Leitsatz (amtlich)
Zur Begrenzung des Kapitalwerts von Erbbauzinsen auf den Einheitswert des mit dem Erbbaurecht belasteten Grund und Bodens, wenn der Grundstückseigentümer einem Dritten gestattet, den jeweils fälligen Erbbauzins im eigenen Namen einzuziehen.
Normenkette
BewG i.d.F. vor VStRG 1974 § 16
Tatbestand
Streitig ist, ob der Kapitalwert von Erbbauzinsen nach § 16 des Bewertungsgesetzes in der Fassung vor dem Vermögensteuerreformgesetz 1974 (künftig BewG) auf den Einheitswert des mit dem Erbbaurecht belasteten Grund und Bodens begrenzt werden kann, wenn der Grundstückseigentümer einem Dritten gestattet, den jeweils fällig gewordenen Erbbauzins im eigenen Namen einzuziehen.
Der Ehemann der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) hatte mit Vertrag vom ... 1960 an ihm gehörenden Grundstücken ein Erbbaurecht zugunsten der Firma A auf die Dauer von 60 Jahren bestellt. Der Erbbauzins beträgt 1,8 v. H. des Umsatzes aus dem auf dem Grundstück zu errichtenden Kaufhaus, mindestens ... DM im Jahr.
Am ... 1964 ist der Ehemann verstorben. Er wurde von der Klägerin zu 1/2 und von den drei Kindern zu je 1/6 beerbt.
Mit notariellem Vertrag vom ... 1970 schied die Klägerin aus der Erbengemeinschaft aus und übertrug ihre Anteile an den Grundstücken auf ihre Kinder zu je 1/3. Es wurde außerdem vereinbart, daß die Klägerin, die damals 59 Jahre alt war, den gesamten Erbbauzins- bis zu ihrem Tode allein erhalten solle. Zu diesem Zweck ermächtigten die Kinder die Klägerin, ihre Rechte gegenüber der A im eigenen Namen geltend zu machen.
In ihrer Vermögenserklärung für das Jahr 1972 bezifferte die Klägerin ihr Recht auf die Erbbauzinsen mit 20 900 DM. Ausgehend von einem Einheitswert für den Grund und Boden von 34 190 DM errechnete sie nach § 16 Abs. 2 BewG einen Jahreswert von 1 900 DM, den sie mit dem Faktor 11 multiplizierte.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte demgegenüber in der Einspruchsentscheidung vom 16. Juli 1976 die wiederkehrenden Nutzungen der Klägerin mit einem Betrag von 651 013 DM an. Das FA ging von einem Durchschnittsertrag von 59 183 DM für die Jahre 1970 bis 1973 aus, den es mit dem Faktor 11 vervielfachte. § 16 Abs. 2 BewG wandte das FA nicht an.
Die Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) betrachtete die Klägerin als wirtschaftliche Inhaberin des Rechts auf den Erbbauzins, auf den § 16 Abs. 2 BewG anzuwenden sei. Es setzte die Vermögensteuer auf null DM fest. Bei einem Jahreswert von 1 899 DM und einem Kapitalwert von 20 889 DM ergebe sich unter Berücksichtigung der Abrundungsvorschrift des § 4 Abs. 2 des Vermögensteuergesetzes (VStG) und des Freibetrages nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 VStG von 20 000 DM kein steuerpflichtiges Vermögen.
Gegen das Urteil hat das FA Revision eingelegt. Es ist der Auffassung, daß die Klägerin nicht wirtschaftliche Inhaberin des Rechts auf den Erbbauzins sei und daß § 16 Abs. 2 BewG auf einen Dritten, der nicht Eigentümer des Grundstücks ist und dem der Erbbauzins nur zur Einbeziehung überlassen wird, nicht anwendbar sei.
Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorentscheidung ist im Ergebnis nicht zu beanstanden (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Nach § 4 Abs. 1 VStG i. d. F. vor dem Vermögensteuerreformgesetz 1974 ist bei der Veranlagung zur Vermögensteuer das Gesamtvermögen mit dem Wert anzusetzen, der sich nach den §§ 114 bis 121 BewG ergibt. Zum Gesamtvermögen gehört nach §§ 114, 110 Abs. 1 Nr. 4 BewG der Kapitalwert von Nießbrauchsrechten und von Rechten auf Renten und andere wiederkehrende Nutzungen und Leistungen. Nutzungen in diesem Sinne sind geldwerte wiederkehrende Vorteile, die dem Berechtigten aufgrund eines Rechts aus fremden, ihm nicht gehörenden und ihm steuerlich nicht zuzurechnenden Wirtschaftsgütern zufließen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. April 1970 III R 36/67, BFHE 99, 208, BStBl II 1970, 591). Die Ermächtigung der Klägerin, den Erbbauzins bis zu ihrem Tode von A im eigenen Namen einziehen zu können, ist ein solches Recht. Das FA ist in seiner Einspruchsentscheidung zutreffend davon ausgegangen, daß zur Ermittlung des Kapitalwerts dieses Nutzungsrechts der Jahreswert nicht nach § 16 Abs. 2 BewG begrenzt werden kann.
