Leitsatz (amtlich)
Gutschriften beim Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers aufgrund eines Gewinnbeteiligungsund Vermögensbildungsmodells sind dem Arbeitnehmer dann noch nicht zugeflossen, wenn er über die gutgeschriebenen Beträge wirtschaftlich nicht verfügen kann.
Normenkette
EStG 1971 § 11 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Sachverhalt und Entscheidung des Finanzgerichts (FG)
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist neuerdings eine OHG, während sie bisher in der Rechtsform einer KG betrieben wurde. Sie hat für das Streitjahr 1972 mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung (BV) mit dem Ziel der Vermögensbildung ihrer Arbeitnehmer geschlossen. Im vorliegenden Verfahren ist streitig, ob - soweit die Vermögensbildung durch Gutschriften erfolgte - bereits mit der Gutschrift ein lohnsteuerpflichtiger Zufluß anzunehmen ist.
Die BV enthält vor allem Regelungen über "Gewinnbeteiligung" und "Vermögensbildung". Im einzelnen ist folgendes bestimmt:
"§ 1 ...............
(1) ... die Mitarbeiter haben einen rechtlichen Anspruch auf die in dieser Vereinbarung zugesagten Leistungen.
...............
§ 3
(1) Die Ausgangsgröße zur Errechnung des verteilungsfähigen Gewinns ist der Jahresgewinn laut Handelsbilanz.
...............
§ 4
Der Gewinnanteil der Gesamtheit der berechtigten Mitarbeiter beträgt ... % des verteilungsfähigen Gewinnes.
...............
§ 6
(1) Die Gewinnbeteiligung der Firma ... ist keine Lohnzahlung in anderer Form ...
(2) Im ersten Gewinnbeteiligungsjahr werden 10 % des gesamten individuellen Anteils bar ausgeschüttet. Im zweiten Beteiligungsjahr werden 5 % des Anteils aus diesem Beteiligungsjahr bar ausgeschüttet. Zu dieser Barauszahlung kommt dann bereits die Verzinsung des ersten Jahres. Im dritten Jahr erfolgt keine Barauszahlung mehr, da in diesem Jahr schon erhebliche Zinszahlungen an die Mitarbeiter gehen.
...............
(4) Die nicht bar ausgeschütteten Mitarbeiter-Anteile bleiben ohne Wahlmöglichkeit des Mitarbeiters im Betrieb. Die Sperrfrist für die im Betrieb verbleibenden Anteile beträgt 10 Jahre. Innerhalb dieses Zeitraums hat der Mitarbeiter keine Dispositionsbefugnis über sein Guthaben.
§ 7
(1) Die in der Firma verbleibenden Mitarbeiter-Anteile werden verzinst. Der Zinssatz ist um 2 % höher als der im 3. Vermögensbildungsgesetz vorgesehene Mindestzinssatz für Mitarbeiter-Darlehen.
(2) Die Zinsen auf die Mitarbeiter-Guthaben werden an die Mitarbeiter bar ausbezahlt. Auf Wunsch können die Zinsen auch dem Beteiligungskonto des Mitarbeiters gutgeschrieben werden.
(3) In Verlustjahren werden die Anteile nach Möglichkeit bis zu 4 % verzinst.
...............
§ 8
(1) Diejenigen Mitarbeiter-Guthaben, die jeweils zehn Jahre im Betrieb festgelegt waren, werden auf Wunsch des Mitarbeiters ausbezahlt. Die Auszahlung erfolgt grundsätzlich in fünf Jahresraten.
(2) Nach Ablauf der Festlegungsfrist können durch die Geschäftsleitung bis zu 50 % der Guthaben des einzelnen Mitarbeiters in eine Kapital-Beteiligung umgewandelt werden.
(3) Die Mitarbeiter-Guthaben werden in folgenden Fällen in zwei Jahresraten ausbezahlt:
- bei Erwerbsunfähigkeit;
- bei Erreichung der Altersgrenze (gesetzliche Altersgrenze);
- bei Tod des Mitarbeiters (Auszahlung an die Erben);
- bei normaler Kündigung des Mitarbeiters durch die Firma.
Die Anteile können in all diesen Fällen durch die Geschäftsleitung nicht in eine Kapitalbeteiligung umgewandelt werden.
