Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, wann eine Korrekturstundung im Sinne des § 2 Ziff. 2 3. AbgabenDV-LA vorliegt.
Eine Korrekturstundung kann vor der Veranlagung der Vermögensabgabe nur dann widerrufen werden, wenn die besonderen Voraussetzungen dieser Stundungsart vorher weggefallen sind.
Dritte Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (3.
Normenkette
3-AbgabenDV-LA 2/2
Tatbestand
Der Beschwerdeführer (Bf.) wurde als Gesellschafter einer OHG entsprechend dem auf ihn entfallenden Anteil am Vorratsvermögen der Gesellschaft mit 2.731,50 DM zur Soforthilfesonderabgabe veranlagt. Da das Vorratsvermögen der Gesellschaft, einer Lohgerberei, nach dem unbestrittenen Vorbringen der Gesellschafter überwiegend aus Wirtschaftsgütern bestand, deren Verarbeitung etwa 1 1/2 Jahre erforderte, wurde der Berechnung des Normalbestandes des Vorratsvermögens nach § 37 der Ersten Durchführungsverordnung zum Ersten Teil des Soforthilfegesetzes (1. StDVO - SHG) der volle steuerbare Gesamtumsatz in der Zeit vom 1. April bis zum 30. November 1948 zugrunde gelegt. Trotz dieser Berechnung ergab sich noch ein überbestand, für den die Soforthilfesonderabgabe mit 15 v. H. errechnet wurde. Der wegen des überbestandes auf den Bf. entfallende Mehrbetrag an Soforthilfesonderabgabe (Unterschied zwischen der Normalbelastung mit 4 v. H. und der Belastung mit 15 v. H.) belief sich auf 1.460 DM. Um die Stundung dieses Mehrbetrags geht der vorliegende Rechtsstreit.
Gegen die Mehrbelastung hatte der Bf. (ebenso wie die beiden anderen Gesellschafter, für die sich die gleiche Mehrbelastung ergab) zunächst Einspruch eingelegt und sich dabei auf die Unbilligkeit berufen, die in der trotz Anwendung des § 37 a. a. O. verbleibenden Heranziehung mit 15 % zur Soforthilfesonderabgabe liege, und außerdem gebeten, den Mehrbetrag der Soforthilfesonderabgabe "bis auf weiteres" zu stunden. Dem kam das Finanzamt insoweit nach, als es den Mehrbetrag durch Verfügung vom 18. März 1950 bis zur Entscheidung über den Einspruch zinslos stundete (unter gleichzeitiger Stundung eines weiteren Soforthilfeabgabebetrags unter anderen Bedingungen). Am 11. Dezember 1950 nahm der Bf. den Einspruch zurück und bat gleichzeitig um Stundung der Soforthilfesonderabgabe (d. h. des Mehrbetrags) bis zum endgültigen Lastenausgleich. Durch Verfügung vom 14. Dezember 1950 wurde dieser Betrag bis zum 30. Juni 1951 gestundet. Auf erneuten Antrag des Bf. vom 31. Mai 1951, die Stundung des Mehrbetrags zunächst bis zum 1. Januar 1952 zu verlängern, wurde der Betrag "weiterhin" bis zum 31. Dezember 1951 gestundet. Am 11. März 1952 bat der Bf. unter Hinweis darauf, daß der Mehrbetrag der Soforthilfesonderabgabe in der Erwartung, daß bis dahin das Lastenausgleichsgesetz (LAG) vorliegen werde, bis zum 31. Dezember 1951 gestundet worden sei, das Gesetz aber noch nicht vorliege, um Verlängerung der Stundung bis auf weiteres. Mit Verfügung vom 29. März 1952 lehnte das Finanzamt eine weitere Stundung des Mehrbetrags mit der Begründung ab, eine günstigere Regelung, insbesondere eine besondere Behandlung der Gerbereien, sei nach den vorliegenden Gesetzentwürfen über den endgültigen Lastenausgleich nicht zu erwarten. Eine Stundung könne daher nur noch aus wirtschaftlichen Gründen gemäß § 127 der Reichsabgabenordnung (AO) ausgesprochen werden und erfolge nunmehr mit der Maßgabe, daß der ausstehende Mehrbetrag in (im einzelnen in der Stundungsverfügung angegebenen) Raten zu entrichten sei und die Stundung, falls eine Ratenzahlung nicht rechtzeitig entrichtet werde, als widerrufen gelte. Gegen die Ablehnung der Stundung in dem beantragten Ausmaße erhob der Bf. Beschwerde, die von der Oberfinanzdirektion zunächst ohne förmliche Beschwerdeentscheidung mit einer Erleichterung der Ratenzahlungen - jedoch unter Festhaltung daran, daß nur eine Stundung auf Grund der wirtschaftlichen Lage des Betriebs in Frage komme - beantwortet wurde. Der Bf. gab sich damit zufrieden. Insbesondere machte er unter Berufung auf § 2 Ziff. 2 der inzwischen ergangenen Dritten Durchführungsverordnung über Ausgleichsabgaben nach dem Lastenausgleichsgesetz (3. AbgabenDV-LA) geltend, die Stundung des Mehrbetrags der Soforthilfesonderabgabe sei seinerzeit ohne Rücksicht auf seine wirtschaftliche Lage erfolgt und habe daher eine sogenannte Korrekturstundung dargestellt. Das ergebe sich