Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Grundsteuer
Leitsatz (amtlich)
Die Befreiung der fließenden Gewässer und der dem öffentlichen Verkehr dienenden künstlichen Wasserläufe von der Grundsteuer erstreckt sich nicht auf die Fischereirechte an diesen Gewässern.
Fischereirechte, die nicht denselben Personen zustehen, dürfen nicht zusammen bewertet werden. Ein Fischereirecht, das an den Inhaber eines Fischereibetriebes verpachtet ist, darf nicht mit Betriebsmitteln und Gebäuden dieses Betriebes zusammen bewertet werden.
Normenkette
BewG §§ 2, 30, 33; BewDV § 31; BewG § 34/2/1/e; GrStG § 4/9/a; GrStG § 4/9/c
Tatbestand
Die Fischereirechte an der ... mit einer Wasserfläche von rund 1125 ha standen früher dem Lande Preußen zu, das sie an den Inhaber eines Fischereibetriebes verpachtet hatte. Für diese Fischereirechte war zum 1. Januar 1935 kein Einheitswert festgestellt und zum 1. Januar 1938 auch kein Grundsteuermeßbetrag festgesetzt worden. Nach dem Kriege holte das Finanzamt das Versäumnis nach und erließ im Jahre 1953 zum 1. Januar 1950 gegenüber dem Lande X. einen Einheitswertbescheid und einen Grundsteuermeßbescheid. Hierbei ergab sich für die Fischereirechte (einschließlich eines bei der Bewertung einbezogenen Anteiles an den Betriebsmitteln des Fischereipächters) ein Einheitswert von 23.100 DM und ein Grundsteuermeßbetrag von 211 DM.
Der Pächter der vorgenannten Fischereirechte hatte unter anderem auch noch das Fischereirecht am ..... (einer ehemaligen Reichswasserstraße) mit einer Wasserfläche von 46,5 ha gepachtet. Auch für dieses Fischereirecht war zum 1. Januar 1935 kein Einheitswert festgestellt und zum 1. Januar 1938 kein Grundsteuermeßbetrag festgesetzt worden. In diesem Falle erließ das Finanzamt im Jahre 1953 zum 1. Januar 1950 entsprechende Bescheide, und zwar ebenfalls gegenüber dem Lande X. Hierbei ergab sich für das Fischereirecht (ebenfalls einschließlich eines bei der Bewertung einbezogenen Anteiles an den Betriebsmitteln des Fischereipächters) ein Einheitswert von 7.100 DM und ein Grundsteuermeßbetrag von 56,80 DM.
Das Land X. (Bf.) machte in den Einspruchsverfahren geltend, daß sich die im GrStG für fließende Gewässer (Ströme, Flüsse, Bäche) und für künstliche Wasserläufe ausgesprochene Grundsteuerbefreiung auch auf die Fischereirechte an diesen Gewässern erstrecke. Die Einsprüche hatten keine n Erfolg. In der Berufung beanstandete das Land X. außerdem, daß in die Bewertung der Fischereirechte jeweils Anteile an den Betriebsmitteln des Fischereipächters einbezogen worden seien.
Die Berufung hatte keinen Erfolg. Die Vorinstanz kam zu dem Ergebnis, daß nicht von zwei Fischereibetrieben, sondern von nur einem einzigen Fischereibetriebe (nämlich dem Betriebe des Fischereipächters) auszugeben sei. Dieser stelle eine für sich zu bewertende wirtschaftliche Einheit dar. Eine gesonderte Bewertung für Teile des Betriebes sei beim übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nicht vorgesehen. Gegenstand der Bewertung sei das dem Fischereibetriebe gewidmete Vermögen. Hierzu gehörten außer den Betriebsmitteln des Pächters (Kähne, Fanggeräte usw.) auch die gepachteten Fischereirechte. Dieser Fischereibetrieb sei Gegenstand der Grundsteuer. Eine Befreiung von der Grundsteuer trete nicht ein, da Bewertungsgegenstand nicht das fließende Gewässer oder der künstliche Wasserlauf sei, sondern der Fischereibetrieb mit dem Recht, in den betreffenden Gewässern die Fischerei auszuüben. Demgemäß setzte die Vorinstanz für die Fischereirechte an den genannten Gewässern (einschließlich eines auf den Fischereipächter entfallenden Anteiles von 1.145 DM für Betriebsgebäude und 2.671 DM für Betriebsmittel) einen Gesamteinheitswert von 30.500 DM und einen Grundsteuermeßbetrag von 285 DM fest.
