Leitsatz (amtlich)
Den nach dem Preußischen Fischereigesetz vom 11. Mai 1916 (Preußische Gesetzsammlung 1916, 55) gebildeten Fischereigenossenschaften, die im Bereich des jetzigen Bundeslandes Hessen ansässig sind, sind die ihnen vor dem Inkrafttreten des Hessischen Fischereigesetzes vom 11. November 1950 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen 1950, 255) gehörenden Fischereirechte auch nach diesem Stichtag zuzurechnen.
Normenkette
BewG § 49 Abs. 2, § 62 Abs. 1; BewDV § 30 Abs. 2
Streitjahr(e)
1960
Tatbestand
Streitig ist die Festsetzung des Einheitswerts eines Fischereirechts und die Festsetzung der Grundsteuer zum 1. Januar 1960.
Die Revisionsklägerin ist eine im Jahre 1933 vom Regierungspräsidenten auf Grund des Preußischen Fischereigesetzes (künftig: PrFischG) vom 11. Mai 1916 (Preußische Gesetzsammlung 1916, 55) gebildete Fischereigenossenschaft. Genossen wurden sämtliche Personen und Personenvereinigungen (Fiskus, Gemeinden, Fischergilden und Privatpersonen), die vor der Bildung der Genossenschaft an der Werra von der ehemals preußisch-thüringischen Landesgrenze bis zur ehemaligen Provinzialgrenze zwischen Hessen-Nassau und Hannover fischereiberechtigt waren. Soweit die Genossen Eigentümer des Wasserlaufs waren, leiteten sie ihr Fischereirecht aus dem Eigentum ab. Die weiteren Genossen hatten verselbständigte, dinglich übertragbare und im Wasserbuch eingetragene Fischereirechte inne.
Nach § 2 ihrer Satzung bezweckt die Revisionsklägerin die gemeinschaftliche Bewirtschaftung und Nutzung der Fischerei des Genossenschaftsgebiets samt Fangverwaltung (Wirtschaftsgenossenschaft). Sie besitzt keine Geräte zur Ausübung der Fischerei und keine anderen Vermögensgegenstände. Sie gestattet lediglich Dritten durch Verpachtung das Fischen auf der bezeichneten Flußfläche. Nach der Genossenschaftssatzung steht den Genossen, "soweit das für eine rationelle Bewirtschaftung zulässig erscheint", ein Vorpachtrecht zu.
Den Überschuß der Pachteinnahmen über die Ausgaben (für Fischaufzucht und Verwaltung) schüttet die Revisionsklägerin an ihre Genossen aus. Soweit Genossen auf Grund des Vorpachtrechts Pachtzinsen zu entrichten haben, übersteigen diese die ausgeschütteten Beträge.
Das Finanzamt (FA) - Revisionsbeklagter - rechnete das Fischereirecht der Revisionsklägerin zu und stellte den Einheitswert dieses Rechts zum 1. Januar 1960 fest. Den Grundsteuermeßbetrag setzte es auf denselben Stichtag fest.
Mit der Sprungberufung gegen den Einheitswert- und Grundsteuermeßbescheid machte die Revisionsklägerin geltend, ihr dürfe das Fischereirecht nicht zugerechnet werden. Ihr Mitglieder seien lediglich verpflichtet, die Fischereirechte nicht einzeln auszuüben. Sie hätten die Ausübung des Fischereirechts der Genossenschaft übertragen. Wirtschaftlich sei sie (die Revisionsklägerin) lediglich "eine Verteilerstelle im volkswirtschaftlich gebotenen Interesse einer richtigen fischereilichen Bewirtschaftung der Gewässer". Die Genossen seien gezwungen, den Anordnungen der Verteilerstelle zu folgen, so daß sie nicht mehr völlig frei über ihr Fischereirecht verfügen könnten. Ihre Eigentumsrechte könnten sie jedoch übertragen oder abtreten. Jedenfalls sei der vom FA festgestellte Einheitswert zu hoch. Im übrigen sei sie ein gemeinnütziges Unternehmen und deshalb von der Grundsteuer zu befreien.
Das Finanzgericht (FG) ermäßigte den Einheitswert um 2.900 DM und setzte den Grundsteuermeßbetrag entsprechend niedriger fest. Im übrigen blieb die Berufung ohne Erfolg. In dem auszugsweise in Entscheidungen der Finanzgerichte 1965 S. 263 veröffentlichten Urteil FG III 527 - 528/63 vom 10. Dezember 1964 führte das FG aus, das Fischereirecht stelle für sich allein eine wirtschaftliche Einheit dar. Dieses Recht sei der Revisionsklägerin zuzurechnen. Das ergebe sich schon aus der gesetzlichen Fiktion des § 36 PrFischG, wonach die zu bildende Genossenschaft als Fischereiberechtigte gelte. Diese gesetzliche Fiktion bestehe nach §§ 5, 76 des Fischereigesetzes für das Land Hessen vom 11. November 1950 - künftig: HessFischG - (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen 1950 S. 255) fort. Im übrigen sei der Revisionsklägerin das Fischereirecht nach § 11 Nr. 4 StAnpG zuzurechnen.
