Leitsatz (amtlich)
1. Der in § 21 Abs. 4 Satz 1 DVStBerG verwendete Begriff "Abschnitt" ist nicht identisch mit den in § 11 DVStBerG aufgeführten und in § 10 Abs. 3 DVStBerG erwähnten Prüfungsgebieten.
2. Als Abschnitt der mündlichen Prüfung ist neben dem mündlichen Vortrag jeder weitere im zeitlichen Ablauf unterscheidbare und abgrenzbare Teil der Prüfung zu verstehen, der einer gesonderten Benotung zugänglich ist. Die Befragung des Bewerbers durch die fünf Mitglieder des Prüfungsausschusses für die Steuerbevollmächtigtenprüfung stellt jeweils einen benotungsfähigen Prüfungsabschnitt dar.
2. Der Wortlaut der §§ 10 Abs. 3 Satz 2 und 21 Abs. 4 Satz 1 DVStBerG schließt weder aus, daß der Prüfungsausschuß in mehreren Abschnitten der mündlichen Befragung Fragen aus dem Prüfungsgebiet Abgabenrecht stellt noch daß er mehrere Prüfungsgebiete in einem Prüfungsabschnitt zusammenfaßt und mit einer einheitlichen Note bewertet.
Normenkette
DVStBerG § 10 Abs. 3, § 11 Abs. 2, § 19 Abs. 4, § 21 Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) nahm im Jahre 1975 ohne Erfolg an der Steuerbevollmächtigtenprüfung teil. Für die drei schriftlichen Klausurarbeiten erhielt er jeweils die Note 4. Die mündlichen Prüfungsleistungen bewertete der Prüfungsausschuß wie folgt:
Vortrag 5 (mangelhaft)
Umsatzsteuer und Berufsrecht 5 (mangelhaft)
Buchführung, Bilanzwesen,
Grundzüge des Handelsrechts 5 (mangelhaft)
Einkommensteuer, Körperschaftsteuer,
Gewerbesteuer usw. 5 (mangelhaft)
Reichsabgabenordnung und Nebengesetze,
Finanzgerichtsordnung, BGB 5 (mangelhaft)
Bewertungsgesetz, Vermögensteuer, Verkehrsteuern 4 (ausreichend)
Aus der daraus errechneten Durchschnittsnote von 4,83 ergab sich unter Berücksichtigung der schriftlichen Prüfungsleistungen eine Endnote von 4,41.
Mit seiner Klage machte der Kläger geltend, das Verfahren des Prüfungsausschusses entspreche nicht der in der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes (DVStBerG) festgelegten Regelung. So habe der Prüfungsausschuß die einzelnen Prüfungsabschnitte, für die Einzelnoten zu erteilen seien, von fünf auf sechs erweitert. Er habe auch aufgrund des angewandten Bewertungsverfahrens dem Prüfungsgebiet des Abgabenrechts gegenüber den übrigen Prüfungsgebieten eine größere Gewichtigkeit eingeräumt, was in der DVStBerG nicht vorgesehen sei.
