Leitsatz (amtlich)
1. Lotsen sind nach § 18 Abs.1 Nr.1 EStG freiberuflich tätig. Sie können deshalb die --nur für Arbeitnehmer in Betracht kommende-- Steuerfreiheit für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge (§ 3b EStG) nicht in Anspruch nehmen.
2. Es verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG), daß die Steuerfreiheit nach § 3b EStG nur Arbeitnehmern, nicht aber auch den Beziehern anderer Einkunftsarten gewährt werden kann.
Orientierungssatz
1. Es ist zwar Aufgabe der Gerichte, ungewollte Unvollständigkeiten des Gesetzes durch Schließung der Lücken zu beheben (vgl. BFH-Urteil vom 20.10.1983 IV R 175/79). Voraussetzung für eine solche Lückenausfüllung ist jedoch das Vorliegen einer "planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes" (Literatur); davon kann nur gesprochen werden, wenn die bloßen Gesetzesworte das teleologische Konzept des Gesetzes nur bruchstückhaft oder lückenhaft zum Ausdruck bringen.
2. Eine gesetzliche Regelung verstößt nur dann gegen den Gleichheitssatz (zur Bedeutung der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz vgl. BVerfG-Rechtsprechung und BFH-Rechtsprechung), wenn sie unter keinem sachlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (vgl. BVerfG-Beschluß vom 2.10.1969 1 BvL 12/68).
3. Läßt eine Norm mehrere Deutungen zu, von denen nur eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diejenige Auslegung geboten, die mit dem GG in Einklang steht (vgl. BVerfG-Beschluß vom 9.8.1978 2 BvR 831/76). Jede Auslegung findet ihre Grenze an dem eindeutigen Wortlaut und dem Sinn und Zweck der betreffenden Vorschrift. Würde eine verfassungskonforme Auslegung zu dem Ergebnis führen, daß an die Stelle einer Gesetzesnorm inhaltlich eine andere Vorschrift tritt, so würden damit die Grenzen der Gerichtsbarkeit überschritten werden (vgl. BVerfG-Beschluß vom 11.6.1980 1 PBvU 1/79). Das gilt insbesondere auch für die Auslegung steuerrechtlicher Normen.
Normenkette
EStG §§ 3b, 18 Abs. 1 Nr. 1; GG Art. 3 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Kanallotse. Er versah seinen Lotsendienst auf dem Seelotsrevier Nord-Ostsee- Kanal I. Aus dieser Tätigkeit erzielte er im Streitjahr 1977 Einnahmen in Höhe von ..... Für einen Teilbetrag hiervon in Höhe von 4 872 DM begehrte er Steuerfreiheit nach § 3b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Bei der Festsetzung der Einkommensteuer lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) diesen Antrag ab.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte aus, die Steuerfreiheit nach § 3b EStG für Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, gelte nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung ausschließlich für Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Darunter fielen die Lotsen nicht. Denn die Lotsentätigkeit rechne gemäß § 18 Abs.1 Nr.1 EStG zu den freien Berufen. Daß die Lotsen steuerlich anders behandelt würden als nichtselbständig Tätige, bedeute keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--); für die gesetzliche Differenzierung bestünden sachliche Gründe.
Mit der --vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassenen-- Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Die Zuordnung der Lotsen zu den freien Berufen nach § 18 Abs.1 Nr.1 EStG enthalte eine gesetzliche Fiktion. Der Berufsstatus des Lotsen sei heute so maßgeblich im Sinne einer aufsichtsgebundenen Hoheitstätigkeit festgelegt, daß er mit dem Status eines freien Berufs kaum noch etwas zu tun habe. Jedenfalls sei wegen der besonderen Gestaltung der Arbeitszeit und der Berechnung der Einkünfte des Lotsen (des sogenannten Lotsgeldes) eine entsprechende Anwendung des § 3b EStG geboten. Hätte der Gesetzgeber daran gedacht, daß die Lotsen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit ebenfalls Zuschläge erhielten, so hätte er eine dem § 3b EStG entsprechende Steuerbefreiung auch für die Einkünfte der Lotsen gewährt.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung dahin zu ändern, daß ein Betrag von 4 876 DM als steuerfrei anerkannt wird, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Sache gemäß Art.100 Abs.1 GG dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zur Entscheidung vorzulegen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat es zu Recht abgelehnt, einen Teil der dem Kläger zugeflossenen Lotsgelder gemäß § 3b EStG von der Steuer zu befreien. Es hat auch zutreffend entschieden, daß die aus der Anwendung des § 3b EStG sich ergebende unterschiedliche steuerrechtliche Behandlung von Steuerpflichtigen mit Einkünften aus nichtselbständiger und aus selbständiger Arbeit mit dem GG in Einklang steht.
