Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Der Senat hält daran fest, daß auch nach dem Inkrafttreten des Gleichberechtigungsgesetzes Aussteueraufwendungen eine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG sein können, wenn die Eltern kein erhebliches Vermögen besitzen (vgl. Urteil VI 7/59 S vom 7. August 1959, BStBl 1959 III S. 383, Slg. Bd. 69 S. 324).
Für die Frage, ob ein Vermögen erheblich ist, bietet Abschn. 188 Abs. 8 EStR 1961 in der Regel eine brauchbare Schätzungsgrundlage. Es sind aber im Einzelfall auch die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern zu berücksichtigen, insbesondere, ob sie noch durch andere außergewöhnliche Aufwendungen belastet sind. Die durch das StändG 1961 für die Vermögensteuer ab 1960 erhöhten Freibeträge sind nicht ohne weiteres bei der Feststellung der Erheblichkeit des Vermögens zugrunde zu legen.
Gehört den die Aussteuer gebenden Eltern ein bescheiden ausgestattetes Einfamilienhaus, das sie selbst bewohnen, so ist bei der Feststellung ihres Vermögens der Verkehrswert dieses Hauses in der Regel allenfalls mit dem doppelten Einheitswert anzusetzen.
Normenkette
EStG § 33; EStR Abschn. 188 Abs. 8
Tatbestand
Die eine Tochter der Steuerpflichtigen (Stpfl.) hat im März 1961 geheiratet. Für ihre Aussteuer haben die Stpfl. im Jahre 1960 1.534 DM und im Jahre 1961 weitere 5.896 DM aufgewendet. Bei der Einkommensteuerveranlagung für 1960 wurden die Aussteueraufwendungen dieses Jahres nach § 33 EStG berücksichtigt. Bei der Einkommensteuer-Veranlagung für 1961 hat das Finanzamt dagegen eine Steuerermäßigung wegen des Vermögens der Stpfl. abgelehnt.
Die Sprungberufung der Stpfl. hatte Erfolg. Das Finanzgericht sah die Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Aussteueraufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach den Urteilen des Senats VI 7/59 S und VI 141/59 S vom 7. August 1959 (BStBl 1959 III S. 383 und S. 385, Slg. Bd. 69 S. 324 und S. 330) als erfüllt an. Das Vermögen der Stpfl. habe zur Zeit der Aussteuergewährung aus 11.500 DM Sparguthaben, 800 DM Aktien und dem von den Stpfl. bewohnten Einfamilienhaus mit einem Verkehrswert von etwa 54.000 DM sowie 1.500 DM Schulden bestanden. Die Tochter, die Ende März 1960 ihre Berufsausbildung als Volksschullehrerin beendet habe und die seitdem berufstätig gewesen sei, habe kein Vermögen besessen. Nach den angeführten Urteilen sei eine nach § 33 EStG berücksichtigungsfähige Belastung des Einkommens bei Aussteuergewährungen anzuerkennen, wenn das Vermögen der Eltern nur unerheblich sei. Nach den in diesen Entscheidungen aufgestellten Grundsätzen sei das anzunehmen, wenn das Vermögen die Vermögensteuer-Freibeträge nicht übersteige. Das sei bei den Stpfl. der Fall, da ihnen zur Zeit der Aussteuergewährung außer für sich selbst noch für zwei in der Berufsausbildung befindliche und auswärts untergebrachte Kinder Freibeträge nach § 5 des Vermögensteuergesetzes (VStG) in der Fassung des Steueränderungsgesetzes (StändG) 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl 1961 I S. 981, BStBl 1961 I S. 444) zugestanden hätten. Der in Abschnitt 188 Abs. 8 EStR 1961 enthaltenen Regelung, nach der die niedrigeren Freibeträge des § 5 VStG alter Fassung maßgebend seien, sei nicht beizupflichten. Dem Sinn der angeführten Entscheidungen entspreche es vielmehr, die jeweiligen Freibeträge der Vermögensteuer bei der Entscheidung darüber zugrunde zu legen, ob das Vermögen der Stpfl. unerheblich sei. Da der Verkehrswert des Vermögens der Stpfl. niedriger sei als die für sie im Streitjahr in Betracht kommenden Freibeträge bei der Vermögensteuer, stehe das Vermögen der Ermäßigung der Einkommensteuer wegen der Aussteueraufwendungen nicht entgegen.
