Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung Einkommensteuer/Lohnsteuer/Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Steht bei der Aufstellung der Bilanz für das letzte laufende Wirtschaftsjahr einer aufgelösten KG fest, daß ein Ausgleich des negativen Kapitalkontos des Kommanditisten mit späteren Gewinnen (ß 167 Abs. 3 HGB) nicht mehr in Betracht kommt, und besteht unter den Gesellschaftern Streit darüber, wem der auf den Kommanditisten nach dem Gewinnverteilungsschlüssel entfallende Verlust bei der einheitlichen Gewinnfeststellung zuzurechnen ist, so ist dieser Verlustanteil nicht dem Kommanditisten, sondern dem Komplementär zuzurechnen.
Normenkette
AO § 215; EStG § 15/2
Tatbestand
Streitig ist, ob den Bf. ein Verlust der KG des Jahres 1955 in Höhe von 3.911 DM anteilsmäßig zugerechnet werden darf.
Die Bf. waren Kommanditisten der X.-KG, die im Januar 1956 durch Ausscheiden der Kommanditisten aufgelöst wurde. Einziger Komplementär de KG war X. Nach dem Gesellschaftsvertrag hatten die Bf. je 5.000 DM Kommanditeinlage zu leisten. Die KG war am 1. April 1953 gegründet worden. Bis zum 31. Dezember 1953 hatten die Kommanditisten Y. und Z. je 3.500 DM, die Kommanditistin W. 3.254 DM eingelegt. Hierbei blieb es bis zum Ausscheiden der Kommanditisten aus der Gesellschaft. Durch die den Kommanditisten auf Grund der Verluste der Jahre 1953 und 1954 gewinnverteilungsmäßig erfolgte Verlustzurechnung von je 6.988 DM waren die Kapitalanteile der Kommanditisten bis zum 31. Dezember 1954 negativ geworden. Unter Nichtberücksichtigung der noch bestehenden Einzahlungsforderungen der KG gegen die Kommanditisten auf die Resteinlagen ergaben sich negative Kapitalkonten von je 3.488 DM für Y. und Z. und von 3.734 DM für W. Unter Berücksichtigung der Einzahlungsforderungen betrugen die negativen Kapitalkonten der Kommanditisten je 1.988 DM (5.000 DM - 6.988 DM). Im Jahre 1955 erlitt die KG erneut einen Verlust in Höhe von insgesamt 3.911 DM. Das Finanzamt rechnete diesen Verlust für 1955 jedoch nicht mehr wie in den vorangegangenen Jahren anteilsmäßig den Kommanditisten, sondern in vollem Umfang dem Komplementär zu. Da dieser außerdem eine Tätigkeitsvergütung von 6.000 DM von der KG erhielt, betrug der ihm zuzurechnende Gewinnanteil insgesamt 2.089 DM. Bei Verteilung der Verluste anteilsmäßig auch auf die Kommanditisten wäre auf jeden von ihnen ein Anteil von 978 DM entfallen. Bei der vom Finanzamt vorgenommenen Gewinn- und Verlustverteilung hielt sich dieses an die von der KG eingereichte Erklärung zur einheitlichen Feststellung des Gewinns aus Gewerbebetrieb und Gewerbesteuererklärung für das Jahr 1955, unterzeichnet vom Komplementär.
