausgaben. Die buchmäßige Behandlung der später ausgezahlten Bausparsummen sei ebenfalls ohne Bedeutung für die Entscheidung, ob die Bausparbeiträge zur Zeit ihrer Einzahlungen Betriebsausgaben oder Sonderausgaben seien. Durch die Weiterleitung der Bausparmittel an den Vater der Ehefrau hätten diese die Eigenschaft von Baudarlehen nicht verloren. Ebenso sei dadurch die unverzügliche und unmittelbare Verwendung der Bausparmittel nicht beeinträchtigt worden. Es genüge, wenn der Stpfl. das Recht erhalte, über die von ihm finanzierten Wohnungen für eine angemessene Reihe von Jahren in der Weise zu verfügen, daß er darin nach freiem Ermessen Personen seiner Wahl unterbringen könne. Die Begriffsbestimmung "Baudarlehen" schließe es nicht aus, daß ein Steuerpflichtiger auf diese Weise mehrere Wohnungen mit demselben Gebäude finanziere. Das lasse sich noch mit der gebotenen großzügigen Auslegung des § 10 Abs. 1 Nr. 2 b EStG 1953, der zum Bau von Wohnungen mit Hilfe des Bausparens anregen wolle, vereinbaren.
Das FA rügt mit seiner Revision unrichtige Anwendung des § 10 EStG 1953 und des § 15b EStDV 1953. Zur Begründung trägt es vor: Die Stpfl. hätten das von dem Vater der Ehefrau errichtete, aber von ihnen finanzierte Haus für einen Jahrespauschpreis von 16.600 DM gemietet und dann von den vorhandenen 15 Wohnungen 11 an die Arbeitnehmer des Betriebs des Ehemanns vermietet. Dieser Vorgang sei ein Betriebsvorgang. Der Zufluß der von der Bausparkasse vorzeitig ausgezahlten Mittel sei als Einlage in das Betriebsvermögen zu behandeln und das später an den Schwiegervater gegebene Darlehen sei als Aktivposten in die Bilanz einzustellen gewesen mit der Folge, daß der Abzug der streitigen Bausparbeiträge entfalle. Werde diese Rechtsauffassung nicht geteilt, so entfalle gleichwohl der Abzug der Bausparbeiträge als Sonderausgaben, weil es an einer unmittelbaren Verwendung der Bausparmittel fehle, wie sich aus den Grundsätzen des Urteils des BFH VI 125/60 U vom 17. Februar 1961 (BFH 72, 484, BStBl III 1961, 176) ergebe.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Nach dem für den Abzug der streitigen Bausparbeiträge als Sonderausgaben maßgebenden § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG 1953 durften vor Ablauf von drei Jahren seit Abschluß der Bausparverträge die Bausparsummen weder ganz noch teilweise ausgezahlt werden. Das ist im Streitfall geschehen, wobei es nicht darauf ankommt, ob - was vom FG nicht festgestellt wurde - die Auszahlung im Wege der Vorfinanzierung der Bausparverträge der Stpfl. geschehen ist, oder ob es sich um eine ungewöhnlich schnelle Zuteilung des Baudarlehens handelte.
Die Auszahlung innerhalb der dreijährigen Sperrfrist wäre nur unschädlich, wenn die von der Bausparkasse ausgezahlten Beträge unverzüglich und unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet worden wären. Wie der Senat im Urteil VI 29/64 vom 30. April 1965 (BFH 86, 507, BStBl III 1966, 533) entschieden hat, ist eine unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau anzunehmen, wenn der Bausparer das vor Ablauf der gesetzlichen Sperrfrist von der Bausparkasse erhaltene Geld zur Finanzierung eines von ihn als Bauherrn errichteten Wohngebäudes verwendet oder wenn der Bausparer das innerhalb der Sperrfrist erhaltene Geld einem anderen zur Finanzierung eines Hausbaus überläßt, in dem er selbst Anspruch auf eine Mietwohnung erhält. Keine dieser Voraussetzungen ist im Streitfall erfüllt.
Das FG ist der Auffassung, eine unmittelbare Verwendung zum Wohnungsbau liege auch vor, wenn ein Bausparer das von der Bausparkasse erhaltene Geld zur Finanzierung von Wohnungen in einem von einem Dritten errichtete Haus verwende, sofern er über diese Wohnungen nach Belieben verfügen könne. Diese Auffassung steht im Gegensatz zu den Grundsätzen des Senatsurteils VI 29/64 (a. a. O.), an denen der Senat festhält. Die Stpfl. haben mit dem Geld der Bausparkasse als Kreditgeber den Hausbau des Vaters der Ehefrau finanziert. Auch bei großzügiger Auslegung der steuerlichen Vorschriften liegt hierin nach den Grundsätzen dieses Urteils keine begünstigte unmittelbare Verwendung des Geldes der Bausparkasse zum Wohnungsbau durch den Bausparer.