zweifellos auch daraus, daß ihm die überzahlte Soforthilfesonderabgabe in bar wieder herausgezahlt worden sei. Auch decke sich der Vorgang, der zu der Stundung Anlaß gegeben habe, mit dem in Textziffer 12 Buchstabe d des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 LA 2320 - 10/52 (Bundessteuerblatt - BStBl. - 1952 I S. 1003) als Beispiel für Korrekturstundungen angeführten Tatbestand ("Stundung der Soforthilfesonderabgabe in Fällen, in denen die Herstellungszeit bestimmter Waren weitaus mehr als 8 Monate beträgt"). Er erbitte daher erneut Verlängerung der bereits 1950 ausgesprochenen Korrekturstundung. Gegen den wiederum ablehnenden Bescheid des Finanzamts vom 28. Februar 1953 erhob der Bf. erneut Beschwerde an die Oberfinanzdirektion, die durch Entscheidung vom 21. Mai 1953 zurückgewiesen wurde mit der Begründung, bei der strittigen Stundung habe es sich nicht um eine Korrekturstundung gehandelt, da sie jeweils nur für begrenzte Zeit gegeben worden und die wirtschaftliche Lage des Bf. nicht unbeachtet geblieben sei. Unbeachtlich sei, daß nach Textziffer 14 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 auch bestimmte zeitlich beschränkte Stundungen als Korrekturstundungen angesehen werden könnten. Im Rahmen der allgemeinen Stundungsbestimmungen sei aber der Lage des Bf. durch die seitens der Oberfinanzdirektion bereits bewilligte Erleichterung hinsichtlich der Ratenzahlungen ausreichend Rechnung getragen.
Auch die Berufung gegen die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion war erfolglos. Die Annahme einer Korrekturstundung lehnte das Finanzgericht ab. Das Finanzamt habe tatsächlich jeweils nur zeitlich befristet gestundet. Auch Textziffer 14 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 sei nicht anwendbar, da die Stundung jeweils nur auf Antrag und nicht von Amts wegen ausgesprochen worden sei. Für eine allgemeine Stundung nach § 127 AO über die bewilligten Zahlungserleichterungen hinaus und in dem vom Bf. begehrten Ausmaß seien die Voraussetzungen nicht gegeben.
In der Rechtsbeschwerde bringt der Bf. u. a. vor, bei der im Zusammenhang mit der Zurücknahme seines Einspruchs mit dem Finanzamt geführten eingehenden Besprechung sei auch ausdrücklich darüber verhandelt worden, daß eine unbestimmte Stundung "bis zum Inkrafttreten des Lastenausgleichsgesetzes" verwaltungsmäßig möglich, aus überwachungsgründen jedoch jeweils nur eine Stundung bis zu einem festen Termin üblich sei mit der Maßgabe, daß eine solche Stundung dann auf Antrag automatisch bis zum Inkrafttreten des LAG verlängert werde. Es habe somit, wie sich auch aus Textziffer 14 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 ergebe, eine Korrekturstundung vorgelegen, und das Finanzamt sei an die Zusicherung der Verlängerung dieser Stundung bis zum Inkrafttreten des LAG gebunden gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde ist begründet.
Als "Korrekturstundung" bezeichnet § 2 Ziff. 2 3. AbgabenDV-LA eine zeitlich unbeschränkt und grundsätzlich ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage des Abgabepflichtigen gewährte Stundung zu dem Zweck, Härten zu vermeiden, die sich aus dem Soforthilfegesetz (SHG) oder einer Durchführungsverordnung ergeben. Als eine solche Härte ist in den in Textziffer 12 gegebenen Beispielen des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 unter Buchstabe d in Verbindung mit Anlage 1 der Umstand angeführt, daß die Soforthilfesonderabgabe in Fällen, in denen die Herstellungszeit bestimmter Waren weitaus mehr als 8 Monate beträgt, trotz der Anwendung des § 37 1. StDVO-SHG für einen erheblichen Teil des Warenbestands immer noch 15 v. H. beträgt. Der Bf. hat von Anfang an unwidersprochen vorgetragen, daß die Verarbeitung der in der Lohgerberei nach dem alten Verfahren gegerbten Häute 1 1/2 Jahre in Anspruch nehme, und hat eine Korrekturstundung nur bezüglich des trotz Anwendung des § 37 1. StDVO-SHG sich ergebenden Mehrbetrags an Soforthilfesonderabgabe infolge Anwendung des Satzes von 15 v. H. begehrt. Er hat sich also bei seinem den streitigen Mehrbetrag betreffenden Stundungsbegehren gerade auf die Umstände berufen, die nach dem Erlaß des Bundesministers der Finanzen die Annahme einer Korrekturstundung rechtfertigen sollten. Auch das Finanzamt ist sich offensichtlich des Unterschieds zwischen einer Stundung des Mehrbetrags zur Vermeidung