Entscheidungsstichwort (Thema)
Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern
Leitsatz (amtlich)
Der Begriff des freiwilligen Austauschs von Grundstücken umfaßt auch den Ringtausch.
Normenkette
GrEStG § 4/1/3/b
Tatbestand
Der Steuerstreit betrifft die Frage, ob unter den Begriff des Austauschs von Grundstücken zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken im Sinne der Befreiungsvorschrift des § 4 Abs. 1 Ziff. 3 Buchst. b des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) auch ein sogenannter Ringtausch fällt. Das Finanzgericht bejaht diese Frage, der beschwerdeführende Finanzamtsvorsteher verneint sie zu Unrecht.
Laut notarieller Urkunde vom 15. März 1949 nahmen verschiedene Personen untereinander eine Reihe von Grundstücksübertragungen vor, dergestalt, daß alle Beteiligten Grundeigentum hingaben und dafür Eigentum an anderen Grundstücken empfingen. Hingabe und Empfang glichen sich bei allen Beteiligten aus, so daß keinerlei Herauszahlungen zu erfolgen brauchten. Der Sinn des Vorgangs ist in der Urkunde dahin wiedergegeben, daß "der Austausch zum Zweck der Flurbereinigung erfolgt und jeder der Beteiligten die von ihm erworbenen Grundstücke von seiner Hofstelle aus bewirtschaften kann". Hierbei erwarb der Beschwerdegegner von Frau X ein Grundstück; dafür übertrug er ein gleichwertiges Grundstück an Y. Y übertrug ein Grundstück an Mutter und Tochter Z, die ihrerseits wieder Grundbesitz an die vorgenannte Frau X übertrugen.
Das Finanzamt zog den Beschwerdegegner wegen des Erwerbs des Grundstücks von der Frau X zur Grunderwerbsteuer heran, indem es einen Austausch mit Rücksicht darauf verneinte, daß der Beschwerdegegner das fortgegebene Grundstück nicht an Frau X, die Veräußerin des von ihm erworbenen Grundstücks, sondern an Y übertragen habe, Geber und Nehmer der Grundstücke also nicht dieselben Vertragsparteien seien.
Entscheidungsgründe
Dieser Auffassung kann der Senat in übereinstimmung mit dem Finanzgericht als zu engherzig nicht beitreten, so daß die Rechtsbeschwerde des Finanzamtsvorstehers als unbegründet zurückgewiesen werden muß.
Auszugehen ist nicht von der Betrachtung der Befreiungsvorschrift, sondern von der Betrachtung der Besteuerungsvorschriften. Nach § 1 Abs. 1 Ziff. 1 GrEStG unterliegt der Grunderwerbsteuer jedes Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf übereignung eines Grundstücks begründet. Beim Ringtausch werden derartige Ansprüche in der Anzahl begründet, in der Grundbesitz hingegeben wird, also in der Zahl der an dem Ringtausch Beteiligten. Daraus ergibt sich eine ausdehnende Anwendung der Vorschrift des § 1 Abs. 4 über den Tausch. Die Begründung des Gesetzes (Reichssteuerblatt - RStBl. - 1940 S. 387, hier S. 389/390) weist in Abs. 8 des Abschn. § 1 für den zweiseitigen Tausch, den sie dort behandelt, darauf hin, daß unbeschadet der Natur jedes Grundstücks als Gegenleistung für das andere Grundstück zwei Grundstücksumsätze vorliegen. In gleicher Weise liegen beim Ringtausch entsprechend mehr Grundstücksumsätze vor.
Schließt man so für die Besteuerung den Ringtausch in den Tausch ein, so könnte es für die Anwendung der Befreiungsvorschrift nur anders sein, wenn durchgreifende Gründe dafür sprechen. Das ist aber nicht der Fall, vielmehr trifft das Gegenteil zu.
