Leitsatz (amtlich)
Zu den Herstellungskosten eines Einfamilienhauses gehören grundsätzlich auch die Kosten einer früheren Planung.
Normenkette
EStG §§ 7, 9, 21
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) wurde mit seiner Ehefrau im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Er erwarb 1978 das unbebaute Grundstück in D, E-Straße 1, das er mit einem Einfamilienhaus bebauen wollte.
Mit schriftlichem Vertrag vom 27./29. März 1978 schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit der Firma A-Bau einen Vertrag über die Lieferung eines schlüsselfertigen Massivhauses zum Komplettpreis von 268 625 DM. Die Übergabe sollte im Dezember 1978 erfolgen. Gegenstand des Vertrages war lediglich das Haus ohne einen erforderlichen Anbau für Heizungsräume, Abstellraum und Garagen. Die Vorentwurfspläne wurden dem Kläger Mitte April 1978 übergeben.
Es stellte sich heraus, daß die Pläne ohne Änderung baurechtlich nicht zu verwirklichen waren. Nach weiteren Verhandlungen unterbreitete die Firma A-Bau dem Kläger ein Nachtragsangebot, nach dem ein zusätzlicher Preis von 60 575 DM für Verblendung, Anbau und Garagen zu zahlen gewesen wäre. Der Kläger trat darauf vom Vertrag zurück. Nach streitigen Verhandlungen einigte er sich mit der Firma A-Bau im November 1978 zur Abgeltung von Planungsarbeiten auf die Zahlung eines Betrages von brutto 11 200 DM. Die Zahlung ist im Jahr 1979 erfolgt.
Mit Vertrag vom 7. Juni 1978 schlossen der Kläger und seine Ehefrau mit der Firma B-Bau einen Vertrag über die schlüsselfertige Errichtung eines Einfamilienhauses mit Garage zum Festpreis von 257 000 DM. Grundlage des Vertrages waren die Entwurfszeichnungen sowie die Bau- und Leistungsbeschreibung der B-Bau. Der Festpreis umfaßte neben der kompletten Erstellung des Hauses auch sämtliche Architekten- und Ingenieurleistungen einschließlich der Statik, die Statikprüfgebühren und die Baugenehmigungsgebühren. Die Baugenehmigung wurde am 21. Dezember 1978 durch den Kreis F erteilt. Das Haus ist im Dezember 1979 bezugsfertig geworden.
Mit der Einkommensteuererklärung für 1979 machte der Kläger einen Verlust in Höhe von 34 332,41 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung unter Einschluß eines Postens "vergebliche Aufwendungen zum Hauserwerb It. Re. A-Bau" in Höhe von 11 200 DM geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) behandelte diese Aufwendungen als Herstellungskosten des neuen Gebäudes und lehnte einen sofortigen Abzug ab. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) setzte die Einkommensteuer 1979 entsprechend dem Begehren des Klägers herab. Es führt aus, die Aufwendungen des Klägers aufgrund des Rücktritts vom Vertrage mit der Firma A-Bau seien sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung. Die für den Rücktritt vom Vertrag gezahlte Abstandssumme sei durch den Entschluß des Klägers, ein Einfamilienhaus zu errichten, veranlaßt worden, der zum Abschluß des Vertrages vom 27./29. März 1978 mit der Firma A-Bau geführt habe.
Dem Rücktrittsentschluß komme neben dem früheren Entschluß zum Kauf des Hauses keine selbständige Bedeutung zu. Ein Rücktritt sei stets der mögliche Schlußpunkt eines Handlungsablaufs, der durch die Absicht zur Einkunftserzielung eingeleitet wurde. Der Grundsatz der steuerlichen Gleichbehandlung werde verletzt, wenn die Abziehbarkeit bei Überschußeinkünften nur unter engeren Voraussetzungen als bei den Gewinneinkünften zugelassen werde.
Die Aufwendungen seien im Streitjahr abziehbar. Aufwendungen gehörten nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines anderen Hauses, wenn kein Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Anschaffung oder Herstellung des neuen Hauses bestehe. Da die Aufwendungen des Klägers gegenüber der Firma A-Bau die Errichtung des Hauses durch die Firma B-Bau nicht beeinflußt und gefördert hätten, seien sie nicht wertbestimmend in das neue Haus eingegangen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Das FG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die Zahlung des Betrages von 11 200 DM an die Firma A-Bau "vergeblich" gewesen und in keinem wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem von der Firma B-Bau errichteten Einfamilien-Fertighaus gestanden habe. Die erste, nicht zur Verwirklichung gekommene Planung des Einfamilienhauses durch die Firma A-Bau habe klargestellt, in welcher Weise der Bau durchgeführt werden könne. Das gelte sowohl für die bautechnische und baurechtliche als auch für die finanzielle Seite der beabsichtigten Baumaßnahme.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Bei den streitbefangenen Aufwendungen handele es sich nicht um Planungskosten, sondern um eine Abfindungszahlung an den Hersteller eines Fertighauses, die zu leisten gewesen sei, um eine Aufhebung des Kaufvertrages zu erreichen. Die Aufwendungen ähnelten einer verlorengegangenen Anzahlung. Sie seien nicht wertbestimmend in das neue Gebäude eingeflossen. Weder die Erfahrungen aus dem gescheiterten Kaufvertrag noch dessen Aufwendungen hätten zu einer Werterhöhung geführt. Kein Käufer des Hauses würde die gezahlte Abstandssumme bei der Wertbeurteilung berücksichtigen. Auf die Gründe, die zur Aufhebung des Kaufvertrages geführt hätten, komme es hierbei nicht an. Insoweit werde auf die Urteilsbegründung des FG verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dabei können die Werbungskosten schon zu einem Zeitpunkt anfallen, in dem mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden.