(4) Die Anteile werden nach einem Wartejahr in fünf gleichen Jahresraten ausbezahlt, wenn
- der Mitarbeiter seinerseits kündigt;
- der Mitarbeiter von der Firma fristlos entlassen wurde.
Die Anteile können in all diesen Fällen durch die Geschäftsleitung nicht in eine Kapitalbeteiligung (entsprechend § 8 Abs. 2) umgewandelt werden.
(5) Der aus Altersgründen ausscheidende Mitarbeiter kann seine Anteile weiter im Betrieb stehen lassen; diese werden dann in voller Höhe verzinst. Die Geschäftsleitung kann die Anteile des aus Altersgründen ausscheidenden Mitarbeiters gegebenenfalls entsprechend den Bestimmungen des § 8 Abs. (2) in eine Kapitalbeteiligung umwandeln.
(6) Von seiten der Firma können die Anteile sofort ausbezahlt werden, wenn die Firma das Unternehmen oder einen wesentlichen Teil davon verkauft oder mit dem Unternehmen eines anderen zusammenschließt, wobei die rechtliche Form des Zusammenschlusses ohne Einfluß bleibt.
(7) Scheiden innerhalb eines Rechnungsjahres mehr als 5 % aller Beteiligungs-Berechtigten aufgrund eigener Kündigung oder Kündigung durch die Firma aus, so kann die Auszahlung aller Anteile um drei Jahre ausgesetzt werden.
(8) Die Erben von Mitarbeiter-Guthaben haben lediglich das Recht auf Auszahlung dieser Anteile.
§ 9
(1) Die Mitarbeiter sind nicht berechtigt, ihre im Betrieb verbleibenden Anteile zu beleihen.
(2) Grundsätzlich sind die Mitarbeiter-Anteile nicht übertragbar.
Ausscheidende Mitarbeiter können ihre Anteile an andere im Betrieb verbleibende Mitarbeiter im Betrieb veräußern.
Mitarbeiter mit ungekündigtem Arbeitsverhältnis können ihre Anteile an ungekündigte Kollegen nur mit Zustimmung der Firmenleitung übertragen.
..............."
Für die im Jahre 1972 gutgeschriebenen Gewinnanteile hat die Klägerin keine Lohnsteuer einbehalten und abgeführt, da es nach ihrer Auffassung an einem Zufluß von Arbeitslohn fehlt. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging hingegen insoweit von einem Zufluß aus und nahm deshalb die Klägerin im Haftungsweg in Anspruch. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das FG gab der Klage statt. Es hob den Haftungsbescheid auf und führte im wesentlichen aus:
Die streitigen Gewinnbeteiligungsanteile seien den Arbeitnehmern im Streitjahr nicht zugeflossen, so daß die Klägerin auch noch keine Lohnsteuer habe einbehalten müssen. Zwar müsse ein Zufluß der Gewinnbeteiligungen bei den Arbeitnehmern im Augenblick der Gutschrift auf dem Beteiligungskonto dann angenommen werden, wenn die in der BV getroffene Regelung über das Stehenbleiben der Gewinnbeteiligungen im Betrieb der Klägerin auf eine Darlehensgewährung hinausliefe. Denn in diesem Fall wären die Zinszahlungen und auch die auf Verlangen einzelner Arbeitnehmer vorgenommenen Zinsgutschriften Entgelte für die Nutzung fremden Kapitals, das logischerweise erst einmal den Arbeitnehmern zugeflossen sein müsse, ehe sie es der Klägerin wiederum als Darlehen hätten zur Verfügung stellen können. Zinszahlungen könnten aber auch Entgelt für eine von vornherein bestehende, hinausgeschobene Fälligkeit sein. In einem solchen F ll lasse die Vereinbarung der Verzinsung anders als im Fall der Fremdkapitalverzinsung nicht auf eine zwangsläufig vorausgegangene Verfügung über das Kapital und damit auf einen Zufluß schließen.