Einspruch und Berufung gegen die einheitliche Gewinnfeststellung blieben erfolglos. Das Finanzgericht, das den Komplementär zum Verfahren zugezogen hat, ging zwar davon aus, daß § 167 Abs. 3 HGB, wonach der Kommanditist an dem Verlust nur bis zum Betrag seines Kapitalanteils und seiner noch rückständigen Einlage teilnehme, nach herrschender Auffassung dahin zu verstehen sei, daß nur die Beteiligung am endgültigen Verlust, nicht aber diejenige am jährlichen Verlust begrenzt sei; daß daher die Vorschrift nicht ausschließe, daß Verlustanteile auch dann den Kommanditisten zugerechnet würden, wenn ihre Kapitalanteile negativ seien oder durch diese Verlustzurechnung negativ würden, solange die Möglichkeit bestehe, daß ein Ausgleich durch Gewinne späterer Jahre erfolgen könne. Die Vorschrift schließe aber eine Verlustzurechnung dann aus, wenn die Liquidation der Gesellschaft folge, ein Ausgleich für spätere Gewinne daher nicht mehr möglich sei, wenn also der Verlust ein endgültiger sei. Dieser letzte Fall sei im Streitfall gegeben. Richtig sei allerdings, daß nach dem Gesellschaftsvertrag eine von § 167 Abs. 3 HGB abweichende Regelung in § 2 Abs. 3 enthalten gewesen sei, wonach im Innenverhältnis die Kommanditisten dem Komplementär gegenüber zum Ausgleich entsprechend dem Verhältnis ihrer Geschäftsanteile verpflichtet waren, falls dieser durch einen Gesellschaftsgläubiger persönlich in Anspruch genommen werden sollte. Diese Bestimmung sei jedoch in der Gesellschafterversammlung vom 7. März 1954 auf Antrag eines Kommanditisten gestrichen worden. Es bestehe kein Streit darüber, daß der Beschluß vom 7. März 1954 tatsächlich gefaßt worden sei. Seine Wirksamkeit unter den Gesellschaftern könne nicht dadurch in Frage gestellt sein, daß er von den Gesellschaftern nicht unterschrieben und auch nicht in das Handelsregister eingetragen worden sei. Es bestehe keine allgemeine Verpflichtung zur Eintragung von änderungen des Gesellschaftsvertrages in das Handelsregister. Was eintragungspflichtig sei, sei im Gesetz ausdrücklich geregelt. Richtig sei allerdings, daß das Protokoll über die Gesellschafterversammlung nicht wie im § 6 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags vorgesehen, von mindestens zwei Gesellschaftern unterzeichnet worden sei. Diese Unterzeichnungspflicht habe aber keine konstitutive Wirkung. Sie diene lediglich der Beweissicherung, was allein schon daraus hervorgehe, daß nicht alle Gesellschafter das Protokoll zu unterzeichnen brauchten. Der Beschluß sei daher unter den Gesellschaftern wirksam. Da es sich bei dem Verlust 1955 im Gegensatz zu den Verlusten 1953 und 1954 um einen sogenannten endgültigen handle, könnten sich die Bf. auch nicht darauf berufen, daß das Finanzamt für die Jahre 1953 und 1954 eine Verlustverteilung auf die Kommanditisten vorgenommen habe. Dem stehe das Urteil des Bundesfinanzhofs III 54/58 vom 19. Dezember 1958 (BStBl 1959 III S. 74, Slg. Bd. 68 S. 188) nicht entgegen. Auch der Umstand, daß der seinerzeitige Komplementär zahlungsunfähig sei, könne nichts daran ändern, daß die Bf. über ihre Kapitalanteile und noch zu leistenden Einlagen hinaus weder von den Gläubigern noch vom Komplementär in Anspruch genommen werden könnten.
