Leitsatz (amtlich)
Wird eine Personengesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in eine Kapitalgesellschaft eingebracht, so werden die in den Wirtschaftsgütern des Betriebsvermögens der Personengesellschaft ruhenden stillen Reserven jedenfalls insoweit aufgelöst, als sie auf Gesellschafter entfallen, die in der Bundesrepublik Deutschland nur beschränkt steuerpflichtig sind.
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1 Nr. 2, § 49 Abs. 1 Nr. 2; DBA CHE 1931/1959 Art. 3; DBA CHE 1931/1959 Art. 12A; DBA-Großbritannien Art. III; DBA-Großbritannien Art. XX
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) waren Gesellschafter der im Jahre 1968 erloschenen Firma S u. Co KG. Sie haben ihren Sitz bzw. Wohnsitz zum Teil in der Schweiz, zum Teil in Großbritannien. Am 17. April 1968 haben die Gesellschafter der KG beschlossen, die KG per 1. Februar 1968 aufzulösen. Die KG sollte ohne Durchführung einer Liquidation erlöschen und mit ihren Aktiven und Passiven (Stand Bilanz 31. Januar 1968) in die unter dem gleichen Datum im Inland neu zu gründende S-GmbH übergehen. Durch Gesellschaftsvertrag vom 17. April 1968 ist die Gründung der GmbH beschlossen worden. Sie wurde am 28. April 1968 in das Handelsregister eingetragen. Die GmbH übernahm alle Aktiven und Passiven der KG zum 1. Februar 1968. Die Beteiligungsverhältnisse an der KG und an der GmbH stimmen überein.
Gestützt auf den Erlaß des Finanzministeriums Baden-Württemberg vom 20. Februar 1969 S 2102-1/67 (vgl. Einkommensteuer-Kartei zu § 16 Karte 3) vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das FA) die Auffassung, daß die Übertragung der Aktiven und Passiven auf die GmbH bei den beschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern der vormaligen KG eine Gewinnrealisierung ausgelöst habe. Das FA hat deshalb bei der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung 1968 der KG für die Kläger Veräußerungsgewinne ermittelt.
Die Sprungklage der Kläger, mit der sich diese gegen die unterschiedliche Behandlung von beschränkt steuerpflichtigen und unbeschränkt steuerpflichtigen Gesellschaftern wandten, hatte in der entscheidenden Frage keinen Erfolg. Das FG schloß sich der Auffassung des FA an.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger unrichtige Anwendung des § 5 Abs. 2 und § 16 EStG, der Art. 3 und 12 A des Abkommens zwischen dem Deutschen Reiche und der Schweizerischen Eidgenossenschaft zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der direkten Steuern und der Erbschaftsteuern vom 15. Juli 1931 in der Fassung des Zusatzprotokolls vom 22. März 1959 - DBA-Schweiz 1931/1959 - (BGBl II 1959, 1253, BStBl I 1959, 1006) und des Art. XX des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November 1964 - DBA-Großbritannien - (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730). Zur Begründung tragen die Kläger vor: Die Beteiligungen an der GmbH seien unentgeltlich erworben worden. Nach § 153 Abs. 3 des Aktiengesetzes (AktG) und § 5 Abs. 2 EStG bestehe ein Aktivierungsverbot für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Wirtschaftsgüter. Außerdem könne bei Übertragung des Vermögens einer Personenauf eine Kapitalgesellschaft für beschränkt Steuerpflichtige nichts anderes gelten als für unbeschränkt Steuerpflichtige. Da im vorliegenden Fall die Gesellschafter ihren Wohnsitz bzw. ihren Sitz in der Schweiz und in Großbritannien hätten, werde - wenn man dem FA und dem FG folge - der Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 12 A DBA-Schweiz 1931/1959 und des Art. XX DBA-Großbritannien verletzt.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
1. Zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören auch Gewinne, die erzielt werden bei der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 Nr. 2 in Verbindung mit § 15 Nr. 2 EStG). Diesen Veräußerungstatbestand haben die Kläger verwirklicht. Es handelt sich um inländische Einkünfte (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland ist durch die Doppelbesteuerungsabkommen nicht eingeschränkt (vgl. Art. 3 Abs. 4 DBA-Schweiz 1931/1959, Art. III Abs. 2 DBA-Großbritannien). Es trifft nicht zu, daß eine Gewinnrealisierung schon deshalb ausscheidet, weil es an einem entgeltlichen Erwerb fehle. Die Hingabe des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft gegen Gewährung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft ist - ungeachtet einer etwa zunächst aufgeschobenen Gewinnrealisierung - für den Gesellschafter wirtschaftlich ein Tauschgeschäft (Urteil des BFH vom 13. Juli 1965 I 167/59 U, BFHE 83, 390, BStBl III 1965, 640). Es handelt sich also um entgeltliche Vorgänge.
