Leitsatz (amtlich)
1. Beförderungen auf Wasserstraßen, die der Unternehmer als Teil- oder Nebenleistungen zu Warenlieferungen erbringt, bilden mit den Warenlieferungen einen einheitlichen Umsatz und sind nicht steuerfrei.
2. Die Einheit des Umsatzes bleibt auch dann gewahrt, wenn der Einkauf und der Transportauftrag je von verschiedenen Gesellschaften eines Konzerns ausgehen.
3. Nicht abzugsfähige Vorfrachten sind gegeben, wenn der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung in eigene Anlagen oder eigene Transportmittel verbringen läßt.
Normenkette
UStG 1951 § 4 Nr. 9, § 5 Abs. 4 Nr. 1; UStDB § 35 Abs. 1 Nr. 1; UStG 1967 § 4 Nr. 6 a
Verfahrensgang
Nachgehend
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) gewinnt in eigenen Gruben Rohbims. Den Rohbims bringt sie teils mit eigenen, teils mit fremden Lastkraftwagen in einen Hafen. Dort gelangt der Rohbims über eine Transportvorrichtung und ein Brecherwerk der Steuerpflichtigen in einen gemieteten Silo. Das nunmehr lieferbare Material verlädt die Steuerpflichtige mit Hilfe eines gleichfalls gemieteten Krans auf ihre Schiffe und befördert es „frei Empfangsort” zu den Abnehmern. Die Rechnungsbeträge sind aufgeteilt in den Preis für den gelieferten Bims einschließlich Hafenumschlaggebühren und in die Frachtkosten vom Ladehafen zum Bestimmungsort zuzüglich Kanalgebühren.
Die Steuerpflichtige berechnete in ihren Steuererklärungen die Umsatzsteuerschuld lediglich aus den für den Bims gezahlten Kaufpreisen. Die Erlöse für Transporte einschließlich Kanalgebühren ließ sie nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 umsatzsteuerfrei. Die Hafenumschlaggebühren und die Ausgaben für den Transport von der Grube bis zum Hafen (sog. Fremdfuhrkosten) setzte sie als Versendungsauslagen nach § 5 Abs. 4 Nr. 1 UStG 1951 ab. Nach einer Betriebsprüfung unterwarf der Revisionsbeklagte (Finanzamt – FA –) die Erlöse aus den Transporten mit den eigenen Schiffen sowie einem gepachteten Schiff, ferner die den Abnehmern gesondert in Rechnung gestellten Hafenumschlaggebühren und die abgesetzten Fremdfuhrkosten der Umsatzsteuer zu 4 v. H. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Mit der Revision beantragt die Steuerpflichtige, die Umsatzsteuer ohne die streitigen Erhöhungen nach den Ergebnissen der Betriebsprüfung neu festzusetzen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat mit Recht für den Transport von selbsterzeugtem Bims auf eigenen oder gepachteten Schiffen die Steuerbefreiung nach § 35 Abs. 1 Nr. 1 UStDB versagt. Das angefochtene Urteil berücksichtigt zutreffend das letzte zu dieser Rechtsfrage amtlich veröffentlichte BFH-Urteil V 32/63 U vom 20. Mai 1965 (BFH 82, 695, BStBl III 1965, 497).
Die Ausführungen in der Revisionsbegründung rechtfertigen keine andere Entscheidung. Es braucht vor allem nicht erörtert zu werden, ob § 35 Abs. 1 Nr. 1 UStDB bei isolierter philologischer Wortinterpretation zu einer Steuerbefreiung hinsichtlich der Einnahmen eines Unternehmers führen müßte, die diesem für Schiffstransporte im Rahmen eigener Liefergeschäfte zufließen. Denn die richtige Bedeutung der Vorschrift kann nur aus ihrem Sinn und Zweck für das Umsatzsteuerrecht erkannt werden. Hiernach ist aber – so die ständige Rechtsprechung des Senats – unter „Beförderung” nur eine Fortbewegung von Gütern durch einen Frachtführer oder Güterbeförderer – also nicht den Lieferanten – zu verstehen; die Fortbewegung muß Selbstzweck oder Hauptzweck der Tätigkeit sein (BFH-Urteil V 18/58 U vom 20. Oktober 1959, BFH 69, 622, BStBl III 1959, 492). Im Streitfall sind die Transporte nicht die alleinigen Leistungen der Steuerpflichtigen gegenüber ihren Abnehmern, sondern sie treffen mit den Lieferungen zusammen. Sie sind zu den Bimslieferungen gehörende Leistungen und damit weder Selbstzweck noch Hauptzweck der Tätigkeit der Steuerpflichtigen. Die Schiffsfrachten teilen daher auch bei gesondertem Ausweis auf den Rechnungen jeweils das Schicksal der Hauptleistung, die in der Lieferung von Bims besteht und voll der Umsatzsteuer unterliegt (so für Kieslieferungen das BFH-Urteil V 32/63 U, a. a. O., bei Ausstellung getrennter Rechnungen für Lieferung und Transport). Umsatzsteuerlich unerheblich ist der Leistungsort im Sinne des bürgerlichen Rechts. Das FG brauchte deshalb nicht – wie von der Steuerpflichtigen zur Begründung einer weiteren Verfahrensrüge behauptet – über den Leistungsort (§ 269 BGB) Feststellungen zu treffen.
