Leitsatz (amtlich)
Die Vereinbarung einer auf ein Beamtengehalt bezogenen Wertsicherungsklausel im Rahmen eines Grundstücksveräußerungsvertrags rechtfertigt nicht eine vorläufige Veranlagung und die Nachforderung einer höheren Grunderwerbsteuer wegen späterer Besoldungserhöhung.
Normenkette
GrEStG § 10 Abs. 1, § 11 Abs. 1; AO § 100
Tatbestand
Die Kläger hatten ein Grundstück u. a. gegen Einräumung einer monatlichen, auf Lebenszeit des Veräußerers zu entrichtenden Rente erworben, die der jeweiligen Vollpension einschließlich Wohnungsgeld eines kinderlosen Beamten einer bestimmten Besoldungsgruppe, Dienstalterstufe und Ortsklasse unter Berücksichtigung späterer Gehaltserhöhungen und -herabsetzungen entsprach. Die Verträge waren u. a. auch durch die Landeszentralbank genehmigt worden. Bei der für vorläufig erklärten Steueranforderung vom 20. September 1957 hatte das FA den Kapitalwert der Rente unter Zugrundelegung der damaligen Beamtenmonatspension errechnet. Diese Steuer ist im Oktober 1957 und im Januar 1958 entrichtet worden.
Bei der wiederum für vorläufig erklärten Steueranforderung vom 6. August 1963 setzte das FA wegen der zwischenzeitlichen Besoldungsverbesserung für Beamte gegen jeden Ehegatten eine höhere Steuer aus einem höher angenommenen Rentenwert fest.
Mit den Sprungberufungen beantragten die Kläger unter Bezugnahme auf einen koordinierten Erlaß des Hessischen Finanzministers vom 3. Januar 1958 S. 4521 - 3 II/42 - (Deutsche Verkehrsteuer Rundschau - DVR - 1958 S. 95, 96) und auf Pleiß (DVR 1957 S. 81), die vorläufigen Steuerbescheide durch endgültige zu ersetzen und die Rente nach den Besoldungsverhältnissen zur Zeit des Abschlusses des Kaufvertrags anzusetzen.
Das FG Stuttgart hielt die Berufungen in dem in EFG 1964 Nr. 144 S. 122 veröffentlichten Urteil II 628 -629/63 - FG 21 vom 10. September 1963 für begründet.
Mit der Rb. macht der Vorsteher des FA unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats II 205/51 U vom 8. Oktober 1952 (BFH 56, 770, BStBl III 1952, 295) geltend, durch die Wertsicherungsklausel seien die Rente und somit die grunderwerbsteuerrechtliche Gegenleistung in der Höhe veränderlich. Eine Wertsicherungsklausel müsse bei Bestimmung der Gegenleistung berücksichtigt werden, da es sich um eine von vornherein vereinbarte, unter einer bestimmten Voraussetzung (hier: der Besoldungserhöhung) wirksam werdende Leistung handele.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rb. - jetzt Revision - des Beklagten (FA) ist nicht begründet.
Der Senat ist nach erneuter Prüfung der Streitfrage zu der Auffassung gekommen, daß die durch eine nachträgliche Erhöhung der Beamtenbesoldung auf Grund einer Wertsicherungsklausel (WSK) bedingte spätere nominelle Erhöhung der Kaufpreisrente grunderwerbsteuerrechtlich nicht zu einer Neufestsetzung einer Grunderwerbsteuer wegen höherer Gegenleistung führen kann.
Bei der Grunderwerbsteuer als einer Verkehrsteuer, die einen einmaligen Erwerbsvorgang besteuert, ist auch für die Bemessung der Gegenleistung grundsätzlich von den Verhältnissen an einem bestimmten Stichtag, dem Zeitpunkt der Entstehung der Schuld, auszugehen. Auf diesen Stichtag ist auch der Wert der Gegenleistung zu ermitteln, da nach ihm die Steuer zu berechnen ist. Auch beim Kauf ist, wie sich aus dem Zusammenhang des § 11 Abs. 1 Einleitungssatz und Nr. 1 GrEStG in Verbindung mit der grundlegenden Vorschrift des § 10 Abs. 1 GrEStG ergibt, maßgebend der Wert des Kaufpreises. Das Abstellen allein auf die Wertverhältnisse an diesem Stichtag erscheint auch deshalb gerechtfertigt, weil sich auch der Wert der vom Steuergläubiger zu diesem Zeitpunkt beanspruchten Steuerforderung nach der Kaufkraft eben dieses Zeitpunktes bemißt.
Gewähren sich die Vertragsparteien aus der Sicht des Stichtages künftig Leistungen gleichbleibenden Wertes, so erscheint es nicht gerechtfertigt, unter Umständen wiederholt und auf nicht absehbare Zeit immer neue Steuerbeträge (nach den Wertverhältnissen im neuen Zeitpunkt) anzufordern für einen Erwerbsvorgang, für den der Steuergläubiger die Steuer bereits nach dem Wert der Gegenleistung im Zeitpunkt des Erwerbsvorgangs voraus vereinnahmt hat. Dies wäre aber bei Versteuerung der nur auf Grund einer WSK erhöhten Kaufpreisrente der Fall.