Das Land X. hält in der Rb. an seiner Auffassung fest, daß die Grundsteuerbefreiung der betreffenden Gewässer auch die Fischereirechte an diesen Gewässern mitumfasse. Außerdem wird geltend gemacht, daß eine einheitliche Feststellung des Einheitswertes für Betriebsgebäude und Betriebsmittel des Fischereipächters sowie für die beiden Fischereirechte, die zudem verschiedenen Eigentümern gehörten, nicht zulässig sei.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidungen und zur Zurückverweisung der Sache an das Finanzamt.
1. Nach § 4 Ziff. 9 Buchstaben a und c GrStG sind von der Grundsteuer unter anderem befreit: die dem öffentlichen Verkehr dienenden künstlichen Wasserläufe sowie die fließenden Gewässer (Ströme, Flüsse, Bäche). Der Bf. begründet seine Auffassung, die Befreiung von der Grundsteuer könne auch für die Fischereirechte an den genannten Gewässern in Anspruch genommen werden, vor allem damit, daß sich nach der Fassung des Gesetzes die Grundsteuerbefreiung nicht nur auf den Wasserlauf als solchen (d. h. die Grundfläche und das darüber stehende Wasser), sondern auch auf die als Ausfluß des Eigentumes am Wasserlauf bestehenden Fischereirechte beziehe. Daß die Grundsteuerfreiheit für die Fischereirechte bei Abfassung des GrStG einmütige Rechtsauffassung gewesen sei, ergebe sich aus den §§ 13 und 14 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV), insbesondere aus § 14 Abs. 2 BewDV. Dies werde auch durch das Schrifttum und die Sachbehandlung der Finanzbehörden bis in den Krieg hinein (keine Veranlagung der Fischereirechte zur Grundsteuer) bestätigt. Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Der Befreiungsvorschrift des § 4 Ziff. 9 GrStG liegt, wie in Abschn. 62 GrStR zutreffend ausgeführt wird, der Gedanke zugrunde, solchen Grundbesitz zu begünstigen, der zwangsläufig privatwirtschaftlichen nutzbringenden Zwecken entzogen ist. Dieser Gesichtspunkt kann für Fischereirechte an den genannten Wasserläufen nicht in Anspruch genommen werden. Der Gemeingebrauch an Fischgewässern, d. h. der freie Fischfang für jedermann, besteht nur noch in den Küstengewässern (siehe § 6 des preußischen Fischereigesetzes vom 11. Mai 1916, Preußische Gesetzsammlung S. 55). Dagegen ist das Recht des freien Fischfanges für jedermann in den Binnengewässern schon seit dem frühen Mittelalter verdrängt und durch das zunächst dem Landesherrn persönlich, später regelmäßig dem Staat vorbehaltene Fischereiregal ersetzt worden. Damit hat sich aber ein vom Eigentum am Gewässer losgelöstes Sonderrecht entwickelt, das insoweit einen selbständigen Vermögenswert neben dem Eigentum am Gewässer darstellt. Hierbei kann es keinen Unterschied ausmachen, ob das Fischereirecht mit dem Eigentum an dem Gewässer verbunden oder von ihm abgespalten ist. Außerdem kommt es nicht darauf an, ob das in Betracht kommende Recht als solches ein grundstücksgleiches Recht ist, ob es sonstwie dinglich gesichert ist, oder ob es nur auf einer nur schuldrechtlichen Gebrauchsüberlassung, z. B. auf einem Pachtvertrage oder einer sonstigen Nutzungsüberlassung, z. B. Verleihung, beruht (ebenso im Urteil des Reichsfinanzhofs III 24/ 43 vom 26. November 1943, RStBl 1944 S. 51). Auf örtliche, vor allem landesrechtliche Rechtsgestaltungen - die Gesetzgebung auf dem Gebiete der Binnenfischerei ist Sache der Länder - kann grundsätzlich keine Rücksicht genommen werden. Demgemäß hat auch der Reichsfinanzhof in dem vorgenannten Urteile entschieden, daß sich die Befreiung eines im Eigentum einer Gebietskörperschaft stehenden Sees von der Grundsteuer nicht auf das Recht, auf dem See die Fischerei auszuüben, bezieht. Mit Unrecht beruft sich der Bf. auch auf Schrifttum. Bereits in dem 1937 erschienenen Erläuterungsbuch zum Grundsteuergesetz von Dziegalowski (Gutentag,sche Sammlung Deutscher Reichsgesetze, Nr. 206, S. 15) wird die Auffassung vertreten, daß Fischereigerechtigkeiten an Binnengewässern "übriges land- und forstwirtschaftliches Vermögen" und daher grundsteuerpflichtig sind. Dieselbe Auffassung wird überwiegend auch sonst im Schrifttum (z. B. Scholz, Kommentar zum Grundsteuergesetz, 2. Aufl., Anm. 110 zu § 4; Gürsching-Stenger, Kommentar zum Grundsteuergesetz, Anm. 10 zu § 4 Ziff. 9) vertreten.
