Leitsatz (amtlich)
Erwirbt ein Erbbauberechtigter in Nordrhein-Westfalen aufgrund eines ihm bei der Erbbaurechtsbestellung eingeräumten Ankaufsrechts nach der Bebauung das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück, so ist dieser Erwerb weder gemäß Nr. 7 noch entsprechend Nr. 1 des § 1 GrEStWoBauG Nordrhein-Westfalen von der Grunderwerbsteuer befreit (Abweichung vom Urteil vom 29. August 1962 II 260/60 U, BFHE 76, 35, BStBl III 1963, 14).
Normenkette
GrEStWoBauG Nordrhein-Westfalen § 1 Nrn. 1, 7; ErbbauVO § 39
Verfahrensgang
Tatbestand
Dem Kläger und Revisionskläger (Kläger) und anderen Bauwilligen war durch notariell beurkundeten Vertrag vom 8. Februar 1973 ein Erbbaurecht an einem Grundstück in W bestellt worden. Die Erbbauberechtigten sollten berechtigt und verpflichtet sein, auf dem Grundstück ein Wohnhaus zu errichten (§ 3 des Vertrages). Jeder Erbbauberechtigte und der Eigentümer konnten jederzeit die Veräußerung eines dem Miterbbaurechtsanteil des einzelnen Erbbauberechtigten entsprechenden Bruchteils des Grundstücks zum Verkehrswert an den Miterbbauberechtigten verlangen.
Die Miterbauberechtigten bildeten eine Bauherrengemeinschaft und errichteten aufgrund ihres Erbbaurechts ein Wohngebäude, das am 1. September 1974 bezugsfertig wurde. Es ist nach §§ 82, 83 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WoBauG) als steuerbegünstigt anerkannt worden. Das Erbbaurecht wurde von den Erbbauberechtigten in Wohnungserbbaurechte aufgeteilt. Ein weiteres Erbbaurecht wurde den Wohnungserbbauberechtigten mit notariell beurkundetem Vertrag vom 14. Mai 1976 an einem angrenzenden Grundstück bestellt. Dieses Grundstück dient als Parkplatz.
Am 22. Februar 1977 verkauften die Eigentümer der beiden Grundstücke dem Kläger Miteigentumsanteile an den Gründstücken, die seinen Anteilen an den Erbbaurechten (3 x 625/10 000 = 1 875/10 000) entsprachen. Keine der drei dem Kläger gehörenden Eigentumswohnungen wurde zu diesem Zeitpunkt von ihm oder einem Angehörigen bewohnt.
Dem Antrag des Klägers, den Grundstückserwerb von der Grunderwerbsteuer zu befreien, gab der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht statt. Er setzte die Grunderwerbsteuer auf 2 542 DM fest.
Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, da der Erwerb des Erbbaurechts und der Erwerb des Eigentums an dem Grundstück nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des Bundesfinanzhofs (BFH) zwei selbständige Erwerbsvorgänge seien. Soweit der RFH und der BFH in ihrer Rechtsprechung einen einheitlichen Vertrag angenommen hätten, müsse dies auf Fälle von Eigen- oder Familienheimerwerben beschränkt bleiben. Das bestätige auch die Vorschrift des § 1 Nr. 7 des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung für den Wohnungsbau (GrEStWo-BauG), die die Befreiung eines solchen Nacherwerbes von der Grunderwerbsteuer nur für Eigenheime oder eigengenutzte Eigentumswohnungen vorsehe und nach der Regierungsbegründung auch nur die dort ausdrücklich genannten Fälle als begünstigungswürdig erfasse.
Entscheidungsgründe
Die vom FG zugelassene Revision des Klägers ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Der Nacherwerb des Grundstücksmiteigentumsanteils durch den Kläger erfüllt die Voraussetzungen des § 1 Nr. 7 GrEStWoBauG deshalb nicht, weil die Wohnungen des Klägers nicht eigengenutzte Eigentumswohnungen sind (Buchst. c dieser Vorschrift). Die drei dem Kläger gehörenden Wohnungen werden nicht von ihm oder seinen Angehörigen bewohnt.
Die Einschränkung der Steuerfreiheit für den Nacherwerb eines Grundstückes nach vorangegangenem Erwerb des Erbbaurechts auf die Fälle, in denen die aufgrund des Erbbaurechtes errichteten Wohnungen eigenwohnlich genutzt werden, verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz. Durch § 1 Nr. 7 GrEStWoBauG wird das Wohnen im eigenen Heim gefördert. Auch wenn im vorliegenden Fall der steuerbegünstigte Zweck des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG bereits durch die Errichtung der Wohnungen aufgrund des Erbbaurechtes verwirklicht worden ist, blieb es dem Gesetzgeber unbenommen, den Grundstücksnacherwerb für den Fall der eigenwohnlichen Nutzung der Wohnungen gesondert und damit die Eigentumsbildung beim Wohnen im eigenen Heim verstärkt zu fördern. Dies war ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender und ein einleuchtender Grund (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 16. Juni 1959 2 BvL 10/59, BVerfGE 9, 334, 337), der für die Eigenwohnungsfälle eine andere grunderwerbsteuerrechtliche Behandlung rechtfertigt als in den Fällen des Grundstücksnacherwerbes bei einer vermieteten Erbbaurechtseigentumswohnung.
