Leitsatz (amtlich)
1. Ein Anspruch, der nach der Vereinbarung der Parteien unter der Bedingung steht, daß ein ungewisses zukünftiges Ereignis nicht eintritt, ist regelmäßig nicht aufschiebend, sondern auflösend bedingt.
2. Ist die Rückzahlung eines aufgrund einer Tantiemeforderung begründeten Vereinbarungsdarlehens zwischen einem Unternehmer und seinen Arbeitnehmern davon abhängig, daß das Arbeitsverhältnis bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht aufgelöst wird, so ist die Verpflichtung aus dem Vereinbarungsdarlehen aus diesem Grund nicht aufschiebend, sondern auflösend bedingt.
Normenkette
BewG 1965 §§ 6-7, 103 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger verpflichtete sich durch Vertrag vom ... Januar 1966 gegenüber einer Reihe seiner Arbeitnehmer eine Tantieme in Höhe des Jahresgehalts 1966 zu zahlen "falls der steuerliche Reingewinn des Unternehmens in 1966 vor Bildung der Tantiemerückstellung um 20 v. H. höher liegt als 1965". Die Tantiemeempfänger verpflichteten sich, die nach Durchführung der gesetzlichen Abzüge (Lohnsteuer und Kirchensteuer sowie Sozialversicherung) verbleibende Nettotantieme dem Gewerbebetrieb des Klägers zur Deckung dessen Investitionsbedarfs langfristig als Darlehen zur Verfügung zu stellen. Die Darlehen sind ab 1. Januar 1968 jährlich mit 4 v. H. zu verzinsen. Sie werden zur Rückzahlung bei Vollendung des 65. Lebensjahrs des Tantiemeempfängers fällig, spätestens jedoch nach 20 Jahren, also spätestens am 31. Dezember 1986. Bei Darlehnsgebern, die zur Zeit der Gewährung des Darlehens (1. Januar 1967) bereits 10 und mehr Jahre ununterbrochen im Betrieb des Klägers tätig waren, erfolgt die Rückzahlung des Darlehens spätestens nach 10 Jahren, also spätestens am 31. Dezember 1976. In einem Zusatzvertrag, ebenfalls vom ... Januar 1966, vereinbarte der Kläger mit den Tantiemeempfängern, daß der Anspruch auf die Tantieme entfalle, wenn der Tantiemeempfänger das Dienstverhältnis vor Vollendung des 65. Lebensjahres von sich aus kündige oder beende oder wenn es aus einem wichtigen, vom Tantiemeempfänger zu vertretenden Grund vom Kläger vorzeitig aufgehoben werde.
Das FA (Beklagter und Revisionskläger) versagte bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens des Klägers zum 1. Januar 1967 den aufgrund dieses Sachverhalts begehrten Schuldabzug von 440 377 DM.
Auf die Sprungklage änderte das FG den Einheitswert ab. Es erkannte aufgrund der Tantiemezusage eine Schuld in Höhe von 396 339 DM an.
Die Revision des FA rügt, die Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinen Arbeitnehmern habe keine Darlehnsschuld des Klägers begründen können. Weder habe der Kläger von seinen Arbeitnehmern Geld als Darlehen erhalten noch schulde er ihnen Geld aus einem anderen Rechtsgrund. Der Kläger habe lediglich eine Gutschrift zugunsten seiner Arbeitnehmer vorgenommen, aber diesen keine Verfügungsgewalt über die gutgeschriebenen Beträge eingeräumt. Die Angestellten hätten diese in erster Linie im Interesse des Klägers erfolgte Regelung nur zustimmend zur Kenntnis nehmen können. Eine solche Vereinbarung könne zivilrechtlich nur als aufschiebend bedingtes Schuldversprechen gewertet werden. Das Interesse des Klägers bestehe darin, verdiente Betriebsangehörige an sein Unternehmen zu binden. Dies habe er nur dadurch erreichen können, daß er ihnen eine Zuwendung für den Fall in Aussicht gestellt habe, daß sie bis zu einem bestimmten Zeitpunkt dem Betrieb angehörten. Erst mit dem Ablauf der Wartezeit hätten die Rechtswirkungen eintreten sollen. Damit habe aber am 1. Januar 1967 eine Schuldverpflichtung des Klägers nicht bestanden.
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist unbegründet.
