Leitsatz (amtlich)
Eine Interessengemeinschaft von Lohnsteuerzahlern ist kein Berufsverband. Die von ihr erhobenen Mitgliedsbeiträge bleiben nicht gemäß § 8 Abs. 1 KStG außer Ansatz, weil ein Leistungsaustausch vorliegt.
Normenkette
KStG § 4 Abs. 1 Nr. 8, § 8 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob die von der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhobenen Mitgliederbeiträge bei der Ermittlung ihres Einkommens gemäß § 8 Abs. 1 KStG außer Ansatz zu bleiben haben.
Die Klägerin ist ein eingetragener Verein. Sie ist zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen gemäß § 107a Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b AO zugelassen. Der Zweck der Klägerin, der nach ihrer Satzung nicht aut einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, ist die Hilfeleistung in Lohnsteuersachen, die Interessenvertretung ihrer Mitglieder in allen Lohnsteuerfragen ("um jedem Arbeitnehmer den Rechtsanspruch auf die jährliche Lohnsteuererstattung zu sichern") und die Wahrnehmung des Petitionsrechts nach Art. 17 GG ("um durch Anträge und Anregungen an den Gesetzgeber diesen zu veranlassen, Artikel 3 Absatz 1 GG in der Finanzverwaltung zu achten und eine bessere und gerechtere Erhebungsform der Lohnsteuer einzuführen, damit jede Benachteiligung des Arbeitnehmers bei der Erhebung seiner Lohnsteuer ausgeschaltet wird"). Die Klägerin erhebt nach ihrer Satzung von ihren Mitgliedern einen jährlichen Mitgliedsbeitrag von 24 DM.
Die Klägerin, die vom Beklagten und Revisionsbeklagten (dem FA) für die Streitjahre (1963 bis 1966) zur Körperschaftsteuer herangezogen worden ist, hat geltend gemacht, daß sie durch ihre Eintragung in das Vereinsregister als Idealverein ausgewiesen sei, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet sei, und sich mit ihrer Tätigkeit in dem Rahmen der Vorschrift des § 107a Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b AO halte.
Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das FG führte aus:
Die Klägerin sei als sonstige juristische Person des privaten Rechts nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG voll körperschaftsteuerpflichtig. Sie sei weder für gemeinnützig erklärt worden noch falle sie unter eine der anderen persönlichen Befreiungsvorschriften des § 4 Abs. 1 KStG. Auch die Vergünstigung aus § 8 Abs. 1 KStG könne sie nicht in Anspruch nehmen, da die von ihr erhobenen Beiträge nicht echte Mitgliederbeiträge, sondern pauschalierte Leistungsentgelte seien. Mit ihrer Tätigkeit fördere die Klägerin die wirtschaftlichen Belange ihrer Einzelmitglieder auch dann, wenn sie dies für alle Mitglieder tue oder für Mitglieder in so großer Zahl, wie dies bei ihr der Fall sei. Sie könne sich demgegenüber weder auf ihre Eintragung in das Vereinsregister noch auf die Vorschrift des § 107a AO berufen. Auch komme es nicht darauf an, ob sie in dem von ihr verstandenen Sinne öffentlich gefallener Äußerungen von Fredersdorf und Grass politischen oder sozialpolitischen Zwecken diene. Da - wie die mündliche Verhandlung ergeben habe - die von der Klägerin zur Förderung der allgemeinen Belange ihrer Mitglieder erbrachten Leistungen gegenüber der Förderung der wirtschaftlichen Belange ihrer einzelnen Mitglieder nicht ins Gewicht falle, könne auch eine schätzungsweise Aufteilung der von ihr erhobenen Beiträge nicht in Betracht kommen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Revision der Klägerin mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, hilfsweise, unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung nach den Schlußanträgen der Klägerin vor dem FG am 19. August 1971 zu erkennen (ersatzlose Aufhebung der Körperschaftsteuerbescheide 1963 bis 1966 und Freistellung der Klägerin von der Körperschaftsteuer). Zur Begründung läßt sie vortragen:
Die Klägerin sei ein Berufsverband und falle als solcher unter die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG. Ihr Zweck sei nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet (ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb werde nicht unterhalten. Einnahmen würden nicht erzielt - Mitgliederbeiträge seien keine Einnahmen im Sinne von § 14 Abs. 1 KStDV), was auch durch ihre Eintragung in das Vereinsregister belegt werde. Nicht die Tätigkeit der Klägerin sei für die Bereicherung ihrer Mitglieder ursächlich; vielmehr ergebe sich der Vorteil für sie kraft Gesetzes. Die nach der Satzung erhobenen Mitgliederbeiträge seien in ihrem Falle nicht anders zu beurteilen als bei einem Sportverein. Ihr Charakter als echte Mitgliederbeiträge folge aber auch aus § 107a Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b AO, demzufolge die Mitglieder zwar zu Beiträgen verpflichtet werden könnten, ein besonderes Entgelt für die Hilfeleistung indes nicht genommen werden dürfe; das habe gemäß § 3 Abs. 1 AO auch für die Körperschaftsteuer zu gelten. In der Nichtbeachtung dieser Zusage des Gesetzgebers durch das FA liege auch ein Verstoß gegen § 242 BGB.