2. Nach § 16 Abs. 2 BewG in der bis zum 1. Januar 1974 noch geltenden Fassung kann bei der Ermittlung des Kapitalwerts des Erbbauzinses der Jahreswert des Erbbauzinses nicht mehr als den 18. Teil des steuerlichen Werts betragen, der sich für den Grund und Boden des mit dem Erbbaurecht belasteten Grundstücks ergibt. Diese Vorschrift findet auf die Klägerin jedoch keine Anwendung, weil sie weder bürgerlich-rechtlich noch wirtschaftlich Inhaberin des Rechts auf den Erbbauzins ist.
a) Ist ein Grundstück mit einem Erbbaurecht belastet, so ist sowohl für die wirtschaftliche Einheit des Erbbaurechts als auch für die wirtschaftliche Einheit des belasteten Grundstücks jeweils ein Einheitswert festzustellen. Dabei ist von einem Gesamtwert auszugehen, der nach näherer Maßgabe des § 46 Abs. 1 bis 3 der Durchführungsverordnung zum Bewertungsgesetz (BewDV) 1935, § 92 Abs. 1 bis 4 BewG zu ermitteln und auf Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigten zu verteilen ist. Unabhängig hiervon ist nach § 46 Abs. 4 BewDV 1935, § 92 Abs. 5 BewG das Recht auf den Erbbauzins nicht als Bestandteil des Grundstücks zu berücksichtigen, sondern bei dem Eigentümer des belasteten Grundstücks im Rahmen des sonstigen Vermögens oder des Betriebsvermögens anzusetzen.
b) Eigentümer der belasteten Grundstücke waren zunächst alle Erben in ungeteilter Erbengemeinschaft. Seit dem Vertrag vom ... 1970 sind es nur noch die Kinder der Klägerin. Seitdem sind die Kinder aber auch bürgerlich-rechtlich die alleinigen Inhaber des Rechts auf den Erbbauzins. Denn nach § 9 Abs. 2 Satz 2 der Erbbaurechtsverordnung (Erbbau VO) kann der Anspruch des Grundstückseigentümers auf den Erbbauzins in Ansehung noch nicht fälliger Leistungen nicht von dem Eigentum an dem Grundstück getrennt werden. Das Recht auf den Erbbauzins sowie der Anspruch auf die noch nicht fälligen Leistungen gehören vielmehr gemäß § 96 BGB zu den wesentlichen Bestandteilen des Grundstücks und teilen dessen rechtliches Schicksal bei jeder Übertragung, Belastung oder Zwangsvollstreckung. Nur bereits fällige Erbbauzinsforderungen können gesondert übertragen werden, und zwar im Wege formlosen Vertrags (vgl. Ring in Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 11. Aufl., § 9 ErbbauVO Anm. 8). Das bedeutet - von dem Anspruch auf bereits fällige Zinsen abgesehen-, daß der Anspruch auf den Erbbauzins nicht abgetreten oder gepfändet werden kann. Damit steht im Einklang, daß die Kinder in der notariellen Urkunde vom ... 1970 die Klägerin nur zum Einzug des Erbbauzinses nach § 185 Abs. 1 BGB ermächtigt haben.
c) Die Klägerin ist aber auch nicht wirtschaftlich Inhaberin des Rechts auf den Erbbauzins in dem Sinne, daß ihr steuerlich das Recht auf den Erbbauzins zuzurechnen wäre. Die Kinder haben ihre Mutter vielmehr nur ermächtigt, den Erbbauzins im eigenen Namen bei A einzuziehen. Damit erfüllen die Kinder eine Verpflichtung, die sie in dem Vertrag vom ... 1970 gegenüber ihrer Mutter eingegangen sind. In diesem Vertrag hat die Klägerin ihren halben Grundstücksanteil und damit zwangsläufig verbunden (§ 9 Abs. 2 ErbbauVO) ihren halben Anteil auf den Erbbauzins für die Restlaufzeit (48 Jahre) auf ihre Kinder übertragen und dafür im Gegenzug den Anspruch auf den vollen Erbbauzins bis zu ihrem Tode erhalten. Allerdings erfüllen die Kinder diese Verpflichtung nicht persönlich, sondern sie bedienen sich dazu der Firma A, bei der sie eine Gläubigerstellung innehaben. Obwohl die Firma A unmittelbare Zahlungen an die Klägerin leistet, erfüllt sie damit rechtlich und wirtschaftlich eine Verpflichtung gegenüber den Grundstückseigentümern (Kinder), die damit gleichzeitig eine Verpflichtung gegenüber ihrer Mutt erfüllen. Aus diesen Überlegungen ergibt sich gleichzeitig, daß die Klägerin tatsächlich auch keine "Erbbauzinsen" bezieht. Denn die rechtliche Natur dieser Zahlungen richtet sich nach dem Vertrag vom ... 1970. Danach stellen sich diese Zahlungen in der Person der Klägerin als Kaufpreiszahlungen und/oder als Versorgungsleistungen dar. Erbbauzinsen beziehen lediglich die Kinder; denn der Erbbauvertrag besteht seit dem ... 1970 nur zwischen ihnen und der Firma A.