Der Bf. kann dieser Auffassung auch nicht mit dem Hinweis auf §§ 13 und 14 BewDV begegnen. Einmal beziehen sich diese Bestimmungen auf rein landwirtschaftliche Betriebe. Im übrigen sagt auch der § 14 Abs. 2 BewDV nichts darüber aus, welche Gegenstände im einzelnen unter § 4 Ziff. 9 GrStG fallen, sondern verbietet nur eine Bewertung für den Fall, daß Teile eines landwirtschaftlichen Betriebes unter die Befreiungsvorschrift fallen. Für die Auslegung des § 4 Ziff. 9 GrStG können somit die §§ 13 und 14 BewDV nicht herangezogen werden.
Der Senat kommt daher im Anschluß an die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zu dem Ergebnis, daß sich die Befreiung der dem öffentlichen Verkehr dienenden künstlichen Wasserläufe und der fließenden Gewässer von der Grundsteuer nicht auf die Fischereirechte an diesen Gewässern erstreckt.
2. Das Bewertungsgesetz - BewG - (ß 28) teilt das land- und forstwirtschaftliche Vermögen in folgende fünf Vermögensunterarten ein: landwirtschaftliches Vermögen, forstwirtschaftliches Vermögen, Weinbauvermögen, gärtnerisches Vermögen, übriges land- und forstwirtschaftliches Vermögen. Das der Binnenfischerei gewidmete Vermögen gehört nach § 49 Ziff. 2 BewG zur Vermögensunterart des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Diese Vorschrift schließt jedoch nicht aus, daß ein der Binnenfischerei gewidmetes Vermögen ausnahmsweise zu einer der anderen Vermögensunterarten gerechnet werden muß. So wäre z. B. eine Zurechnung zum landwirtschaftlichen Vermögen geboten, wenn die Binnenfischerei nur als Teil eines landwirtschaftlichen Betriebes anzusehen wäre (vgl. § 13 Abs. 1 Ziff. 5 sowie entsprechend die Abs. 1 Ziff. 4 der §§ 19, 23 und 28 BewDV). Im Streitfalle liegt eine solche Ausnahme nicht vor, so daß die Zurechnung der streitigen Fischereirechte zur Vermögensunterart des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens gerechtfertigt ist.
Die Bewertung des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens hat - ebenso wie bei den anderen Vermögensunterarten - nach wirtschaftlichen Einheiten zu erfolgen (ß 2 BewG). Innerhalb des landwirtschaftlichen Vermögens ist der "landwirtschaftliche Betrieb" die Bewertungseinheit. Der Begriff des landwirtschaftlichen Betriebes setzt weder eine Mindestgröße noch vollen landwirtschaftlichen Besatz (Betriebsgebäude, Betriebsmittel usw.) voraus. Ein solches Erfordernis kann aus den Vorschriften des BewG nicht hergeleitet werden. Ein Acker oder eine Wiese, die jemand hat und landwirtschaftlich nutzt oder zu landwirtschaftlicher Nutzung verpachtet hat, ist ein landwirtschaftlicher Betrieb im Sinne des BewG (ebenso Urteil des Bundesfinanzhofs IV 134/54 U vom 31. März 1955, BStBl 1955 III S. 150, Slg. Bd. 60 S. 392; vgl. auch Gürsching-Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz, Anm. 2 zu § 29). Entsprechendes gilt für die anderen Vermögensunterarten. Demgemäß setzt auch der Begriff "Betrieb des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens" keinesfalls das Vorhandensein eines Betriebes im üblichen Sinne voraus. Auch ein einzelnes Wirtschaftsgut, das zum übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehört und für sich als wirtschaftliche Einheit zu bewerten ist, führt die Bezeichnung "Betrieb". Bei der Binnenfischerei muß das selbst für den Fall gelten, daß ein Fischereiberechtigter die Ausübung seines Fischereirechtes Personen übertragen hat, die den Fischfang nur aus Liebhaberei oder als Sport betreiben.