dieser Härten und der daneben für einen anderen Teil der geschuldeten Soforthilfeabgabe begehrten Stundung aus in der Person des Bf. liegenden wirtschaftlichen Gründen bewußt gewesen, indem es z. B. in der Stundungsverfügung vom 18. März 1950 die beiden Stundungsarten eindeutig - auch hinsichtlich der Stundungsbedingungen - auseinanderhielt und im Verlauf seines weiteren Vorgehens die Stundung des Mehrbetrags mehrfach ohne besondere Bedingungen verlängerte. Auch wäre bei einer einfachen Stundung im Rahmen des § 127 AO die vom Bf. unbestritten behauptete Zurückzahlung der bereits entrichteten Soforthilfesonderabgabe, soweit sie den gestundeten Mehrbetrag betraf, nicht üblich gewesen. Nach alledem muß angenommen werden, daß bezüglich des Mehrbetrags nicht nur die sachlichen Voraussetzungen für eine Korrekturstundung vorlagen, eine solche vielmehr vom Finanzamt auch tatsächlich gewährt wurde, wobei infolge der mehrfachen Verlängerung auch das Merkmal "zeitlich unbeschränkt" im Sinne der entgegenkommenden Auslegung dieses Begriffs in Textziffer 14 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 als gegeben anzunehmen ist. Bemerkt sei noch, daß auch dann, wenn an sich die Voraussetzungen für eine Korrekturstundung nach Textziffer 12 Buchstabe d des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 gegeben sind, nur für den Teil des Mehrbetrags an Soforthilfesonderabgabe eine Korrekturstundung in Frage kommt, der sich aus dem durch die lange Umschlagzeit bedingten überbestand des Vorratsvermögens, nicht aber aus etwa darüber hinaus vorhandenen überständen ergibt. Im Streitfall kann jedoch nach dem seit Jahren bestehenden Verhältnis des Vorratsvermögens zum Umsatz unbedenklich angenommen werden, daß ein solcher überschießender überstand nicht vorlag.
Lag aber hiernach bezüglich des Mehrbetrags eine Korrekturstundung vor, so könnte eine solche nur dann widerrufen oder in eine durch die wirtschaftliche Lage des Abgabepflichtigen bedingte "Normal" -Stundung überführt werden, wenn die besonderen Voraussetzungen für die Korrekturstundung weggefallen wären (vgl. Textziffer 9 des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 und Kühne-Wolff, Anmerkung 8 zu § 2 3. AbgabenDV- LA). Ein solcher Wegfall war aber hinsichtlich der im Streitfall in Betracht kommenden besonderen Voraussetzungen gar nicht möglich, da die in der Mehrbelastung liegende Härte solange andauert, bis die Vermögensabgabe veranlagt wird und damit der gestundete und auf die Abgabeschuld zur Vermögensabgabe nicht anzurechnende Rückstand untergeht. Dieser Sachlage wird die der Verfügung des Finanzamts vom 29. März 1952 gegebene Begründung für die Ablehnung einer weiteren Verlängerung der Korrekturstundung nicht gerecht, wenn sie darauf abstellt, daß eine besondere Behandlung der Gerbereien beim endgültigen Lastenausgleich nicht zu erwarten sei. In den Fällen der Textziffer 12 Buchstabe d des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 12. Dezember 1952 liegt die zu einer Korrekturstundung Anlaß gebende Härte in der übermäßigen Belastung des sich zwangsläufig ergebenden Warenüberstandes durch 15 %ige Soforthilfesonderabgabe. Diese Härte wird erst durch die im LAG in Verbindung mit den Bestimmungen der 3. AbgabenDV-LA getroffene Regelung ausgeräumt, daß die im Wege der Korrekturstundung gestundeten Soforthilfeabgabebeträge einerseits auf die Vermögensabgabe nicht angerechnet, andererseits aber auch nicht nacherhoben werden.
Hiernach mußten die Vorentscheidung, die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion vom 21. Mai 1953 und die Verfügung des Finanzamts vom 29. März 1952 aufgehoben und festgestellt werden, daß der Mehrbetrag von 1.460 DM im Wege der Korrekturstundung gestundet und ein Widerruf der Stundung vorliegendenfalls nicht zulässig war. Etwa inzwischen auf den Mehrbetrag beigetriebene oder zur Abwendung der Beitreibung vom Bf. gezahlte Beträge sind wieder herauszuzahlen. Eines Eingehens auf die vom Bf. hilfsweise vorgebrachten Einwendungen gegen die Wirksamkeit der Zurücknahme des Einspruchs bedarf es nach dem Ergebnis dieser Entscheidung nicht.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 309 AO. Der Streitwert wird für das gesamte Rechtsmittelverfahren nach freiem Ermessen auf 1.000 DM festgestellt.
Fundstellen
Haufe-Index 407925 |
BStBl III 1954, 207 |
BFHE 1954, 774 |
BFHE 58, 774 |