Aus dem Wortbegriff "Austausch" ist nichts gegen die Einbeziehung des Ringtauschs zu entnehmen. Wie das Finanzgericht zutreffend ausführt, ist eine entsprechende Vorschrift über einen Austausch in einem Reichsgesetz zum erstenmal in § 7 Abs. 1 Ziff. 7 des Zuwachssteuergesetzes (ZuwStG) vom 14. Februar 1911 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - S. 33) enthalten gewesen. Nach dieser Bestimmung wurde eine Steuer nicht erhoben "beim Austausch im Inlande gelegener Grundstücke zum Zwecke der Zusammenlegung (Flurbereinigung)". Zu diesem Gesetz erschienen amtliche "Erläuterungen auf Grund des gesetzgeberischen Materials, zusammengestellt im Reichsschatzamt" (abgedruckt bei Zimmermann: Das Zuwachssteuergesetz 1911 S. 167 ff.). In Ziff. 11 des Abschn. "zu § 7" dieser Erläuterungen wie auch in der amtlichen Begründung (im Auszug mitgeteilt im Urteil des RFHofs, Slg. Bd. 13 S. 171, 174) ist schlechthin von einer "privaten Zusammenlegung oder Umlegung" die Rede. Im Begriff der Zusammenlegung oder Umlegung liegt aber, daß ein größerer Kreis von Personen beteiligt sein muß, denn bei einem einfachen zweiseitigen Tausch spricht man im allgemeinen nicht von einer Umlegung oder Zusammenlegung. Bedeutsamer ist aber die Wortfassung im Grunderwerbsteuergesetz 1919/1927, dem Vorgänger des heutigen Grunderwerbsteuergesetzes. Dort bestimmte § 8 Abs. 1 Ziff. 7, daß die Steuer nicht erhoben wird beim Austausch von Grundstücken zum Zwecke der Zusammenlegung (Flurbereinigung), der Grenzregelung oder der besseren Gestaltung von Bauflächen (Umlegung), wenn diese Maßnahmen auf der Anordnung einer Behörde beruhen oder von der zuständigen Behörde als zweckdienlich anerkannt werden. Das Gesetz wandte also den Ausdruck Austausch auch auf die behördlich durchgeführten Flurbereinigungen und Umlegungen an, bei denen in aller Regel eine Vielzahl von Grundstückseigentümern beteiligt sind. Ebenso ist, um eine nichtsteuerliche Vorschrift aus der Gegenwart zu erwähnen, in der Agrarreform-Verordnung des Landes Württemberg-Hohenzollern vom 16. Dezember 1949 (Regierungsblatt - RegBl. - 1950 S. 7) von einem Landaustausch verfahren die Rede, das eingeleitet werden kann, wenn die Voraussetzungen für eine Umlegung nach § 1 der Reichsumlegungsordnung vom 16. Juni 1937 (RGBl. I S. 629) gegeben sind. Die Umlegung umfaßt aber, wie schon erwähnt, regelmäßig die Grundstücke einer größeren Zahl von Eigentümern. § 1 Abs. 2 Satz 2 spricht sogar davon, daß ein Landaustauschverfahren auf Grundstücke mehrerer Eigentümer beschränkt werden kann, ohne daß das Austauschgebiet örtlich zusammenhängt.
Aber auch der sachliche Inhalt und der Zusammenhang der beiden Vorschriften in § 4 Abs. 1 Ziff. 3 zu a und b GrStG rechtfertigen die Einbeziehung des Ringtauschs. Die Vorschrift zu a behandelt in Verbindung mit § 139 der Reichsumlegungsordnung die behördliche, mit Zwang ausgestattete Umlegung land- und forstwirtschaftlicher Grundstücke, die Bestimmung zu b den freiwilligen Austausch zur besseren Bewirtschaftung von zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken. Die Begründung (Abs. 17 des Abschn. § 4, RStBl. 1940 S. 387, 396) stellt das behördliche Verfahren und den freiwilligen Austausch gleichwertig nebeneinander und erwähnt, daß der freiwillige Austausch "ebenfalls" von der Besteuerung ausgenommen wird, ohne etwas von einer Beschränkung der Teilnehmerzahl bei der zweiten Maßnahme zu sagen. Die land- und forstwirtschaftliche Umlegung und der entsprechende freiwillige Austausch dienen in gleicher Weise der wirtschaftlichen Nutzungsmöglichkeit des Grund und Bodens und der Steigerung der Produktion. Beide Maßnahmen liegen im öffentlichen Interesse, für beide besteht sogar ein um so größeres öffentliches Interesse, je mehr Eigentümer einer Gemeinde zersplitterten Grundbesitz haben. Das öffentliche Interesse wird im Einzelfall durch das behördliche Verfahren als solches oder durch die Zweckdienlichkeitsbescheinigung, die im Streitfall vorliegt, gewährleistet.