Stellt ein Wirtschaftsgut eine wirtschaftliche Einheit dar, so ist dieses Wirtschaftsgut für sich zu bewerten. Es können jedoch mehrere oder gar viele Wirtschaftsgüter für die Bewertung zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt werden. Für eine solche Zusammenfassung müssen jedoch zwei Voraussetzungen gegeben sein: einmal muß wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der mehreren Wirtschaftsgüter vorliegen (ß 2 Abs. 1 BewG) und zum anderen müssen die - wirtschaftlich zusammengehörigen Wirtschaftsgüter - demselben Eigentümer gehören (ß 2 Abs. 2 BewG). Von dem letzten Erfordernis besteht für das landwirtschaftliche Vermögen eine Ausnahme. Nach § 30 Abs. 2 BewG sind in einen landwirtschaftlichen Betrieb die der Bewirtschaftung des Betriebes dienenden Betriebsmittel und Gebäude auch dann einzubeziehen, wenn sie nicht dem Eigentümer des Grund und Bodens gehören. Der Reichsfinanzhof hat in dem bereits erwähnten Urteil III 24/43 ausgesprochen, daß § 30 Abs. 2 BewG sinngemäß anzuwenden sei, wenn die einem Fischereibetriebe dienenden Betriebsmittel nicht dem Eigentümer am See gehören würden. Der erkennende Senat vermag sich dieser Auffassung, die auch im Urteile der Vorinstanz vertreten wird, nicht anzuschließen; § 30 Abs. 2 BewG kann bei der Bewertung des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nicht angewendet werden. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus § 31 BewDV, in dem zwar die entsprechende Anwendung des § 29 Abs. 2 und 5, des § 31 Abs. 1, 2 und 4 sowie des § 32 BewG vorgeschrieben wird, in dem aber § 30 BewG unerwähnt geblieben ist. Die Nichterwähnung dieser Vorschrift in § 31 Abs. 1 BewDV kann nicht als zufällig oder als Versehen angesehen werden; sie bedeutet vielmehr, daß der Verordnungsgeber eine Anwendung des § 30 BewG auf Betriebe des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nicht vorgesehen hat. Es muß deshalb insoweit bei der allgemeinen Regelung in § 2 Abs. 2 BewG verbleiben, nach der mehrere Wirtschaftsgüter nur dann und insoweit zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt werden dürfen, als sie demselben Eigentümer gehören. Demgemäß durfte die Vorinstanz die verschiedenen Gebietskörperschaften zustehenden Fischereirechte an den beiden Wasserläufen nicht zu einer Wirtschaftlichen Einheit zusammenfassen. Eine Zusammenfassung der Fischereirechte mit Betriebsmitteln und Gebäuden des Pächters der Fischereirechte verbietet sich allein schon deswegen, weil dieser noch weitere Gewässer zur Ausübung der Fischerei gepachtet hat und ihm auch noch weitere Fischereirechte an Binnengewässern zustehen. Möglicherweise bildet, was noch zu prüfen sein wird, der Fischereibetrieb des Pächters zusammen mit den ihm zustehenden Fischereirechten, Betriebsmitteln usw. für sich ebenfalls einen Betrieb des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Da die Entscheidung der Vorinstanz die Rechtslage insoweit verkannt hat, unterliegt sie der Aufhebung. Aus dem gleichen Grunde sind auch die beiden Einspruchsentscheidungen aufzuheben. Im übrigen hat die Vorinstanz mit Recht darauf hingewiesen, die Einspruchsentscheidungen ließen nicht genügend klar erkennen, daß über die Befreiung von der Grundsteuer nicht im Einheitswert-, sondern im Steuermeßbetragsverfahren entschieden werden müsse.
Fundstellen
Haufe-Index 409557 |
BStBl III 1960, 205 |
BFHE 1960, 550 |
BFHE 70, 550 |