1. Die Vorschrift des § 3b Abs.1 EStG sieht vor, daß gesetzliche und tarifvertragliche Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, steuerfrei sind.
Wie sich aus dem Wortlaut der Vorschrift (insbesondere auch aus der Überschrift "Steuerfreiheit bestimmter Zuschläge zum Arbeitslohn") sowie aus ihrem Sinn und Zweck ergibt, handelt es sich hierbei um eine Befreiungsvorschrift, die nur für bestimmte, im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses anfallende Einnahmen zur Anwendung kommt. Hierfür spricht auch die historische Entwicklung der Vorschrift. Wie das BVerfG zur Entstehung der Vorgängervorschrift des § 3b EStG (§ 34a EStG 1955) ausgeführt hat, ging es ausschließlich darum, Zuschläge "im Sinne des Arbeitsrechts" zu begünstigen (Beschluß vom 15.Januar 1969 2 BvR 723/65, BVerfGE 25, 101, BStBl II 1969, 253; vgl. ferner Beschluß des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 1.August 1985 VI R 28/79, BFHE 144, 244, BStBl II 1985, 664). Demgemäß wird auch in der Literatur einhellig die Auffassung vertreten, daß § 3b EStG nur für die Bezieher von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gilt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., § 3b EStG, Rdnr.8; Keßler in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 14.Aufl., § 3b EStG, Rdnr.3; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 5.Aufl., § 3b EStG, Rdnr.1).
2. Lotsen sind nach dem Gesetz (§ 18 Abs.1 Nr.1 EStG) freiberuflich tätig. Sie gehören deshalb nicht zum Kreis derjenigen, die die Vergünstigung des § 3b EStG in Anspruch nehmen können.
a) Die Tätigkeit eines Lotsen richtet sich nach dem Bundesgesetz über das Lotsenwesen (Seelotsengesetz = SLG) vom 13.Oktober 1954 (BGBl II 1954, 1035; nunmehr in der Fassung vom 13.September 1984, BGBl I 1984, 1213). Seelotse im Sinne dieses Gesetzes ist, wer nach behördlicher Zulassung auf Seeschiffahrtsstraßen außerhalb der Häfen berufsmäßig Schiffe als orts- und schiffahrtskundiger Berater geleitet. Nach § 25 Abs.1 SLG übt der für ein Revier bestellte Seelotse seine Tätigkeit als freien, nicht gewerblichen Beruf aus. Er führt die Lotsung in eigener Verantwortung durch, unterliegt aber im übrigen der Aufsicht nach Maßgabe des Gesetzes (§ 25 Abs.2 SLG).
Das Entgelt für die Leistungen des Seelotsen ist das Lotsgeld. Die Höhe des Lotsgeldes wird vom Bundesminister für Verkehr mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen (BMF) in einer Lotstarifordnung festgelegt (§ 6 Abs.1 Nr.2 SLG). Die Lotsgelder werden auf der Grundlage des Tarifgehalts eines Kapitäns unter Hinzurechnung der Zuschläge, die ein Kapitän erhält (Seefahrtzulage, Verpflegungsgeld, Kleidergeld), und der Leistungen, die beim Seelotsen im Gegensatz zu einem Kapitän aus dem Einkommen bestritten werden müssen (Sozialversicherungsanteile des Arbeitgebers usw.), ermittelt. Sie fließen der sogenannten Lotsenbrüderschaft --einer Vereinigung aller für ein Revier bestellter Seelotsen (§ 31 Abs.1 SLG)-- zu; diese verteilt die von allen Seelotsen eingefahrenen Lotsgelder unter ihren Mitgliedern (§ 32 Nr.9 SLG).
