Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des § 36c GewStG enthält keine lex specialis gegenüber den allgemeinen Verjährungsvorschriften.

 

Normenkette

GewStG a.F. § 8 Nr. 6; GewStG 1965 § 36c

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Festsetzung der Lohnsummensteuermeßbeträge 1954 bis 1957 durch den Revisionskläger (das FA) im Bescheid vom 9. Mai 1966 wegen teilweiser Verjährung der Steueransprüche rechtswidrig ist.

Das FA hatte nach Durchführung einer Betriebsprüfung bei der Revisionsbeklagten (der Steuerpflichtigen) - einer GmbH - die einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträge 1954 bis 1957 berichtigt. Bei der Berichtigung blieben die in der ursprünglichen (vorläufigen) Festsetzung enthaltenen Bezüge der wesentlich beteiligten Gesellschafter (§ 8 Nr. 6 GewStG a. F.) außer Betracht.

Am 29. April 1966 beantragte die Stadt B beim FA die Festsetzung der Lohnsummensteuermeßbeträge 1954 bis 1957 gegen die Steuerpflichtige unter Einbeziehung der in den einheitlichen Gewerbesteuermeßbeträgen für diese Jahre nicht erfaßten Bezüge der wesentlich beteiligten Gesellschafter gemäß §§ 27 und 36c GewStG 1965. Diesem Antrag entsprach das FA mit Bescheid vom 9. Mai 1966. Der Einspruch der Steuerpflichtigen blieb ohne Erfolg. Die daraufhin zum FG erhobene Klage führte zu einer Herabsetzung der Lohnsummensteuermeßbeträge. Die Entscheidung des FG ist in den EFG 1970, 247 veröffentlicht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision des FA mit dem Antrag, die Klage unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen. Zur Begründung trägt das FA vor:

Für die Annahme des FG, daß der auf die streitige Besteuerungsgrundlage entfallende Teil des Lohnsummensteueranspruchs mit Ablauf des Jahres 1963 verjährt sei, fehle es an der unabdingbaren Voraussetzung, daß der Anspruch gemäß § 3 Abs. 5 Nr. 3 Buchst. c StAnpG bereits in den streitigen Erhebungszeiträumen entstanden sei. Ein solcher Anspruch sei aber angesichts der Vorschrift des § 24 Abs. 3 Nr. 2 GewStG in den streitigen Erhebungszeiträumen nicht entstanden. Der Wegfall der Vorschriften des § 8 Nr. 6 GewStG habe indes die rückwirkende Entstehung des Anspruchs auf die Lohnsummensteuer nicht bewirken können, da selbst der Gesetzgeber, der wohl Gesetze mit rückwirkender Kraft erlassen könne, nicht das Entstandensein eines Anspruchs in der Vergangenheit durch Gesetz bewirken könne. Wolle man der Auslegung der Vorschrift des § 36c GewStG 1965 durch das FG folgen, so würde der Gesetzgeber den Gemeinden etwas gewährt haben, was angesichts der auch ihm bekannten Verjährungsvorschriften wieder zu versagen gewesen sei.

Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Aus den Gründen:

Die Revision ist nicht begründet.

Wie auch das FA nicht verkannt hat, bewirkte die Entscheidung des BVerfG 1 BvR 845/58 vom 24. Januar 1962 (BStBl I 1962, 500) den Wegfall der Vorschriften des § 8 Nr. 6 GewStG in der für die streitigen Erhebungszeiträume geltenden Fassung ex tunc, d. h. dergestalt, daß sie als zu keiner Zeit (niemals) existent anzusehen waren. Damit wurde aber auch die Vorschrift des § 24 Abs. 3 Nr. 2 GewStG insoweit ex tunc gegenstandslos mit der Folge, daß die in § 8 Nr. 6 GewStG genannten Hinzurechnungsbeträge, da sie dem Gewinn aus Gewerbebetrieb niemals hinzuzurechnen waren, ex tunc zur Lohnsumme gehörten. Das hätte - ohne die Regelung in § 36c GewStG 1965 - dazu führen müssen, daß diese Hinzurechnungsbeträge nunmehr - selbst bei tatsächlicher, unanfechtbar gewordener Erfassung durch die Gewerbeertragsteuer - auch durch die Lohnsummensteuer erfaßt wurden, soweit dies im Rahmen von Erstfestsetzung oder Berichtigung der Lohnsummensteuer für die streitigen Erhebungszeiträume noch möglich war. Dem wird durch die Vorschrift des § 36c GewStG 1965 begegnet.

Die Folge des Wegfalls der Vorschriften des § 8 Nr. 6 GewStG und der insoweit gegebenen Gegenstandslosigkeit der Vorschrift des § 24 Abs. 3 Nr. 2 GewStG ist aber, daß der Anspruch auf die Lohnsummensteuer auch hinsichtlich der Bezüge der wesentlich beteiligten Gesellschafter gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 GewStG in den streitigen Erhebungszeiträumen entstanden war. Mit seiner Entstehung begann auch seine Verjährung zu laufen. Daß dies nicht der Fall sei, ist der Vorschrift des § 36c GewStG 1965 nicht zu entnehmen. Hätte der Gesetzgeber angesichts der auch ihm bekannten Verjährungsvorschriften hier etwas anderes gewollt, wäre es im Gesetz zum Ausdruck gebracht worden. Entscheidend für die Frage, ob eine Geltendmachung dieses Anspruchs (noch) möglich oder der Anspruch bereits durch Verjährung erloschen ist, ist danach für die Erhebungszeiträume 1949 bis 1957 das Vorliegen von Unterbrechungshandlungen hinsichtlich der Lohnsummensteuer für diese Erhebungszeiträume. Solche Handlungen, die eine Verjährung mit dem Ablauf des Jahres 1963 unterbrochen und eine neue Verjährungsfrist von fünf Jahren in Lauf gesetzt hätten, hat das FG nicht festgestellt. Ihr Vorliegen hat auch das FA weder behauptet noch dargetan. Für die späteren Erhebungszeiträume (1958 ff.) war bei Ergehen des Gesetzes zur Änderung des Gewerbesteuergesetzes vom 30. Juli 1963 (BStBl I 1963, 557) die Verjährung des Anspruchs noch nicht eingetreten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 69586

BStBl II 1971, 779

BFHE 1972, 202

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