Die Steuerpflichtige weist in der Revisionsbegründung ferner darauf hin, daß sie auf Grund dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung hinsichtlich ihrer Schiffstransporte gegenüber selbständigen Beförderungsunternehmen umsatzsteuerlich benachteiligt werde. Dieser Nachteil ergibt sich zwangsläufig aus dem bis zum 31. Dezember 1967 geltenden Umsatzsteuersystem, das einstufige Unternehmen teils schlechter, teils besser stellt als mehrstufige. Die hiermit verbundenen Mängel an Wettbewerbsneutralität müssen für die begrenzte Geltungsdauer des früheren Umsatzsteuerrechts hingenommen werden. Wie der Senat bereits im Urteil V 87/60 S vom 13. Dezember 1962 (BFH 76, 204, BStBl III 1963, 72) ausgeführt hat, muß das bis zum 31. Dezember 1967 geltende Umsatzsteuerrecht als Ganzes und in seinem Zusammenhang mit dem gesamten Steuersystem gesehen werden. Mit dieser Betrachtungsweise läßt es sich nicht vereinbaren, einzelne umsatzsteuerrechtliche Bestimmungen entgegen ihrem Sinn und Zweck zugunsten von Steuerpflichtigen mit mehrstufigen Unternehmen anzuwenden (hier Herstellung und Transport). Es steht jedem Steuerpflichtigen frei, ein mehrstufiges Unternehmen oder einstufiges Unternehmen zu betreiben, je nachdem es ihm unter Berücksichtigung aller Steuerarten günstiger erscheint.
Schließlich können die der H.-GmbH in K. gesondert in Rechnung gestellten Schiffsfrachten nicht von der Umsatzsteuer befreit werden. Sie betreffen zwar die Lieferungen an andere Gesellschaften des H.-Konzerns. Dennoch hat das FG die Umsatzsteuerbefreiung zutreffend mit der Begründung abgelehnt, es könne nicht darauf ankommen, ob innerhalb eines bestimmten Konzerns, der umsatzsteuerlich ein einheitliches Gebilde darstelle, die Abrechnung sämtlicher Schiffsfrachten einer bestimmten Gesellschaft übertragen worden sei. Die Gesellschaften des H.-Konzerns sind umsatzsteuerlich gesehen Betriebsabteilungen des gleichen Auftraggebers und nicht – wie die Steuerpflichtige in der Revisionsbegründung meint – verschiedene Auftraggeber. Die Einheit des Umsatzes bleibt grundsätzlich auch dann gewahrt, wenn der Einkauf und der Auftrag über den Transport des gelieferten Gegenstandes von verschiedenen Betriebsabteilungen des Abnehmers gegeben werden. Die Begründung des BFH-Urteils V 32/63 U (a. a. O.), in dem Lieferauftrag und Transportauftrag verschiedenen Betriebsabteilungen des Lieferanten erteilt wurden, gilt sinngemäß.
Die Fremdfuhrkosten und die Hafenumschlaggebühren, soweit sie den Umschlag des Bimses in eigene Schiffe oder in das gepachtete Schiff betreffen, können von den Entgelten im Sinne des Umsatzsteuerrechts nicht gemäß § 5 Abs. 4 UStG 1951 abgezogen werden. Es handelt sich dabei vielmehr um innerbetriebliche Transportkosten. Abzugsfähige Versendungsauslagen liegen nur vor, wenn der Unternehmer den Gegenstand der Lieferung durch einen Beförderungsunternehmer zu einem Dritten befördern läßt (BFH-Urteil V 221/64 vom 5. August 1965, StRK, Umsatzsteuergesetz, § 5 Abs. 4, Rechtsspruch 14). Die Steuerpflichtige hat aber Transportunternehmer nur herangezogen, um den Bims von der Grube in das im Hafen gelegene eigene Brecherwerk zu verbringen. Die Hafenumschlagkosten sind entstanden, weil der Bims vom Silo in die eigenen Schiffe der Steuerpflichtigen bzw. in das von der Steuerpflichtigen gepachtete Schiff befördert wurde, also in ein zum Unternehmen der Steuerpflichtigen gehörendes Transportmittel, nicht aber zu einem Dritten. Auch bei der Beförderung des Bimses durch einen städtischen Kran vom Silo in diese Schiffe handelt es sich um einen Vorgang innerhalb des Unternehmens der Steuerpflichtigen.
Fundstellen
Haufe-Index 514878 |
BFHE 1968, 118 |