Im Streitfall sei von diesem Fall auszugehen und nicht von dem der Fremdkapitalverzinsung. Denn in der BV sei an keiner Stelle eine Darlehensabrede enthalten, weder eine von vornherein vereinbarte noch eine durch Novation entstandene. Etwas anderes könne auch nicht daraus gefolgert werden, daß die Gewinnbeteiligung verzinslich im Betrieb der Klägerin stehengeblieben sei. Denn in diesem Umstand könne die originär vereinbarte Modalität des Gewinnbeteiligungsanspruchs als solchem liegen, was dann keinen Zufluß beim Arbeitnehmer voraussetze oder anzeige und keine Verfügung darstelle. Gegen die Annahme eines Darlehens spreche schon, daß nach Meinung der Vertragsbeteiligten die Gewinnbeteiligung keine Lohnzahlung in anderer Form sei (§ 6 Abs. 1 Satz 1 BV). Sei dieser Anspruch aber kein Lohnzahlungsanspruch, könne er auch nicht im Wege einer mit einer Verfügung des Arbeitnehmers verbundenen Novation in ein Darlehensverhältnis umgewandelt werden. Folgerichtig sei in der BV auch von der Verzinsung "der Anteile" und von "den Anteilen oder Guthaben" der Arbeitnehmer und nicht von Darlehensforderung und Darlehensvaluta die Rede. Sei der Gewinnbeteiligungsanspruch aber von vornherein originär unter den in der BV festgelegten Kautelen entstanden, könne auch nicht mehr darauf abgestellt werden, in wessen Interesse die Gutschrift erfolgt oder ob die Klägerin bei ihrer Vornahme liquide gewesen sei. Abgesehen davon seien die Beträge nahezu ausschließlich im Interesse der Klägerin gutgeschrieben worden, weil in der Thesaurierung der Gewinnanteile zu einem Zinssatz von null bis höchstens 6 % eine günstige Finanzierungsmöglichkeit der Klägerin liege. Schließlich sprächen auch die in der BV vorgesehenen Verfügungsbeschränkungen gegen einen Zufluß der Gewinnanteile mit der Gutschrift.
II. Stellungnahmen in der Revisionsinstanz
Das FA vertritt in der Revision die Auffassung, mit der nach § 6 Abs. 4, § 7 BV erfolgten Umwandlung der Beteiligungsansprüche in Darlehen und den individuellen Gutschriften seien die Beträge den Arbeitnehmern zugeflossen. Zwar sei die Verfügungsmacht des einzelnen Arbeitnehmers eingeschränkt. Doch handele es sich nur um wirtschaftliche Verfügungsbeschränkungen. Der Zufluß sei in der Umwandlung der Gewinnbeteiligungsansprüche in Darlehen zu sehen. Sowohl die Art der Realisierung der Beteiligungen als auch die eindeutigen wirtschaftlichen Interessen der Beteiligten ließen den Schluß zu, daß sie Darlehen hätten begründen wollen. Der Annahme des Zuflusses stehe auch nicht das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 30. Januar 1974 I R 139/71 (BFHE 112, 125, BStBl II 1974, 454) entgegen. Denn beide Fälle seien im Sachverhalt nicht miteinander vergleichbar. Auch das vom FG für seine Entscheidung herangezogene BFH-Urteil vom 3. Juli 1964 VI 262/63 U (BFHE 81, 225, BStBl III 1965, 83) behandele einen anderen Sachverhalt.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Klägerin legte ein Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 1. Dezember 1977 12 RK 11/76 (Urteilssammlung für die gesetzliche Krankenversicherung - USK - 77197; vgl. auch Betriebs-Berater - BB - 1978, 1268) vor, nach dem bei einer ähnlichen Mitarbeiterbeteiligung bei Gutschrift kein Zufluß anzunehmen ist.
Der Bundesminister der Finanzen (BMF) ist dem Verfahren beigetreten. Er teilt die Auffassung des FA, daß die gutgeschriebenen Gewinnanteile als vereinbarte Darlehen anzusehen seien. Entscheidend für diese Auffassung sprächen vor allem die Konkretisierung der Gewinnbeteiligung des Arbeitnehmers durch Errechnung eines individuellen Gewinnanteils und insoweit Verlust der Verfügungsmacht und Zugriffsmöglichkeit des Arbeitgebers, die Führung des persönlichen Beteiligungskontos, die Ausschüttungen in den ersten Jahren, die Verzinsung und tatsächliche Zinsauszahlung sowie Zinszahlung selbst in Verlustjahren und schlechten Gewinnjahren. Lediglich in Verlustjahren könne der Zinssatz gesenkt werden, eine Vereinbarung, die auch bei normalen Darlehensgeschäften nicht unüblich sei. Die Auszahlung des Guthabens sei nur von einer Frist abhängig, nicht dagegen von bestimmten Bedingungen. Der Urteilsfall des BSG unterscheide sich im Sachverhalt wesentlich von dem vorliegenden. Der Annahme eines Zuflusses stehe auch nicht die fehlende Beleihbarkeit entgegen. Der Umstand, daß die Gutschriften nicht ausdrücklich als "Darlehen" bezeichnet worden seien, spreche nicht gegen das Vorliegen eines Darlehensverhältnisses.
