Leitsatz (amtlich)
Dem Beigeladenen können bei einem Erfolg der Revision des Klägers auch dann keine Kosten auferlegt werden, wenn er sich nicht auf Rechtsausführungen beschränkt, sondern darüber hinaus beantragt hat, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Orientierungssatz
1. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig, wenn der Beigeladene den unterliegenden Beteiligten und nicht den obsiegenden unterstützt hat.
2. NV: Eine freigebige Zuwendung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG 1974) setzt eine unentgeltliche Bereicherung des Empfängers voraus, und der Wille des Zuwendenden muß --nach den Umständen der Zuwendung-- hierauf gerichtet sein (vgl. BFH-Urteil vom 12.7.1979 II R 26/78). Eine Schenkungsteuerfestsetzung darf vom Gericht nur dann bestätigt werden, wenn es aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung gewonnen hat, daß diese Voraussetzungen sämtlich vorgelegen haben. Für die Bildung dieser Überzeugung reicht es nach den Regeln über die objektive Beweislast keinesfalls aus, daß das Vorliegen einer entgeltlichen Zuwendung zwar nicht bewiesen werden kann, aber auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist.
Normenkette
FGO § 135 Abs. 3, § 139 Abs. 4, § 96 Abs. 1; ErbStG 1974 § 7 Abs. 1 Nr. 1
Tatbestand
++/ Die Beigeladene, die damals bei der Klägerin beschäftigt war, gewann im Herbst 1974 im Lotto 400 000 DM. Von diesem Betrag überwies sie 85 000 DM an die Klägerin, die mit diesem Geld vor allem bestehende Verbindlichkeiten tilgte.
Das beklagte Finanzamt (FA) nahm an, daß eine freigebige Zuwendung der Beigeladenen an die Klägerin vorliege und setzte gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest. Die Klägerin behauptete demgegenüber, daß sie gegen die Beigeladene einen Anspruch aus einer Spielgemeinschaft gehabt habe. Ihr Einspruch hatte jedoch keinen Erfolg.
Die Klägerin hat Klage erhoben und die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheids beantragt. Hierzu hat sie vorgetragen, es seien von ihr und der Beigeladenen abwechselnd zwei Spielscheine ausgefüllt worden. Die Gewinne sollten geteilt werden. Die Zahlung sei von der Beigeladenen in der Hoffnung auf 85 000 DM begrenzt worden, daß sie (die Klägerin) sich damit zufrieden geben werde. Ohne das Bestehen einer Rechtspflicht sei die Zahlung durch die Beigeladene nicht erklärbar.
Die Staatliche Lotterieverwaltung hat dem Finanzgericht (FG) eine beglaubigte Abschrift des mikroverfilmten Spielscheines, auf den der Gewinn der Beigeladenen entfallen war, übersandt, der den Namen und die Anschrift der Beigeladenen enthielt. Die Klägerin hat unwidersprochen behauptet, daß die auf dem Spielschein befindlichen Kreuze von ihr stammten, nicht dagegen der Name und die Anschrift der Beigeladenen. Die Beigeladene hat hierzu erklärt, daß ihr Name und die Anschrift von ihrer Hand stammten.
Das FG hat weiter Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und der Beigeladenen. Die Beigeladene hat bei ihrer Vernehmung mit Nachdruck bestritten, daß zwischen ihr und der Klägerin eine Spielgemeinschaft bestanden habe. Am Tage des Geldeingangs habe sie 85 000 DM an die Klägerin überwiesen. Es habe sich um eine Schenkung gehandelt; denn die Klägerin habe ihr wegen deren schwieriger finanzieller Lage leid getan.
Die Zeugen X und Y haben von Äußerungen der Beigeladenen berichtet, wonach die 85 000 DM geschenkt sein sollten.
