Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Grundstücksflächen, die innerhalb eines in Betrieb befindlichen Militärflugplatzes liegen, sind auch dann grundsteuerfrei, wenn sie zwecks eingeschränkter landwirtschaftlicher Nutzung verpachtet sind.
Normenkette
GrStG § 4/1/a, § 6
Tatbestand
Der Flugplatz X ist in den Jahren nach 1935 von der früheren deutschen Luftwaffe angelegt worden. Hierbei wurde an einem Teil des Flugplatzgeländes eine landwirtschaftliche Nutzung zugelassen, wie das bei militärischen Flugplätzen - auch aus Gründen der Tarnung - üblich war. Die landwirtschaftliche Betreuung des Flugplatzes oblag einem Platzlandwirt. Zur Grundsteuer wurde dieser Flugplatz wegen Benutzung für öffentlichen Dienst nicht herangezogen. Im Mai 1945 wurde der Flugplatz von der Besatzungsmacht beschlagnahmt. Diese veränderte in der Folgezeit mehrfach die räumliche Gestaltung des Platzes, indem sie neue Flächen hinzunahm und andere, von der deutschen Luftwaffe seinerzeit in Anspruch genommene Flächen freigab. Die freigegebenen Flächen liegen außerhalb einer Umzäunung, mit der der Flugplatz selbst umfriedet ist. Diese Flächen werden ohne Einschränkung landwirtschaftlich genutzt. über ihre Heranziehung zur Grundsteuer besteht kein Streit.
Nach der Beschlagnahme durch die Besatzungsmacht ließ der Platzkommandant zu, daß der frühere Platzlandwirt und nach dessen Weisung noch mehrere Landwirte innerhalb des Flugplatzes gelegene Flächen landwirtschaftlich nutzten. Später wurde jedoch aus militärischen Gründen jegliche landwirtschaftliche Nutzung dieser Flächen untersagt, aber auf Gegenvorstellungen der beteiligten Landwirte und ihrer Berufsvertretung wieder in stets widerruflicher Weise gestattet. Hierbei mußten sich die Landwirte in einer Vereinbarung mit dem zuständigen Amt für Verteidigungslasten noch einer Reihe von Bedingungen und Beschränkungen unterwerfen (z. B. Zutrittssperre bis zu 48 Stunden, Verzicht auf jeglichen Schadensersatz am Boden, an Bodenerzeugnissen usw., Art der Bodennutzung). Die Fläche selbst, für die innerhalb des Flugplatzes eine beschränkte landwirtschaftliche Nutzung zugelassen war, verringerte sich ständig und machte schließlich nur noch ein Fünftel des ganzen Flugplatzes aus.
Mit Bescheid vom 7. Februar 1952 stellte das Finanzamt zum 21. Juni 1948 für eine zum Gebiet der Gemeinde T gehörige Fläche von 146 ha (wovon damals rund 127 ha innerhalb und rund 19 ha außerhalb des Flugplatzes lagen) einen Einheitswert von 82.700 DM fest und führte auch eine entsprechende Veranlagung des Grundsteuermeßbetrags durch. Beide Bescheide (der Einheitswertbescheid und der Grundsteuermeßbescheid) wurden rechtskräftig. Mit Schreiben vom 23. November 1954 beantragte die zuständige Bundesvermögens- und Bauabteilung (Beschwerdeführerin - Bfin. -), den Einheitswert fortzuschreiben und dabei die Bewertung auf die außerhalb des Flugplatzes gelegene Fläche zu beschränken. Zur Begründung führte sie an, die Besatzungsmacht habe in einer Weise über die innerhalb des Flugplatzes gelegenen Flächen verfügt, daß dadurch jede andere Verwertung sowie die Verwaltung durch den Bund ausgeschlossen worden sei. Der Antrag wurde vom Finanzamt abgelehnt.
Einspruch und Berufung blieben erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde (Rb.) der Bundesvermögens- und Bauabteilung hat Erfolg.
Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, daß die Weiterbenutzung eines Flugplatzes der früheren deutschen Wehrmacht für militärische Zwecke einer Besatzungsmacht der Benutzung für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch gleichzustellen ist (§ 4 Ziff. 1 Buchst. a des Grundsteuergesetzes - GrStG -). Die Voraussetzung dieser Vorschrift hinsichtlich der Benutzung durch den Eigentümer kann im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse, die sich aus der Besetzung ergeben haben, nicht verneint werden (ebenso Abschn. 97 Abs. 1 der Grundsteuer-Richtlinien - GrStR -).
