Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirtschaftliches Eigentum an einem GmbH-Geschäftsanteil
Leitsatz (amtlich)
Ist aufgrund wirksamer schuldrechtlicher Vereinbarungen zwischen einander nicht nahe stehenden Personen das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen einer GmbH übergegangen und werden die schuldrechtlichen Vereinbarungen nachträglich unwirksam, dann bleibt der Erwerber wirtschaftlicher Eigentümer, wenn die Beteiligten die wirtschaftlichen Folgen des Rechtsgeschäfts nicht rückgängig machen.
Normenkette
EStG § 17; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 41 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger und J (künftig: J oder Treuhänder) waren jeweils zur Hälfte am Stammkapital der U-GmbH beteiligt. Die Beteiligung des Klägers wurde von J treuhänderisch gehalten.
Die U-GmbH hatte mehrere Grundstücke in A erworben. Ihr einziger Geschäftszweck bestand darin, diesen Grundbesitz zu entwickeln. Hierzu hatte die GmbH ein Ingenieurbüro mit der Entwicklung eines Bebauungsplans für dieses Grundstück beauftragt. Der Kläger war an diesem Ingenieurbüro als Mitinhaber beteiligt.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 28. Oktober 1996 veräußerte J die gesamten Geschäftsanteile an der U-GmbH zum Kaufpreis von 1 500 000 DM an die E-GmbH. Der Kaufpreis war zu einem Drittel im Streitjahr 1996 und hinsichtlich des Rests bei Eintritt bestimmter Bedingungen, spätestens aber am 31. Oktober 1997 fällig. Die im Kaufvertrag vereinbarte Abtretung der Anteile war bis zur Zahlung des Kaufpreises aufschiebend bedingt. Die E-GmbH veräußerte mit notariellem Vertrag vom 4. Dezember 1996 einen Teilgeschäftsanteil von 22 500 DM an einen dritten Erwerber, Herrn M. Die im Gesellschaftsvertrag der U-GmbH für den Fall der Veräußerung von Geschäftsanteilen vorgesehene Genehmigung wurde von J in seiner Eigenschaft als alleiniger GmbH-Gesellschafter erteilt.
Nachdem zunächst am 28. Oktober 1996 der Geschäftsführer der E-GmbH, Herr X, unter Abberufung von J zum allein zur Vertretung berechtigten und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreiten Geschäftsführer der U-GmbH bestellt worden war, wurde am 4. Dezember 1996 M zum weiteren Geschäftsführer bestellt und die Alleinvertretungsberechtigung sowie die Befreiung von § 181 BGB aufgehoben.
In einer Gesellschafterversammlung vom 3. November 1997 berief J als noch alleiniger Gesellschafter der U-GmbH X und M mit sofortiger Wirkung als Geschäftsführer ab und bestellte sich selbst zum Geschäftsführer.
Mit notariellem Vertrag vom 10. November 1997 wurde eine Herabsetzung des nach dem Vertrag vom 28. Oktober 1996 geschuldeten Kaufpreises auf 1 274 433,85 DM vereinbart. Dieser Kaufpreis wurde hinsichtlich des noch nicht geleisteten Teils im Jahr 1997 erbracht.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) unterwarf den vom Kläger erzielten Gewinn aus der Veräußerung des Anteils an der U-GmbH, welcher unstreitig … DM beträgt, im Streitjahr 1996 der Besteuerung.
Hierbei ging das FA davon aus, mit dem Abschluss des Vertrags vom 28. Oktober 1996 sei das wirtschaftliche Eigentum an dem Anteil auf die Erwerberin übergegangen.
Mit ihrer Klage machten die Kläger geltend, der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung sei nicht im Streitjahr zu erfassen, weil bis zur Leistung des Kaufpreises nur der Kläger rechtlich wirksame Gesellschafterbeschlüsse habe fassen können. Wegen des fehlenden Übergangs des Stimmrechts auf den Erwerber sei dieser deshalb zuvor nicht wirtschaftlicher Eigentümer der Anteile geworden.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage unter Hinweis darauf ab, im Streitfall sei das beim Treuhänder verbliebene Stimmrecht ohne wirtschaftliche Bedeutung gewesen. Der Treuhänder habe auf die Geschäftstätigkeit der U-GmbH keinen Einfluss genommen.