Das Finanzgericht (FG) Münster gab der Klage statt. Es führte in seinem Urteil vom 27. Oktober 1977 VII-VIII 1225/75 A (Entscheidungen der Finanzgerichte 1978 S. 46 - EFG 1978, 46 -) aus, daß die vom Prüfungsausschuß vorgenommene Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen gegen die in den DVStBerG vorgeschriebenen Verfahrensbestimmungen verstoße. Die Bewertung des mündlichen Prüfungsteils führe zu einer höheren Gewichtigkeit des Prüfungsgebietes des Abgabenrechts gegenüber den anderen Prüfungsgebieten und lasse nicht erkennen, mit welchen Einzelnoten die in § 11 Abs. 2 DVStBerG aufgeführten Prüfungsgebiete bewertet worden seien. Das Prüfungsgebiet Abgabenrecht sei dadurch besonders hervorgehoben, daß gemäß § 11 Abs. 3 DVStBerG zwei der schriftlichen Klausurarbeiten dem Abgabenrecht zu entnehmen seien. Für die Bewertung des mündlichen Teils der Prüfung fehle es an einer entsprechenden Hervorhebung dieses Prüfungsgebietes. Es sei insoweit mit den anderen Prüfungsgebieten gleichrangig. Das ergebe sich zwingend aus den in der DVStBerG festgelegten Verfahren für die Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen. Gemäß § 19 Abs. 4 und § 11 Abs. 3 DVStBerG komme den schriftlichen Klausurarbeiten bei der Ermittlung der Gesamtnote eine gleiche Gewichtigkeit zu. Genauso verhalte es sich bei der Ermittlung der für den mündlichen Teil der Prüfung zu bildenden Gesamtnote. Gemäß § 21 Abs. 4 DVStBerG habe der Prüfungsausschuß die Leistungen des Bewerbers in jedem Abschnitt der mündlichen Prüfung mit einer der in § 19 Abs. 2 DVStBerG aufgeführten Noten zu bewerten und sodann nach § 19 Abs. 4 Satz 2 DVStBerG eine Gesamtnote zu bilden. Nach dem dabei kraft Gesetzes zu berücksichtigenden § 10 Abs. 3 DVStBerG beginne die mündliche Prüfung mit einem Vortrag über einen Fachgegenstand und seien danach Fragen aus den Prüfungsgebieten an den Bewerber zu richten. Als erster Abschnitt sei der zu haltende Fachvortrag mit einer Einzelnote zu bewerten. Die in § 10 Abs. 3 DVStBerG aufgeführten Prüfungsgebiete stellten weitere Prüfungsabschnitte dar, für die Einzelnoten zu erteilen seien. Die mündliche Prüfung gliedere sich damit in fünf gleichwertige Prüfungsabschnitte. Die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Prüfungsausschüsse bestehende Verpflichtung, an den Bewerber Fragen aus allen Prüfungsgebieten zu stellen (Urteile vom 22. Juni 1976 VII R 110/75, BFHE 119, 364, BStBl II 1976, 735; vom 15. März 1977 VII R 15/76, BFHE 122, 214, BStBl II 1977, 447), habe nur dann Auswirkungen, wenn auch für jedes Prüfungsgebiet Einzelnoten gegeben würden, die bei der Ermittlung der Gesamtnote eine gleiche Gewichtigkeit hätten. Es sei unzulässig, wenn der Prüfungsausschuß ein selbständiges Prüfungsgebiet in mehrere Prüfungsgebiete untergliedere und für jedes unterteilte Gebiet eine Bewertung mit Einzelnoten vornehme, die dann in die Bildung der Gesamtnote einfließe. Dies führe zu einer höheren Gewichtigkeit des untergegliederten Prüfungsgebietes. Es sei auch nicht zulässig, mehrere der in § 11 DVStBerG aufgeführten Prüfungsgebiete zusammenzufassen und hierfür Einzelnoten zu erteilen. Das verstoße gegen § 19 Abs. 2 DVStBerG, der nur Einzelnoten vorsehe und die Bildung von Zwischennoten aus zwei zusammengefaßten Prüfungsgebieten nicht zulasse. Eine durch einheitliche Bewertung der Prüfungsgebiete Berufsrecht und Abgabenrecht verliehene Note 5 könne auf ungenügenden Leistungen im Abgabenrecht und befriedigenden Leistungen im Berufsrecht beruhen und so zu einer unzutreffenden Gesamtnote für die mündliche Prüfung führen. Aus dem BFH-Urteil VII R 110/75 könne im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten und Revisionsklägerin (Oberfinanzdirektion - OFD -) nicht hergeleitet werden, daß die Prüfungsgebiete beliebig aufgeteilt werden könnten.
Die vom Verordnungsgeber getroffene Regelung über die Gleichwertigkeit der mündlichen Prüfungsgebiete halte sich im Rahmen der in § 118 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG) a. F. ausgesprochenen Ermächtigung. Der zentralen Bedeutung des Rechtsgebiets des Abgabenrechts für die Ausübung des Berufs eines Steuerbevollmächtigten habe der Verordnungsgeber dadurch Rechnung getragen, daß der Bewerber auf diesem Gebiet zwei schriftliche Klausurarbeiten mit einer Bearbeitungsdauer von je vier bis sechs Stunden anzufertigen habe. Auch der vom Bewerber zu haltende Fachvortrag könne ein Thema des Abgabenrechts betreffen. Es liege deshalb keine sachfremde oder willkürliche Regelung vor, wenn bei der Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen dem Gebiet des Berufsrechts oder des bürgerlichen Rechts die gleiche Wertigkeit beigemessen werde wie dem Abgabenrecht.