Mit der Rb. wenden sich die Bf. im wesentlichen zunächst gegen den vom Finanzgericht verwendeten Begriff des endgültigen Verlustes. Endgültige Verluste der Kommanditisten seien überhaupt nicht festzustellen, weil eine Auseinandersetzung noch nicht zwischen ihnen und dem Komplementär stattgefunden habe, die allerdings auch ihren wirtschaftlichen Sinn verloren habe, da der Komplementär vermögenslos sei. Endgültige Verluste seien in Wirklichkeit also gar nicht ermittelt worden. Das Finanzgericht habe ferner übersehen, daß jedenfalls vom 7. März 1954 ab die Haftung der Kommanditisten nach außen und innen nicht mehr miteinander übereingestimmt habe. In der Gesellschafterversammlung vom 7. März 1954 sei der ausdrückliche Beschluß gefaßt worden, nachdem die Kommanditisten bereits ab Januar den Komplementär hätten wissen lassen, daß sie ihre noch nicht eingezahlten Kommanditeinlagen nicht mehr leisten würden, daß eine Aufstockung der Geschäftsanteile nicht mehr erfolgen solle. Dieser Gesellschafterbeschluß habe selbstverständlich kein Rechtswirkungen gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft gehabt. Das ergebe sich auch daraus, daß das Betriebsfinanzamt inzwischen die Bf. trotz dieses Beschlusses wegen rückständiger Steuern 1953/1954 in Höhe von insgesamt 3.877 DM in Anspruch genommen habe, die von der Kommanditistin W. bis zum 21. Februar 1959 vollständig bezahlt worden seien. Wenn der Komplementär in die Bilanz zum 31. Dezember 1955 einen Aktivposten "nicht eingezahltes Kapital" eingesetzt habe, so habe er eigenmächtig und wider den Gesellschafterbeschluß gehandelt. Im übrigen bedeute der Begriff "Verlust" lediglich die buchmäßige Wertminderung des Betriebsvermögens eines Kaufmanns. In bezug auf die Kommanditisten bedeute das, daß der buchmäßige Wert des Anteils um den Betrag des zugeschriebenen Verlustes kleiner geworden sei. Ob eine wirkliche Wertminderung des Anteils eingetreten sei oder nicht, sei dabei gleichgültig. Mit der Haftung bzw. der Verpflichtung, diesen Verlust zu ersetzen, habe die Frage, ob ein Verlust abzugsfähig sei oder nicht, nichts zu tun. Es müsse daher nach der in § 11 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags vorgesehenen Verlustverteilung nach Köpfen auch für den Verlust des Jahres 1955 verbleiben.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Im Urteil VI 343/61 S vom 13. März 1964 (BStBl 1964 III S. 359, Slg. Bd. 79 S. 351) hat der Bundesfinanzhof zur Frage der Zurechnung von Verlusten auf Kommanditisten soweit durch die Verlustverteilung nach dem gesellschaftsvertraglichen Verteilungsschlüssel deren Kapitalkonto negativ wird, eingehend Stellung genommen. Das Urteil schließt sich hierbei der im Handelsrecht herrschenden Auffassung an, daß trotz Fehlens besonderer Vereinbarungen, die die Vorschrift des § 167 Abs. 3 HGB abdingen, das Kapitalkonto eines Kommanditisten negativ sein könne, daß es sich hierbei aber immer nur um einen reinen Rechnungsposten handele, der sicherstellen solle, daß spätere Gewinne des Kommanditisten zunächst mit derartigen, die Einlagen noch übersteigenden Verlusten verrechnet würden, ehe sie zur Aufstockung der verlorenen Einlagen verwendet würden. Sei das Kapitalkonto des Kommanditisten im Zeitpunkt seines Ausscheidens der der Auflösung der Gesellschaft negativ, so bestehe eine Ausgleichspflicht weder den Gesellschaftsgläubigern noch den Mitgesellschaftern gegenüber. Der erkennende Senat tritt dieser Auffassung bei.
In steuerlicher Hinsicht hatte das genannte Grundsatzurteil die Frage zu entscheiden, wie beim Ausscheiden eines Kommanditisten mit negativem Kapitalkonto der Umstand steuerlich zu beurteilen sei, daß der Kommanditist zum Ausgleich seines negativen Kontos nicht herangezogen wird. Das Urteil behandelt hierbei die Frage, wie es zu beurteilen ist, wenn die Gesellschafter die Verlustzurechnung einverständlich, sei es durch Zurechnung der Verluste beim Komplementär, sei es durch Zurechnung beim Kommanditisten, in bestimmter Weise gehandhabt haben. Im Streitfall ist jedoch auch unter den Gesellschaftern rechtlich streitig, wem die Verluste steuerlich zuzurechnen sind.