Der Einheitswert sei herabzusetzen, da das FA die Betriebsausgaben der Revisionsklägerin nicht in vollem Umfang berücksichtigt habe. Dadurch mindere sich auch der Grundsteuermeßbetrag.
Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. b GrStG komme nicht in Betracht, da die Revisionsklägerin nicht gemeinnützigen Zwecken diene. Die Revisionsklägerin sei auch kein "anerkannter Sportverein", weshalb eine Grundsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 4 GrStG entfalle. Schließlich komme § 4 Nr. 9 Buchst. c GrStG nicht zum Zuge, weil sich die Grundsteuerbefreiung nur auf die Grundfläche und das darüberstehende Wasser erstrecke (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs III 24/43 vom 26. November 1943, RStBl 1944, 51).
Das FG ließ die Rb. wegen grundsätzlicher Bedeutung der Streitsache zu.
Mit der Rb. trägt die Revisionsklägerin vor, das bloße Fischereirecht oder dessen bloße Ausübung durch Verpachtung erfülle nicht den Begriff des "übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens". Es handele sich insoweit wohl um Wirtschaftsgüter. Es läge jedoch keine "wirtschaftliche Einheit" vor. Es fehle an einem "Betrieb" des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens.
Selbst wenn das reine Fischereirecht als wirtschaftliche Einheit anzusehen wäre, könne es ihr nicht zugerechnet werden. Es sei zweifelhaft, ob die Fiktion des § 36 PrFischG noch gelte; denn die Vorschriften des PrFischG seien aufgehoben. Nur die Genossenschaften selbst seien bestehen geblieben. (ß 11 Nr. 4 StAnpG komme nicht zum Zuge, da sie nicht den Herrschaftswillen habe, die einzelnen Fischereirechte als eigene Rechte zu besitzen.
Entscheidungsgründe
Die seit dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. ist unbegründet.
- I. - Der erkennende Senat hat zu den hier streitigen Rechtsfragen in dem Urteil III 236/64 vom 2. Juni 1967, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 89, S. 282 (BFH 89, 282) folgendes ausgeführt:
Nach § 214 Nr. 1 AO werde u. a. für die wirtschaftliche Einheit eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes ein Einheitswert gesondert festgestellt. Nach § 28 Nr. 5 BewG in der am Bewertungsstichtag - hier 1. Januar 1960 - geltenden Fassung (künftig: BewG a. F.) gehöre zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen auch das "übrige land- und forstwirtschaftliche Vermögen". Zu diesem sei nach § 49 Nr. 2 BewG a. F. und § 30 Nr. 2 BewDV a. F. das der Binnenfischerei gewidmete Vermögen zu rechnen. Zur Binnenfischerei gehöre nicht nur das bewegliche Betriebsvermögen des Fischers, sondern auch das Fischereirecht. Wenn der Fischereiberechtigte die Fischerei selbst ausübe, sei ihm das Fischereirecht zusammen mit den der Fischerei dienenden, beweglichen Wirtschaftsgütern als wirtschaftliche Einheit zuzurechnen.
Wenn der Fischereiberechtigte sein Recht nicht selbst ausübe, sondern verpachte, sei es dennoch als wirtschaftliche Einheit anzusehen, für die ein Einheitswert festzustellen sei. Denn für die wirtschaftliche Einheit des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens sei nicht das Bestehen eines Betriebs im üblichen Sinne erforderlich. Auch ein einzelnes Wirtschaftsgut, das zum übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehöre, könne für sich als wirtschaftliche Einheit zu bewerten sein. Das verpachtete Fischereirecht stelle nach den Anschauungen des Verkehrs eine wirtschaftliche Einheit dar.
Diese wirtschaftliche Einheit sei dem Verpächter zuzurechnen. Im Falle der Verpachtung des Fischereirechts könnten die dem Pächter gehörenden Gerätschaften, die zur Fischerei benötigt werden, nicht in die dem Verpächter zuzurechnende wirtschaftliche Einheit "Fischereirecht" einbezogen werden, weil nur demselben Eigentümer gehörende Wirtschaftsgüter zu einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefaßt werden könnten. Nach § 30 Abs. 2 BewG a. F. seien allerdings in die wirtschaftliche Einheit "landwirtschaftlicher Betrieb" auch fremde Betriebsmittel einzubeziehen, wenn sie nur dem landwirtschaftlichen Betrieb dienten. Diese Vorschrift sei jedoch auf die Bewertung des übrigen land- und forstwirtschaftlichen Vermögens nicht anwendbar, da es in § 31 Abs. 1 BewDV a. F. an einer Verweisung auf § 30 BewG a. F. fehle.
