Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensrecht/Abgabenordnung
Leitsatz (amtlich)
Ein Steuerpflichtiger kann sich gegenüber dem Verlangen des Finanzamts nach Benennung der Empfänger von Schmiergeldern usw. im allgemeinen nicht auf eine ernstliche Gefährdung seiner Existenz berufen, keinesfalls aber, wenn es ihm nur darum ging, seinen Geschäftsbetrieb mittels dieser Aufwendungen über Gebühr auszuweiten.
AO § 205a Abs. 2 und 3.
Normenkette
AO § 205a Abs. 2
Tatbestand
Die die Einkommensteuer und Gewerbesteuer II/1948 bis 1954 betreffenden Rbn. werden zur einheitlichen Entscheidung verbunden.
Mit der Rb. ist nur noch die Anwendung der Vorschrift des § 205a Abs. 2 und 3 der Reichsabgabenordnung (AO) streitig. Der Bf. betreibt in einem Hafen den Handel mit beschädigten Waren aller Art. In den streitigen Veranlagungszeiträumen kaufte der Bf. diese Waren von Versicherungsunternehmen, Hafenbetrieben, Hafenarbeitern, Seeleuten und Angestellten von Lagerhäusern und veräußerte sie an Unternehmer, die hierfür noch eine wirtschaftliche Verwendung hatten. Er kaufte dabei in großem Umfang Waren ohne Rechnung ein, die er ohne Angabe der Lieferanten als Bareinkäufe verbuchte (insgesamt 337.101 DM). Ferner bezahlte der Bf. für Vermittlung seiner Einkäufe Schmiergelder, für die die Angabe der Empfänger fehlte. In den Jahren 1953 und 1954 wurden diese Beträge in den Unkosten gesondert ausgewiesen (insgesamt 55.209 DM). Für II/1948 bis 1952 sollen diese Aufwendungen in den Bareinkäufen enthalten sein. Sie wurden für diese Jahre auf 10 % der Bareinkäufe geschätzt. Der auf § 205a AO gestützten Aufforderung des Finanzamts, die Empfänger dieser Leistungen so genau zu bezeichnen, daß deren steuerliche Erfassung möglich würde, kam der Bf. nicht nach. Er rechtfertigte seine Weigerung damit, daß er bei der Vielzahl der Geschäfte und angesichts der Länge des zurückliegenden Zeitraums die Empfänger nicht mehr benennen könne. Das Finanzamt versagte infolgedessen den Abzug der Schmiergelder im vollen Umfange. Die OR-Einkäufe ließ es nur mit 70 % zum Abzug zu, rechnet also den Gewinnen der einzelnen Veranlagungszeiträume 30 % dieser Einkäufe hinzu.
Der Steuerausschuß beim Finanzamt und das Finanzgericht sahen in dem Verlangen des Finanzamts keinen Ermessensmißbrauch und lehnten gleichfalls den Abzug dieser Beträge als Betriebsausgaben ab.
In der Rb. sind folgende nicht zum Abzug zugelassene Beträge streitig:
-------- II/1948 - 1949 - 1950 - 1951 - 1952 - 1953 - 1954 ----------- DM ---- DM --- DM --- DM --- DM --- DM --- DM Gebuchte OR- Einkäufe 3.036 -- 1.844 - 22.610 22.598 9.530 13.427 28.083 Nicht gebuchte OR- Einkäufe -- - ----- - ----- - --- 1.695 1.470 --- - --- - - Schmier- gelder - 1.012 ---- 614 -- 7.536 7.532 3.176 12.500 42.709 Summe -- 4.048 -- 2.458 - 30.146 31.825 14.176 25.927 70.792.