Der Vorsteher des Finanzamts rügt mit seiner Rb., die Freibeträge nach § 5 VStG seien lediglich ein Anhalt dafür, ob das Vermögen von Steuerpflichtigen so hoch sei, daß es eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG ausschließe. Den angeführten Urteilen sei nicht zu entnehmen, daß dabei die jeweils für die Vermögensteuer maßgebenden Freibeträge zugrunde zu legen seien. Im Streitfall sei daher von den Beträgen in Abschnitt 188 Abs. 8 EStR 1961 auszugehen. Da das Vermögen der Stpfl. höher sei als die Summe der Freibeträge bei der Vermögensteuer, könnten ihre Aussteueraufwendungen nicht durch eine Steuerermäßigung nach § 33 EStG berücksichtigt werden.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Aussteuern werden heiratenden Töchtern erfahrungsgemäß in der Regel aus dem Vermögen der Eltern gegeben. In diesen Fällen liegt keine außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 EStG für die Eltern vor, da nicht ihr Einkommen belastet wird. Eltern, die kein Vermögen besitzen, müssen zu den Aussteueraufwendungen Teile ihres Einkommens verwenden. Der Senat hat in den beiden Grundsatzurteilen VI 7/59 S und VI 141/59 S (a. a. O.) entschieden, daß Aussteueraufwendungen in diesen Fällen auch nach der Aufhebung des § 1620 BGB durch das Gleichberechtigungsgesetz zwangsläufig im Sinne des § 33 EStG sein können, weil die Eltern dabei in Erfüllung einer sittlichen Pflicht handeln. Er hat die Aussteuer einer Tochter dann nach § 33 EStG berücksichtigt, wenn das Vermögen der Eltern nicht erheblich ist. An dieser Auffassung hält der Senat fest.
Die Feststellung, wann das Vermögen der Eltern unbedeutend ist, bereitet allerdings Schwierigkeiten. Nach den beiden angeführten Urteilen ist es nicht möglich, zahlenmäßig genau festzulegen, wann ein Vermögen erheblich und wann es unerheblich ist, weil es neben der Höhe des Vermögens wesentlich auch auf die persönlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen ankomme, insbesondere darauf, ob sie auch noch anderweitig belastet seien. Als Anhalt, ob ein Vermögen unerheblich ist, hielt es der Senat im Urteil VI 7/59 S (a. a. O.) für vertretbar, an die Vermögensteuer anzuknüpfen und ein Vermögen als unerheblich zu betrachten, wenn sein Verkehrswert den Vermögensteuer-Freibetrag des Steuerpflichtigen nicht übersteigt. Dieser Freibetrag betrug damals für jeden Steuerpflichtigen und seine Ehefrau je 10.000 DM und für jedes berücksichtigungsfähige Kind zusätzlich 5.000 DM. Die Finanzverwaltungen haben sich dieser Beurteilung im wesentlichen angeschlossen (vgl. Abschnitt 188 Abs. 1 Buchst. c EStR 1958 in der ab 1959 geltenden Fassung). Durch Art. 11 Ziff. 4 in Verbindung mit Art. 12 StändG 1961 (a. a. O.) wurden die Freibeträge für die Vermögensteuer jedoch auf je 20.000 DM für den Steuerpflichtigen, seine Ehefrau und für jedes berücksichtigungsfähige Kind rückwirkend ab 1960 erhöht. Die Finanzverwaltungen haben daraufhin in Abschnitt 188 Abs. 8 EStR 1961 bestimmt, daß für die Beurteilung, ob ein Vermögen unerheblich sei, für das Jahr 1961 noch von den Freibeträgen des § 5 VStG alter Fassung und ab dem Jahr 1962 von je 15.000 DM für den Steuerpflichtigen und seine Ehefrau und von 7.500 DM für jedes berücksichtigungsfähige Kind auszugehen sei. Für den Streitfall bedeutet dies, daß nach den Verwaltungsanweisungen bei den Steuerpflichtigen, die im Streitjahr 1961 noch für zwei Kinder Freibeträge bei der Vermögensteuer beanspruchen konnten, ein Vermögen mit einem Verkehrswert von 30.000 DM unerheblich wäre. Das Finanzgericht hält demgegenüber eine Abgrenzung nach den jeweils bei der Vermögensteuer maßgebenden Freibeträgen für angebracht. Danach wäre also das Vermögen der Steuerpflichtigen erst erheblich, wenn es höher gewesen wäre als 80.000 DM.
