Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewerbesteuer Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Vermietung von Kaufständen in einem hierfür besonders errichteten Gebäude kann sich als Ausübung eines Gewerbes darstellen.
Normenkette
GewStG § 2; EStG § 15 Nr. 1
Tatbestand
Der Architekt G. und der Maurermeister S., die sich zu diesem Zweck zu einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (Beschwerdeführerin - Bfin. -) zusammengeschlossen haben, errichteten auf gepachteten Grundstücken ein als Kaufhalle bezeichnetes Gebäude, in dem sich in den Streitjahren 70 mit einer Einrichtung für Einzelhandelszwecke versehene Kaufstände befanden, die die Bfin. an Einzelhändler vermietete. Die Errichtung des Gebäudes ist von dem Gesellschafter S. im Rahmen seines Gewerbebetriebs durchgeführt worden. Der Gesellschafter G. ist dabei als Architekt tätig gewesen. Die Verwaltung wird im Architektenbüro des letzteren geführt. Die Vorinstanzen haben in der Betätigung der Bfin. einen gewerblichen Betrieb erblickt. Die Einkünfte, die sich in den Streitjahren aus der Nutzung des Gebäudes durch Vermietung von Kaufständen ergaben, sind der Gewerbesteuer unterworfen worden. Das Finanzgericht ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu der überzeugung gelangt, daß die Betätigung der Bfin. über eine in der Vermietung von Grundvermögen bestehende Vermögensverwaltung hinausgehe. Für diese Beurteilung sind für das Finanzgericht folgende Erwägungen von Bedeutung gewesen. Die Erstellung eines Gebäudes auf einem gepachteten Grundstück zu dem Zweck, die zur gewerblichen Nutzung bestimmten Räume an eine große Anzahl von Gewerbetreibenden zu vermieten, sei von der Entwicklung der allgemeinen Wirtschaftslage abhängig und infolgedessen mit einem Wagnis verbunden, wie es bei der Vermietung von Grundbesitz allgemein nicht auftrete. Die Halle sei für die besonderen Zwecke der Mieter unter Zupachtung von städtischen Grundstücken eigens hergerichtet worden. Hierbei sei auch für leichte Zugänglichkeit für einen möglichst großen Käuferkreis Vorsorge getroffen worden. Für das Publikum seien dabei besondere Toilettenanlagen errichtet und diese in Pacht weitergegeben worden. Es werde ein Hausinspektor beschäftigt, der nicht nur die Pacht zu kassieren, sondern auch für das Offenhalten der Halle zu den bestimmten Verkaufszeiten, für die Ordnung innerhalb der Halle und für die Reinigung der Ladenstraßen zu sorgen habe. Außerdem würden zwei Wächter mit Hunden und noch weiteres Hilfspersonal beschäftigt. Der Betrieb sei kaufmännisch aufgezogen. Es werde eine kaufmännische Buchführung geführt. Es sei eine umfangreiche Werbung für die Vermietung in Kinematographentheatern, durch Lautsprecherwagen und Wurfreklame und durch eine kostspielige Neonbeleuchtung, letztere auch im Interesse der Mieter, entfaltet worden.
Dies, wie die in den Gesellschaftsvertrag aufgenommene Klausel, daß die Gesellschafter dem gemeinsamen Unternehmen keine Konkurrenz machen dürften, ergebe das Bild eines gewerblichen Betriebes.
Mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) werden Verfahrensmängel gerügt. Die Niederschrift über die mündliche Verhandlung sei nicht verlesen worden. Sie sei inhaltlich fehlerhaft. Die mündliche Verhandlung habe nicht mit der protokollierten Urteilsverkündung, sondern mit dem Beschluß, daß die Entscheidung schriftlich zugestellt werden solle, geendet. Auch habe das Finanzgericht seine Entscheidung nicht auf Vorgänge stützen dürfen, die wie die erst 1956 erfolgte Forderung von Entgelten für den Abschluß längerfristiger Mietverträge sich erst nach Ablauf der Streitjahre ergeben hätten. In sachlicher Beziehung wird unter Bezug auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zur Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 10 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geltend gemacht, daß die Tätigkeit der Bfin. nicht über die übliche Verwaltung von Grundbesitz hinausgegangen sei. Die Beschäftigung von Personal und der Aufwand für die entfaltete Werbung habe sich im Rahmen des für die Vermietung von Wohnungen erforderlichen Maßes gehalten.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist unbegründet.