Im Streitfalle habe der Prüfungsausschuß im Ergebnis eine vierfache Bewertung der mündlichen Leistungen des Klägers für das Gebiet des Abgabenrechts vorgenommen. Er habe daneben dreimal selbständige Prüfungsgebiete zusammengefaßt und mit einer einheitlichen Einzelnote bewertet. Dies könne zu einer unzutreffenden Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen geführt haben. Es lasse sich nicht feststellen, ob die mündlichen Leistungen des Klägers auf dem Gebiet des Abgabenrechts ausreichend oder mangelhaft gewesen seien. Ebenso könne die Zusammenfassung einzelner Prüfungsgebiete zu einer unzutreffenden Bewertung der mündlichen Prüfung geführt haben. Die Bewertung des Prüfungsgebietes bürgerliches Recht sei in zwei Einzelnoten eingeflossen. Diese könnten dadurch zustande gekommen sein, daß die Leistungen des Klägers auf den Gebieten Buchführung, Bilanzwesen, Reichsabgabenordnung, Nebengesetze und Finanzgerichtsordnung überwiegen mangelhaft gewesen seien, während die Leistungen des Klägers bei einer gesonderten Bewertung des Prüfungsgebietes bürgerliches Recht noch mit befriedigend zu bewerten gewesen seien. In gleicher Weise verhalte es sich bei der Zusammenfassung der Gebiete Berufsrecht und Umsatzsteuer. Danach sei nicht auszuschließen, daß die Leistungen des Klägers auf dem Gebiet des Abgabenrechts ausreichend und auf den Gebieten des Berufsrechts und des bürgerlichen Rechts befriedigend gewesen seien. In diesem Falle ergäbe sich für die mündliche Prüfung. die Gesamtnote ausreichend. Die OFD sei daher zu verpflichten, den mündlichen Teil der Steuerbevollmächtigtenprüfung erneut durchzuführen.
Die gegen dieses Urteil eingelegte Revision begründet die OFD wie folgt: Es bestehe Übereinstimmung darüber, daß der Prüfungsausschuß dem Bewerber Fragen aus allen in § 11 Abs. 2 Nrn. 1 bis 4 DVStBerG aufgeführten Prüfungsgebieten gestellt habe. Das FG habe den durch die Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes vom 5. Dezember 1973 (BGBl I, 1816) eingefügten § 21 Abs. 4 unzutreffend ausgelegt. Durch diese Vorschrift habe lediglich die Bewertung der einzelnen Prüfungsteile (schriftlicher und mündlicher Prüfungsteil) festgelegt werden sollen. Dabei sei die bisherige Praxis der Prüfungsausschüsse berücksichtigt und legalisiert worden. Es sei nicht beabsichtigt gewesen, diese Praxis im Verordnungswege zu ändern (Bundesrats-Drucksache 542/73 vom 27. August 1973, Begründung zu Art. 1 Nr. 11 und Nr. 12). Das bisherige, bundeseinheitlich von allen Prüfungsausschüssen praktizierte Verfahren, das diesen einen gewissen Spielraum bei der Gestaltung der mündlichen Prüfung überlasse, habe sich bewährt und sei wiederholt vom BFH ohne Beanstandung inzidenter überprüft worden. Das gelte auch für die Aufteilung des Prüfungsgebietes Abgabenrecht auf vier Abschnitte, die jeweils von einem Prüfer geprüft würden. Die Auffassung des FG werde auch nicht durch den Wortlaut des § 21 Abs. 4 DVStBerG gedeckt. Der Verordnungsgeber habe bewußt das Wort "Abschnitt" gewählt, weil er an die bisherige Praxis der abschnittsweisen Benotung durch die Prüfungsausschüsse habe anschließen wollen. Der Begriff "Abschnitt" sei nicht identisch mit dem Begriff "Prüfungsgebiet".
