Leitsatz (amtlich)
Die Buchführungspflicht ist gemäß § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. nicht auf den Pächter eines Betriebes übergegangen.
Normenkette
AO 1977 § 141
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Streitig ist, ob gemäß § 141 Abs. 3 der Abgabenordnung a. F. (AO 1977 a. F.) die Buchführungspflicht eines Land- und Forstwirts durch die Verpachtung seines Betriebes auf den Pächter übergegangen ist.
Durch schriftlichen Vertrag vom 20. Dezember 1976 hat der Kläger und Revisionsbeklagte (im folgenden Kläger) den 71 ha großen Hof seines Vaters (Einheitswert 51 900 DM) für die Zeit vom 1. Januar 1977 bis 31. Dezember 1986 von diesem gepachtet. Der Verpächter war buchführungspflichtig. Er hat aus Anlaß der Verpachtung weder erklärt noch buchmäßig zu erkennen gegeben, daß er mit der Verpachtung seinen Betrieb aufgebe.
Durch Schreiben vom 10. März 1977 forderte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) den Kläger auf, Bücher zu führen, und zwar mit der Begründung, die Buchführungspflicht des Verpächters sei gemäß § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. durch die Verpachtung auf ihn übergegangen.
Nach erfolgloser Beschwerde machte der Kläger mit der Klage geltend, er sei nicht buchführungspflichtig, die Voraussetzungen des Übergangs der Buchführungspflicht nach § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. lägen bei ihm nicht vor. Dazu sei eine "dingliche" Überlassung des Betriebes erforderlich. Er habe jedoch nur die Nachfolge im unmittelbaren Besitz angetreten und nur das Recht zur Nutzung des Betriebes des Verpächters erworben. Dies werde dadurch bestätigt, daß nicht nur der Betrieb des Verpächters fortbestehe, sondern auch dessen Buchführungspflicht.
Das Finanzgericht (FG) gab in seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1980, 212 veröffentlichten Entscheidung der Klage statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung des § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F.
Das FA beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Die Grenzwerte beim Gewinn, Umsatz und beim Vermögen, deren Überschreiten nach § 141 AO 1977 a. F. die originäre steuerliche Buchführungspflicht für Gewerbetreibende und Land- und Forstwirte auslöst, weil sie objektive Merkmale für eine bestimmte Betriebsgröße und ihre Ertragskraft sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 6. Dezember 1979 IV R 32/79, BFHE 129, 368, BStBl II 1980, 423), beziehen sich auf den einzelnen Betrieb eines Steuerpflichtigen. Auch die sich daraus ergebende Buchführungspflicht des betreffenden Steuerpflichtigen ist betriebsbezogen. Ist die Buchführungspflicht für den einzelnen Betrieb durch das Überschreiten einer der obigen Grenzen eingetreten, so ist es daher folgerichtig, wenn § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. -- im Gegensatz zu § 161 der Reichsabgabenordnung (AO) -- bei entgeltlicher oder unentgeltlicher Übernahme dieses buchführungspflichtigen Betriebes im ganzen durch einen anderen Steuerpflichtigen auch die Buchführungspflicht auf den neuen Inhaber des Betriebes kraft Gesetzes übergehen läßt. Dieser gesetzliche Übergang der Buchführungspflicht beruht auf der Überlegung, daß die Voraussetzungen der Buchführungspflicht beim Übernehmer eines Betriebes in der Regel genau so erfüllt sein werden wie bei seinem Vorgänger, weil er denselben Betrieb mit derselben Größe und der entsprechenden Ertragskraft, auf die es bei der Einkommensteuer letztlich ankommt, bewirtschaftet.
Von diesem Grundgedanken her ist § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. auszulegen. Sein Wortlaut: "Die Buchführungspflicht geht auf denjenigen über, der den Betrieb im ganzen übernimmt", ist nicht ganz eindeutig, weil die Gesetze von "Betriebsübernahme" sowohl beim sachenrechtlichen Erwerb, also bei der Übereignung des gesamten Betriebsvermögen, als auch bei der Übernahme zur bloßen Nutzung des Betriebsvermögens, z. B. bei einer Betriebspacht, sprechen. Immerhin fällt auf, daß die Bestimmungen, die nur oder auch auf eine Übernahme des Betriebes zur Nutzung angewendet werden sollen, dies ausdrücklich sagen (so § 22 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches -- HGB -- und § 594 des Bürgerlichen Gesetzbuches -- BGB --); jetzt auch die ab 29. Juni 1980 geltende Neufassung des § 141 Abs. 3 AO 1977 (BGBl I 1980, 732, BStBl I 1980, 400). Das FG weist mit Recht darauf hin, daß in § 75 AO 1977 als Betriebsübernehmer derjenige bezeichnet wird, dem der Betrieb im ganzen übereignet wird.
Grundsätzlich wird man danach sagen können, daß der nicht eindeutige Begriff "Betriebsübernahme" im Sinne einer Eigentumsübertragung zu verstehen ist, wenn es der betreffenden Regelung auf die Übernahme des Vermögens ankommt (vgl. §§ 25, 26 HGB), und eine Besitz- und Nutzungsübernahme genügen läßt, wenn auf der Übernahme der Firma oder der betrieblichen Tätigkeit das Gewicht liegt.
Geht man bei der Auslegung des § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. von seinem Grundgedanken aus, daß der Übernehmer eines Betriebes in die bestehende Buchführungspflicht des Übergebers eintreten soll, weil bei ihm für denselben Betrieb, mit derselben Betriebsgröße und derselben Ertragskraft die Voraussetzungen der Buchführungspflicht in der Regel genau so erfüllt sein werden wie bei seinem Vorgänger, so spricht alles dafür, daß diese Voraussetzungen der Betriebsidentität nur bei dem Betriebsübernehmer erfüllt sind, dem der Betrieb im ganzen übereignet wird. Nur derjenige, dem ein Betrieb im ganzen übereignet wird, erlangt dieselbe Position als Betriebsinhaber wie sein Vorgänger, während der Pächter als bloßer Besitzer des Betriebes und als Schuldner von Pachtzinsen gegenüber dem Eigentümer weder bezüglich des Betriebsvermögens noch des betrieblichen Gewinns eine mit seinem Vorgänger identische Position übernimmt. Vor allem bei der im Rahmen des § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. im Vordergrund stehenden Übernahme eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, dessen Ertragskraft vornehmlich von der Größe und der Bonität seiner Böden abhängt, kann man nur dann eine mit dem Rechtsvorgänger größenmäßig vergleichbare Position als Betriebsinhaber erlangen, wenn man auch das gesamte Betriebsvermögen, d. h. vor allem auch die Liegenschaften erwirbt.
Der Senat ist daher der Auffassung, daß nach § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. die Buchführungspflicht nicht auf den Pächter eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes übergegangen ist. Dazu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung bedurft, wie sie jetzt in § 141 Abs. 3 AO 1977 n. F. enthalten ist. Der gegenteiligen Auslegung, die der Einführungserlaß zur AO 1977 (BStBl I 1976, 576, 603) der Vorschrift des § 141 Abs. 3 AO 1977 a. F. ohne Begründung gegeben hat, vermag der Senat nicht zu folgen.
Nach alledem hat das FG zutreffend entschieden, daß die Buchführungspflicht des Klägers neu begründet werden muß und nicht kraft Gesetzes vom Verpächter auf ihn übergegangen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 74693 |
BStBl II 1983, 617 |
BFHE 1983, 320 |