Leitsatz (amtlich)
Die Steuervergünstigung des § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 GrEStG kommt auch in Betracht, wenn die Gesamthand noch keine fünf Jahre bestanden hat, jedoch nur in dem Umfang, in dem die Beteiligungsverhältnisse seit dem Erwerb des Grundstücks durch die veräußernde Gesamthand unverändert geblieben sind.
Normenkette
GrEStG 1940 § 6 Abs. 1, 3-4
Tatbestand
Nach den Feststellungen des FG waren an der im April 1960 gegründeten A-OHG und an der B-OHG die Kaufleute X und Y seit April 1960 bis Januar 1964 zu je 50 v. H. beteiligt. Anstelle des Anfang Januar 1964 aus beiden Gesellschaften ausgeschiedenen X wurde die Z-AG (AG) mit einer Beteiligung von 76 v. H. Gesellschafterin.
Die A-OHG übertrug durch mündlichen Gesellschafterbeschluß vom 7. Januar 1964 ihr ganzes Vermögen, zu dem auch ein Grundstück gehörte, ohne Liquidation auf die B-OHG (Klägerin, Revisionsklägerin), die seit 1967 unter der Firma C-OHG im Handelsregister eingetragen ist. Die A-OHG wurde - als am 30. April 1964 erloschen - am 19. Juni 1964 im Handelsregister gelöscht.
In Durchführung des Gesellschafterbeschlusses vom 7. Januar 1964 erklärten die Beteiligten in notarieller Urkunde vom 16. November 1964 ihre Einigung darüber, daß das Eigentum am Grundbesitz der A-OHG auf die B-OHG übergeht und bewilligten die Grundbuchumschreibung. Mit dieser Auflassung sei, so erklärten sie ferner, das Vermögen der A-OHG auf die B-OHG überführt.
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 20. August 1964 hatte die B-OHG "als Rechtsnachfolgerin" der A-OHG das Grundstück an Dritte veräußert, die am 8. März 1965 im Grundbuch als Eigentümer eingetragen wurden.
Mit dem Einspruch begehrte die Klägerin unter Inanspruchnahme des § 6 Abs. 3 GrEStG Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids, da "Identität der gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse" zwischen den beiden Gesellschaften bestanden habe.
In der Einspruchsentscheidung vertrat das FA die Auffassung, daß die Vergünstigung des § 6 Abs. 3 GrEStG nicht gewährt werden könne, da die Identität der Beteiligungsverhältnisse nicht mindestens fünf Jahre unverändert bestanden habe.
Die Klage hatte nur teilweise Erfolg. Das FG kam in Anwendung des § 6 Abs. 3 in Verbindung mit § 6 Abs. 2 GrEStG und unter Berücksichtigung der Auslegungsgrundsätze des Urteils des BFH vom 25. Februar 1969 II 142/63 (BFHE 95, 292, BStBl II 1969, 400) zu dem Ergebnis, daß bei Maßgeblichkeit der späteren Beteiligung des Gesellschafters Y von noch 24 v. H. an der A-OHG und an der B-OHG in Höhe dieses Anteils die Grunderwerbsteuer nicht zu erheben sei.
Mit der Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 6 Abs. 3 und 4 GrEStG. Sie beantragt, die Steuer auf 0 DM festzusetzen.
Das FA (Beklagter) beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt, wenn auch aus anderen als den geltend gemachten Gründen, zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Die Klägerin hat Einwendungen dagegen, daß die Übertragung des Grundstücks von der A-OHG auf die B-OHG ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang war, mit der Revision nicht erhoben. Die Grunderwerbsteuerpflicht ist mit der Auflassung (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG) eingetreten.
2. Die Klägerin meint unter Berufung nicht nur auf das Urteil des Senats vom 25. Februar 1969 II 142/63, sondern auch auf das vom 27. Oktober 1970 II 72/65 (BFHE 101, 126, BStBl II 1971, 278), die Grunderwerbsteuer sei in vollem Umfange nicht zu erheben, weil sich "beide gesellschaftsrechtlichen Verbindungen der beiden Eigentümer" an der A-OHG und an der B-OHG "in jeder Hinsicht völlig" geglichen hätten, von einer Steuerumgehung, die § 6 Abs. 4 GrEStG verhindern solle, also keine Rede sein könne. Diese Auffassung beruht auf einem Mißverständnis der Rechtsprechung des Senats und auch der - von der Klägerin zitierten - Kommentarstellen bei Boruttau/Klein (Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 6 Tzn. 69 und 81).