Entscheidungsgründe
III. Entscheidung des Senats
1. Die Umwandlung der Klägerin aus der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft in eine Offene Handelsgesellschaft ist verfahrensrechtlich ohne Belang. Denn dadurch bleibt die Identität der Gesellschaft unberührt; es liegt keine Neugründung vor (vgl. Schilling in Großkommentar zum Handelsgesetzbuch, 3. Aufl., § 162 Anm. 10; Fischer, ebenda, § 105 Anm. 64 b und § 131 Anm. 89). Auswirkungen auf das Revisionsverfahren ergeben sich durch diese Umwandlung also nicht (vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1974 II R 199/72, BFHE 113, 90, BStBl II 1974, 724). Es ist lediglich im Rubrum die Klägerin statt als Kommanditgesellschaft als OHG zu bezeichnen.
2. Die Revision des FA ist nicht begründet.
a) Zu der Frage, ob die Gewinnbeteiligungen als Arbeitslohn zugeflossen sind, ist vorweg zu bemerken, daß im Streitfall lediglich umstritten ist, wann im Falle der gutgeschriebenen Gewinnbeteiligungen ein Zufluß anzunehmen ist. Nach Auffassung des Senats sind die Gewinne den Arbeitnehmern nicht bereits mit den Gutschriften auf den Beteiligungskonten als Arbeitslohn zugeflossen, so daß lohnabhängige Steuern nicht einzubehalten und abzuführen waren.
b) Nach § 41 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1971) in Verbindung mit § 30 der Lohnsteuer-Durchführungsverordnung (LStDV 1971) hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und an das FA abzuführen. Kommt er dieser Verpflichtung nicht nach, kann er im Haftungswege in Anspruch genommen werden (§ 38 Abs. 4 Satz 2 EStG 1971). In den Gutschriften ist jedoch noch keine Lohnzahlung zu sehen.
Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG 1971 sind im Falle der Überschußeinkünfte Einnahmen innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. In ständiger Rechtsprechung nimmt der BFH einen Zufluß erst bei Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht über ein Wirtschaftsgut an (vgl. z. B. Urteile vom 26. September 1979 VI R 82/76, BFHE 128, 539, nicht im BStBl; vom 21. Oktober 1981 I R 230/78, BFHE 134, 315, BStBl II 1982, 139; vom 21. Juli 1976 I R 147/74, BFHE 120, 173, BStBl II 1977, 46). Ob im Einzelfall die wirtschaftliche Verfügungsmacht - durch Zufluß - übergegangen ist, richtet sich nach den Umständen dieses Falles. Indessen hat der BFH gerade auch für Fälle, in denen ein Zufluß nicht in der Übertragung von Barmitteln gegeben war, allgemeine Grundsätze entwickelt. Danach ist im Falle einer Gutschrift in den Büchern des Schuldners ein Zufluß dann anzunehmen, wenn die Gutschrift "nicht nur das buchmäßige Festhalten einer Schuldverpflichtung darstellt, sondern darüber hinaus zum Ausdruck bringt, daß der Betrag dem Berechtigten von nun an zur Verwendung zur Verfügung steht" (Urteil vom 9. April 1968 IV 267/64, BFHE 92, 221, BStBl II 1968, 525). Der Senat hält diese Auslegung für zutreffend.
c) Bei Beachtung der unter III. 2. b) dargelegten Grundsätze ist dem FG darin zu folgen, daß die den Arbeitnehmern gutgeschriebenen Gewinnbeteiligungen diesen im Zeitpunkt der Gutschrift nicht zugeflossen sind.