2. Wie das FG zutreffend dargelegt hat, kommen für die Frage einer im Streitfall etwa eingetretenen Gewinnrealisierung weder die Vorschriften des Umwandlungs-Steuergesetzes vom 11. Oktober 1957 - UmwStG 1957 - (BGBl I 1957, 1713, BStBl I 1957, 468) noch die Vorschriften des Umwandlungs-Steuergesetzes vom 14. August 1969 - UmwStG 1969 - (BGBl I 1969, 1163, BStBl I 1969, 498) zur Anwendung. Beide Gesetze regeln nicht den Fall der im Jahre 1968 erfolgten Auflösung einer KG ohne Liquidation und der Einbringung ihres Vermögens in eine GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten. Es geht daher allein darum, ob nach den von der Rechtsprechung des RFH und des BFH für die Einbringung des Betriebsvermögens einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft entwickelten Grundsätzen im Streitfall eine Gewinnrealisierung unterbleiben darf. Die Rechtsauffassung des FA und FG, daß diese Grundsätze im Streitfall keine Anwendung finden, ist zutreffend.
a) Der BFH hat im Anschluß an den RFH in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, daß die Einbringung eines Einzelunternehmens oder des von einer Personengesellschaft betriebenen Unternehmens in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten unter bestimmten Voraussetzungen keine Gewinnrealisierung auslöse (BFH-Urteil vom 29. März 1972 I R 43/69, BFHE 105, 271, BStBl II 1972, 537). Die Rechtsprechung beruht auf der Erwägung, daß es mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht immer vereinbar sei, beim Tausch eines Wirtschaftsguts gegen ein anderes eine Gewinnrealisierung hinsichtlich der im weggegebenen Wirtschaftsgut ruhenden stillen Reserven anzunehmen (BFH-Urteil I 167/59 U). Diese Rechtsprechung kann indes grundsätzlich nur unter der Voraussetzung Anwendung finden, daß die Besteuerung der stillen Reserven bei der späteren Veräußerung des Gesellschaftsanteils sichergestellt ist. Die Rücksichtnahme auf die besonderen wirtschaftlichen Gegebenheiten kann es allenfalls rechtfertigen, die Besteuerung der stillen Reserven aufzuschieben, nicht dagegen auf sie zu verzichten. Es muß insoweit das gleiche gelten, was § 15 Abs. 2 KStG ausdrücklich für den Fall vorschreibt, daß das Vermögen einer inländischen Kapitalgesellschaft als Ganzes auf eine andere inländische Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten der übernehmenden Gesellschaft übergeht (vgl. auch BFH-Urteile vom 13. Oktober 1971 I R 96/69, BFHE 103, 425, BStBl II 1972, 97, vom 25. Mai 1962 I 155/59 U, BFHE 75, 231, BStBl III 1962, 351).