b) Steuerrechtlich wurden die Einkünfte der Seelotsen früher als Einkünfte aus Gewerbebetrieb behandelt (vgl. BFH-Urteile vom 8.Juli 1954 IV 60/53 U, BFHE 59, 134, BStBl III 1954, 261; vom 17.März 1960 IV 178/58 U, BFHE 70, 561, BStBl III 1960, 209). Erstmals ab 1.Januar 1960 wurden die Lotsen durch eine ausdrückliche steuergesetzliche Regelung den freien Berufen zugeordnet (§ 18 Abs.1 Nr.1 EStG 1960). Diese für die Rechtsanwendung bindende Zuordnung bedeutet unter anderem, daß sich sowohl die Gewinnermittlung (§ 4 Abs.1 bzw. § 4 Abs.3 EStG) als auch die Steuervergünstigungen (Freibetrag nach § 18 Abs.4 EStG) sowie die Sonderausgabenberechnung (§ 10 EStG) nach den für die Angehörigen der freien Berufe maßgebenden Rechtsvorschriften richten.
3. Die Anwendung des § 3b EStG auf die Einkünfte der freiberuflich tätigen Lotsen läßt sich weder durch Analogieschluß noch im Wege verfassungskonformer Auslegung erreichen.
a) Eine analoge Anwendung der Vergünstigung des § 3b EStG auf andere Personengruppen als Arbeitnehmer ist nicht geboten.
Es ist zwar Aufgabe der Gerichte, ungewollte Unvollständigkeiten des Gesetzes durch Schließung der Lücken zu beheben (BFH-Urteil vom 20.Oktober 1983 IV R 175/79, BFHE 139, 561, BStBl II 1984, 221). Voraussetzung für eine solche Lückenfüllung ist jedoch das Vorliegen einer "planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes" (Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5.Aufl., 1983, 359); davon kann nur gesprochen werden, wenn die bloßen Gesetzesworte das teleologische Konzept des Gesetzes nur bruchstückhaft oder lückenhaft zum Ausdruck bringen.
Die Regelung des § 3b EStG ist in diesem Sinne nicht lückenhaft. Wie sich aus der Entwicklung der Vorschrift ergibt (vgl. hierzu die Ausführungen des BVerfG zu der Vorgängervorschrift zu § 3b EStG --§ 34a EStG-- in dem Beschluß in BVerfGE 25, 101, BStBl II 1969, 253; vgl. ferner BFHE 144, 244, BStBl II 1985, 664), geht es bei den begünstigten Zuschlägen ausschließlich um Zuschläge "im Sinne des Arbeitsrechts". An andere Zuschläge war nach der gesetzlichen Konzeption nicht gedacht; der im Gesetz zum Ausdruck gebrachte Wille des Gesetzgebers ist also --was den Kreis der Begünstigten anbelangt-- nicht planwidrig unvollständig.
b) Die Vorschrift des § 3b EStG läßt sich auch nicht auf verfassungskonforme Weise dahin auslegen, daß sie auf die Einkünfte der Seelotsen Anwendung findet.
Läßt eine Norm mehrere Deutungen zu, von denen nur eine zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führt, so ist diejenige Auslegung geboten, die mit dem GG in Einklang steht (BVerfG-Beschluß vom 9.August 1978 2 BvR 831/76, BVerfGE 49, 148, 157). Jede --auch eine verfassungskonforme-- Auslegung findet allerdings ihre Grenze an dem eindeutigen Wortlaut und dem Sinn und Zweck der betreffenden gesetzlichen Vorschrift. Würde eine verfassungskonforme Auslegung zu dem Ergebnis führen, daß an die Stelle einer Gesetzesnorm inhaltlich eine andere Vorschrift tritt, so würden damit die Grenzen der Gerichtsbarkeit überschritten werden (vgl. BVerfG-Beschluß vom 11.Juni 1980 1 PBvU 1/79, BVerfGE 54, 277, 299).