Voraussetzung für die Anerkennung solcher vorab entstandener Werbungskosten ist allerdings, daß ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, in deren Rahmen ein Abzug begehrt wird, besteht (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. März 1975 IV R 146/70, BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574; vom 22. April 1975 VIII R 110/70, BFHE 115, 479, BStBl II 1975, 663; vom 15. Dezember 1981 VIII R 107/79, BFHE 135, 431, BStBl II 1982, 495). Ein solcher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und späteren Einkünften besteht von dem Zeitpunkt an, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß, durch die Errichtung oder den Erwerb eines Gebäudes die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen, endgültig gefaßt hat (BFH-Urteile vom 13. November 1973 VIII R 157/70, BFHE 110, 556, BStBl II 1974, 161; vom 10. März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470).
Die Aufwendungen können selbst dann abziehbar sein, wenn es entgegen den Planungen des Steuerpflichtigen nicht zu Einnahmen kommt, sofern nur eine erkennbare Beziehung zu den angestrebten Einkünften besteht (BFH-Urteile in BFHE 110, 556, BStBl II 1974, 161; vom 14. Februar 1978 VIII R 9/76, BFHE 125, 153, BStBl II 1978, 455; vom 25. Juli 1978 VIII R 42/76, BFHE 126, 18, BStBl II 1979, 14; vom 9. September 1980 VIII R 44/78, BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418). Nicht abziehbar sind Aufwendungen, die sich auf die Anschaffung des Grund und Bodens beziehen, oder Aufwendungen, die zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines anderen als des ursprünglich geplanten Hauses gehören (BFH-Urteile in BFHE 125, 153, BStBl II 1978, 455; BFHE 126, 18, BStBl II 1979, 14; BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418).
2. Das FG, das die Zahlung an die Firma A-Bau zu den sofort abziehbaren Werbungskosten gerechnet hat, hat diese Grundsätze nicht zutreffend angewandt.
Der BFH hat in seinen Urteilen in BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574, und vom 11. März 1976 IV R 176/72 (BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614) dazu Stellung genommen, wie Aufwendungen für nichtverwirklichte Baupläne steuerrechtlich zu behandeln sind. Zu den Herstellungskosten eines Gebäudes gehören danach auch die Kosten für die ursprüngliche Planung, wenn die Errichtung eines für bestimmte Zwecke vorgesehenen Gebäudes aufgrund der zunächst beabsichtigten Planung nicht durchführbar wird, dann aber doch ein die beabsichtigten Zwecke erfüllendes Gebäude erstellt wird. Die Kosten für nichtverwirklichte Baupläne gehören nur dann nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes, wenn es sich bei dem ursprünglich geplanten Gebäude und bei dem errichteten Gebäude nach Zweck und Bauart um zwei völlig verschiedene Bauwerke handelt (z. B. anstelle eines ursprünglich geplanten Wohngebäudes wird eine Fabrikhalle errichtet) und die erste Planung in keiner Weise der Errichtung des neuen Gebäudes dient. Diese Auffassung beruht auf der Überlegung, daß bei gleichem Zweck und bei gleicher Bauart des ursprünglich geplanten und des errichteten Gebäudes auch die Kosten der ursprünglichen Planung wertbestimmend in das neue Gebäude eingehen (BFH-Urteil in BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418).
Das FG hat diese Grundsätze verkannt, so daß seine Entscheidung aufzuheben ist. Bei dem von der B-Bau errichteten Gebäude und bei dem von der Firma A-Bau geplanten Gebäude handelt es sich nicht um Bauwerke, die nach Zweck und Bauart völlig verschieden waren, sondern um Einfamilienhäuser mit der gleichen Zweckbestimmung. Zu Unrecht geht das FG davon aus, daß die vergeblichen Planungskosten zu einer meßbaren Wertbestimmung führen müßten. Dies ist nicht erforderlich. Es genügt, daß Erfahrungen für die Planung und Errichtung des Gebäudes gewonnen werden.
Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen den Schluß zu, daß die Zahlung an die Firma A-Bau zu den Herstellungskosten des errichteten Gebäudes gehört. Die erste, nicht zur Verwirklichung gekommene Planung des Einfamilienhauses hatte klargestellt, in welcher Weise der Bau durchgeführt werden konnte. Das galt für die bautechnische und die baurechtliche Seite.
Fundstellen
Haufe-Index 74927 |
BStBl II 1984, 306 |
BFHE 1984, 212 |