Bei der Koppelung einer Grundstückskaufpreisrate bzw. -rente mit einem Beamtengehalt handelt es sich um eine echte WSK (nicht um eine sog. Spannungsklausel; vgl. Dürkes, Wertsicherungsklauseln, 7. Aufl., zu D 39, 41, 171; Ziehm, Die Wertsicherungsklausel im Deutschen Recht, S. 133 ff., 136; Staudinger-Weber, 11. Aufl., § 244 BGB, Anm. 283, 285, 292; Hartmann, Der Betrieb, Beilage 2/1967 S. 6, 7, alle mit weiteren Nachweisen der Rechtsprechung), die unbeschadet des im Rechtsverkehr geltenden Prinzips des Geldnominalismus auf der Grundlage des § 3 des Währungsgesetzes (WG) unter gewissen Voraussetzungen von der Rechtsprechung des BGH als zulässig anerkannt und - wie auch im Streitfall - von der Deutschen Bundesbank genehmigt wird, wenn auch auf Grund deren neugefaßter Richtlinien vom 26. August 1964 nur noch in Ausnahmefällen (vgl. Dürkes, a. a. O., D 39, 144 ff., 152, F 96, Anh. I; Ziehm, a. a. O., S. 5, 122 ff., Anlage S. 192; Hartmann, a. a. O., S. 7, alle mit Nachweisen der Rechtsprechung). Gerade bei Grundstücksveräußerungen soll nach dem Willen der Parteien durch die WSK dem Veräußerer kein ungerechtfertigter höherer Vermögenszuwachs zufließen, sondern nur - unabhängig von der Währungs- und Kaufkraftentwicklung - der wirtschaftliche Wert gesichert und erhalten werden, der dem hingegebenen Grundstück entspricht. Die Vertragspartner gehen also von der Gleichwertigkeit der Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Notwendigkeit aus, die Angemessenheit dieses Verhältnisses trotz Veräußerung auf Rentenbasis auch künftig aufrechtzuerhalten. Anders ausgedrückt bezweckt die WSK lediglich einen gleichwertig bleibenden Realwert der Rentenbezüge.
Wenn auch bei gehaltsbezogenen WSK'n der Berechtigte möglicherweise nicht nur gegen Währungsschwankungen gesichert ist, sondern möglicherweise auch in gewissem Umfang an der allgemeinen Steigerung des Lebensstandards teilnimmt, so muß dieser Gesichtspunkt für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung außer Betracht bleiben, da er auch bei den Parteien selbst erfahrungsgemäß nur eine untergeordnete Rolle spielt. Im übrigen würde es sich hierbei nur um graduelle, ohne statistische Unterlagen steuerrechtlich nicht erfaßbare Differenzierungen handeln, nicht aber um Wesensunterschiede gegenüber indexbezogenen WSK'n, so daß auch deshalb sich eine insoweit unterschiedliche Behandlung solcher WSK'n verbietet (vgl. auch BGH, Der Betriebs-Berater - BB - 1967 S. 735, 736; Wiebusch, Die steuerliche Betriebsprüfung 1967 S. 142, 143, linke Spalte; Röll, Deutsche Notar-Zeitschrift, 1960 S. 196; Staudinger-Weber, a. a. O., § 244, Anm. 283; Hartmann, a. a. O., S. 6, 7).
Der Nichterfassung der lediglich wegen einer WSK möglicherweise späteren nominellen Erhöhung der Rentenleistungen bei der Grunderwerbsteuer steht nicht entgegen, daß von vornherein - unabhängig von der Währungsentwicklung und von Gehaltsänderungen - nach Grund und Höhe fest vereinbarte steigende Rentenleistungen in die Grunderwerbsteuerpflicht einzubeziehen sind. Bei einem solchen grundsätzlich anders gelagerten Sachverhalt muß davon ausgegangen werden, daß die Beteiligten bei Errechnung des Kapitalwertes dieser Gegenleistung entsprechend niedrigere Anfangsrentenleistungen zugrunde gelegt haben. Es kann auch nicht eingewendet werden, daß Renten mit einer mit einem Beamtengehalt gekoppelten WSK höher zu bewerten seien, als solche mit gleichbleibenden Raten. Abgesehen davon, daß dies in erster Linie das Verhältnis Veräußerer/Erwerber auf die Dauer beträfe, für die Grunderwerbsteuer aber die Wertverhältnisse zwischen Grundstück, Gegenleistung und Steuerforderung im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses im Vordergrund stehen, könnte dies nur gelten für Zeiten mit voraussehbarer sicherer Kaufkraftabnahme bzw. Gehaltserhöhung. Da aber - jedenfalls auf lange Sicht - auch die umgekehrten Möglichkeiten denkbar sind (solche WSK'n werden nur genehmigt, wenn jede Gehaltsänderung, also auch eine Minderung einbezogen ist) und deshalb aus der Sicht des Stichtages nicht außer Betracht bleiben dürfen, rechtfertigt dieser Einwand allein nicht eine neue Steuerforderung bei späterer nomineller Rentenerhöhung oder eine höhere Bewertung der kapitalisierten Kaufpreisrente bereits im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses.