aa) Der Annahme eines Zuflusses steht im Streitfall vor allem entgegen, daß die Guthaben "ohne Wahlmöglichkeit des Mitarbeiters" 10 Jahre im Betrieb stehenbleiben müssen und daß die Mitarbeiter in dieser Zeit "keine Dispositionsbefugnis" über ihr Guthaben besitzen (§ 6 Abs. 4 BV). Nach Ablauf der Festlegungsfrist werden die Anteile nur in Fünf-Jahres-Raten ausgezahlt (§ 8 Abs. 1 BV). Auch können nach Ablauf der Sperrfrist einseitig von der Geschäftsleitung bis zu 50 % der Guthaben in eine Kapitalbeteiligung umgewandelt werden (§ 8 Abs. 2 BV). Nach § 8 Abs. 7 BV kann die Auszahlung aller Anteile unter bestimmten Voraussetzungen - wiederum ohne Einverständnis der Arbeitnehmer - bis zu drei Jahren ausgesetzt werden. Wer derart in der Verwendung der gutgeschriebenen Mittel eingeschränkt ist, hat keine wirtschaftliche Verfügungsmacht über sie (vgl. auch BFHE 112, 125, BStBl II 1974, 454, unter II. 2. c); ihm fehlen wesentliche Befugnisse eines Rechtsinhabers.
Etwas anderes könnte nur angenommen werden, wenn die Arbeitnehmer bei Abschluß der BV eine Wahlmöglichkeit gehabt hätten, Gutschrift oder Auszahlung zu verlangen. Hätten sie sich in einem solchen Fall nur für die Gutschrift entschieden, hätten sie von ihrer - seinerzeit erlangten - wirtschaftlichen Dispositionsbefugnis Gebrauch gemacht. So lag der Sachverhalt hier indessen nicht. Das FG hat insoweit festgestellt, daß die einzelnen Arbeitnehmer auf die Ausgestaltung der BV keinen Einfluß nehmen und das Recht auf Gewinnbeteiligung nur so, wie angeboten und schließlich angenommen, annehmen oder ablehnen konnten. Deshalb ist das Einverständnis der Arbeitnehmer mit den Beschränkungen nur eine zustimmende Kenntnisnahme, nicht aber eine von ihnen getroffene Vorausverfügung (vgl. auch BFHE 81, 225, BStBl III 1965, 83; Herrmann/Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 18. Aufl., § 11 EStG Anm. 23).
Auch die fehlende Beleihungsmöglichkeit und der grundsätzliche Ausschluß einer Übertragungsmöglichkeit (§ 9 BV) sprechen gegen einen Zufluß bei den Arbeitnehmern zum Zeitpunkt der Gutschrift. Beides zeigt vielmehr, wie sehr die Arbeitnehmer in ihrer Verfügungsmacht eingeschränkt waren. Soweit dem der BMF mit Giloy (BB 1975, 709, unter 9.) unter Hinweis auf § 40 b EStG 1975 entgegenhält, daß der Gesetzgeber die fehlende Beleihungsmöglichkeit nicht als Hindernis für eine lohnsteuerrechtliche Erfassung ansehe, widerspricht dies nicht den vorstehenden Erwägungen. Bei § 40 b EStG 1975 geht es - anders als im Streitfall - um die Frage, ob ein beim Arbeitgeber eingetretener Vermögensabfluß, der der Zukunftsicherung der Arbeitnehmer dienen soll, mit dem günstigen Pauschsteuersatz erfaßt werden kann. Es erscheint verständlich, daß dies nur möglich sein soll, wenn der Zweck der Leistung des Arbeitgebers, nämlich die Zukunftsicherung des Arbeitnehmers, nicht durch Abtretung oder Beleihung in Frage gestellt wird. Dies aber ist eine andere Frage als die, die vorliegend zu beurteilen ist, ob nämlich überhaupt eine steuerliche Erfassung in Betracht kommt, weil der Arbeitnehmer nicht voll über die beim Arbeitgeber noch nicht abgeflossenen, dem Arbeitnehmer lediglich gutgeschriebenen Beträge verfügen kann.