- II. - Unter Beachtung dieser Ausführungen, die auch für den Streitfall gelten, ist das Fischereirecht der Revisionsklägerin als selbständige wirtschaftliche Einheit anzusehen, ein Einheitswert dafür festzustellen und der Revisionsklägerin zuzurechnen; denn die Revisionsklägerin ist, entgegen der von ihr vertretenen Ansicht, Inhaberin dieses Rechts.
Nach § 36 Abs. 1, letzter Satz PrFischG gelten Fischereigenossenschaften im Rahmen ihrer Aufgaben als Fischereiberechtigte. Danach war die Revisionsklägerin an der bezeichneten Flußfläche bis zum Inkrafttreten des HessFischG als Fischereiberechtigte anzusehen. Sie ist auch noch am Bewertungsstichtag als Fischereiberechtigte zu behandeln. Denn nach § 78 Abs. 1 Nr. 1 HessFischG tritt das PrFischG vom 11. Mai 1916 zwar außer Kraft. Fischereigenossenschaften, die auf Grund des PrFischG gebildet wurden, blieben jedoch bestehen, falls sie nicht - was hier nicht zutrifft - vom Regierungspräsidenten aufgelöst wurden (ß 76 HessFischG). Nach § 5 Abs. 1 HessFischG blieben auch alle Fischereirechte aufrechterhalten, soweit sie am 1. Januar 1950 bestanden haben. § 5 Abs. 1 HessFischG sagt zwar nicht ausdrücklich, daß die bestehenbleibenden Rechte weiterhin den Personen gehören, die sie vorher innehatten. Nach Ansicht des erkennenden Senats ist § 76 in Verbindung mit § 5 HessFischG jedoch darin auszulegen, daß Fischereigenossenschaften mit den ihnen bis zum Inkrafttreten des HessFischG gehörenden Fischereirechten bestehenbleiben. Denn käme man zu dem Ergebnis, die Genossenschaften blieben bestehen, die ihnen nach dem PrFischG zustehenden, ebenfalls bestehenbleibenden Fischereirechte stünden ihnen aber nicht mehr zu, so wäre das Fortbestehen der Genossenschaften nicht verständlich. Die Genossenschaften bestünden ohne jede Daseinsberechtigung. Sie wären weder berechtigt, Fische zu hegen, noch Pachtverträge abzuschließen, noch den Ausfang zu verwerten. Zumindest von den beiden ersten aus dem Fischereirecht fließenden Berechtigungen machte die Revisionsklägerin jedoch, wie sich aus der vom FG durchgeführten mündlichen Verhandlung eindeutig ergibt, Gebrauch. Sie selbst geht demnach im Ergebnis zutreffend davon aus, daß ihr das Fischereirecht auch nach dem Inkrafttreten des HessFischG weiter zusteht. Die weitere, von der Vorinstanz gegebene Begründung, daß das Fischereirecht der Revisionsklägerin auch nach § 11 Nr. 4 StAnpG zuzurechnen sei, steht folglich nicht mehr zur Erörterung.
- III. - Die Höhe des vom FG festgestellten Einheitswert ist von der Revision nicht angegriffen. Sie entspricht offensichtlich der übereinstimmenden Auffassung der Parteien. Da Rechtsfehler insoweit auch nicht zu erkennen sind, bleibt es bei diesem Wert.
- IV. - Eine Befreiung von der Grundsteuer kommt nicht in Betracht.
- Der erkennende Senat hat bereits im Urteil III 197/58 U vom 20. November 1959 (BFH 70, 550, BStBl III 1960, 205) ausgeführt, daß sich die Grundsteuerbefreiung der dem öffentlichen Verkehr dienenden fließenden Gewässern (ß 4 Nr. 9 Buchst. c GrStG) nicht auf die Fischereirechte an diesen Gewässern erstreckt. Es besteht keine Veranlassung, von jener Entscheidung, auf die Bezug genommen wird, abzuweichen.
- Die Revisionsklägerin ist auch nicht nach § 4 Nr. 3 Buchst. b GrStG von der Grundsteuer zu befreien; denn sie dient nicht gemeinnützigen Zwecken. Das wäre nach § 17 StAnpG nur der Fall, wenn durch die Erfüllung der ihr gestellten Aufgaben die Allgemeinheit ausschließlich und unmittelbar gefördert würde. Ihr Zweck, "die gemeinschaftliche Bewirtschaftung und Nutzung der Fischerei des Genossenschaftsgebiets samt Fangverwertung", dient unmittelbar nur ihren Genossen. Nach § 17 Abs. 5 StAnpG ist deshalb die Gemeinnützigkeit ausgeschlossen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 425747 |
BFHE 1967, 353 |
BFHE 89, 353 |