Nun beruft sich der Finanzamtsvorsteher, wie es auch in der Literatur geschieht, für die gegenteilige Auffassung auf das Urteil II A 451/27 vom 11. November 1927, Slg. Bd. 22 S. 151 (offenbar nur versehentlich anders bezeichnet), in dem der Reichsfinanzhof S. 154 ausgesprochen hat, daß "die Voraussetzung des Austauschs dann gegeben ist, wenn es sich bei beiden Objekten um die gleichen Vertragsparteien handelt (vgl. RFH-Entscheidung II A 109/27 vom 22. April 1927)". Diesem Urteil lag aber der Streitfall zugrunde, daß nur zwei Grundstücke hin und her gegeben wurden, so daß der Reichsfinanzhof seine Ausdrucksweise auf den zweiseitigen Austausch abstellen konnte. Er sagt auch nicht, daß ein Austausch nur gegeben ist, wenn sich jeweils die gleichen Vertragsparteien gegenüberstehen. Die in dem Klammerzusatz erwähnte Entscheidung betraf nach der Darstellung in dem Urteil II A 404/32 vom 9. November 1932, RStBl. 1933 S. 83, einen Fall, in dem A zur Herstellung eines zusammenhängenden landwirtschaftlichen Grundbesitzes Grundstücke von B erworben und anderseits bisherige eigene Grundstücke für eigene Rechnung an C veräußert hatte, ohne hinsichtlich dieser Grundstücke Verpflichtungen gegenüber B übernommen zu haben. Wenn der Reichsfinanzhof bei diesem Tatbestand in dem Urteil vom 22. April 1927 (auszugsweise abgedruckt in Mrozeks Kartei § 8 Abs. 1 Ziff. 7 R. 8) ausführt:
"Die Befreiungsvorschrift greift nicht schon dann Platz, wenn jemand zur Herstellung eines zusammenhängenden Grundbesitzes ein abgelegenes Grundstück an einen anderen veräußert und ein seinem sonstigen Grundbesitz bequemer gelegenes Grundstück von einem Dritten erwirbt. Vielmehr erfordert die Vorschrift, daß ein Austausch von Grundstücken vorliegt. Es muß also der Erwerber des hingegebenen Grundstücks seinerseits dem Veräußerer ein Grundstück überlassen",
so hat er mit der in dem letzten Satz ausgesprochenen Voraussetzung durchaus recht, weil es sich auch in diesem Fall nur um zwei Grundstücke handelt. Der sein Grundstück hingebende B erwirbt selbst kein Grundstück, B und C stehen in keiner wirtschaftlichen oder rechtlichen Beziehung. Ein nach der Auffassung des Senats steuerfreier Ringtausch würde nur dann vorliegen, wenn auch C an B Grundbesitz überlassen hätte und bezüglich aller Grundstücke die Befreiungsvoraussetzungen gegeben wären. In der hier maßgeblichen Hinsicht liegt der Fall des Urteils vom 9. November 1932 (vgl. oben) ebenso, in dem A ein Grundstück an B veräußert und sich dafür ausbedingt, daß B sein Grundstück für Rechnung des A an C veräußert und den Erlös an ihn (A) abführt, A also überhaupt kein Grundstück erwirbt. Auch hier zwei Grundstücke und kein Anlaß zum Rückschluß gegen die Einbeziehung des Ringtauschs. Auch beim Ringtausch müssen natürlich die Parteien insofern immer dieselben sein, als die Partei, die ein Grundstück erhält, auch ein eigenes weggibt, so daß sich dadurch eine fortlaufende Kette ergibt. Würde A ein Grundstück an B geben, B eines an C und C eines an den Bruder des A, so wäre dies kein Austausch.
Nach allem ist also auch die Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, wie dies schon das Finanzgericht ausgeführt hat, hinfällig, und es war deshalb die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 407148 |
BStBl III 1951, 1 |
BFHE 1952, 1 |
BFHE 55, 1 |