Entscheidungsstichwort (Thema)
(Keine Rechtsgrundlage für eine gesonderte Feststellung über die steuerbegünstigte Verwendung von Mineralöl - Definition: Feststellungsbescheid - Nachprüfung des FG-Urteils bei auf Verletzung materiellen Rechts gestützter Revision)
Leitsatz (amtlich)
Die durch Verwaltungsakt getroffene Feststellung, die Verwendung steuerbegünstigten Heizöls in einem Stromaggregat sei unzulässig, ist als Bescheid über die gesonderte Feststellung einer Besteuerungsgrundlage anzusehen, für den eine Rechtsgrundlage nicht vorhanden ist.
Orientierungssatz
1. Ein Feststellungsbescheid i.S. des § 179 Abs. 1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt, in dem über das Bestehen und/oder Nichtbestehen von Besteuerungsgrundlagen dem Steuerpflichtigen gegenüber, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist, mit bindender Wirkung für Folgebescheide entschieden wird. Besteuerungsgrundlagen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind. Eine gesonderte Feststellung durch Feststellungsbescheid läßt das Gesetz nur zu, wenn dies in der AO 1977 oder in den Steuergesetzen so bestimmt ist. Zweckmäßigkeitserwägungen können daher eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nicht begründen (vgl. Literatur).
2. Bei einer auf Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision prüft der BFH das angefochtene Urteil grundsätzlich in vollem Umfang und ohne Bindung an die geltend gemachten Revisionsgründe auf seine Rechtmäßigkeit nach.
Normenkette
AO 1977 §§ 118, 179 Abs. 1, § 182 Abs. 1, § 199 Abs. 1; FGO § 118 Abs. 3 S. 2; MinöStG § 8 Abs. 2; MinöStDV § 17 Abs. 5
Tatbestand
Mit "Feststellungsbescheid" befand das beklagte und revisionsbeklagte Hauptzollamt (HZA), daß die von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zur Stromversorgung ihrer auf Straßenbaustellen befindlichen Asphaltmischanlagen und Asphaltproduktionsanlagen betriebenen, fest mit dem Boden verbundenen Drehstromaggregate nicht "ortsfest i.S. von § 8 Abs.2 Satz 1 des Mineralölsteuergesetzes, § 17 Abs.5 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) seien und mithin die Voraussetzungen für die Verwendung steuerbegünstigten Heizöls nicht vorlägen. Der Bescheid war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen. Der Einspruch der Klägerin blieb erfolglos.
Die hierauf erhobene Anfechtungsklage ist vom Finanzgericht (FG) mit der Begründung abgewiesen worden, die Anlagen seien trotz ihrer festen Verbindung mit dem Erdboden nicht ortsfest, weil sie nicht dazu bestimmt seien, ihren Standort nicht nur vorübergehend beizubehalten (§ 17 Abs.5 MinöStDV).
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt --allerdings aus anderen als den von der Vorinstanz berücksichtigten Gründen-- zur Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und der Verwaltungsentscheidungen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Das FG hat bei seinem Urteil übersehen, daß der Feststellungsbescheid des HZA --in der Gestalt der Einspruchsentscheidung-- keine Rechtsgrundlage hat, daher rechtswidrig ist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt (§ 100 Abs.1 Satz 1 FGO).
Die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen erfolgt in der Regel nicht durch einen besonderen Steuerverwaltungsakt, sondern inzident in dem jeweiligen Steuerbescheid (§ 157 Abs.2 der Abgabenordnung --AO 1977--). Eine gesonderte Feststellung durch Feststellungsbescheid läßt das Gesetz nur zu, wenn dies in der AO 1977 oder in den Steuergesetzen so bestimmt ist (§ 179 Abs.1 AO 1977). Das hierin festgelegte Enumerationsprinzip bringt den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, Abweichungen vom Grundsatz der verfahrensrechtlichen Einheit des Steuerfestsetzungsverfahrens in jedem Fall dem Gesetzesvorbehalt zu unterwerfen. Zweckmäßigkeitserwägungen können daher eine gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nicht begründen (Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9.Aufl. 1991, § 179 AO 1977 Rz.12; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl. 1991, § 179 AO 1977 Tz.1).
Im Streitfall ermächtigen weder die AO 1977 noch die Einzelsteuergesetze, darunter insbesondere die mineralölsteuerrechtlichen Vorschriften, die Verwaltung, über die Zulässigkeit der Verwendung von steuerbegünstigtem Mineralöl durch Feststellungsbescheid zu befinden. Auch wenn man es also aufgrund der Meinungsverschiedenheiten zwischen dem HZA und der Klägerin über die Ortsfestigkeit der Stromaggregate und damit über die Rechtmäßigkeit der Verwendung steuerbegünstigten Mineralöls als zweckmäßig ansieht, die Rechtslage definitiv zu klären, vermag dies den Erlaß eines Feststellungsbescheides über die Streitfrage nicht zu rechtfertigen.