Es sei nicht richtig, daß einem einzelnen Prüfungsgebiet im Rahmen der Bewertung der Prüfungsleistung nur dann eine höhere Gewichtigkeit beigemessen werden dürfe, wenn das in den Verfahrensbestimmungen ausdrücklich vorgesehen sei. Die Gleichrangigkeit sämtlicher Prüfungsgebiete ergebe sich nicht zwingend aus der DVStBerG. In der mündlichen Prüfung bestehe vielmehr hinsichtlich der Bewertung die Gleichrangigkeit sämtlicher Prüfungsabschnitte, wie sie bundeseinheitlich festgesetzt seien. Die von allen Prüfungsausschüssen vorgenommene Aufteilung der Prüfungsgebiete sei auch zweckdienlich. Sowohl die praktische Ausbildung als auch die Vorbereitungskurse des Bewerbers seien auf das Steuerrecht ausgerichtet. Diesem komme eine zentrale Bedeutung zu. Es sei daher folgerichtig, wenn diesem Gebiet nicht nur in der schriftlichen, sondern auch in der mündlichen Prüfung eine hervorragende Stellung eingeräumt werde.
Die OFD beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt. Er teilt die Rechtsauffassung des FG über die Bedeutung des Begriffes Abschnitt in § 21 Abs. 4 DVStBerG und die Wertigkeit der einzelnen Prüfungsgebiete, insbesondere des Prüfungsgebietes Abgabenrecht.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Abweisung der Klage.
Das FG ist zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, daß der Prüfungsausschuß bei der Bewertung der mündlichen Prüfungsleistungen des Klägers gegen Verfahrensbestimmungen in der DVStBerG verstoßen habe.
Nach § 118 Nr. 1 b StBerG vom 16. August 1961 (BGBl I, 1301) i. d. F. des Zweiten Änderungsgesetzes vom 11. August 1972 (BGBl I, 1104) war die Bundesregierung ermächtigt, durch Verordnung Bestimmungen über die Durchführung der Prüfung, insbesondere die Prüfungsgebiete, die schriftliche und mündliche Prüfung zu erlassen. Von dieser Ermächtigung, die nach Inhalt, Zweck und Ausmaß den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes (GG) gerecht wird, hat der Verordnungsgeber, soweit es für den Streitfall von Bedeutung ist, in den §§ 10, 11, 19 und 21 DVStBerG Gebrauch gemacht. In § 11 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 DVStBerG ist vorgeschrieben, daß sich die Steuerbevollmächtigtenprüfung auf die vier Prüfungsgebiete Abgabenrecht (mit zahlreichen im einzelnen aufgeführten Rechtsgebieten), Betriebswirtschaft (mit fünf näher bestimmten Teilgebieten), ferner auf Grundzüge des bürgerlichen Rechts und das Berufsrecht erstreckt. Im Rahmen der in § 10 Abs. 3 DVStBerG behandelten mündlichen Prüfung hat der Bewerber einen Vortrag zu halten. Im weiteren Verlauf der mündlichen Prüfung sind an ihn Fragen aus den Prüfungsgebieten zu richten. Zu den letztgenannten Vorschriften hat der erkennende Senat mit Urteilen vom 22. Juni 1976 VII R 110/75 (BFHE 119, 364, BStBl II 1976, 735) und vom 15. März 1977 VII R 15/76 (BFHE 122, 214, BStBl II 1977, 447) entschieden, daß in der mündlichen Steuerbevollmächtigtenprüfung an den Bewerber Fragen aus sämtlichen Prüfungsgebieten zu richten sind. Diesem Erfordernis hat der Prüfungsausschuß nach den Feststellungen des FG entsprochen.