Mit der Revision machen die Kläger geltend, eine beim Verkäufer verbleibende uneingeschränkte Stimmrechtsbefugnis bewirke, dass das wirtschaftliche Eigentum an den verkauften Anteilen selbst dann nicht auf den Käufer übergehe, wenn der Verkäufer von diesem Stimmrecht tatsächlich keinen Gebrauch mache. Im Streitfall habe der Kläger nicht nur das Stimmrecht aus eigenem wirtschaftlichen Interesse zurückbehalten, sondern mittels desselben auch mehrfach auf die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft Einfluss genommen.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und den angefochtenen Bescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung in der Weise zu ändern, dass die Erfassung eines Veräußerungsgewinns gemäß § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unterbleibt.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es bezieht sich inhaltlich auf die Gründe des Urteils der Vorinstanz.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Sie ist daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Das FG hat im Ergebnis zu Recht entschieden, dass der Gewinn aus der Veräußerung der Beteiligung an der U-GmbH im Streitjahr zu erfassen ist, weil in diesem Jahr das wirtschaftliche Eigentum übertragen worden ist. Dieser Veräußerungsgewinn ist auch nicht deshalb rückwirkend entfallen, weil das Veräußerungsgeschäft in zivilrechtlicher Hinsicht unwirksam geworden ist. Die Beteiligten haben die wirtschaftlichen Folgen des Rechtsgeschäfts aufrechterhalten.
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Tatbestand der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung i.S. von § 17 EStG in dem Zeitpunkt verwirklicht, zu dem das bürgerlich-rechtliche oder wirtschaftliche Eigentum an diesen Anteilen auf den Erwerber übergeht (Urteil vom 18. Dezember 2001 VIII R 5/00, BFH/NV 2002, 640, m.w.N.). Davon ist hier auszugehen.
a) Im Streitjahr war zwar das bürgerlich-rechtliche Eigentum an den Anteilen noch nicht übergegangen, weil sich der Kläger das Eigentum an den Anteilen bis zur vollständigen Begleichung des Kaufpreises vorbehalten hat. Im Streitjahr war ein Teil dieses Kaufpreises noch nicht fällig und wurde in diesem Jahr auch nicht geleistet.
b) Zu Recht hat das FG aber angenommen, dass bereits mit dem im Streitjahr erfolgten Abschluss des Vertrags über die Veräußerung der Anteilsrechte das wirtschaftliche Eigentum gemäß § 39 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) an diesen Anteilen auf die Erwerberin übergegangen ist.
Dem Erwerber von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft sind diese dann als wirtschaftliches Eigentum zuzurechnen, wenn ihm die mit dem Erwerb der Anteile verbundenen wesentlichen Rechte und damit auch das Gewinnbezugsrecht und das Stimmrecht zustehen (ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2002, 640, m.w.N.).
aa) Dass die Erwerberin mit der unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung stehenden Abtretung der Anteilsrechte im Hinblick auf die Regelung des § 161 Abs. 1 BGB ein Anwartschaftsrecht erworben hat, das ihr gegen ihren Willen nicht mehr entzogen werden kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 10. März 1988 IV R 226/85, BFHE 153, 318, BStBl II 1988, 832; a.A. Rund, GmbH-Rundschau ―GmbHR― 2001, 96), wird von den Klägern nicht in Frage gestellt. Unstreitig ist auch, dass das Gewinnbezugsrecht hinsichtlich der veräußerten GmbH-Anteile bereits mit Wirkung ab dem Streitjahr auf die Erwerberin übergegangen ist. Die Kläger messen diesem Recht lediglich deshalb keine wirtschaftliche Bedeutung zu, weil noch keine (ausschüttungsfähigen) Gewinne zu erwarten gewesen seien. Hierauf kommt es jedoch nicht an, weil sich dies im Zeitpunkt der Übertragung des Gewinnbezugsrechts regelmäßig nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilen lässt.
bb) Streitig ist allein, ob das bei dem Kläger und seinem Treuhänder verbliebene Recht, als Gesellschafter mittels des Stimmrechts Beschlüsse der GmbH fassen zu können, dem Übergang wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen auf die Erwerberin entgegensteht. Dies hat das FG im Ergebnis zu Recht verneint. Denn für den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums ist ausschlaggebend, ob die formale äußere Rechtsmacht des zivilrechtlichen Eigentümers durch die im Innenverhältnis zum Erwerber bestehenden Befugnisse begrenzt ist (BFH-Urteil vom 26. Juli 2001 VI R 122/98, BFHE 196, 165, BStBl II 2001, 844).