bb) Für einen Zufluß der gutgeschriebenen Beträge könnte allerdings deren Verzinsung sprechen. Denn regelmäßig erhält nur derjenige Zinsen, der einem anderen einen Betrag zur Verfügung gestellt, demnach selbst darüber verfügt hat. Dies muß jedoch nicht so sein, wie die von der Klägerin angeführten Beispiele der Verzugs- und Prozeßzinsen zeigen. Im übrigen hat das FG zutreffend ausgeführt, daß Zinszahlungen auch das Entgelt für eine hinausgeschobene Fälligkeit sein können. In einem solchen Fall läßt die Vereinbarung der Verzinsung anders als im Falle der Fremdkapitalverzinsung nicht auf eine zwangsläufig vorausgegangene Verfügung über das Kapital und damit auf einen Zufluß schließen.
Gegen eine Fremdkapitalverzinsung spricht im Streitfall insbesondere die Regelung in der BV, daß in Verlustjahren der Zinssatz "nach Möglichkeit bis zu 4 %" betragen soll. Wer über seine Mittel frei verfügen kann, würde sich auf eine solche Regelung, wonach der Kapitalnehmer in Verlustjahren null bis 4 % Zinsen zahlen kann, regelmäßig nicht einlassen, zumal wenn in Gewinnjahren die Verzinsung nicht übermäßig hoch ist, der in Verlustjahren zu erwartende Nachteil in Gewinnjahren also nicht ausgeglichen wird. Die gesamte Zinsvereinbarung läßt somit nicht den Schluß zu, daß die den Arbeitnehmern gutgeschriebenen Beträge diesen mit der Gutschrift auch zugeflossen seien.
cc) Die Unverfallbarkeit der Gewinnbeteiligung der Arbeitnehmer, selbst wenn sie durch eigene Kündigung ausscheiden, könnte ebenfalls für einen Zufluß im Zeitpunkt der Gutschrift sprechen. Abgesehen davon jedoch, daß die Unverfallbarkeit, z. B. im Konkursfall, die Verwirklichung der Forderung im Fälligkeitszeitpunkt nicht garantiert und also dem Arbeitnehmer nicht die Verfügungsmacht sichert, besagt sie nichts anderes, als daß der Arbeitnehmer oder seine Erben wahrscheinlich in den Genuß der Gewinnbeteiligung kommen werden. Die Unverfallbarkeit bewirkt allein noch nicht den Zufluß (vgl. auch BFHE 112, 125, BStBl II 1974, 454, unter II. 2.), sie gewährleistet ihn allenfalls und möglicherweise eben erst für die Zukunft. Die Unverfallbarkeit im Falle eines lediglich beim Schuldner dem Gläubiger gutgeschriebenen Betrages ist deshalb auch nicht, wie offenbar der BMF meint, mit einem "unentziehbaren Rechtsanspruch" im Falle von tatsächlichen Zuführungen von Mitteln (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 15. Juli 1977 VI R 109/74, BFHE 123, 37, BStBl II 1977, 761) an eine Institution der Zukunftsicherung vergleichbar.
dd) Die Rechtsprechung stellt, wie der BMF zutreffend hervorhebt, für die Beurteilung des Zuflusses auch wesentlich auf die Gründe ab, die für die Nichtauszahlung des Lohnes maßgebend sind, in wessen Interesse also nur die Gutschrift statt einer Auszahlung erfolgt ist (BFH-Urteile vom 19. Juni 1952 IV 86/52 U, BFHE 57, 434, BStBl III 1953, 170; in BFHE 120, 173, BStBl II 1977, 46, unter II. 2. a) bb) aaa); in BFHE 134, 315, BStBl II 1982, 139; Entscheidung des FG Hamburg vom 24. Juli 1980 V 167/79, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1981, 85; vgl. auch Herrmann/Heuer, a. a. O., § 11 EStG Anm. 15). Giloy (a. a. O., unter 5.) meint, daß die Berücksichtigung des "Interesses" von dem für den Zufluß allein maßgebenden objektiven Bezugspunkt entferne. Nach Auffassung des Senats werden hierbei jedoch die Überlegungen verkannt, die für das Abstellen auf das Interesse sprechen. Das (subjektive) Interesse deutet darauf hin, wer (objektiv) die wirtschaftliche Verfügungsmacht besitzt; es ist also lediglich ein Indiz dafür, wer über das Wirtschaftsgut zu verfügen in der Lage ist. Ist die Gutschrift im überwiegenden "Interesse" des Arbeitgebers erfolgt, weil er nicht über ausreichende Barmittel zur sofortigen Begleichung der gutgeschriebenen Beträge verfügt, so spricht das dafür, daß der Arbeitnehmer nicht die wirtschaftliche Verfügungsmacht über diese Beträge erlangt hat. Erfolgt die Gutschrift dagegen im überwiegenden "Interesse" des Arbeitnehmers, insbesondere weil er sich durch das Stehenlassen der Beträge eine Kapitalanlage schaffen wollte, spricht das dafür, daß er über diese Beträge verfügt hat, sie ihm zugeflossen sind. Die Gründe, die zur Gutschrift geführt haben - das Interesse -, zeigen also regelmäßig an, wer über das Wirtschaftsgut wirtschaftlich verfügen konnte und gegebenenfalls verfügt hat.