Der Auffassung des FG, die Prüfungsausschüsse seien darüber hinaus auch verpflichtet, für jedes der in § 11 Abs. 2 DVStBerG aufgeführten Prüfungsgebiete eine gesonderte Note zu vergeben, vermag der Senat nicht zu folgen. Sie ergibt sich insbesondere nicht aus § 21 Abs. 4 DVStBerG. Nach dieser Vorschrift hat der Prüfungsausschuß die Leistungen des Bewerbers "in jedem Abschnitt der mündlichen Prüfung (§ 10 Abs. 3) mit einer Note des § 19 Abs. 2" zu bewerten. Das FG hat verkannt, daß der auf § 10 Abs. 3 DVStBerG bezogene Begriff "Abschnitte" nicht gleichbedeutend ist mit dem der in § 11 Abs. 2 DVStBerG aufgeführten Prüfungsgebiete. Nach der in § 10 Abs. 3 DVStBerG getroffenen Regelung ist insoweit in Übereinstimmung mit der Auffassung des FG davon auszugehen, daß der im Rahmen der mündlichen Prüfung zu haltende Vortrag einen Prüfungsabschnitt darstellt. Fraglich könnte sein, ob der gesamte sich an den mündlichen Vortrag anschließende Teil der mündlichen Prüfung als zweiter Abschnitt der mündlichen Prüfung i. S. des § 21 Abs. 4 Satz 1 DVStBerG anzusehen ist und somit außer der Note für den mündlichen Vortrag nur noch eine Note zu vergeben ist. Der Wortlaut der §§ 10 Abs. 3 Satz 2 und 21 Abs. 4 Satz 1 DVStBerG ließe eine solche Auslegung zu. Der Senat hält eine solche Auslegung aber nicht für richtig. Die genannten Vorschriften können ihrem Wortlaut nach ebenso dahin gehend ausgelegt werden, daß der an den mündlichen Vortrag anschließende Teil der mündlichen Prüfung, nämlich die Befragung der Bewerber, aus mehreren Abschnitten bestehen kann. Davon sind auch die Beteiligten selbst und das FG ausgegangen. Eine Aufteilung der mündlichen Befragung in mehrere Abschnitte entspricht der Praxis der Prüfungsausschüsse. Es erscheint auch sachgerecht, die zeitlich aufeinanderfolgenden Befragungen durch die einzelnen Prüfer, die dem Ausschuß dann entsprechend ihrem Eindruck eine Note vorschlagen, als getrennte Prüfungsabschnitte anzusehen.
Für die Meinung des FG, daß die auf die mündliche Befragung der Bewerber entfallenden Prüfungsabschnitte identisch seien mit den vier Prüfungsgebieten des § 11 Abs. 2 DVStBerG und daß danach bei der Bewertung neben der Note für den Vortrag noch vier Noten zu berücksichtigen seien, gibt es in den in Betracht kommenden Vorschriften der DVStBerG keinen ausreichenden Anhalt. Der Verordnungsgeber hat, worauf die OFD zu Recht hinweist, in § 21 Abs. 4 Satz 1 DVStBerG unter Hinweis auf § 10 Abs. 3 den Begriff "Abschnitt" verwendet, obwohl es, folgt man der Meinung des FG, nahegelegen hätte, auf die in § 10 Abs. 3 DVStBerG als Prüfungsgegenstand erwähnten Prüfungsgebiete zurückzugreifen. Hätte der Verordnungsgeber eine solche Regelung gewollt, dann hätte er folgendermaßen formulieren können: "Der Prüfungsausschuß bewertet die Leistungen des Bewerbers im mündlichen Vortrag und in den vier Prüfungsgebieten mit einer Note des § 19 Abs. 2."
Geht man danach davon aus, daß die §§ 10 Abs. 3 und 21 Abs. 4 DVStBerG über Zahl und Gegenstand der bei der Beurteilung der mündlichen Befragung zu berücksichtigenden Abschnitte der mündlichen Prüfung keine ausdrücklichen Aussagen enthalten, dann kann der Begriff "Abschnitte" nur so verstanden werden, daß er neben dem mündlichen Vortrag als dem ersten Abschnitt jeden weiteren im zeitlichen Ablauf unterscheidbaren und abgrenzbaren Teil der mündlichen Prüfung erfaßt, der einer gesonderten Benotung der Leistungen zugänglich ist. Als solche Abschnitte sind die nacheinander erfolgende Befragung und Beurteilung der Bewerber durch die fünf Mitglieder des Prüfungsausschusses für die Steuerbevollmächtigtenprüfung zu qualifizieren, wie sie in der Praxis der Prüfungsausschüsse üblich ist.
Die in § 21 Abs. 4 Satz 3 DVStBerG hinsichtlich der Bildung der Gesamtnote vorgesehene entsprechende Anwendung des § 19 Abs. 4 Satz 2 DVStBerG führt danach dazu, daß die Summe der Bewertungen der sechs Prüfungsabschnitte (mündlicher Vortrag und fünf Noten für die mündliche Befragung) durch 6 geteilt wird.