Entscheidungsgründe
Die Rb., mit der sich der Bf. vor allem dagegen wendet, daß seine Existenz durch die steuerliche Erfassung der von ihm als Betriebsausgabe geltend gemachten Beträge gefährdet sei, führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Wenn der Steuerpflichtige beantragt, daß bei der Gewinnermittlung Betriebsausgaben abgesetzt werden, so kann das Finanzamt verlangen, daß er die Empfänger der verausgabten Beträge so genau bezeichnet, daß ihre steuerliche Überprüfung möglich ist. Lehnt der Steuerpflichtige dieses Verlangen des Finanzamts ab, so werden die Betriebsausgaben steuerlich nicht anerkannt (§ 205a Abs. 2 und 3 AO). Dies gilt nicht nur für sofort abzugsfähigen Aufwand, sondern auch für den Erwerb aktivierungspflichtiger Wirtschaftsgüter (z. B. Wareneinkauf ohne Rechnung). Bei der Entscheidung der Frage, ob das Finanzamt von der Vorschrift des § 205a AO Gebrauch machen soll, hat es die Grenzen zu beachten, die das Gesetz dem Ermessen zieht und die Grundsätze von Recht und Billigkeit zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 und 2 StAnpG). Im Streitfall hat das Finanzgericht die Benennung der Empfänger für zumutbar gehalten. Grundsätzlich ist es Aufgabe der Tatsacheninstanzen, zu entscheiden, wie das Ermessen auszuüben ist. Im Berufungsverfahren tritt das Finanzgericht an die Stelle des Finanzamts. Die Entscheidung des Finanzgerichts kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur angegriffen werden, wenn das Finanzgericht bei der Ausübung seines Ermessens von unrichtigen Voraussetzungen ausgegangen ist, also ein Fehlgebrauch des Ermessens vorliegt.
Der Bundesfinanzhof hat in den Urteilen IV 81/50 S vom 23. Februar 1951 (BStBl 1951 III S. 77, Slg. Bd. 55 S. 204), I 106/56 U vom 5. Juni 1956 (BStBl 1956 III S. 206, Slg. Bd. 63 S. 29)und I 316/56 U vom 16. Juli 1957 (BStBl 1957 III S. 364, Slg. Bd. 65 S. 348) ausgeführt, die Vorschrift des § 205a AO solle dazu dienen, allgemein einem verwerflichen Geschäftsgebaren in der Wirtschaft entgegenzutreten und dem Finanzamt die Prüfung zu ermöglichen, ob und inwieweit die von einem Steuerpflichtigen abgesetzten Beträge von dem Empfänger steuerlich zutreffend behandelt worden sind. Das Recht und die Pflicht des Finanzamts, nach § 205a Abs. 2 und 3 AO von dem Steuerpflichtigen die genaue Bezeichnung des Empfängers der geltend gemachten Betriebsausgaben zu verlangen, und, falls der Steuerpflichtige die verlangten Angaben nicht macht, die beantragten Absetzungen nicht vorzunehmen, ist nicht etwa davon abhängig, daß das Finanzamt von der Nichtverausgabung der Aufwendungen überzeugt sein muß. Wohl soll die Regelung des § 205a Abs. 2 und 3 AO nicht etwa dafür die Handhabe bieten, Aufwendungen ohne Rücksicht auf die Wahrscheinlichkeit ihrer Verausgabung schlechthin nur deswegen nicht zum Abzug zuzulassen, weil der Steuerpflichtige den Empfänger nicht benennt. Der Steuerpflichtige soll nach seinen tatsächlichen Einkünften herangezogen werden. Aufwendungen, die er auch nach der Überzeugung des Finanzamts tatsächlich gehabt hat, müssen grundsätzlich berücksichtigt werden, auch wenn der Empfänger nicht benannt werden kann. Etwaige Zweifel können nach § 217 AO eine Schätzung durch das Finanzamt rechtfertigen, ohne jedoch dem Finanzamt das Recht zu geben, die tatsächlichen Gegebenheiten außer acht zu lassen. Diese Grundsätze gelten aber ausnahmsweise dann nicht, wenn die geltend gemachten Aufwendungen, wie im Streitfall, Schmiergelder, OR-Geschäfte oder sonst Geschäfte betreffen, bei denen die Nichtbenennung des Partners nach der Lebenserfahrung dazu dient, diesem die Nichtversteuerung der empfangenen Gelder zu ermöglichen. In Fällen dieser Art greift die Sonderregelung des § 205a Abs. 2 und 3 AO ein, die nach ihrem Sinn und Zweck dazu dient, gerade Fälle von Schmiergeldern und OR-Geschäften zu erfassen (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs VI 147/59 U vom 15. Januar 1960, BStBl 1960 III S. 167, Slg. Bd. 70 S. 447). Wenn das Finanzgericht im Hinblick auf die besonderen Umstände des Falles dem Bf. nicht uneingeschränkt darin gefolgt ist, daß er Name und Anschrift der Empfänger nicht zu benennen brauche, weil sich die streitigen Ausgaben bei den Empfängern nicht steuererhöhend ausgewirkt hätten, so handelt es sich hierbei um eine Frage der tatsächlichen Beurteilung. Die Würdigung