Geht man hiervon aus, spricht auch dies gegen einen Zufluß der gutgeschriebenen Beträge bei den Arbeitnehmern. Der BMF meint, die Gewinnbeteiligungen seien zusätzliche Beträge (wohl im Verhältnis zum Arbeitslohn), die zu einer Kapitalbeteiligung führen könnten; dies aber liege im Interesse der Arbeitnehmer. Die Rechtsprechung stellt in diesem Zusammenhang indessen nicht darauf ab, in wessen Interesse die Leistung des Arbeitgebers als solche erbracht wird. Es kommt vielmehr darauf an, in wessen Interesse gerade nur eine Gutschrift und keine Auszahlung vorgenommen wird (vgl. BFHE 57, 434, BStBl III 1953, 170; BFHE 120, 173, BStBl II 1977, 46; BFHE 134, 315, BStBl II 1982, 139).
Das FG hat in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, daß die Gewinne nahezu ausschließlich im Interesse der Klägerin nur gutgeschrieben worden sind, weil in der Thesaurierung der Gewinnanteile zu einem Zinssatz von null bis höchstens 6 % eine günstige Finanzierungsmöglichkeit der Klägerin liege. Die Gutschriften zu diesen Konditionen und mit den dargestellten Verfügungsbeschränkungen lagen somit nicht im überwiegenden Interesse der Arbeitnehmer. Diese hätten voraussichtlich die Gewinnanteile bei jeweils sofortiger Auszahlung - wie sie auch für die ersten Gewinnbeteiligungsjahre vorgesehen war - günstiger anlegen können, so daß eine Auszahlung ihren Interessen eher entsprochen hätte als nur eine Gutschrift.
ee) Allerdings wäre im Streitfall der Zufluß der gutgeschriebenen Beträge dann anzunehmen, wenn, wie das FA und der BMF meinen, die Gewinnanteile als Darlehen bei der Klägerin stehengeblieben wären. Denn in einem solchen Fall hätten die Arbeitnehmer - gleichgültig, ob durch Schuldumwandlung oder durch bloße Schuldabänderung - bereits über ihre Mittel durch verzinsliches Stehenlassen bei der Klägerin verfügt. Der Senat folgt dem FG jedoch auch insoweit, daß ein Darlehensverhältnis nicht entstanden ist.
Der Senat hätte keine Bedenken, die Gutschriften als "Darlehen" zu qualifizieren, wenn es sich der Sache nach um Darlehen handelte. Weder "die Konstruktion des Gewinnbeteiligungsmodells" noch seine "tatsächliche Handhabung" (so aber der BMF) sprechen jedoch für den Darlehenscharakter der gutgeschriebenen Beträge. Die Tatsache, daß ein individueller Gewinnanteil für jeden Arbeitnehmer errechnet und für ihn ein Beteiligungskonto geführt worden ist, konnte auch lediglich Bedeutung dafür haben, daß die Gewinnanteile - § 5 BV entsprechend - "so gerecht wie möglich" "auf die einzelnen Arbeitnehmer" aufgeteilt werden. Ohne solche Separatkonten hätten die einzelnen Gesichtspunkte, die für die gerechte Höhe der Gewinnanteile nach § 5 Abs. 2 und 3 BV zu berücksichtigen sind (insbesondere Halbtagstätigkeit, Tätigkeit als gewerblicher Arbeitnehmer und Tätigkeit als Angestellter), nicht zutreffend in Ansatz gebracht werden können.