Im Gegensatz zur Auffassung des FG kann der DVStBerG auch nicht entnommen werden, daß jeder der vier Prüfungsabschnitte, auf die sich die mündliche Befragung erstreckt, gleichrangig sei und daß deshalb für jedes Prüfungsgebiet Einzelnoten zu vergeben seien. Wenn § 11 Abs. 3 DVStBerG bestimmt, daß zwei Klausurarbeiten dem Abgabenrecht zu entnehmen sind (wodurch die Gewichtigkeit dieses Prüfungsgebietes hervorgehoben wird), kann daraus nicht die vom FG vertretene Auffassung abgeleitet werden, daß die vier Prüfungsgebiete in der mündlichen Prüfung deshalb gleichwertig seien, weil der Verordnungsgeber in § 10 Abs. 3 DVStBerG keines dieser Gebiete hervorgehoben habe. Aus letzterer Vorschrift ergibt sich lediglich zwingend, daß Fragen aus sämtlichen Prüfungsgebieten zu stellen sind. Wie der erkennende Senat in seinem Urteil VII R 110/75 ausgeführt hat, ist es nicht zu beanstanden, wenn der Prüfungsausschuß den einzelnen Prüfungsgebieten unterschiedliche Zeit widmet und wenn er bei der Befragung innerhalb eines Prüfungsgebietes jeweils eine Auswahl trifft. In seinem Urteil VII R 15/76 hat der Senat diese Rechtsauffassung dahin gehend ergänzt, daß es im Ermessen des Prüfungsausschusses bzw. der Prüfer steht, die im Einzelfall zu stellenden Fragen und ihre Anzahl zu bestimmen. Es kann, wie der Senat weiter entschieden hat, sogar genügen, wenn nur eine Frage aus einem Prüfungsgebiet gestellt wird, sofern diese nicht ganz einfach zu beantworten und nicht ersichtlich nur gestellt worden ist, um der Form zu genügen. In beiden Urteilen, an deren Grundsätzen der Senat festhält, kommt damit zum Ausdruck, daß es im Ermessen des Prüfungsausschusses liegt, welchen Rang er den einzelnen Prüfungsgebieten zumißt. Daraus folgt, daß es dem Prüfungsausschuß im Rahmen des § 10 Abs. 3 Satz 2 DVStBerG nicht verwehrt werden kann, das für die spätere Berufsausübung besonders wichtige Prüfungsgebiet Abgabenordnung bei der mündlichen Befragung im wesentlich stärkeren Maße zu berücksichtigen als z. B. das Prüfungsgebiet Berufsrecht. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß der Prüfungsausschuß Fragen aus dem Prüfungsgebiet Abgabenrecht in mehreren Abschnitten der mündlichen Prüfung gestellt und daß er damit diesem Prüfungsgebiet eine besondere Bedeutung beigemessen hat.
Der Senat teilt auch nicht die Bedenken des FG dagegen, daß der Prüfungsausschuß selbständige Prüfungsgebiete zusammengefaßt und mit einer einheitlichen Note bewertet hat. Ein solches Beurteilungsverfahren ist auch bei den Klausurarbeiten üblich. Nach § 11 Abs. 3 DVStBerG können sich diese bestimmten Prüfungsgebieten zu entnehmenden Arbeiten daneben auch auf andere Prüfungsgebiete erstrecken. Gleichwohl sind die Klausurarbeiten gemäß § 19 Abs. 1 und 2 DVStBerG mit einer einheitlichen Note zu bewerten. Es ist selbstverständlich, daß dabei möglicherweise unterschiedliche Leistungen auf den verschiedenen Prüfungsgebieten berücksichtigt werden und in die einheitliche Note einfließen. Gute Leistungen auf einem der Prüfungsgebiete können schlechte Leistungen auf einem anderen korrigieren. Für die Beurteilung mündlicher Leistungen innerhalb eines Prüfungsabschnittes, in dem Fragen aus verschiedenen Prüfungsgebieten gestellt werden, kann nichts anderes gelten.
Fundstellen
Haufe-Index 72849 |
BStBl II 1978, 613 |
BFHE 1979, 417 |