In dem Urteil VI 7/59 S (a. a. O.) wurden die Vermögensteuer-Freibeträge lediglich als Anhalt für die Feststellung der Erheblichkeit des Vermögens bezeichnet; sie sollten aber nach Auffassung des Senats nicht allein für die Feststellung der Unerheblichkeit des Vermögens bei Aussteueraufwendungen maßgebend sein. Das gilt vor allem für die Zeit ab 1960, nachdem die Freibeträge durch das StändG 1961, noch dazu rückwirkend ab 1960, wesentlich erhöht wurden. Nach dieser Erhöhung hält der Senat die in Abschnitt 188 Abs. 8 EStR 1960 von der Bundesregierung gesetzten Grenzen für einen auf Schätzung beruhenden brauchbaren Anhalt für die Regelfälle. Die maßgebende Vermögensgrenze im Einzelfall ist jedoch immer unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Steuerpflichtigen und insbesondere auch der übrigen Belastungen zu bestimmen.
Das Vermögen der Stpfl. besteht im Streitfall im wesentlichen aus einem Einfamilienhaus mit einem Einheitswert von 15.200 DM, dessen Verkehrswert auf 54.000 DM geschätzt wird. Da dieses Haus den Stpfl. und ihren Kindern als Wohnung dient, kann es nicht zur Aussteuerbeschaffung veräußert werden. Allenfalls käme die Aufnahme einer Hypothek in Betracht. Der Senat hat jedoch Bedenken, selbstbewohnte Einfamilienhäuser mit ihrem vollen Verkehrswert als Vermögensgegenstand bei der Feststellung der Erheblichkeit eines Vermögens anzusetzen. Das wäre mit dem Streben, die Eigentumsbildung breiter Schichten zu fördern, nur schlecht zu vereinbaren. Wenn man eigenbewohnte Einfamilienhäuser mit bescheidener Ausstattung bei der Vermögensfeststellung überhaupt heranziehen will, sollten sie wegen der großen volkswirtschaftlichen und staatspolitischen Bedeutung der Eigentumsbildung in der Regel nicht höher als mit dem Zweifachen ihres Einheitswerts angesetzt werden.
Das Einkommen der Stpfl. besteht im wesentlichen aus Arbeitseinkünften von etwa 20.000 DM. Von ihren vier Kindern besuchte im Streitjahr 1961 noch ein Sohn die Schule, ein anderer die Universität; beide waren im Streitjahr 1961 auswärts untergebracht und verursachten dadurch besondere Kosten. Eine zweite Tochter wird sich voraussichtlich in Kürze ebenfalls verheiraten. Die Stpfl. waren daher im Streitjahr auch noch durch andere Ausgaben erheblich belastet. Legt man den Wert ihres Einfamilienhauses bei der Feststellung ihres Vermögens mit dem doppelten Einheitswert zugrunde, so ergibt sich ein Wert von 30.400 DM. Dazu kommen noch Sparguthaben und prämienbegünstigt festgelegte Aktien im Wert von insgesamt 12.300 DM, denen 1.500 DM Schulden gegenüberstehen. Das Vermögen der Stpfl. bleibt bei dieser Schätzung unter der nach Abschnitt 188 Abs. 8 EStR 1961 für die Stpfl. in Betracht kommenden Grenze von 45.000 DM. Bei den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Stpfl. ist daher ihr Vermögen als nicht erheblich anzusehen. Da die im Streitjahr 1961 aufgewendeten 5.896 DM zusammen mit den im Jahr 1960 bereits ausgegebenen 1.534 DM den in Abschnitt 188 Abs. 10 EStR 1960 vorgesehenen Höchstbetrag, gegen den der Senat keine Einwendungen erhebt, nicht erreichen, bestehen gegen die Steuerermäßigung nach § 33 EStG keine Bedenken. Da das Finanzgericht im Ergebnis ebenso entschieden hat, war die Rb. des Finanzamts als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 411164 |
BStBl III 1964, 268 |
BFHE 1964, 97 |
BFHE 79, 97 |