b) Ist der Gesellschafter einer Personengesellschaft, deren Unternehmen in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht wird, nur beschränkt steuerpflichtig, so ist bei der späteren Veräußerung des Gesellschaftsanteils durch den Gesellschafter die Besteuerung der stillen Reserven nicht sichergestellt. Es kann hier offenbleiben, ob bei der späteren Veräußerung des Gesellschaftsanteils durch den beschränkt Steuerpflichtigen nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 EStG das innerstaatliche Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland eingreift (verneinend Krah, Die Information Ausg. A 1965 S. 457; bejahend Escher, Der Betriebs-Berater 1964 S. 634). Jedenfalls sprechen - wenn der Inhaber der Beteiligung seinen Wohnsitz im Ausland hat - die Grundsätze der internationalen Doppelbesteuerung für die Auffassung, daß im Falle einer Veräußerung des Gesellschaftsanteils die Besteuerung der stillen Reserven durch die Bundesrepublik Deutschland nicht mehr gewährleistet ist. Denn Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Kapitalgesellschaft werden nach den seit 1954 abgeschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen mit der Bundesrepublik als Gegenstände des Kapitalvermögens dem Wohnsitzstaat des Anteilsinhabers zugeteilt (Korn-Dietz-Debatin, Doppelbesteuerung, Vorbemerkungen IV G 1; Art. 10 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 6 DBA-Schweiz 1971; Art. VI DBA-Großbritannien; Art. 10 Abs. 3 des Musterabkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung des Einkommens und des Vermögens, Bericht des Steuerausschusses der OECD 1963, herausgegeben vom Bundesminister der Finanzen, Bonn 1965). Dabei kann nicht jeweils danach unterschieden werden, ob im Einzelfall ein Doppelbesteuerungsabkommen mit dem Wohnsitzstaat des beschränkt Steuerpflichtigen überhaupt besteht, ob ein Doppelbesteuerungsabkommen das Besteuerungsrecht der Bundesrepublik Deutschland unangetastet läßt oder ob Aussicht besteht, in einem Verständigungsverfahren dem Besteuerungsrecht des Wohnsitzstaates mit Erfolg entgegenzutreten. In jedem dieser Fälle ist die Besteuerung der stillen Reserven durch die Bundesrepublik Deutschland schon deshalb gefährdet, weil selbst bei einer für die Bundesrepublik Deutschland günstigen Rechts- oder Vertragslage nicht damit gerechnet werden kann, daß diese auch künftig fortbesteht, oder weil der Steuerpflichtige seinen Wohnsitz möglicherweise in einen anderen Staat mit anderer Vertragslage verlegt. In ähnlichem Sinne hat bereits der RFH in seiner Entscheidung vom 30. April 1935 I A 58/34 (RFHE 38, 99, RStBl 1935, 1208) für den Fall der Einbringung des Betriebsvermögens einer inländischen Kapitalgesellschaft in eine ausländische Kapitalgesellschaft ausgesprochen, daß die Verlagerung der Gewinnrealisierung nur für Tauschvorgänge Geltung beanspruchen könne, die im Inland unter unbeschränkt steuerpflichtigen Personen vollzogen würden. Diese Rechtsauffassung findet ihre Bestätigung in § 18 Abs. 2 Nr. 2 UmwStG 1969.
3. Dieses Ergebnis verstößt auch nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, wie er in Art. 12 A DBA-Schweiz 1931/1959, Art. 25 DBA-Schweiz 1971 und Art. XX DBA-Großbritannien verankert ist. Danach ist es u. a. verboten, die Staatsangehörigen eines der Vertragstaaten in dem anderen Vertragstaat einer Besteuerung zu unterwerfen, die anders oder belastender ist als die Besteuerungen, denen die Staatsangehörigen des anderen Staates unter gleichen Verhältnissen unterworfen sind oder unterworfen werden können. Da diese Bestimmungen gleiche Verhältnisse voraussetzen, zwingen sie nicht dazu, beschränkt steuerpflichtige und unbeschränkt steuerpflichtige Personen übereinstimmenden Regeln des innerstaatlichen Rechts zu unterwerfen. Anderebeschränkt Steuerpflichtige werden bei der vom Senat vertretenen Rechtsauffassung ebenso besteuert wie im Streitfall die Kläger.
Fundstellen
Haufe-Index 71482 |
BStBl II 1975, 706 |
BFHE 1976, 118 |