Der Sohn der Klägerin hat bekundet, die Beigeladene sei kurz nach der Ziehung der Lottozahlen mit ihrem Ehemann zu seiner Mutter gekommen und habe zu dieser gesagt: "Sie haben uns einen Sechser geschrieben". Nach Bekanntwerden der Quote werde der Anteil ausgezahlt.
Das FG hat die Klage abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt:
Es liege eine freigebige Zuwendung der Beigeladenen an die Klägerin vor. Die Voraussetzungen des § 7 Abs.1 Nr.1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG 1974) seien erfüllt. Insbesondere sei der Wille der Zuwendenden (beurteilt nach den Umständen der Zuwendung) auf eine unentgeltliche Zuwendung gerichtet.
Die mündliche Verhandlung und die Beweiserhebung hätten keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür erbracht, daß eine Spielgemeinschaft vorgelegen habe. Schriftliche Vereinbarungen lägen nicht vor. Die Aussagen des Sohnes hätten keine Klärung darüber gebracht, ob Rechtsbeziehungen der behaupteten Art vorgelegen hätten. Es gäbe auch keinen Satz der Lebenserfahrung, daß Geldbeträge dieser Größenordnung nur gegeben würden, wenn ein Rechtsanspruch hierauf bestände. Die Höhe des Gewinns der Beigeladenen, ihr Arbeitsverhältnis zur Klägerin und ihre Kenntnis von den Schulden der Klägerin ließen es selbstverständlich erscheinen, daß sie die Klägerin freiwillig an ihrem Gewinn habe beteiligen wollen. Andererseits spreche es nach der Lebenserfahrung gegen den behaupteten Anspruch der Klägerin, daß sie die Differenz zu der ihr angeblich zustehenden Hälfte an dem Gewinnanteil nicht gegenüber der Beigeladenen nachdrücklich (evtl. durch einen Anwalt) geltend gemacht habe. Auch die Aussagen der Zeugen X und Y sprächen gegen die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin.
Die Klägerin hat Revision eingelegt und ihren Klaganspruch weiterverfolgt. Ihre Revision hat sie wie folgt begründet:
Entgegen der Auffassung des FG sei nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die Beigeladene die 85 000 DM in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus der Spielgemeinschaft gezahlt habe. Es seien keine besonderen Umstände gegeben, die eine Hingabe des Geldes schenkungshalber verständlich erscheinen ließen. /++
Entscheidungsgründe
++/ Die Revision der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.
Dem FG ist zwar darin zu folgen, daß eine freigebige Zuwendung eine unentgeltliche Bereicherung des Empfängers voraussetzt und daß der Wille des Zuwendenden --nach den Umständen der Zuwendung-- hierauf gerichtet sein muß (vgl. das Urteil des Senats vom 12.Juli 1979 II R 26/78, BFHE 128, 266, 269, BStBl II 1979, 631). Dies ändert aber nichts daran, daß eine Steuerfestsetzung von dem erkennenden Gericht nur dann bestätigt werden darf, wenn es aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung gewonnen hat, daß diese Voraussetzungen sämtlich vorgelegen haben (§ 96 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Für die Bildung dieser Überzeugung mag im Einzelfall ausreichen, daß jede denkbare Möglichkeit des Vorliegens einer entgeltlichen Zuwendung mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Nach den Regeln über die objektive Beweislast reicht es aber keinesfalls aus, daß das Vorliegen einer entgeltlichen Zuwendung zwar nicht bewiesen werden kann, aber auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen ist. Hält das FG das Vorliegen einer entgeltlichen Zuwendung lediglich für nicht bewiesen, so ist der Schluß auf das Vorliegen einer unentgeltlichen Zuwendung nicht gerechtfertigt und muß zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen.