Eine solche Begrenzung kann sich aus ausdrücklich getroffenen Stimmrechtsvereinbarungen ergeben (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 153, 318, BStBl II 1988, 832). Das Stimmrecht kann aber auch ohne eine ausdrücklich getroffene Vereinbarung begrenzt sein. Dies ist, vorbehaltlich einer abweichenden Vereinbarung, insbesondere dann der Fall, wenn der Betrieb unter einer aufschiebenden Bedingung veräußert wird. Aus § 160 Abs. 1 und § 161 Abs. 1 BGB folgt, dass der Verkäufer, der einen Gegenstand unter einer aufschiebenden Bedingung überträgt, das von dem Eintritt der Bedingung abhängige Recht in der Schwebezeit nicht beeinträchtigen darf. Aus diesem Grund ist er grundsätzlich gehalten, das formal bei ihm verbliebene Stimmrecht im Interesse des Erwerbers wahrzunehmen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn das Gewinnbezugsrecht auf den Erwerber übergegangen ist und hinsichtlich des Stimmrechts auch keine besonderen Vereinbarungen getroffen worden sind (zur Abgrenzung vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2002, 640).
Hieraus folgt im Streitfall, dass der Kläger und sein Treuhänder gehalten waren, das formal bei ihnen verbliebene Stimmrecht, sofern Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der U-GmbH erforderlich wurden, grundsätzlich nicht im eigenen, sondern im wirtschaftlichen Interesse der Erwerberin zu treffen (vgl. zu diesem Gesichtspunkt z.B. Senatsurteil vom 27. September 1988 VIII R 193/83, BFHE 154, 525, BStBl II 1989, 414).
Dies ist ―sieht man vom dem Beschluss vom 3. November 1997 ab― auch geschehen.
Der Geschäftsführer der Erwerberin wurde noch am Tag des Abschlusses des Kaufvertrags zum Geschäftsführer der U-GmbH bestellt. Auch haben der Kläger und sein Treuhänder am 4. Dezember 1996 eine im wirtschaftlichen Interesse der Erwerberin liegende Änderung der Satzung der U-GmbH beschlossen, im Übrigen aber auf die Geschäftstätigkeit der GmbH keinen Einfluss genommen. Diese Feststellungen werden von den Klägern auch nicht in Frage gestellt.
cc) Dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an den GmbH-Anteilen auf die Erwerberin steht nicht entgegen, dass das vorbehaltene zivilrechtliche Eigentum an diesen Anteilen ggf. einer Absicherung des Kaufpreises diente. Die von den Klägern angesprochene denkbare Möglichkeit, dass die Erwerberin ihrer Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises nicht nachkommen wird und die Veräußerer aus diesem Grund von dem Kaufvertrag zurücktreten können, ist nicht geeignet, zunächst das Entstehen des wirtschaftlichen Eigentums bei der Erwerberin zu hindern. § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 geht hinsichtlich der Frage, ob jemand abweichend vom zivilrechtlichen Eigentum wirtschaftlicher Eigentümer ist, vom Regelfall, d.h. von dem für die Situation typischen Verlauf, aus. Es ist demgemäß in der Rechtsprechung anerkannt, dass auf den vertragsgemäßen Verlauf abzustellen ist, wonach der Erwerber den geschuldeten Kaufpreis erbringt, und nicht darauf, dass dieser sich als zahlungsunwillig oder zahlungsunfähig erweist und der Veräußerer aus diesem Grund zum Vertragsrücktritt berechtigt ist (BFH-Urteil vom 26. Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264, unter C.III.2.b der Gründe). Es entspricht überdies auch der Rechtsprechung, dass ein Rücktrittsrecht das Entstehen von wirtschaftlichem Eigentum nicht hindert und ein solches Recht erst mit seiner Ausübung beachtlich wird (BFH-Urteil vom 25. Januar 1996 IV R 114/94, BFHE 180, 57, BStBl II 1997, 382).
2. Der im Streitjahr 1996 entstandene Veräußerungsgewinn ist auch nicht deshalb rückwirkend entfallen, weil der nach dem Vertrag vom 28. November 1996 geschuldete Restkaufpreis zum vereinbarten Endtermin nicht geleistet worden ist. Die Beteiligten haben nämlich ungeachtet dessen, dass dadurch die schuldrechtlichen Grundlagen für das entstandene wirtschaftliche Eigentum an den Anteilen entfielen, die aufgrund dieses Vertrags erbrachten Leistungen nicht rückgängig gemacht. Sie haben damit das wirtschaftliche Ergebnis des 1996 abgeschlossenen Kaufvertrags bestehen lassen.
