Leitsatz (amtlich)
Liegen die Voraussetzungen für die Grunderwerbsteuerbefreiung sowohl nach § 1 GrEStEigWoG als auch nach dem nordrhein-westfälischen GrEStVertrG vor, so sind beide Vergünstigungen kumulativ zu gewähren.
Normenkette
GrEStEigWoG § 1; nordrhein-westfälisches GrEStVertrG § 1 mit 3
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr Ehemann erwarben durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 2. Dezember 1977 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, das im Land Nordrhein-Westfalen belegen ist, zum Kaufpreis von 400 000 DM. Die Erwerber beantragten Grunderwerbsteuerbefreiung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen vom 11. Juli 1977 (GrEStEigWoG). Daneben beantragte die Klägerin zudem Steuerbefreiung nach § 1, § 2 Nr. 2, § 3 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für Vertriebene, Sowjetzonenflüchtlinge, Verfolgte und politische Häftlinge (GrEStVertrG NW). Sie ist Inhaberin des Vertriebenenausweises A. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte in dem gegen die Klägerin ergangenen Grunderwerbsteuerbescheid vom 21. Februar 1978 einen anteiligen Freibetrag in Höhe von 125 000 DM nach dem GrEStEigWoG an, lehnte jedoch die zusätzliche Steuerbefreiung nach dem GrEStVertrG NW für die restliche Besteuerungsgrundlage in Höhe von 75 000 DM ab.
Mit der nach erfolgloser Durchführung des Einspruchsverfahrens erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Mit der vom FG zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GrEStEigWoG ist auf Antrag von der Grunderwerbsteuer der Erwerb eines Grundstückes mit einem Einfamilienhaus ausgenommen, wenn es vom Erwerber, seinem Ehegatten oder einem seiner Verwandten in gerader Linie binnen fünf Jahren mindestens ein Jahr lang ununterbrochen bewohnt wird und zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient. Die Steuerbefreiung tritt nach § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 GrEStEigWoG beim Erwerb von Miteigentum zur Hälfte nur ein, soweit der für die Berechnung der Steuer maßgebende Wert den Betrag von 125 000 DM nicht übersteigt.
Nach dem GrEStVertrG NW ist der Grundstückserwerb durch Personen begünstigt, die - wie die Klägerin - dem in § 1 dieses Gesetzes beschriebenen Personenkreis angehören, wenn das Grundstück zur Schaffung von Wohnraum für den Erwerber und die in seinem Haushalt lebenden Familienangehörigen erworben wird und wenn es sich um den ersten Erwerb nach der Schädigung handelt, es sei denn, daß das zuerst erworbene Grundstück für die Schaffung des Wohnraums nach den Verhältnissen des Erwerbers nicht geeignet war (§ 2 Nr. 2). Die Steuer wird nach § 3 Abs. 1 GrEStVertrG NW "nicht erhoben, soweit der für ihre Berechnung maßgebende Wert (§ 10 des Grunderwerbsteuergesetzes) 100 000 DM nicht übersteigt (Freibetrag)". Bei gemeinsamem Erwerb durch Eheleute tritt - anders als nach § 1 Abs. 2 Satz 2 GrEStEigWoG - keine Kürzung des Freibetrages ein (vgl. § 3 Abs. 4 Satz 1 GrEStVertrG NW).
Der Auffassung des FG, der Umstand, daß beide Gesetze Freibetragsregelungen enthielten, spreche eindeutig für ein Kumulationsverbot, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Er versteht die Freibetragsregelungen dahin, daß sie stets nebeneinander eingreifen, soweit der verbleibende, für die Berechnung der Steuer maßgebende Wert nicht den jeweiligen (anderen) Freibetrag übersteigt. Denn die Steuer ist nur zu berechnen, soweit der Erwerbsvorgang steuerpflichtig ist, also keine Befreiungsvorschrift eingreift.
Der Senat vermag auch nicht der Auffassung des FG beizupflichten, der Normzweck verbiete die zusätzliche Gewährung des Freibetrages nach § 3 GrEStVertrG NW neben dem Freibetrag nach § 1 Abs. 2 GrEStEigWoG. Richtig ist, daß die Steuervergünstigung nach § 3 GrEStVertrG NW den Charakter einer Eingliederungshilfe hat. Das ergibt sich aus § 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStVertrG NW, nämlich aus der grundsätzlichen Beschränkung auf den ersten Eigentumserwerb an Wohnraum nach der Schädigung. Andererseits aber läßt das GrEStVertrG insoweit die Frage danach, ob die Eingliederung i. S. des § 13 Abs. 1 des Bundesvertriebenengesetzes bereits vollzogen ist, nicht zu. Damit erweist sich die Befreiung als schlicht personenbezogen, anknüpfend in erster Linie an eine bestimmte Eigenschaft des Erwerbers. Die Zielrichtung der Begünstigung, der vom Gesetz erstrebte Förderungszweck, wird nicht dadurch hinfällig, daß die erste Beschaffung von Eigentum an Wohnraum auch (teilweise) nach anderen Vorschriften befreit ist.
Hinzu kommt, daß der Bundesgesetzgeber diejenigen Vergünstigungsvorschriften landesrechtlicher Art, die den Erwerb von Wohngebäuden und Eigentumswohnungen von der Grunderwerbsteuer freistellten, generell mit Wirkung ab 1. Januar 1979 aufgehoben hat (§ 4 GrEStEigWoG), wobei nur diejenigen Vorschriften unberührt blieben, die an besondere persönliche Voraussetzungen anknüpfen. Wäre der Bundesgesetzgeber der Ansicht gewesen, auch diese bedürften einer Einschränkung zumindest insoweit, als die Begünstigung gleichartige Erwerbsvorgänge erfaßt, so hätte er dies ausdrücklich regeln müssen, wie er auch in anderer Weise differenzierte Regelungen getroffen hat (vgl. § 4 Abs. 4 GrEStEigWoG).
2. Da das FG von seinem Standpunkt aus zu Recht keine Feststellungen darüber getroffen hat, ob die Voraussetzungen des § 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStVertrG NW erfüllt sind, war dem Senat eine Entscheidung in der Sache selbst verwehrt.
Fundstellen
Haufe-Index 73648 |
BStBl II 1980, 731 |
BFHE 1981, 249 |