Da also die Stpfl. das von der Bausparkasse erhaltene Geld vor Ablauf der für ihre beiden Bausparverträge geltenden Sperrfrist von drei Jahren nicht unmittelbar zum Wohnungsbau verwendet haben, sind für die in den Streitjahren gezahlten Bausparbeiträge die Voraussetzungen für einen Abzug als Sonderausgaben nicht erfüllt. Die Vorentscheidung, die auf einer anderen rechtlichen Beurteilung beruht, war daher aufzuheben.
Da demnach ein Sonderausgabenabzug für die in den Jahren 1953 und 1954 aufgewendeten Bausparbeiträge nicht in Betracht kommt, braucht nicht entschieden zu werden, ob die Bausparverträge nicht etwa von vornherein in vollem Umfang den Gewerbebetrieb des Ehemannes betrafen. Dafür könnte an sich nicht nur die Verwendung der Geldmittel für den Bau eines Hauses in dem im wesentlichen Wohnungen für Arbeitnehmer des Ehemannes geschaffen wurden, sprechen, sondern vor allem die Verbuchung des von der Bausparkasse ausgezahlten Geldes als Betriebseinnahme. Da Sonderausgaben im Sinn von § 10 EStG nur Aufwendungen sind, die zum privaten Lebensbereich der Stpfl. gehören, würde ein Zusammenhang der Bausparverträge mit dem Gewerbebetrieb des Ehemanns den Abzug der Bausparbeiträge als Sonderausgaben ausschließen (Urteil des Senats VI 55/63 S vom 27. November 1964, BFH 81, BStBl III 1965, 214). Die Stpfl. hätten auch nicht, wie das FG wohl angenommen hat, ein Wahlrecht zwischen der Behandlung der Bausparbeiträge als Betriebsausgaben oder als Sonderausgaben; denn ein solches Wahlrecht kommt nach dem Urteil VI 55/63 S (a. a. O.) nur in Betracht, wenn ein Steuerpflichtiger mit Hilfe eines Bausparvertrags ein Gebäude errichten will, das sowohl seinen gewerblichen als auch seinen eigenen Wohnzwecken dienen soll, sofern die Bausparsumme die Voraussichtlich für die Errichtung seiner Wohnung entstehenden Baukosten nicht übersteigen wird.
Nach § 15 b Abs. 2 EStDV 1953, der nach § 81 Abs. 4 EStDV 1955 für die beiden im Jahre 1953 geschlossenen Bausparverträge bei der Besteuerung für 1955 maßgebend bleibt, ist eine Nachversteuerung bei vorzeitiger Auszahlung der Bausparsumme oder bei einer Beleihung innerhalb der Sperrfrist in dem Jahr durchzuführen, in dem die vorzeitige Auszahlung der die Beleihung erfolgte, und zwar durch Nacherhebung der Steuer, um die die Steuerschuld des Bausparers durch den - wie inzwischen feststeht - zu Unrecht vorgenommenen Abzug der Bausparbeiträge als Sonderausgaben gekürzt wurde. Diese Regelung beruht auf der Erwägung, daß dann, wenn die vorzeitige Auszahlung der Bausparsumme oder die unzulässige Beleihung erfolgt, im allgemeinen die Steuerfestsetzungen der Jahre bereits rechtskräftig sind, in denen die Bausparbeiträge als Sonderausgaben berücksichtigt wurden. Sind die Steuerfestsetzungen dieser Jahre jedoch noch nicht rechtskräftig, so besteht kein Anlaß, die Besteuerung zum Zwecke der Nachversteuerung lediglich rechnerisch aufzurollen, um den Steuerbetrag zu ermitteln, der sich durch die Nichtberücksichtigung der Bausparbeiträge ergibt, damit dieser dann nach § 15 b EStDV 1953 in dem Jahr nacherhoben wird, in dem die vorzeitige steuerschädliche Auszahlung von der Bausparkasse geleistet wurde. Es ist vielmehr sinnvoll, in solchen Fällen die steuerlich richtige Behandlung gleich bei der Steuerfestsetzung des Jahres vorzunehmen, um das es geht. Das hat der Senat bereits im Urteil VI 160/63 vom 1. Dezember 1964 (HFR 1965 S. 263) entschieden.
Da im Streitfall die Einkommensteuerveranlagungen der Stpfl. für die Jahre 1953 und 1954 infolge der Wiederaufrollung nach einer Betriebsprüfung noch nicht rechtskräftig sind, bestehen keine Bedenken, bei der Besteuerung dieser Veranlagungszeiträume den vom FA zunächst zu Unrecht vorgenommenen Abzug der Bausparbeiträge als Sonderausgaben zu versagen. Da dies in der Einspruchsentscheidung zutreffend geschehen ist, war die Berufung der Stpfl., die nach dem Inkrafttreten der FGO als Klage zu behandeln ist, nach Aufhebung des Urteils des FG als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 412677 |
BStBl III 1967, 575 |
BFHE 1967, 195 |
BFHE 89, 195 |