Verfahrensrechtlich habe das FG unterlassen, Beweis über die Behauptung der Klägerin zu erheben, daß 18 bis 20 v. H. ihrer Mitglieder keinerlei Anträge stellten, was das FA bestritten habe; insoweit fehle es in jedem Falle an einem Leistungsaustausch. 40 v. H. der Beiträge seien zudem an die Bundesgeschäftsstelle abzuführen und dienten der Wahrnehmung der in § 2 Nr. 3 der Satzung benannten Aufgaben.
Schließlich verletze die Heranziehung der Klägerin zur Steuer Art. 3 Abs. 1 GG, da die Gewerkschaften bei gleicher steuerberatender Tätigkeit nicht zur Steuer herangezogen würden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Klägerin kann nicht als Berufsverband im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 8 KStG, § 13 KStDV angesehen werden. Ein Berufsverband ist, wie auch die Beispiele in § 13 Abs. 1 KStDV zeigen, ein Zusammenschluß von natürlichen Personen oder Unternehmen, der allgemeine, aus der beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsende ideelle und wirtschaftliche Interessen eines Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges wahrnimmt (vgl. Urteile des BFH vom 17. Mai 1966 III 190/64, BFHE 86, 324, BStBl III 1966, 525; und vom 15. Juli 1966 III 179/64, BFHE 86, 656, BStBl III 1966, 638). Danach ist z. B. ein Mieterverein kein Berufsverband, weil er keine aus der Erwerbstätigkeit seiner Mitglieder abgeleiteten ideellen oder wirtschaftlichen Interessen seiner Mitglieder verfolgt. Dasselbe gilt für einen Warenzeichenverband (BFH-Urteil vom 8. Juni 1966 I 151/63, BFHE 86, 639, BStBl III 1966, 632) und für einen Rabattsparverein (BFH-Urteil vom 29. November 1967 I 67/65, BFHE 91, 45, BStBl II 1968, 236). Ausgangspunkt für die Anerkennung eines Zusammenschlusses als Berufsverband ist mithin immer die Zugehörigkeit der im Berufsverband zusammengeschlossenen Personen und Unternehmen zu einer bestimmten Berufsgruppe, einem bestimmten Wirtschaftszweig, selbst wenn es sich dabei um nicht verwandte Zweige der gewerblichen Wirtschaft handelt, deren Angehörige durch ein gemeinsam zu verfolgendes, ihren Berufsgruppen oder Wirtschaftszweigen eigenes, immanentes Interesse vereint werden.
Das alles läßt sich von den Mitgliedern der Klägerin nicht sagen. Das Interesse, das sie in dem Verein zusammenführt, ist nicht berufsbedingt, besteht vielmehr allein in der Wahrnehmung ihrer lohnsteuerrechtlichen Belange durch die Klägerin.
Aber selbst wenn man der Klägerin folgen wollte, könnte sie damit eine steuerrechtliche Besserstellung nicht erlangen. Denn wie im Urteil I 67/65 ausgeführt, beruht die persönliche Freistellung dieser Verbände von der Steuerpflicht auf der gesetzespolitischen Anerkennung ihres Wirkens als eines Wirkens im Interesse der Allgemeinheit. Sie geht deshalb notwendig verloren, wenn neben der Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen und allen Angehörigen des Zusammenschlusses eigentümlichen Interessen oder an deren Stelle die Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen - hier lohnsteuerrechtlichen - Interessen der einzelnen Mitglieder tritt, selbst wenn sämtliche Mitglieder an ihr interessiert sind und sie wünschen (vgl. auch BFH-Urteil vom 26. April 1954 I 110/53 U, BFHE 58, 766, BStBl III 1954, 204).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist ihr Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet, da ohne einen solchen Betrieb weder eine Hilfeleistung in Steuersachen noch eine Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder im Verfahren über den Lohnsteuer-Jahresausgleich denkbar ist. Dabei kann es dahinstehen, ob der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb als dem Verbandszwecke dienend oder ihm nicht dienend eingeordnet wird, da in beiden Fällen die Steuerpflicht die von der Klägerin vereinnahmten Beiträge ihrer Mitglieder erfaßt (vgl. BFH-Urteil vom 11. März 1970 I R 155/67, BFHE 98, 543, BStBl II 1970, 528).