Entgegen der Annahme des BMF hat die Klägerin durch die Gutschriften auch nicht die "Verfügungsmacht und Zugriffsmöglichkeit" verloren. Vielmehr konnte gerade sie die Mittel zinsgünstig weiter in ihrem Unternehmen einsetzen. Insbesondere spricht gegen ein Darlehensverhältnis, daß die Klägerin ("die Geschäftsleitung") gemäß § 8 Abs. 2 BV nach Ablauf der Sperrfrist bis zu 50 % der Guthaben der Arbeitnehmer in eine Kapitalbeteiligung umwandeln kann (vgl. hierzu schon III. 2. c) aa). Wer ein Darlehensverhältnis begründet, würde sich regelmäßig nicht auf eine solche vom Gläubiger einseitig auszusprechende Veränderung der Rückzahlungsvoraussetzungen einlassen.
Daß entgegen der Auffassung des BMF auch die Zinszahlungsmodalitäten nicht für Fremdkapital der Klägerin sprechen, wurde bereits unter III. 2. c) bb) ausgeführt. Schließlich besagt die Tatsache, daß nach der BV in den ersten beiden Jahren Gewinne teilweise bar ausgeschüttet werden, nichts darüber, ob auch die lediglich gutgeschriebenen Beträge zugeflossen sind. Unterschiedliche Auszahlungsbedingungen können einen unterschiedlichen Zuflußzeitpunkt bewirken.
ff) Ein Zufluß der gutgeschriebenen Beträge wäre jedoch anzunehmen, wenn die Gutschriften als Vermögenseinlage der Arbeitnehmer zur Begründung einer stillen Gesellschaft (§ 335 des Handelsgesetzbuchs - HGB -) zu verstehen wären. Dies ist nach dem Inhalt der BV indessen nicht der Fall. Denn den Arbeitnehmern stehen keinerlei Kontrollrechte (vgl. § 338 HGB) zu; auch kommt im übrigen ein Wille der Klägerin und ihrer Arbeitnehmer, eine stille Gesellschaft zu gründen, nicht zum Ausdruck. Dies nimmt auch keiner der Verfahrensbeteiligten an.
gg) Der BMF begründet schließlich den Zufluß der lediglich gutgeschriebenen Beträge damit, daß sonst eine unterschiedliche steuerrechtliche Erfassung sowohl der Gewinnbeteiligung selbst als auch der darauf entfallenden Zinsen möglich wäre. Diese Praktikabilitätserwägungen können in diesem Zusammenhang aber nicht entscheidend sein. Maßgebend ist die vertraglich mögliche und tatsächlich durchgeführte Gestaltung. Danach sind entsprechend der BV Barausschüttungen und Gutschriften möglich. Weiter sind danach Zinszahlungen auf die Gutschriften vor und nach Ablauf der Sperrfrist vorgesehen. Sollte dies jeweils zu einer unterschiedlichen steuerrechtlichen Erfassung führen, was hier im einzelnen nicht geprüft zu werden braucht und nicht geprüft werden kann, so ist das eine Folge der Vertragsfreiheit, die hingenommen werden muß.
d) Die vom Senat hier vertretene Auffassung entspricht auch der bisherigen Rechtsprechung. So hat der BFH in den ähnlich liegenden Fällen in den Urteilen in BFHE 81, 225, BStBl III 1965, 83; BFHE 112, 125, BStBl II 1974, 454 ebenfalls den Zufluß von verzinslichen, erst später auszuzahlenden und zunächst lediglich gutgeschriebenen Gewinnbeteiligungen verneint. Dem ist das BSG mit dem Urteil in USK 77197 gerade im Hinblick auf die steuerrechtliche Betrachtung für einen ähnlich liegenden Fall gefolgt. Der BFH ist im übrigen der Rechtsauffassung des BSG, wenn auch in einem obiter dictum, neuerdings wiederum beigetreten (vgl. Urteil vom 18. Juni 1980 I R 72/76, BFHE 131, 303, BStBl II 1980, 741).
Fundstellen
Haufe-Index 74283 |
BStBl II 1982, 469 |
BFHE 1982, 542 |