Das gilt insbesondere auch für die Auslegung steuerrechtlicher Normen. Wird im Steuerrecht einer bestimmten Gruppe von Steuerpflichtigen eine gesetzliche Vergünstigung eingeräumt, die nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nur für diese Gruppe gelten soll, so kann ein Gericht diese Vergünstigung nicht auch anderen Gruppen gewähren, selbst wenn es die einseitige Begünstigung als verfassungswidrig ansehen sollte. Letzterenfalls käme nur die Aussetzung des Verfahrens und die Einholung einer Entscheidung des BVerfG gemäß Art.100 Abs.1 GG in Betracht (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 7.August 1986 IV R 225/84, BFHE 147, 376, BStBl II 1986, 862).
Da die Vergünstigung nach § 3b EStG ausschließlich den Arbeitnehmern vorbehalten ist und für eine Ausdehnung der Vergünstigung auf die Bezieher anderer Einkunftsarten weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck der --in dieser Hinsicht eindeutigen-- Vorschrift ein Auslegungsspielraum besteht, kommt eine verfassungskonforme Auslegung mit dem Ziel, sie auch auf die Seelotsen anzuwenden, nicht in Betracht.
4. Der Umstand, daß die Steuerbefreiung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschlägen nur Arbeitnehmern, nicht aber den Beziehern anderer Einkunftsarten gewährt wird, verstößt schließlich nicht gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 GG). Dem Hilfsantrag des Klägers, das Verfahren auszusetzen und die Sache gemäß Art.100 Abs.1 GG dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen, kann deshalb nicht stattgegeben werden.
a) Die Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz bedeutet, daß bei der Auswahl der Sachverhalte, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß und nicht willkürlich verfahren wird (ständige Rechtsprechung des BVerfG und des BFH; vgl. BFH-Urteil vom 14.Dezember 1978 IV R 98/74, BFHE 127, 45, BStBl II 1979, 284, mit weiteren Nachweisen). Unter "Willkür" ist dabei nicht die subjektive "Motivation", sondern die objektive Unangemessenheit der in Frage stehenden Maßnahmen zu verstehen (Rinck in Jahrbuch des öffentlichen Rechts n.F., Band 10, S.274, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG). Eine gesetzliche Regelung verstößt hiernach nur dann gegen den Gleichheitssatz, wenn sie unter keinem sachlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint (BVerfG-Beschluß vom 2.Oktober 1969 1 BvL 12/68, BVerfGE 27, 58, BStBl II 1970, 140).
b) Der Umstand, daß die Regelung über die Steuerbefreiung von Sonntags-, Feiertags- und Nachtzuschlägen nur Arbeitnehmern zugute kommt, kann nicht als willkürlich angesehen werden. Denn die Beschränkung der Vergünstigung auf Arbeitnehmer läßt sich sachlich rechtfertigen.
Die erstmalige Einführung der Regelung durch die Verordnung des Reichsministers der Finanzen (RdF) vom 7.November 1940 (RStBl 1940, 945) bezweckte, einen zusätzlichen Anreiz zur Leistung von Arbeit an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit zu bieten (siehe hierzu Ranft, Anmerkung in Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 34a, Rechtsspruch 27). Die spätere Beibehaltung der Steuerbefreiung (unter gleichzeitiger Beseitigung der Jahresarbeitslohngrenze) im Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1973 wurde aus "wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Gründen" für zweckmäßig gehalten (BTDrucks 7/419, BTDrucks V 2423). Es kann davon ausgegangen werden, daß hiermit --zumindest auch-- gemeint war, die Steuerbefreiung als Leistungsanreiz zu erhalten.
Die Frage, ob ein solcher Leistungsanreiz angesichts der Lage auf dem Arbeitsmarkt noch heute als zweckmäßig angesehen werden kann, mag hier dahinstehen. Im Streitjahr 1977 war eine solche Regelung jedenfalls nicht sachfremd und willkürlich. Es war auch nicht sachfremd, die Vergünstigung auf Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu beschränken und demgemäß auf die Bezieher anderer Einkünfte nicht zur Anwendung kommen zu lassen.