Der Senat braucht nicht zu der Frage Stellung zu nehmen, ob in einem solchen Fall die laufenden Verluste, die beim Kommanditisten zu einem negativen Kapitalkonto führen würden, dem Komplementär zuzurechnen sind, wie Thiel, Der Betrieb 1964 S. 1166, meint. Er folgt dem Finanzgericht im Ergebnis darin, daß eine Verlustzurechnung auf den Kommanditisten nicht in Betracht kommt in einem Fall, in dem im Zeitpunkt der Aufstellung der Bilanz wegen der Auflösung der Gesellschaft kein Zweifel besteht, daß der Kommanditist die bisher noch nicht rechtskräftig zugerechneten Verluste, soweit sie zu einem negativen Kapitalkonto bei ihm führen würden oder ein bestehendes erhöhen, nicht mehr durch spätere Gewinne, gegebenenfalls durch Veräußerungsgewinne, auszugleichen braucht. Hier steht fest, daß es sich bei einem solchen Verlust nur um ein buchmäßiges Verrechnungskonto des Kommanditisten handelt, dem keine Bedeutung mehr zukommt. Ein wirklicher, das Vermögen des Kommanditisten belastender Verlust liegt nicht vor. Für solche Verluste aber gibt es weder einen Verlustausgleich im Sinne des § 2 Abs. 2 noch einen Verlustabzug im Sinne des § 10 d EStG. Die in dieser Beziehung vom Finanzgericht getroffenen tatsächlichen Feststellungen geben zu Bedenken keinen Anlaß.
Soweit ein Kommanditist später durch das Finanzamt wegen Steuerschulden der KG in Anspruch genommen wird und er diese Steuerschulden begleicht, kann er selbstverständlich die Zahlungen als Betriebsausgaben geltend machen.
Wenn die Bf. noch geltend machen, es komme für die Frage der Verlustzurechnung auf den Kommanditisten nicht darauf an, ob dieser tatsächlich wegen bestehender Schulden der Gesellschaft in Anspruch genommen werde, daß es sich bei der Beurteilung der Verlustfrage nur darum handele, den Verlust buchmäßig zuzurechnen und gleichzeitig auf diese Weise steuerlich berücksichtigungsfähig zu machen, so vermag der Senat dem nicht zu folgen. Diese überlegungen mögen für den vollhaftenden Einzelkaufmann und den Komplementär einer Personengesellschaft zutreffen. Hier ist es richtig, wenn eine steuerliche Verlustberücksichtigung zunächst jedenfalls nicht davon abhängig gemacht und nicht geprüft wird, ob der Einzelkaufmann bzw. der Komplementär von seinen Gläubigern tatsächlich in Anspruch genommen wird. Die endgültige steuerliche Abwicklung dieser Verluste im Hinblick auf die Frage, ob der Steuerpflichtige in Anspruch genommen wird, ist hier bis zu dem Zeitpunkt hinauszuschieben, in dem eine verbindliche Rechtslage geschaffen worden ist, auf Grund deren eine Inanspruchnahme durch die Gläubiger tatsächlich nicht mehr in Betracht kommt. Im Falle eines Kommanditisten, für dessen Inanspruchnahme seitens der Gesellschaftsgläubiger wie auch seitens seiner Mitgesellschafter keine von der Regel des § 167 Abs. 3 HGB abweichende Vereinbarung getroffen worden ist, besteht keine Gefahr, von den Gesellschaftsgläubigern bzw. seinen Mitgesellschaftern zum Ausgleich seines negativen Kapitalkontos herangezogen zu werden. Im Gegensatz zu den Verhältnissen beim Einzelkaufmann und Komplementär, bei denen in aller Regel dem Buchverlust auch ein echter Verlust entspricht (wenn man einmal vom Vorhandensein stiller Reserven absieht) und sich ein Verlust erst auf Grund einer später eingetretenen Rechtslage, wonach eine Inanspruchnahme nicht mehr in Betracht kommt, steuerlich in einen Gewinn verwandelt, begründet der buchmäßig sich in einem endgültig negativen Kapitalkonto beim Kommanditisten niederschlagende Verlust keinen wirklichen Verlust des Kommanditisten. Nur wirkliche Verluste aber können steuerlich durch Ausgleich oder späteren Vortrag nach § 10 d EStG berücksichtigt werden.
Die Rb. war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411446 |
BStBl III 1965, 111 |
BFHE 1965, 305 |
BFHE 81, 305 |