des Finanzgerichts läßt weder einen Verstoß gegen den Inhalt der Akten noch eine Verletzung der Denkgesetze erkennen. In der Tat spricht bei der Höhe des Aufwands die Lebenserfahrung dagegen, daß es sich bei den OR- Geschäften ausschließlich um derart geringfügige Beträge gehandelt hat. Die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen wäre aber selbst dann berechtigt, wenn der Bf. tatsächlich mit einem ihm dem Namen und der Wohnung nach unbekannten Geschäftspartner gehandelt oder deren Namen bzw. Anschrift inzwischen vergessen haben sollte. Ein solches wider alle Gepflogenheiten sowie auch gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstoßendes Verhalten, mit dem sich der Bf. die Möglichkeit der Benennung des Empfängers genommen hätte, könnte in diesem Zusammenhang nicht anders als die Nichtbenennung des (ihm bekannten) Empfängers gewertet werden. Demgegenüber kann sich der Bf. auch nicht darauf berufen, daß das Finanzamt die Folgen der - entgegen der mehrfachen Anregung seines Bevollmächtigten - so spät durchgeführten Betriebsprüfung zu tragen habe. Wenn der Bf. damals schon durch einen Steuerrechtskundigen beraten war, konnte ihm als im Handelsregister eingetragenen Kaufmann nicht unbekannt gewesen sein, daß Betriebsausgaben grundsätzlich zu belegen und nachzuweisen sind. Wenn er glaubte, darauf aus wirtschaftlichen Gründen verzichten zu müssen, so ist es keineswegs unbillig, daß er auch die steuerlichen Folgen eines solchen Verstoßes gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung trägt, gleich, ob ihm Inhalt und Bedeutung der Vorschrift des § 205a Abs. 2 und 3 AO bei Durchführung der fraglichen Geschäfte bekannt waren.
Schließlich kann sich der Bf. auch nicht darauf berufen, daß sein Unternehmen durch das Verlangen des Finanzamts nach Benennung der Empfänger der fraglichen Aufwendungen in seiner Existenz ernsthaft gefährdet worden ist. Wohl dürfen berechtigte Interessen des Steuerpflichtigen bei der Entscheidung, ob von § 205a AO Gebrauch gemacht werden soll, nicht außer Betracht gelassen werden. Jedoch gebührt bei der notwendigen Interessenabwägung grundsätzlich dem berechtigten Verlangen der Allgemeinheit, daß die Steuerlasten gleichmäßig verteilt werden, der Vorrang vor den wirtschaftlichen Interessen des einzelnen. Falls allerdings die Verweigerung des Abzugs der Ausgaben die Existenz des Steuerpflichtigen entscheidend gefährdet, wird ausnahmsweise demgegenüber das in der Regel bevorrechtigte öffentliche Interesse zurücktreten müssen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs I 316/56 U a. a. O.). Der Steuerpflichtige hat aber im allgemeinen die Wahl, ob er die Lieferanten bzw. Empfänger von "Schmiergeldern" ausreichend feststellen und damit die Rentabilität seines Unternehmens nicht beeinträchtigen will, oder ob er diese Feststellung unterläßt und die entstehenden Ausgaben aus dem Gewinn deckt. Es widerspricht grundsätzlich dem Sinn und Zweck des § 205a AO, dem Steuerpflichtigen zu gestatten, die Feststellung der Lieferanten zu unterlassen und damit den daraus entstehenden Steuerausfall bei der Erfassung der Empfänger der Allgemeinheit aufzubürden. Unter diesen rechtlichen Gesichtspunkten darf sich der Bf. gegenüber dem Verlangen des Finanzamts nach Benennung der Empfänger der fraglichen Aufwendungen auch schon deshalb nicht auf eine ernstliche Existenzgefährdung berufen, weil es ihm nur darum ging, seinen Geschäftsbereich mittels der fraglichen OR-Geschäfte auszuweiten. Hierdurch aber dürfen keinesfalls Firmen, die darauf verzichten, ihren Geschäftsbetrieb durch Ankauf von Waren ohne Rechnung bzw. Zahlung von Schmiergeldern auszuweiten, gegenüber jenen benachteiligt werden, die das ohne Beachtung der steuerlichen Vorschriften unbedenklich tun. Es mag sein, daß Geschäfte dieser Art in einem Hafen üblich sind. Dies ist jedoch kein Anlaß, die unbelegten Einkäufe unter Verzicht auf die Benennung der Empfänger steuerlich als Betriebsausgaben anzuerkennen. Es ist deshalb auch nicht unbillig, daß der Steuerpflichtige die rechtlichen Folgerungen seiner Weigerung, wie es grundsätzlich im § 205a AO vorgeschrieben ist, zu tragen hat. Ob in der steuerlichen Erfassung der fraglichen Aufwendungen selbst eine unbillige Härte liegt, kann im Rahmen dieses Verfahrens nicht, sondern allein in einem solchen nach § 131 AO geprüft werden.