a) Wird ein Wirtschaftsgut unter der aufschiebenden Bedingung der (vollständigen) Zahlung des vereinbarten Kaufpreises bis zu einem bestimmten Endtermin veräußert, dann hat die Nichteinhaltung dieses Termins grundsätzlich zur Folge, dass die Bedingung ausfällt und aus diesem Grund das vereinbarte Rechtsgeschäft endgültig wirkungslos wird (Palandt/Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 63. Aufl., § 158 Rz. 3, m.w.N.). Die aufgrund dieses Rechtsgeschäfts erbrachten Leistungen sind daher gemäß § 812 Abs. 1 Satz 2 BGB herauszugeben (Palandt/Sprau, a.a.O., § 812 Rz. 76). Wegen der Wirkungslosigkeit des Vertrags entfällt auch der vertraglich vereinbarte Anspruch auf Verschaffung des Eigentums und damit auch das auf der Grundlage von § 161 Abs. 1 BGB entstandene Anwartschaftsrecht.
Verhalten sich die Beteiligten entsprechend dieser zivilrechtlichen Lage, dann sind die steuerlichen Folgen der Rückabwicklung des unwirksamen Vertrags nicht in dem Jahr zu ziehen, in dem die erbrachten Leistungen tatsächlich rückgängig gemacht werden. Vielmehr liegt ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 vor, mit der Folge, dass der im Jahr der Veräußerung i.S. von § 17 Abs. 1 EStG angesetzte Veräußerungsgewinn rückwirkend entfällt (Senatsurteil vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107, m.w.N.).
Soweit der Senat in seinem Vorlagebeschluss an den Großen Senat des BFH vom 26. März 1991 VIII R 315/84 (BFHE 166, 7, BStBl II 1992, 472, unter B.III.5.c, a.E.) zum Ausdruck gebracht hat, wirtschaftliches Eigentum lasse sich nicht rückwirkend beseitigen, gilt dies für die Fälle der vorliegenden Art nicht. Der Senat hat in dem genannten Beschluss unter Bezugnahme auf sein Urteil vom 18. September 1984 VIII R 119/81 (BFHE 142, 130, BStBl II 1985, 55) lediglich zum Ausdruck gebracht, dass rechtswirksam entstandenes wirtschaftliches Eigentum nicht dadurch beseitigt werden kann, dass es rückwirkend auf einen anderen übertragen wird. Die Aussage betrifft daher nicht den Fall, dass Leistungen rückgängig gemacht werden, die der Erfüllung des Geschäfts dienen.
b) Halten die Beteiligten abweichend hiervon trotz des Ausfalls der Bedingung an dem Rechtsgeschäft fest, dann hat diese Bestätigung zivilrechtlich keine rückwirkende Kraft, weil das Rechtsgeschäft gemäß § 141 Abs. 1 BGB erst ab dem Zeitpunkt der Bestätigung Wirkung entfaltet (Palandt/Heinrichs, a.a.O., § 141 Rz. 8, m.w.N.).
Diese Rechtsfolge zieht das Steuerrecht jedoch gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 grundsätzlich nicht, wenn die Beteiligten ungeachtet der Nichtigkeit des ursprünglichen Vertrages das wirtschaftliche Ergebnis des (nichtigen) Rechtsgeschäfts haben bestehen lassen.
aa) § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ist Ausdruck der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Diese Vorschrift bringt zum Ausdruck, dass es für Zwecke der Besteuerung soweit und solange auf den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt und nicht auf die zivilrechtliche Wirksamkeit der zugrunde liegenden Vereinbarung ankommt, als die Beteiligten aus der anfänglichen oder späteren Unwirksamkeit keine Folgerungen ziehen. Sind schuldrechtliche Vereinbarungen Grundlage für die Annahme, dass auf einen Erwerber das wirtschaftliche Eigentum an einem Gegenstand übergegangen ist, dann sind diese Vereinbarungen ungeachtet ihrer zivilrechtlichen Unwirksamkeit solange steuerlich als wirksam anzusehen, als die Beteiligten sie gleichwohl vollziehen oder im Falle der nachträglichen Unwirksamkeit ihre Vollziehung nicht rückgängig machen. Sie bilden bis dahin die Grundlage für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977. Dies entspricht auch der überwiegenden Meinung im Schrifttum (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 39 AO 1977 Rz. 54 a, und § 41 AO 1977 Rz. 88; Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, 8. Aufl., § 39 Rz. 13 und 40; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 39 AO 1977 Tz. 73; Schmieszek in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 39 AO 1977 Rz. 10.1; a.A. Kurz, Deutsche Steuer-Zeitung 1980, 451).