Die als Verfahrensmängel gerügten Maßnahmen der Vorinstanz sind für deren Entscheidung jedenfalls nicht wesentlich gewesen.
In sachlicher Beziehung ergibt die Prüfung der Rb. folgendes:
Der Streit geht darum, ob die Betätigung der Bfin. sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt (siehe hierzu § 1 Abs. 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung 1955). Eine Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr liegt in der Regel nicht vor, wenn die Betätigung sich in der Verwaltung von Vermögen erschöpft, insbesondere wenn unbewegliches Vermögen vermietet oder verpachtet wird (Entscheidung des Bundesfinanzhofs I 11/45 U vom 28. September 1951, Slg. Bd. 56 S. 35, Bundessteuerblatt - BStBl - 1952 III S. 15). Aus einer derartigen Betätigung erzielte Einkünfte sind in der Regel den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (ß 21 des Einkommensteuergesetzes) zuzurechnen. Sie unterliegen nicht der Gewerbesteuer.
Geht jedoch die Tätigkeit eines Vermieters über das bloße Vermieten hinaus und ist damit eine laufende Verwaltungsarbeit in einem solchen Ausmaß verbunden, daß sie nach außen als gewerbliche Tätigkeit erscheint, so kann sie einen Gewerbebetrieb darstellen. Im einzelnen wird auf die Ausführungen in Abschnitt 15 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien 1955 verwiesen. Dies kommt insbesondere dann in Frage, wenn bei dem Vermieter der Gedanke, sich am wirtschaftlichen Verkehr unter Auswertung seiner geschäftlichen Erfahrungen zu beteiligen, im Vordergrund steht. Nach dem Gesamtbild konnte das Finanzgericht zu der Auffassung gelangen, daß die Tätigkeit der Bfin. über das bloße Vermieten hinausgehe und einen Gewerbebetrieb darstelle.
Die Bfin. hat in einer einheitlichen Anlage Einrichtungen erstellt, die zum Betrieb eine Vielzahl von Einzelhandelsgeschäften hergerichtet, zur Vermietung an einen größeren Kreis von Einzelhändlern bestimmt sind. Es wird Personal für Aufgaben unterhalten, die sich aus der besonderen Art der geschaffenen Gesamtanlage ergeben und über das hinausgehen, was mit der Vermietung von Gebäudeteilen üblicherweise verbunden zu sein pflegt. Die Vermietung der Stände in der Kaufhalle entspricht der Vermietung von gewerblichen Räumen in einem großen Bürohaus, die bereits der Reichsfinanzhof in seinem Urteil VI 191/39 vom 17. Mai 1939 (Reichssteuerblatt - RStBl - 1939 S. 877) als Gewerbebetrieb angesprochen hat. Siehe auch die eingehenden Ausführungen in der Entscheidung des Reichsfinanzhofs VI 172/37 vom 15. Juni 1939, Slg. Bd. 44 S. 152, RStBl 1938 S. 899 (Vermietung der Ausstellungsräume in einem Messepalast), sowie in der zur Einheitsbewertung ergangenen Entscheidung III 73/43 vom 17. Februar 1944, RStBl 1944 S. 588 (Vermietung von Läden als gewerblicher Betrieb). Daß es der Bfin. gelungen ist, mit einer großen Anzahl ihrer Mieter längerfristige Verträge abzuschließen, vermag nach Lage der Verhältnisse den gewerblichen Charakter des Unternehmens nicht zu beseitigen. Der Gedanke, sich am wirtschaftlichen Verkehr zu beteiligen, tritt auch darin in Erscheinung, daß sich die Gesellschafter der Bfin. zusammengeschlossen haben, nicht um ihnen gehörigen Grundbesitz durch Vermietung zu nutzen, sondern um sich durch die Errichtung der streitigen Anlage auf gepachtetem Gelände in eigener Regie als Bauunternehmer und als Architekt eine zusätzliche Erwerbsgrundlage zu schaffen und unter Führung kaufmännischer Bücher die Verwaltung der Kaufhalle durch das Architektenbüro des einen Gesellschafters vornehmen zu lassen. Daß auch die Errichtung von Mietwohnhäusern mit einem finanziellen Wagnis verbunden sein kann, spricht nicht gegen den gewerblichen Charakter des von der Bfin. betriebenen Unternehmens.
Fundstellen
Haufe-Index 409078 |
BStBl III 1958, 263 |
BFHE 1958, 685 |
BFHE 66, 685 |
BB 1958, 533 |
DB 1958, 616 |