Hinsichtlich der Höhe der zum Abzug nicht zugelassenen Betriebsausgaben vermag der Senat der Vorinstanz jedoch in einigen Punkten nicht zu folgen. Wohl mag es zutreffen, daß ein gewisser Teil der unbelegten Betriebsausgaben Empfängern zugeflossen ist, bei denen es sich um Nebeneinkünfte handelte, die die steuerliche Freigrenze von damals 600 DM im Jahr nicht überschritten. Wenn die Vorinstanz mit Rücksicht darauf nur 30 % der von dem Bf. an unbekannte Empfänger gezahlten Einkaufspreise vom Abzug ausschloß, so ist diese als Tatsachenwürdigung den Senat bindende Schätzung nicht zu beanstanden. Für die Jahre II/1948 bis 1952 enthält jedoch die auf Grund dieser Schätzung sich ergebende Rechnung einen Denkfehler zuungunsten des Bf. Denn für diese Jahre wurden die Schmiergelder nicht gesondert gebucht. Sie waren vielmehr in den gebuchten Bareinkäufen enthalten, die die Vorinstanzen im Schätzungswege in Schmiergelder in Höhe von 10 % und OR-Einkäufe in Höhe von 90 % der Bareinkäufe aufteilten. Wenn aber die Vorinstanzen 30 % der OR-Einkäufe nicht zum Abzug zulassen wollten, so hätten sie nur jeweils (30 % von 90 %) 27 %, statt wie geschehen 30 % der Bareinkäufe dem Gewinn der Jahre II/1948 bis 1952 zurechnen dürfen.
Zu beanstanden ist ferner, daß die Vorinstanzen den Gewinnen II/1948 bis 1954 100 % der Schmiergelder, jedoch nur 30 % der OR- Einkäufe hinzurechneten. Diese unterschiedliche Behandlung widerspricht schon deshalb den Erfahrungen des täglichen Lebens, weil es ausgeschlossen erscheint, daß nur bei den OR-Einkäufen ein gewisser Teil der unbelegten Betriebsausgaben Empfängern zugeflossen sein soll, die sich bei diesen als Nebeneinkünfte von unter 600 DM jährlich ausgewirkt haben, während dies ausnahmslos bei den Empfängern von Schmiergeldern nicht der Fall gewesen sein soll. Der Senat ist vielmehr der Auffassung, daß bei den Schmiergeldern höchstens ein gleich hoher Anteil wie bei den OR- Geschäften bei der Zurechnung unberücksichtigt zu bleiben hat.
Die Vorentscheidungen und die Einspruchsentscheidungen waren daher für sämtliche Veranlagungszeiträume aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen, das unter Beachtung der vorstehenden Ausführungen die Einkommensteuern II/1948 bis 1954 festzusetzen haben wird. Dabei bestehen keine Bedenken, der Nachzahlung von Betriebssteuern durch Einstellung von Rückstellung in den jeweiligen Abschlußbilanzen Rechnung zu tragen.
Fundstellen
Haufe-Index 410806 |
BStBl III 1963, 342 |
BFHE 1964, 70 |
BFHE 77, 70 |