Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Werden von einem Ladeninhaber Waren der gleichen Art, wie er sie in seinem Laden verkauft, zur Reparatur für einen anderen Unternehmer angenommen, so kann hinsichtlich der Reparaturen eine Vermittlungsleistung nur angenommen werden, wenn den Kunden das Handeln in fremdem Namen eindeutig erkennbar ist.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1, § 2/1
Tatbestand
Die Steuerpflichtige betreibt ein Schuhwaren-Einzelhandelsgeschäft, in dem sich eine Annahmestelle für Schuhreparaturen befindet. An dem Platz, an dem die Aufträge für die Schuhreparaturen entgegengenommen werden, ist ein Schild angebracht, das die Aufschrift "Schuhreparaturenannahme von Schuhmachermeister X., A., F.-Straße" trägt. Bei der Annahme der auszubessernden Schuhe wird dem Kunden der untere abtrennbare Teil einer Reparaturkarte ausgehändigt, auf der fettgedruckt Name und Anschrift des Schuhmachermeisters X. und eine Kontrollnummer angegeben sind. X. holt die Schuhe im Ladengeschäft der Steuerpflichtigen ab und bringt sie nach Ausführung der Reparatur wieder zurück. Von der Steuerpflichtigen wird ihm dann sofort der im oberen Teil der Reparaturkarte in Rechnung gestellte Rechnungsbetrag abzüglich 10 % Provision ausgezahlt. Dem Kunden, der die ausgebesserten Schuhe abholt und bezahlt, wird außer dem oberen Teil der Reparaturkarte, der neben Preis, Art der Reparatur und Kontrollnummer ebenfalls Name und Anschrift des Schuhmachermeisters enthält, als Quittung ein Kassenzettel der Steuerpflichtigen ausgehändigt. Von den Kunden nicht abgeholte Schuhe werden an X. gegen Rückgewähr des bereits vereinnahmten Betrages zurückgegeben.
Streitig ist, ob die Steuerpflichtige die von ihr vereinnahmten Provisionen oder die von den Kunden für die Reparaturen entrichteten Entgelte zu versteuern hat.
Das Finanzgericht hat die Steuerpflichtige nur mit den Provisionen für steuerpflichtig erklärt. Es ging bei seiner Beurteilung davon aus, daß es nach den Urteilen des Bundesfinanzhofs V 196/55 U vom 12. April 1956 (BStBl 1956 III S. 169, Slg. Bd. 62 S. 457) und V 89/56 U vom 11. Juli 1956 (BStBl 1956 III S. 260, Slg. Bd. 63 S. 167) entscheidend auf die Besonderheiten des einzelnen Sachverhalts ankomme und daß die Rechtsprechung über Lieferungen im eigenen Ladengeschäft auf die Fälle von sonstigen Leistungen des Ladeninhabers auszudehnen sei, es sei denn, daß gewichtige Gründe vorhanden seien, im Einzelfall dem Inhaber des Ladengeschäfts die Vertretereigenschaft zuzusprechen. Solche gewichtige Gründe hielt das Finanzgericht im vorliegenden Fall für gegeben.
In seiner Rb. weist der Vorsteher des Finanzamts vor allem auf das Urteil des Bundesfinanzhofs V 196/55 U vom 12. April 1956 a. a. O. hin, nach dem die Ladenrechtsprechung lediglich nicht auf die Fälle ausgedehnt werden solle, in denen der Unternehmer neben Lieferungen auf eigene Rechnung auch von ihm nicht ohne weiteres zu erwartende Leistungen für andere Unternehmer vermittele. Im Schuhwaren-Einzelhandel in A. sei es aber üblich, auch Reparaturen anzunehmen. Das Hinweisschild im Ladengeschäft und die Reparaturkarte genügten nicht, um einen Ausnahmefall annehmen zu können. Auch die bei der Beweiserhebung vernommenen Zeugen hätten über die rechtlichen Beziehungen keine Klarheit bringen können.