Hieraus folgt für den vorliegenden Fall, daß das angefochtene Urteil aufzuheben ist. Denn das FG hat sich nach dem Inhalt seiner Urteilsbegründung nicht davon überzeugen können, daß zwischen der Klägerin und der Beigeladenen kein Spielvertrag abgeschlossen worden ist. Es hat lediglich ausgeführt, daß die mündliche Verhandlung und die Beweiserhebung keine ausreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Spielgemeinschaft erbracht hätten. Die Aussage des Zeugen Z beweise dies nicht. Sie lasse offen, ob eine Beteiligung der Klägerin an dem Gewinn der Beigeladenen aufgrund einer Rechtsverpflichtung der Beigeladenen erfolgen sollte oder ob die Beigeladene sich aus anderen Gründen für verpflichtet hielt, der Klägerin die Zahlung eines Anteils an ihrem Spielgewinn zu versprechen.
Wenn es an späterer Stelle im Urteil heißt, der Hinweis der Klägerin auf das Prozeßrisiko (bei Geltendmachung der Auszahlung der Hälfte des Gewinns) zeige zum einen, daß sich die Klägerin darüber im klaren gewesen sei, ihr Anspruch werde nur schwer beweisbar sein, erkläre zum anderen aber nicht, warum sie die Geltendmachung ihres vermeintlichen Anspruches nicht wenigstens außergerichtlich versucht habe, so zeigt auch dies, daß das FG das Vorliegen einer Spielgemeinschaft nicht eindeutig verneinte, ihr Vorliegen lediglich für nicht bewiesen hielt.
Unter diesen Umständen hätte das FG nicht zur Bejahung des Vorliegens einer freigebigen Zuwendung kommen dürfen. Eine solche Entscheidung hätte vielmehr vorausgesetzt, daß das FG zu der sicheren Überzeugung kam, eine Spielgemeinschaft habe nicht vorgelegen.
Das angefochtene Urteil unterliegt unter diesen Umständen der Aufhebung. Der Senat ist in der Lage, auf der Grundlage der fehlenden Überzeugung des FG, eine Spielgemeinschaft habe nicht vorgelegen, in der Sache durchzuerkennen. /++
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs.1, 3 FGO.
Der Beigeladenen sind keine Kosten aufzuerlegen, obwohl sie im Revisionsverfahren beantragt hat, die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen, womit sie nicht durchgedrungen ist. Da es sich aber bei diesem Antrag um einen entbehrlichen Antrag handelt (vgl. Stein/Jonas/Pohle, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 19.Aufl., § 297 Anm.2), der zu keinen Mehrkosten führt (vgl. hierzu Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8.Aufl., § 154 Tz.11), ist es nicht gerechtfertigt, der Beigeladenen Kosten aufzuerlegen. Derartige Formalanträge, die das Gericht nicht zu einer sonst nicht erforderlichen Entscheidung oder anderen gerichtlichen Maßnahmen zwingen, fallen nach Auffassung des erkennenden Senats nicht unter § 135 Abs.3 FGO. Andernfalls hinge die Kostenpflicht eines Beigeladenen allein davon ab, ob er zu seinen Rechtsausführungen noch einen an sich entbehrlichen Klagabweisungsantrag oder Revisionszurückweisungsantrag stellt. Für eine solche Unterscheidung in kostenrechtlicher Hinsicht, die für die Hauptsacheentscheidung des Gerichts ohne jede Bedeutung ist, gibt es keinen überzeugenden Grund.
Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht dem FA oder der Staatskasse gemäß § 139 Abs.4 FGO aufzuerlegen. Angesichts des Umstandes, daß die Beigeladene den unterliegenden Beteiligten und nicht den obsiegenden unterstützt hat, entspräche eine Erstattung ihrer außergerichtlichen Kosten nicht der Billigkeit.
Anmerkung: Die im NV-Teil des Urteils wiedergegebenen DM-Beträge sind verändert worden.
Fundstellen
Haufe-Index 60959 |
BStBl II 1985, 368 |
BFHE 143, 119 |
BFHE 1985, 119 |
BB 1985, 1251-1252 (LT) |
DB 1985, 1326-1326 (LT) |
HFR 1985, 370-370 (ST) |