2. Die Beiträge, die die Klägerin von ihren Mitgliedern erhebt, sind keine Mitgliederbeiträge im Sinne von § 8 Abs. 1 KStG, § 20 Abs. 1 KStDV. Denn wie das FG zu Recht ausgeführt hat, dienen diese Gelder der Klägerin zur Wahrnehmung ihrer satzungsmäßigen Pflichten gegenüber ihren Mitgliedern, die sie jedoch nicht im ideellen, sondern im eigenen wirtschaftlichen Interesse ihrer einzelnen Mitglieder wahrnimmt. Daß Einnahmen jedoch nur insoweit als echte Mitgliederbeiträge anzuerkennen sind, als sie für die Wahrnehmung allgemeiner ideeller oder wirtschaftlicher Interessen der Mitglieder und nicht für die Wahrnehmung besonderer geschäftlicher Interessen der Mitglieder gezahlt werden, hat der erkennende Senat bereits im Urteil vom 5. Juni 1953 I 104/52 U (BFHE 57, 553, BStBl III 1953, 212) ausgeführt.
Es fehlt auch nicht, wie die Klägerin meint, an einem Leistungsaustausch. Denn wenn auch im Einzelfalle ein Rechtsanspruch der einzelnen Mitglieder auf Rückzahlung überzahlter Lohnsteuerbeträge besteht, so ist es doch erst das Tätigwerden der Klägerin, das den Mitgliedern zu diesem ihrem Recht verhilft. Dafür, daß sie dies tut, entrichten die Mitglieder ihren Beitrag.
Dieser Beurteilung der Beiträge steht weder die Tatsache entgegen, daß die Klägerin in das Vereinsregister eingetragen ist, noch der Umstand, daß sie angesichts der Einhaltung der Vorschriften des § 107a Abs. 3 Nr. 4 Buchst. b AO zur Hilfeleistung in Lohnsteuersachen zugelassen worden ist. Die Auffassung der Zivilgerichte vom Wesen der Klägerin und ihrer Tätigkeit ist für die Finanzbehörden wie für die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit nicht bindend. Diese haben auf den wirtschaftlichen Gehalt der Tätigkeit der Klägerin abzustellen (§ 1 Abs. 2 und 3 StAnpG; Urteil des BVerfG vom 24. Januar 1962 1 BvR 232/60, BStBl I 1962, 506, 510). Wenn die Klägerin ferner für ihre Tätigkeit - unbeschadet deren Umfangs im Einzelfall - kein besonderes Entgelt erhebt, sondern sie mit der Entrichtung des Jahresbeitrags als abgegolten ansieht, so ist das zwar Voraussetzung ihrer Zulassung nach § 107a Abs. 3 AO. indes ohne Einfluß auf die rechtliche Beurteilung der Beiträge nach § 8 Abs. 1 KStG, die im Rahmen der körperschaftsteuerrechtlichen Beurteilung der Tätigkeit der Klägerin erfolgt. Der Hinweis auf § 3 Abs. 1 AO geht fehl, weil mit dieser Vorschrift nur die verfahrensrechtlichen Vorschriften, nicht auch die materiellrechtlichen Vorschriften der AO angesprochen sind.
Was schließlich die Teilbarkeit der Beiträge in echte Mitgliederbeiträge und pauschaliertes Leistungsentgelt betrifft, so hat die Klägerin ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vor dem FG selbst eingeräumt, daß die annähernd konstante Zahl derjenigen ihrer Mitglieder, die ihre Leistung nicht in Anspruch nimmt, doch nicht in jedem Jahr den gleichen Personenkreis umfaßt. Von einem echten Mitgliederbeitrag kann deshalb insoweit keine Rede sein. Die aus der mündlichen Verhandlung gewonnene Überzeugung des FG, daß die die allgemeinen Belange der Mitglieder fördernde Tätigkeit der Klägerin gegenüber ihrer sonstigen, einen Leistungsaustausch beinhaltenden Tätigkeit nicht ins Gewicht falle, hat die Klägerin mit dem Hinweis auf die Abzweigung von 40 v. H. der Beiträge für eine derartige Tätigkeit nicht widerlegt. Obwohl weder die Niederschrift über die mündliche Verhandlung noch das Urteil Einzelheiten hinsichtlich dieser Tätigkeit erkennen läßt, hätte die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung substantiierte Ausführungen hierzu machen können und müssen.
3. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG ist durch die Heranziehung der Klägerin zur Steuer nicht verletzt. Selbst wenn das FA zu Unrecht die Industriegewerkschaft Metall nicht zur Steuer herangezogen haben sollte, folgt für die Klägerin daraus kein Anspruch auf Nichtveranlagung.
Fundstellen
Haufe-Index 70705 |
BStBl II 1974, 60 |
BFHE 1974, 405 |