Nach § 103 Abs. 1 BewG sind zur Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens vom Rohvermögen die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Betriebsvermögen stehenden Schulden abzuziehen, die am maßgebenden Feststellungszeitpunkt schon bestanden haben und noch nicht getilgt waren und die für den Betrieb eine ernsthafte wirtschaftliche Belastung darstellten. Schulden, deren Entstehung vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, werden nicht berücksichtigt (§ 6 BewG).
Das FG hat zutreffend entschieden, die Tantiemeschuld für 1966 sei bei Abschluß des Vertrages vom ... Januar 1966 dadurch aufschiebend bedingt gewesen, daß es ungewiß war, ob das Unternehmen des Klägers die vereinbarte Gewinnsteigerung erwirtschafte. Diese Bedingung ist aber am 31. Dezember 1966 eingetreten; denn im Jahr 1966 wurde nach den unangefochtenen Feststellungen des FG die erforderliche Gewinnsteigerung erzielt. Dieser Gewinn ist spätestens mit dem Ende des Geschäftsjahrs 1966 entstanden (vgl. Entscheidung des BFH III 264/64 vom 11. Oktober 1968, BFH 94, 261, BStBl II 1969, 123). Dementsprechend entstehen die gewinnabhängigen Tantiemeansprüche nicht erst mit der Aufstellung der Bilanz, aus der sich der Gewinn ergibt, sondern ebenfalls schon mit dem Ende des Geschäftsjahres, in dem der Gewinn erzielt wurde (BFH-Entscheidung III R 98/69 vom 26. Juni 1970, BFH 99, 547, BStBl II 1970, 735).
Der Kläger hat die Tantiemeforderung seiner Arbeitnehmer aufgrund der bestehenden vertraglichen Vereinbarung nicht ausgezahlt, sondern als langfristiges Darlehen an den Betrieb behandelt. Dem FA ist zwar darin zuzustimmen, daß eine Darlehnsschuld regelmäßig durch einen Realvertrag begründet wird, aufgrund dessen Geld oder andere vertretbare Sachen dem Darlehnsschuldner übertragen wurden. Das FA verkennt aber mit seinem Einwand, der Kläger habe von seinen Arbeitnehmern kein Geld erhalten und könne deshalb nicht Darlehnsschuldner sein, daß auch die Begründung eines sogenannten Vereinbarungsdarlehens möglich ist (§ 607 Abs. 2 BGB). Der Kläger konnte deshalb mit seinen Arbeitnehmern rechtswirksam vereinbaren, daß er ihnen die nach Abzug der Lohnsteuer, der Kirchenlohnsteuer und der Sozialversicherungsbeiträge verbleibende Nettotantieme als Darlehen schulde. Aus diesem Grund ist der Senat der Auffassung, daß die rechtliche Würdigung der Vereinbarung des Klägers mit seinen Arbeitnehmern als abstraktes Schuldversprechen im Sinn des § 780 BGB mit zukünftiger ungewisser Wirkung dem Rechtsfolgewillen der Parteien widersprechen würde. Dies ergibt sich auch daraus, daß der Kläger die gesetzlichen Abzugsbeträge abführte.
Die Verpflichtung des Klägers aus dem Vereinbarungsdarlehen ist auch entgegen der Auffassung des FA nicht aufschiebend bedingt. Eine aufschiebende Bedingung ist eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung, nach der die Wirkungen eines Rechtsgeschäfts von dem Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses abhängen. Eine auflösende Bedingung liegt dagegen vor, wenn die sofort eintretenden Wirkungen des Geschäfts mit dem Eintritt eines zukünftigen ungewissen Ereignisses wegfallen (§ 158 BGB). In Grenzfällen kann die Unterscheidung zwischen aufschiebenden und auflösenden Bedingungen schwierig sein. Der Senat hat aber schon mit Urteil III 121/58 S vom 30. April 1959 (BFH 69, 142, BStBl III 1959, 315) entschieden, daß eine Schuld, die nach der Vereinbarung der Parteien davon abhängt, daß ein bestimmtes Ereignis nicht eintritt, eine auflösend und nicht eine aufschiebend bedingte Schuld ist. Denn eine derartige Schuld besteht sofort, und zwar solange, bis das ungewisse, zukünftige Ereignis eintritt. Tritt dieses Ereignis nicht ein, so ändert sich auch an dem Bestand der Schuld nichts.