Die Vorinstanzen sind weiter davon ausgegangen, daß es für die Grundsteuerbefreiung der streitigen, innerhalb des Flugplatzes gelegenen Flächen darauf ankomme, ob diese Flächen für den begünstigten Zweck unmittelbar benutzt würden (§ 4 Ziff. 1 Buchst. a. in Verbindung mit § 6 Abs. 1 GrStG). Nach der Auffassung des Finanzgerichts stehe aber fest, daß die genannten Flugplatzländereien nicht unmittelbar dem Flugbetrieb dienten, sondern ununterbrochen landwirtschaftlich genutzt worden seien. Auf die rechtliche Gestaltung der Nutzungsverhältnisse, insbesondere darauf, daß die Bewirtschaftung jederzeit untersagt werden könne, komme es nicht an. Demgemäß sei auch in Abschn. 97 Abs. 1 GrStR angeordnet, daß die Befreiung von der Grundsteuer nicht gelte, soweit Teile eines Flugplatzes oder eines Truppenübungsplatzes zu landwirtschaftlichen Zwecken benutzt oder verpachtet seien. Außerdem entfalle nach § 25 Abs. 1 der Grundsteuer-Durchführungsverordnung (GrStDV) die Steuerbefreiung für landwirtschaftlich genutzten Grundbesitz selbst dann, wenn er einem der in § 4 GrStG bezeichneten Zwecke unmittelbar diene. Zwar gelte diese Einschränkung nach § 25 Abs. 2 GrStDV nicht für übungsplätze der ehemaligen Wehrmacht, die von der Besatzungsmacht genützt würden und unter § 4 Ziff. 1 Buchst. a GrStG fielen. Da aber das Flugplatzgelände hinsichtlich der landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht unmittelbar für militärische Zwecke benutzt würde, verbleibe es bei der sich aus § 25 Abs. 1 GrStDV ergebenden Steuerpflicht. Diesen Ausführungen kann der Senat nicht beitreten.
Richtig ist soviel, daß es im Streitfall entscheidend darauf ankommt, ob die streitigen Grundstücksflächen für einen der im § 4 GrStG bezeichneten Zwecke - hier für einen öffentlichen Dienst oder Gebrauch - unmittelbar benutzt worden sind oder nicht. Ist die Frage, wie es die Vorinstanzen getan haben, zu verneinen, so kommt eine Befreiung von der Grundsteuer überhaupt nicht in Betracht. Die Steuerpflicht ergibt sich dann ohne weiteres aus der allgemeinen Regelung des GrStG. Auf § 25 Abs. 1 GrStDV könnte in diesem Fall die Steuerpflicht nicht gestützt werden; denn diese Vorschrift kommt nur dann zum Zug, wenn der betreffende Grundbesitz einem der in § 4 GrStG begünstigten Zweck unmittelbar dient. Die unmittelbare Benutzung der streitigen Grundstücksflächen für den begünstigten Zweck haben die Vorinstanzen aber zu Unrecht verneint.
Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (Urteil III 196/39 vom 28. November 1940, Reichssteuerblatt 1941 S. 12) setzt unmittelbare Benutzung im Sinn des § 6 Abs. 1 GrStG die tatsächliche Zuführung des Steuergegenstandes an den Benutzungszweck (§ 24 GrStDV), und zwar auf dem nächsten und zweckmäßigsten Weg sowie eine enge Verbundenheit zwischen Steuergegenstand, Person des Nutzenden und dem steuerbegünstigten Zweck voraus; es sollen dritte Benutzer und nichtsteuerbegünstigte, mehr oder minder selbständige Zwischenaufgaben als regelmäßig steuerschädlich bezeichnet werden. In dieser Hinsicht hat der erkennende Senat im Urteil III 74/54 S vom 22. Oktober 1954 (Slg. Bd. 59 S. 413, Bundessteuerblatt 1954 III S. 369) es als eine dem Sinn und Zweck der Grundsteuerbefreiung widersprechende Einengung bezeichnet, wenn man unentbehrliche Hilfsmaßnahmen und Hilfsmittel vom Kreise der Aufgaben einer steuerbegünstigten Person ausschließe. In übereinstimmung mit den Grundsätzen seines Urteils vom 28. November 1940 hat der Reichsfinanzhof schon vorher im Urteil III 96/40 vom 10. September 1940 (Reichssteuerblatt 1941 S. 5) die Auffassung ausgesprochen, daß Grundbesitz, der durch den Eigentümer vermietet oder verpachtet wird, regelmäßig nicht von diesem für steuerbegünstigte Zwecke benutzt wird. Er hat aber als Ausnahme von der Regel den Fall angesehen, in dem ein Kantinenbetrieb der Wehrmacht innerhalb einer Kaserne von einem Kantinenpächter betrieben wird. In einem solchen Fall wird nach seiner Auffassung die unmittelbare Beziehung zwischen dem Eigentümer der Kaserne und dem begünstigten Zweck durch die Verpachtung der Kantine nicht gelöst. Er hat es deshalb nicht für gerechtfertigt gehalten, die Grundsteuerbefreiung für die Kantinenräume nur deshalb zu versagen, weil die Wehrmacht den Betrieb verpachtet hat. Der erkennende Senat ist ebenfalls der Meinung, daß nicht jede Verpachtung von Grundbesitz die unmittelbare Benutzung dieses Grundbesitzes durch den Eigentümer für den begünstigten Zweck ausschließt. So können wohl auch nicht die Anweisungen in den GrStR verstanden werden. Es sind recht wohl Ausnahmen von der Regel möglich. Eine solche Ausnahme liegt im Streitfall vor.
Nach den Akten steht fest, daß der weitaus größte Teil des Flugplatzes dem militärischen Dienstbetrieb gedient hat und noch dient. Eine genaue Abgrenzung zwischen diesem Teil des Flugplatzes und den Grundstücksflächen, für die eine eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung zugelassen ist, hat nicht stattgefunden. Der jeweilige Platzkommandant wird auch nicht darauf verzichten können, je nach den Erfordernissen des Dienstbetriebs auf diese Fläche zurückzugreifen. Tatsächlich sind ja auch fortgesetzt im Laufe der Jahre immer wieder Flächen aus der landwirtschaftlichen Nutzung herausgenommen und für den militärischen Dienstbetrieb beansprucht worden. Die Bfin. hat zudem glaubhaft darauf hingewiesen, daß nach ihrer Kenntnis der überwiegende Teil der strittigen Flächen nur als Wiesenland zur Heugewinnung genutzt werden darf, sei es daß diese Flächen aus Sicherheitsgründen für die Startbahnen benötigt oder als Abstellplätze für Flugzeuge und sonstige Fahrzeuge bereitgehalten werden. In einem solchen Fall bleibt die unmittelbare Beziehung zwischen dem Truppenteil, der den Flugplatz benutzt, und den genannten Flächen bestehen. Diese Flächen dienen auch weiterhin unmittelbar den begünstigten Zwecken. Ihre gleichzeitige eingeschränkte landwirtschaftliche Nutzung, die nur erwünscht sein kann, schließt das nicht aus. Danach ist es nicht gerechtfertigt, für Grundstücksflächen, die innerhalb eines im Betrieb befindlichen Militärflugplatzes liegen, die Grundsteuerbefreiung deshalb zu versagen, weil diese Flächen zu einer eingeschränkten landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet sind.
Aus Vorstehendem ergibt sich, daß die Vorentscheidung und die Einspruchentscheidung des Finanzamts vom 3. Februar 1956 aufzuheben sind. Die Sache geht zur erneuten Entscheidung im Sinne der vorstehenden Ausführungen an das Finanzamt zurück. Aus den Akten ist zu ersehen, daß die Bfin. unter anderem auch vorher schon angeregt hatte, die rechtskräftigen Bescheide vom 7. Februar 1952 auf ihre Richtigkeit nachprüfen zu lassen. Auf diesen Punkt, der nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, kann hier nicht eingegangen werden.
Bei der Festsetzung des Wertes des Streitgegenstandes sind die Vorinstanzen versehentlich nicht von dem festgestellten Einheitswert von 82.700 DM, sondern von einem anderen Wert ausgegangen.
Fundstellen
Haufe-Index 408728 |
BStBl III 1957, 183 |
BFHE 1957, 492 |
BFHE 64, 492 |