3. Eine Begrenzung des Kapitalwerts der von der Klägerin gezogenen Nutzungen kann jedoch aus § 16 Abs. 1 BewG hergeleitet werden.
a) Nach dieser Vorschrift kann bei der Ermittlung des Kapitalwerts der Nutzungen eines Wirtschaftsguts der Jahreswert dieser Nutzungen nicht mehr als den 18. Teil des steuerlichen Werts für das genutzte Wirtschaftsgut betragen. Die Klägerin nutzt das Recht ihrer Kinder auf den Erbbauzins, indem sie diesen Zins bis zu ihrem Lebensende für sich einziehen kann.
Daß es sich dabei nicht um ein dingliches, sondern um ein obligatorisches Nutzungsrecht handelt, ist seit dem Urteil III R 36/67 ohne Bedeutung. Nach dieser zur gleichlautenden Vorschrift des § 17 a Abs. 1 BewG a. F. ergangenen Entscheidung gilt § 16 Abs. 1 BewG auch für obligatorische Nutzungsrechte, wenn enge rechtliche und wirtschaftliche Bindungen zwischen dem Anspruch des Nutzungsberechtigten und dem Wirtschaftsgut bestehen, wenn der Anspruch also auf die Nutzung des Wirtschaftsguts beschränkt ist, so daß darüber hinausgehende Ansprüche gegen den Nutzungsverpflichteten selbst ausgeschlossen sind. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Die Klägerin hat gegenüber ihren Kindern keinen Anspruch auf Ersatz der Erbbauzinsen, wenn diese etwa unter einen bestimmten Betrag sinken oder aus irgendeinem Grund sogar ganz ausbleiben sollten. Für eine solche Verpflichtung der Kinder bestehen jedenfalls keine Anhaltspunkte. Nach dem Vertrag vom ... 1970 erhält die Klägerin vielmehr nur die Einnahmen "aus der Verwertung der Grundstücke einschließlich des Erbbauzinses".
b) Bei der Ermittlung des Kapitalwerts der der Klägerin zustehenden Nutzungen kann deren Jahreswert nach § 16 Abs. 1 BewG nicht mehr als der 18. Teil des steuerlichen Werts des Rechts auf den Erbbauzins selbst sein. Der steuerliche Wert dieses Rechts berechnet sich für die Jahre bis 1974 noch nach § 16 Abs. 2 BewG. Dabei ist noch von den Einheitswerten nach Wertverhältnissen von 1935 unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse vom 1. Januar 1972 auszugehen. Die zum 1. Januar 1964 allgemein festgestellten Einheitswerte sind erst ab 1. Januar 1974 für die Besteuerung anzuwenden (vgl. Art. 1 Abs. 2 des Bewertungsänderungsgesetzes 1971). Der maßgebliche Einheitswert für den Bodenanteil beträgt hier 2 104 DM. Das Recht der Kinder auf den Erbbauzins berechnet sich somit nach §§ 13 Abs. 1, 16 Abs. 2 BewG unter Berücksichtigung der Laufzeit des Erbbaurechts im Veranlagungszeitpunkt 1972 von 48 Jahren auf (2 104 : 18 x rd. 17 =) 1 987 DM. Der Kapitalwert bei der Mutter beträgt nach §§ 14 Abs. 1, 16 Abs. 1 BewG (1 987 : 18 x 11 =) 1 214 DM. Dieser Betrag bleibt unterhalb des Freibetrags nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 VStG von 20 000 DM, so daß sich die Vorentscheidung im Ergebnis als richtig erweist.
Fundstellen
Haufe-Index 73169 |
BStBl II 1979, 540 |
BFHE 1979, 85 |