Wenn der Kläger die Verpflichtung aus dem Vereinbarungsdarlehen gegenüber seinen Arbeitnehmern davon abhängig gemacht hat, daß das Arbeitsverhältnis bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres oder bis zum früheren Auszahlungszeitpunkt nicht gekündigt wird, so liegt darin nicht eine aufschiebende, sondern eine auflösende Bedingung. Eine aufschiebend bedingte Schuld läge allerdings dann vor, wenn das Recht aus dem Vereinbarungsdarlehen davon abhängen würde, daß der Berechtigte das 65. Lebensjahr erlebt. Das ist aber nicht der Fall. Hinzu kommt, daß der Kläger die Schuld gegenüber seinen Betriebsangehörigen, abgesehen von einem zinsfreien Jahr, bis zur Fälligkeit laufend mit jährlich 4 v. H. verzinst. Diese Regelung wäre bei einer aufschiebend bedingten Schuld, die demzufolge vor Eintritt der Bedingung noch nicht wirksam wäre, nicht recht verständlich. Damit kann die Kündigungsklausel in Übereinstimmung mit der Entscheidung des FG nur als auflösende Bedingung der mit dem 31. Dezember 1966 entstandenen Schuld gewertet werden. Auflösend bedingte Schulden werden aber bewertungsrechtlich wie unbedingte Schulden behandelt (§ 7 BewG).
Das FA kann sich auch nicht auf das BFH-Urteil III 344/63 vom 22. Dezember 1966 (BFH 88, 88, BStBl III 1967, 282) berufen. In dem damals entschiedenen Fall war unter der Bezeichnung Tantieme eine freiwillige soziale Leistung zur Altersversorgung zugesagt. Dies ergab sich daraus, daß die "Tantiemeforderung" weder verzinst noch bei Fälligkeit in einem Betrag ausgezahlt wurde. Die Auszahlung des Kapitalbetrags erfolgte vielmehr in monatlichen Raten von 50 DM. Die rechtliche Bezeichnung, die die Parteien für ihre Vereinbarung gewählt hatten, entsprach damit nicht ihrem Rechtsfolgewillen. Für die Auslegung von Verträgen ist aber der sich aus der Vereinbarung ergebende Rechtsfolgewille der Parteien maßgebend und nicht die eigene rechtliche Qualifikation (vgl. BFH-Entscheidung II R 11, 12/67 vom 5. August 1969, BFH 96, 491, BStBl II 1969, 689). Aufgrund dieses Rechtsfolgewillens konnte in dem damals entschiedenen Fall weder eine Kapitalschuld noch ein unwiderrufliches Ruhegehaltsversprechen anerkannt werden.
Auch im vorliegenden Fall ist zwar das Motiv der Vereinbarung, verdiente Arbeitnehmer an den Betrieb des Klägers durch eine Leistung zu binden, die erst in höherem Lebensalter bewirkt wird und die damit mittelbar auch der Altersversorgung dient. Der entscheidende Unterschied zu dem Sachverhalt des Urteils III 344/63 (a. a. O.) ist aber, daß diese Leistung durch Zahlung eines Einmalbetrags in Höhe der verdienten Tantieme erfolgt, daß die verdiente Nettotantieme, solange sie dem Unternehmen verbleibt, verzinst wird, und daß die Auszahlung nicht zwangsläufig an die Vollendung des 65. Lebensjahres gebunden ist. Dadurch haben die Arbeitnehmer des Klägers eine gegenwärtig schon bestehende Forderung erhalten, deren Kehrseite eine gegenwärtige Schuldverpflichtung des Klägers ist. Das Recht der Arbeitnehmer aus dem Vereinbarungsdarlehen ist demzufolge auch vererblich.
Bezüglich der Höhe des vom FG zugelassenen Schuldabzugs hat der Senat insofern Bedenken, als der Abschlag wegen einer möglichen Entlastung durch die Fluktuation der Arbeitnehmer im Widerspruch zu der das Betriebsvermögen beherrschenden Einzelbewertung stehen könnte. Da der Kläger die Vorentscheidung nicht angefochten hat, ist diese Frage jedoch nicht zu prüfen (vgl. §§ 121, 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 425947 |
BStBl II 1972, 664 |
BFHE 1972, 498 |