Der Senat sieht sich in der Richtigkeit seiner Auffassung noch aus einem anderen Grund bestätigt. Bei einer auf einen Stichtag bezogenen Bewertung und Besteuerung können nach dem Stichtag eintretende Ereignisse nur ausnahmsweise berücksichtigt werden, wenn sie am Stichtag bereits voraussehbar waren und in nicht allzu langer Zeit nach dem Stichtag eingetreten sind (Urteile des BFH III 200/55 S vom 13. Januar 1956, BFH 62, 165, BStBl III 1956, 62; III 83/61 vom 2. September 1962, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Bewertungsgesetz, § 12, Rechtsspruch 16; Rößler-Troll, Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 7. Aufl., § 17, Tz. 4). Es kann aber auch grunderwerbsteuerrechtlich keinen Unterschied machen, ob oder wie viele Gehaltserhöhungen bei Vertragsabschluß im obigen Sinne bereits voraussehbar und berücksichtigungsfähig sind oder nicht, so daß je nachdem zufällig die Grunderwerbsteuer aus einer höheren oder niedrigeren Gegenleistung zu fordern wäre. Es würde also einen Verstoß gegen den Grundgedanken des oben angeführten allgemeinen, über § 1 BewG auch für die Grunderwerbsteuer maßgebenden (vgl. Boruttau-Klein, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, § 10, Tz. 30) Bewertungsgrundsatzes bedeuten, wenn jede nachträgliche Gehaltserhöhung eine Grunderwerbsteuerforderung auslösen würde. Der Senat verkennt nicht, daß dieses Ergebnis letztlich auch auf eine wirtschaftliche Betrachtung des Begriffs des "Wertes der Gegenleistung" zurückgeführt werden kann. Der Grundsatz, daß bei der Grunderwerbsteuer die rechtliche Betrachtung im Vordergrund steht, bezieht sich jedoch vornehmlich auf die Frage, ob der Erwerbsvorgang als Rechtsvorgang (vgl. § 1 Einleitungssatz GrEStG) verwirklicht ist, schließt also eine wirtschaftliche Betrachtung da nicht aus, wo es sich um Fragen des Wertes der Gegenleistung handelt.
Soweit der Senat in dem vom FA zitierten Urteil II 205/51 U vom 8. Oktober 1952, BFH 56, 770, BStBl III 1952, 295, eine andere Auffassung vertreten hat, hält er diese nicht mehr aufrecht. Andererseits erscheint dem Senat die ausdrückliche Bemerkung geboten, daß seine Entscheidung ausschließlich auf Grund aller dargelegten, vor allem aus dem Stichtagsprinzip folgenden Besonderheiten bei der Grunderwerbsteuer - also unabhängig von der Frage des Einflusses des Prinzips des Geldnominalismus auf das Steuerrecht - gerechtfertigt ist und deshalb nur auf diese Steuerart Wirkungen beansprucht, insbesondere demnach keine Folgerungen auf das System periodischer Besteuerung gestattet. Auf das Urteil des IV. Senats IV 300/64 vom 27. Juli 1967 (BFH 89, 422, BStBl III 1967, 690) war deshalb nicht einzugehen.
Aus den vorstehenden Rechtsgründen sind vorläufige Veranlagungen mangels der Voraussetzungen des § 100 AO nicht veranlaßt und Steuernachforderungen wegen der durch Gehaltserhöhungen nachträglich eintretenden nominellen Rentenerhöhung gemäß § 225 AO sachlich nicht gerechtfertigt.
Das FG hat deshalb zu Recht die angefochtenen vorläufigen berichtigten Steuerbescheide vom 6. August 1963 aufgehoben.
Da der Wert der Gegenleistung aus den oben angeführten Gründen im Zeitpunkt der Entstehung der Grunderwerbsteuerschuld feststeht, fehlen auch die Voraussetzungen für eine Schätzung dieses Wertes gemäß § 217 AO. (Hierzu wird noch auf das Urteil II R 27/67 vom 14. November 1967 [BStBl II 1968, 45] verwiesen.) Das FG hat - entgegen seinen Ausführungen in Abs. 4 der Urteilsbegründung - den Wert der Gegenleistung auch nicht geschätzt, sondern durch die Endgültigkeitserklärung der ursprünglichen vorläufigen Steueranforderung vom 20. September 1957 den vom FA seinerseits zutreffend nach den Verhältnissen am Stichtag ermittelten Gesamtwert der Gegenleistung berücksichtigt.
Fundstellen
Haufe-Index 412831 |
BStBl II 1968, 43 |
BFHE 1968, 241 |