2. Bei dem angefochtenen "Feststellungsbescheid" handelt es sich um einen --wenn auch unzulässigen-- Feststellungsbescheid.
Ein Feststellungsbescheid i.S. des § 179 Abs.1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt (§ 118 AO 1977), in dem über das Bestehen und/oder Nichtbestehen von Besteuerungsgrundlagen (§ 179 Abs.1 AO 1977) dem Steuerpflichtigen gegenüber, dem der Gegenstand der Feststellung bei der Besteuerung zuzurechnen ist (§ 179 Abs.2 Satz 1 AO 1977), mit bindender Wirkung für Folgebescheide (§ 182 Abs.1 AO 1977) entschieden wird. Besteuerungsgrundlagen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend sind (§ 199 Abs.1 AO 1977).
Im Streitfall erweist sich der Bescheid des HZA nach Inhalt und Form als eine auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtete Entscheidung des HZA zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, mithin als Verwaltungsakt (§ 118 Satz 1 AO 1977). Seinem Inhalt nach lautet der Bescheid dahingehend, daß die von der Klägerin angemeldeten Stromerzeugungsanlagen nicht mit steuerbegünstigtem Heizöl betrieben werden dürfen. Rechtsfeststellend wird damit entschieden, daß die Voraussetzungen für eine Verwendung von steuerbegünstigtem Mineralöl zum Betrieb der Stromerzeugungsanlagen nicht vorliegen, und daß die Klägerin, wie in den Gründen ausgeführt wird, ab sofort in den betreffenden Anlagen nur noch vollversteuerten Dieselkraftstoff verwenden darf. Für eine verbindliche Außenregelung sprechen vor allem die ausdrückliche Bezeichnung als "(Feststellungs)bescheid" und die Erteilung einer Rechtsbehelfsbelehrung.
Mit dem Bescheid werden auch Besteuerungsgrundlagen --gesondert-- festgestellt. In Tenor und Gründen des Bescheids hat das HZA mit dem erkennbaren Willen, eine verbindliche Wirkung zu erzielen, festgestellt, daß die der Klägerin zurechenbaren Stromerzeugungsanlagen keine ortsfesten Anlagen seien, mithin ab sofort nicht (mehr) mit steuerbegünstigtem Heizöl betrieben werden dürften, und daß eine weitere Verwendung solchen Heizöls die Besteuerung des Mineralöls zum Regelsteuersatz auslöse. Unter diesen Umständen mußte die Klägerin davon ausgehen, bei Fortbestand des Bescheids im Falle der Weiterverwendung steuerbegünstigten Mineralöls auf Zahlung der Abgaben in Höhe des Regelsteuersatzes in Anspruch genommen werden zu können und, ließe sie den "Feststellungsbescheid" bestandskräftig werden, im Rahmen der Anfechtung der zu erwartenden Steuerbescheide den Einwand, die von ihr betriebenen Anlagen seien ortsfest und berechtigten daher zur steuerbegünstigten Verwendung von Mineralöl, nicht mehr wirksam geltend machen zu können. Dem würde die Wirkung entsprechen, die § 182 Abs.1 AO 1977 einem Feststellungsbescheid für nachfolgende Steuerbescheide zuschreibt. Der Feststellungsbescheid des HZA stünde --jedenfalls nach der mit ihm verfolgten Intention-- zu nachfolgenden Steuerbescheiden im Verhältnis von Grundlagenbescheid zu Folgebescheiden. Diese Wirkung darf ihm, wie ausgeführt, nicht zukommen, da das mit der bestehenden Rechtslage nicht vereinbar wäre.
Der Senat bestätigt damit seine im Aussetzungsverfahren vertretene Auffassung, daß die kraft Verwaltungsakts getroffene Feststellung, die Verwendung von steuerbegünstigtem Heizöl in einem Stromaggregat sei unzulässig, als Bescheid über die gesonderte Feststellung einer Besteuerungsgrundlage anzusehen ist, und ergänzt sie dahingehend, daß diese Feststellung wegen Fehlens einer Rechtsgrundlage in dieser Form nicht ergehen darf (vgl. bereits Senat, Beschluß vom 21.Februar 1989 VII B 148, 149/88, BFH/NV 1989, 676).
3. Damit erweisen sich die Verwaltungsentscheidungen schon aus diesem Grund als rechtswidrig. Die Sache ist spruchreif. Der Senat braucht nicht die Frage zu entscheiden, ob die vom FG gebilligte sachlich-rechtliche Auffassung des HZA zur Ortsfestigkeit der Stromerzeugungsanlagen im Streitfall zutreffend ist.
Fundstellen
BFH/NV 1992, 49 |
BFHE 167, 478 |
BFHE 1992, 478 |
BB 1992, 1344 (L) |
HFR 1992, 520 (LT) |
StE 1992, 385 (K) |