Auch ging die Rechtsprechung schon bisher davon aus, dass die Nichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags wegen unvollständiger Beurkundung und damit wegen Verstoßes gegen § 313 BGB a.F. (jetzt § 311b BGB) in steuerlicher Hinsicht solange unbeachtlich ist, als die Beteiligten hieraus in tatsächlicher Hinsicht keine Folgerungen ziehen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 19. Juli 1989 II R 83/85, BFHE 158, 126, BStBl II 1989, 989; vom 5. Juni 1991 II R 83/88, BFH/NV 1992, 267, und BFH-Beschluss vom 10. Juli 1996 II B 139/95, BFH/NV 1997, 61, ergangen jeweils zur Grunderwerbsteuer). Ferner hat die Rechtsprechung die Übertragung von wirtschaftlichem Eigentum unter Hinweis auf § 5 Abs. 3 des Steueranpassungsgesetzes (StAnpG), der Vorgängervorschrift des § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977, in dem Fall angenommen, dass ein Grundstückskaufvertrag wegen Verletzung der Formvorschrift des § 313 BGB a.F. nichtig war, sofern die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis ihrer Vereinbarung haben eintreten lassen (BFH-Urteil vom 10. April 1973 VIII R 157/72, BFHE 109, 263, BStBl II 1973, 595).
Dasselbe muss für den Fall gelten, dass die Beteiligten ein unwirksam gewordenes Veräußerungsgeschäft aufrechterhalten.
bb) Von einer solchen Aufrechterhaltung des ursprünglichen Vertrags ist im Streitfall auch auszugehen. Zwar hat der Kläger, nachdem der Restkaufpreis zum vereinbarten Endtermin nicht beglichen war, die von ihm im Interesse der Erwerberin zu Geschäftsführern bestellten Personen abberufen und damit i.S. von § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 mit der Rückgängigmachung der ursprünglichen Vereinbarung begonnen.
Nach Ansicht des Senats kann es aber für die Frage, ob die Beteiligten i.S. von § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 ein Rechtsgeschäft trotz dessen Nichtigkeit aufrechterhalten, nicht darauf ankommen, ob diese vorübergehend Schritte zur Abwicklung in die Wege leiten. Es entspricht dem Gebot der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und zugleich auch dem der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, dass es nur auf die letztendlich verwirklichten Sachverhalte ankommen kann und daher ―im Nachhinein betrachtet― vorläufige Maßnahmen unberücksichtigt bleiben müssen.
Die ursprüngliche Vereinbarung ist gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 solange als gültig anzusehen, bis die Beteiligten aus der Unwirksamkeit endgültig die zivilrechtlichen Folgerungen gezogen haben und die erbrachten Leistungen insgesamt rückgängig gemacht worden sind. Von diesem Grundansatz ist die Rechtsprechung auch in anderem Zusammenhang ausgegangen (vgl. BFH-Urteile in BFHE 158, 126, BStBl II 1989, 989, und in BFH/NV 1992, 267, und BFH-Beschluss in BFH/NV 1997, 61).
Im Streitfall haben die Beteiligten den Vertrag nicht rückabgewickelt. Der Erwerberin wurde weder das Gewinnbezugsrecht noch das Stimmrecht entzogen. Auch wurde der von dieser erbrachte Teilkaufpreis nicht zurückgezahlt. Es wurde lediglich durch den Vertrag vom 10. November 1997 der vereinbarte Kaufpreis auf 1 274 433,85 DM ermäßigt. Die Beteiligten haben damit im Endergebnis die ursprüngliche Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums an den Anteilen bestätigt und damit wie im Falle eines Vergleichs die ursprünglichen Leistungspflichten aufrechterhalten (vgl. hierzu auch Senatsurteil in BFHE 203, 309, BStBl II 2004, 107).
Den Veräußerungsgewinn hat das FA zutreffend auf der Grundlage des ermäßigten Kaufpreises ermittelt. Über die Höhe des ermittelten Veräußerungsgewinns besteht vorliegt auch kein Streit.
Fundstellen
Haufe-Index 1167244 |
BFH/NV 2004, 1130 |
BStBl II 2005, 46 |
BFHE 2004, 426 |
BFHE 205, 426 |
BB 2004, 1550 |
BB 2005, 643 |
DB 2004, 1473 |
DB 2005, 15 |
DB 2007, 17 |
DStRE 2004, 886 |
DStZ 2004, 506 |
DStZ 2004, 536 |
HFR 2004, 879 |