Entscheidungsgründe
Die Rb. kann keinen Erfolg haben.
Der Bundesfinanzhof hat in den beiden oben genannten Urteilen darauf hingewiesen, daß sich die Ladenrechtsprechung, wonach derjenige, der im eigenen Laden dem Kunden gegenübertritt, von diesem als Vertragspartner angesehen wird, auf Lieferungen bezieht und nicht ohne weiteres auf Fälle ausgedehnt werden kann, in denen der Ladeninhaber neben den Lieferungen für eigene Rechnung auch sonstige Leistungen für andere Unternehmen vermittelt. In dem Fall, der dem Urteil V 196/55 U vom 12. April 1956 a. a. O. zugrunde lag, war eine Vermittlungstätigkeit anerkannt worden, weil die Kundschaft nicht erwarten konnte, daß der Ladeninhaber, der neben Textilien auch Tabakwaren vertrieb, die Strumpfausbesserungen selbst ausführt und das Auftreten in fremdem Namen erkennbar war. Es ist diesem Urteil nicht zu entnehmen, daß in Fällen dieser Art eine Vermittlungstätigkeit nur dann anerkannt werden kann, wenn die Leistungen von dem Ladeninhaber nicht zu erwarten sind. Werden von dem Ladeninhaber Waren der gleichen Art, wie er sie verkauft, zur Reparatur durch einen anderen Unternehmer angenommen, so werden allerdings besondere Vorkehrungen getroffen werden müssen, um eine Vermittlungsleistung annehmen zu können. Es muß für die Kunden eindeutig zu erkennen sein, daß der Ladeninhaber insoweit nur vermitteln will.
Das Finanzgericht hat bei dem vorliegenden Sachverhalt einen solchen Fall angenommen. Es hat diese Auffassung vor allem darauf gestützt, daß die Stelle, an der die Reparaturaufträge entgegengenommen wurden, mit einem deutlichen Hinweisschild versehen war und dem Kunden bei der Annahme der Schuhe der Abriß einer Reparaturkarte übergeben wurde, der in Fettdruck Name und Anschrift des Schuhmachermeisters enthielt. Es hat außerdem für beachtlich angesehen, daß die Kunden bei der Abholung den oberen Teil der Reparaturkarte mit der Rechnung und der Angabe von Name und Anschrift des Schuhmachermeisters ausgehändigt bekamen und bei Beanstandungen sowie in Eilfällen unmittelbar an den Schuhmachermeister verwiesen worden waren. Es hat diese Maßnahmen für ausreichend angesehen, um eine Vermittlungsleistung annehmen zu können. Diese rechtliche Beurteilung durch das Finanzgericht ist nicht zu beanstanden.
Es mag zutreffend sein, daß alle führenden Schuhwaren-Einzelhandelsgeschäfte im Stadtzentrum von A. Schuhreparaturen annehmen und ausführen bzw. ausführen lassen. Dadurch wird nicht ausgeschlossen, daß der Inhaber eines solchen Einzelhandelsgeschäftes durch geeignete Maßnahmen den Kunden gegenüber eindeutig zu erkennen gibt, daß er die Reparaturleistungen nur vermitteln will.
Das Finanzgericht konnte zu dieser Beurteilung auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen kommen, auch wenn sich aus den Aussagen der gehörten Auskunftspersonen kein völlig klares Bild ergab. Es handelt sich insoweit um eine rechtliche Beurteilung im Rahmen der freien Beweiswürdigung, die einen Verstoß der im § 288 AO genannten Art nicht erkennen läßt.
Von dem Tatbestand des Urteils des Bundesfinanzhofs V 89/56 U vom 11. Juli 1956 a. a. O. weicht der vorliegende Sachverhalt in wesentlichen Punkten ab.
Die Rb. war hiernach als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411232 |
BStBl III 1964, 347 |
BFHE 1964, 319 |
BFHE 79, 319 |