Zunächst kommt es darauf, ob (subjektiv) im Einzelfall eine Steuerumgehung beabsichtigt war, nicht an. Die Schutzvorschrift des § 6 Abs. 4 GrEStG mit ihrer Fünfjahresfrist greift ein, um objektiven Steuerumgehungen vorzubeugen, die der steuerfreie Übergang von Anteilen an einer Gesamthand ermöglicht (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 1967 II 50/64, BFHE 89, 573, 575/576; II 142/63, BFHE 95, 300). Das unterstellt das Gesetz, wenn sich - auch in den Fällen des § 6 Abs. 3 GrEStG - eine Änderung der Beteiligungsverhältnisse an der veräußernden Gesamthand innerhalb der Frist des § 6 Abs. 4 GrEStG vollzogen hat. In Abkehr von der früheren Rechtsprechung hat der Senat in dem Urteil II 142/63 zwar entschieden, daß die Steuervergünstigungen des § 6 Abs. 1 bis 3 GrEStG trotz § 6 Abs. 4 GrEStG nicht schon deshalb zu versagen sind, weil die veräußernde Gesamthand noch keine fünf Jahre vor dem Erwerbsvorgang bestanden hat. Dabei ist aber vorausgesetzt, daß die Beteiligungsverhältnisse seit dem Erwerb des Grundstücks durch die veräußernde Gesamthand unverändert geblieben sind (vgl. BFH-Urteil II 142/63, BFHE 95, 292, 300 Abs. 2 und auch Leitsatz 3 dieses Urteils; ferner BFH-Urteil vom 24. Juni 1969 II 169/64, BFHE 96, 370). Nur dann "ergibt sich die Nichterhebung der Grunderwerbsteuer bereits aus § 6 Abs. 3 GrEStG, da die Sperrfrist des § 6 Abs. 4 GrEStG hier bedeutungslos ist" (Boruttau/Klein, a. a. O., § 6 Tz. 81). Darüber hinaus kann - entgegen früherer Rechtsprechung unbeschadet des Umstandes, daß die Gesamthand selbst Rechtsträger ist - volle Grunderwerbsteuerfreiheit auch dann eintreten, wenn etwa ein dem Anteilserwerb entsprechender Erwerb von Bruchteilseigentum nach anderen Vorschriften von der Besteuerung ausgenommen wäre. Nur dieser Grundsatz kommt - außer in den BFH-Urteilen II 50/64 und II 142/63 - auch in dem von der Klägerin zitierten ergänzenden Urteil II 72/65 (BFHE 101, 126, 131/132, siehe auch dessen Leitsatz 4) zum Ausdruck. Die letztgenannte Möglichkeit scheidet hier aus.
Im vorliegenden Falle waren zwar an beiden Gesellschaften jeweils im selben Zeitraum dieselben Gesellschafter zu gleichen Anteilen beteiligt. Entscheidend ist aber, daß zwischen Erwerb des Grundstücks durch die A-OHG und Weiterveräußerung an die B-OHG die Beteiligungsverhältnisse sich innerhalb der maßgebenden letzten fünf Jahre insofern geändert hatten, als einerseits anstelle des Gesellschafters X die AG Gesellschafter wurde und als außerdem das Beteiligungsverhältnis des Gesellschafters Y - dessen gesellschaftsrechtliche Maßgeblichkeit zunächst vorausgesetzt - sich von 50 v. H. auf 24 v. H. geändert hatte. Da an beiden Gesellschaften nur der Gesellschafter Y und dies insgesamt nur mit je höchstens 24 v. H. beteiligt war, bleibt gemäß § 6 Abs. 3 in Verbindung mit den Grundsätzen aus § 6 Abs. 1 GrEStG die Grunderwerbsteuer nur in Höhe dieses Anteils des Gesellschafters Y unerhoben.
Insoweit erweisen sich die Revisionsangriffe als ungerechtfertigt.
3. Bei Übernahme des ganzen Vermögens der OHG besteht die auf das Grundstück entfallende anteilige Gegenleistung grundsätzlich in der Übernahme der Verbindlichkeiten, ggf. im Werte der untergehenden Gesellschaftsanteile und etwaigen weiteren Gegenleistungen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 27. April 1966 II 48/63, BFHE 86, 169 und die weiteren Rechtsprechungsnachweise bei Boruttau/Klein, a. a. O., § 11 Tz. 70). Das FA hat als Wert der Gegenleistung (§ 10 Abs. 1 GrEStG) den geschätzten Verkehrswert des Grundstücks angesetzt. Das FG hat die Frage der Gegenleistung nicht aufgegriffen. Die Klägerin hat Einwendungen in dieser Richtung nicht erhoben. Der Wert der anteiligen Gegenleistung mag in solchen Fällen dem Verkehrswert des Grundstücks vielfach nahekommen, da im Geschäftsleben ohnehin der eine dem anderen Partner in der Regel nichts zu "schenken" pflegt. Gleichwohl können diese Werte nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden. Das FG-Urteil enthält keine entsprechenden Feststellungen. Aus den dem FG vorgelegten, von ihm in Bezug genommenen Bilanzen lassen sich zuverlässige Schlüsse schon deshalb nicht ziehen, weil es sich offenbar um "Handels- bzw. Steuerbilanzen" handelt, während für die Ermittlung des anteiligen Grundstückswertes die entsprechenden wahren Vermögenswerte der einzelnen Wirtschaftsgüter anzusetzen sind.
Unter Aufhebung des angefochtenen Urteils war daher die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Dabei wird das FG Gelegenheit auch zu der Prüfung haben, ob die Ermittlung des Gesellschaftsanteils des Gesellschafters Y in Höhe von 24 v. H. den Grundsätzen des Urteils des Senats vom 31. Mai 1972 II R 9/66 (BFHE 106, 360, BStBl II 1972, 833) entspricht.
Der Senat hat gemäß § 90 Abs. 3 und § 121 FGO durch Vorbescheid entschieden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem FG vorbehalten (§ 143 Abs. 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 70582 |
BStBl II 1973, 802 |
BFHE 1974, 142 |