2. Grunderwerbsteuerfreiheit kann auch nicht unmittelbar in entsprechender Anwendung des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG gewährt werden. Zum einen steht einer derartigen entsprechenden Anwendung die Sondervorschrift des § 1 Nr. 7 GrEStWoBauG entgegen. Zum anderen ergibt sich aus der Zweckbestimmung des § 1 Nr. 1 GrEStWoBauG, den Bau von Wohnungen steuerlich zu fördern, daß er auf den Nacherwerb des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks nicht anwendbar ist. Mit der Errichtung eines Wohnhauses aufgrund eines Erbbaurechtes ist der steuerbegünstigte Zweck verwirklicht. Der Grundstücksnacherwerb kann deshalb nicht mehr der Verwirklichung des steuerbegünstigten Zweckes der Bebauung mit einem Wohnhaus dienen.
Hieran würde sich auch dann nichts ändern, wenn man annähme, daß der Gesichtspunkt der Einheitlichkeit mehrere Erwerbsvorgänge geeignet sein könnte, den späteren Grundstücksnacherwerb grunderwerbsteuerrechtlich so zu behandeln, als sei dieser Erwerb bereits vor der Bebauung erfolgt (vgl. hierzu das BFH-Urteil vom 19. Juni 1980 II R 104/77, BFHE 131, 91, BStBl II 1980, 664). Denn im vorliegenden Fall bilden die beiden Erwerbsvorgänge keine Einheit. Der Erbbaurechtsbestellungsvertrag vom 8. Februar 1973 führte vielmehr zu einer Aufspaltung des vorher bestehenden einheitlichen Herrschaftsrechtes an dem Grundstück. Die Bestellung des Erbbaurechts beinhaltete eine gewollte Abspaltung des Bebauungsrechts von dem Eigentum am Grundstück. Das gleichzeitig vereinbarte Ankaufsrecht machte diese Abspaltung nicht rückgängig. Zum einen beinhaltete die Vereinbarung des Ankaufsrechtes keine bindene Vereinbarung über den späteren Kauf des dem Erbbaurechtsanteil entsprechenden Grundstücksmiteigentumsanteils, sondern nur das Recht, die Veräußerung des entsprechenden Grundstücksmiteigentumsanteils zu fordern. Zum anderen führt der spätere Kauf des Grundstücksmiteigentumsanteils nicht dazu, daß die Abspaltung des Erbbaurechts von dem Grundstückseigentum rückgängig gemacht wurde; es entsteht vielmehr ein Eigentümererbbaurecht (vgl. Münchner Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 2 der Erbbaurechtsverordnung Tz. 39). Unter diesen Umständen bedarf es im vorliegenden Fall keiner Auseinandersetzung mit den in dem Urteil des Senats in BFHE 131, 91, BStBl II 1980, 664 enthaltenen Ausführungen.
Soweit der erkennende Senat in seinem Urteil vom 29. August 1962 II 260/60 U (BFHE 76, 35, BStBl III 1963, 14) eine abweichende Auffassung vertreten hat, hält er hieran nicht mehr fest.
3. Die Steuerfreiheit ist im vorliegenden Fall auch nicht gemäß § 39 der Erbbaurechtsverordnung zu gewähren. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind deshalb nicht erfüllt, weil bei der Begründung des Erbbaurechtes eine Grunderwerbsteuer nicht zu entrichten war (vgl. § 3 Nr. 8 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG - in der in Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung). Aus diesem Grunde ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht die Problematik der doppelten Erfassung des Grundstückswertes durch die Grunderwerbsteuer, die dadurch entsteht, daß § 2 Abs. 1 Satz 1 und § 11 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 GrEStG in der in Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung nicht aufeinander abgestimmt sind (vgl. hierzu andererseits § 2 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2, § 27 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 des Baden-Württembergischen GrEStG). Wie zu verfahren gewesen wäre, wenn der Kläger ein zunächst einem Dritten bestelltes Erbbaurecht erworben und anschließend das Grundstück gekauft hätte, kann unter diesen Umständen im vorliegenden Fall unerörtert bleiben.
4. Ob das FA den Grundstücksnacherwerb des Klägers aufgrund von Verwaltungsregelungen von der Grunderwerbsteuer freigestellt hätte, wenn der Erwerb vor dem Inkrafttreten des § 1 Nr. 7 GrEStWoBauG stattgefunden hätte, ist in diesem Verfahren nicht zu erörtern. Der Senat hat im vorliegenden Verfahren lediglich das im Zeitpunkt des Grundstücksnacherwerbs geltende Gesetz auszulegen. Bei dieser Auslegung ist es ohne Bedeutung, welche Auffassung der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 1 Nr. 7 GrEStWoBauG vertreten hat. Im übrigen folgt aus Abschn. 2.2 des Erlasses vom 28. April 1975 - 4509 - 29 - VA/2 die Auffassung des Finanzministers des Landes Nordrhein-Westfalen, daß § 1 Nr. 7 GrEStWoBauG frühere Verwaltungsregelungen ersetzt, diese somit nicht mehr aufrechterhalten werden. Ob der Finanzminister in diesem Zusammenhang insoweit einem Irrtum unterlegen ist, als er davon ausging, daß § 1 Nr. 7 GrEStWoBauG die bisherigen Verwaltungsregelungen erweiterte, ist für die Gesetzesauslegung ohne Bedeutung.
Fundstellen
Haufe-Index 74172 |
BStBl II 1982, 174 |
BFHE 1981, 456 |