Die nichtselbständige Arbeit ist durch eine Reihe von Merkmalen wie z.B. die persönliche Abhängigkeit, die Weisungsgebundenheit hinsichtlich Zeit, Ort und Inhalt der Tätigkeit sowie das Schulden der Arbeitskraft (und nicht des Arbeitserfolges), gekennzeichnet (vgl. BFH-Urteil vom 14.Juni 1985 VI R 150- 152/82, BFHE 144, 225, BStBl II 1985, 661). Im Rahmen der nichtselbständigen Arbeit spielen die Arbeitszeit und ihre Begrenzung (vgl. Arbeitszeitordnung vom 30.April 1938, RGBl I 1938, 447, und die einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen und Betriebsvereinbarungen) sowie die aus der Arbeitszeit errechneten Vergütungen, insbesondere auch für Mehrarbeit sowie für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, eine charakteristische Rolle. Bei anderen Betätigungsarten, insbesondere im freiberuflichen und gewerblichen Bereich, kommt eine nach Arbeitszeit bemessene Vergütung typischerweise im allgemeinen nicht vor.
Die Lotsen sind zwar --ähnlich wie Arbeitnehmer-- an Arbeitszeiten gebunden. Nach der für die Regelung der Dienstfolge maßgebenden "Börtordnung" müssen die Lotsen eines Reviers "rund um die Uhr" --und damit in erheblichem Umfang auch zu Nacht- und Sonntagszeiten-- ihren Dienst verrichten. Ihre Entlohnung ist jedoch mit der Bezahlung von Arbeitnehmern nicht vergleichbar. Denn sie besteht nicht in einem festen Gehalt mit ausscheidbaren Zuschlägen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, sondern vielmehr in einem Anteil am Gesamtaufkommen der in dem Revier erzielten Lotsgelder ohne besondere Vergütung für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit.
Da es bei den Lotsen an einer solchen besonderen Vergütung fehlt, kann es auch keinen Sinn haben, ihnen die den Arbeitnehmern hierfür zu gewährende Steuervergünstigung einzuräumen, selbst wenn sich bei den Lotsen der auf die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfallende Teil der Einnahmen rechnerisch ermitteln ließe.
Abgesehen hiervon läßt sich bei den dem SLG unterfallenden Lotsen wenig Ähnlichkeit mit den bei Arbeitnehmern bestehenden Verhältnissen feststellen, sieht man von der Bindung an gewisse Arbeitszeiten einmal ab. Vielmehr weisen die beruflichen Merkmale der Lotsentätigkeit in mehrfacher Hinsicht auf eine freiberufliche Tätigkeit hin, was auch den Gesetzgeber dazu veranlaßt hat, den Beruf des Lotsen ausdrücklich als freien Beruf einzustufen. Damit sind aber die Lotsen grundsätzlich den für die freien Berufe geltenden Regeln (z.B. hinsichtlich der Art und Weise der Einkunftsermittlung, der Gewährung von Steuerfreibeträgen und der Sonderausgabenberechnung) unterworfen. Selbst der auf die Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit entfallende --rechnerisch ermittelte-- Teil der Einnahmen könnte nicht anders behandelt werden als entsprechende Einnahmeteile anderer Freiberufler. Demgemäß hat es auch das BVerfG nicht als einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz angesehen, daß Honorare, die ein selbständig tätiger Arzt für seine an Sonn- und Feiertagen sowie zur Nachtzeit geleisteten Dienste erzielt hat, nicht nach § 34a EStG (nunmehr: § 3b EStG) begünstigt sind (Beschluß vom 2.Mai 1978 1 BvR 174/78, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1978, 383); für die entsprechenden Einnahmen eines Lotsen kann nichts anderes gelten.
Fundstellen
Haufe-Index 61914 |
BStBl II 1987, 625 |
BFHE 150, 32 |
BFHE 1987, 32 |
BB 1987, 1587 |
BB 1987, 1587-1587 (S) |
DB 1987, 2020-2021 (ST) |
DStR 1987, 592-592 (S) |
HFR 1987, 524-525 (ST) |