Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergleich. Gerichtlicher Vergleich. Zahlungsverpflichtung unbestrittener Klagforderung. Ratenzahlung. Übernahme der Gerichtskosten
Leitsatz (amtlich)
Ein Vergleich i.S.v. §§ 23 BRAGO, 779 BGB liegt auch dann vor, wenn die Parteien eines Rechtsstreits einen gerichtlichen Vergleich schließen, wonach sich der Beklagte zur Zahlung der von ihm nicht bestrittenen Klageforderung in vom Kläger eingeräumten Raten verpflichtet und die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derer des Vergleichs übernimmt.
Normenkette
BRAGO § 23; BGB § 779
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Beschluss vom 24.02.2003; Aktenzeichen 8 W 41/03) |
LG Hamburg |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des OLG Hamburg, 8. Zivilsenat, v. 24.2.2003 aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Hamburg, Kammer 13 für Handelssachen, v. 24.1.2003 insoweit aufgehoben, als die von der Klägerin beantragte Festsetzung einer Vergleichsgebühr i.H.v. 449 EUR nebst Zinsen abgelehnt worden ist.
Es wird festgestellt, dass der Klägerin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der H. GmbH i. L. eine Vergleichsgebühr i.H.v. 449 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.10.2002 zusteht.
Der Beschwerdegegner hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
Der Beschwerdewert wird für die Zeit bis zum 14.5.2004 auf 449 EUR und für die Zeit danach auf bis zu 300 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Klägerin hat die H. GmbH, über deren Vermögen inzwischen das Insolvenzverfahren eröffnet und zu deren Insolvenzverwalter der jetzige Beschwerdegegner bestellt worden ist (im Folgenden Schuldnerin), wegen Warenlieferungen auf Zahlung von 8.432,65 EUR verklagt. Die Schuldnerin hat dem LG ihre Verteidigungsbereitschaft angezeigt. In einem weiteren Schriftsatz hat sie mitgeteilt, dass eine Klageerwiderung nicht erfolgen solle, dass sie an einer ratenweisen Beilegung ihrer Zahlungsverpflichtung weiterhin interessiert sei und dass sie eine erste Rate bereits gezahlt habe. Im Termin zur mündlichen Verhandlung haben die Parteien zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich geschlossen, wonach die Schuldnerin sich zur Zahlung der Klageforderung in bestimmten Raten verpflichtet und die Kosten des Rechtsstreits einschließlich derer des Vergleichs übernimmt.
Im anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Rechtspflegerin die von der Klägerin beantragte Festsetzung einer Vergleichsgebühr i.H.v. 449 EUR abgelehnt. Die gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss gerichtete sofortige Beschwerde der Klägerin hat das OLG zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Nach dem Wortlaut des § 23 BRAGO sei Voraussetzung einer Vergleichsgebühr der Abschluss eines Vergleichs i.S.d. § 779 BGB. Dieser erfordere ein gegenseitiges Nachgeben. Daran fehle es auf Seiten der Schuldnerin, die keinerlei Einwendungen gegen die Klage erhoben, sondern im Gegenteil von vorneherein mitgeteilt habe, dass eine Klageerwiderung nicht erfolgen solle. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der --vom OLG zugelassenen --Rechtsbeschwerde.
Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin unterbrochen worden. Die Klägerin hat die von ihr geforderte Vergleichsgebühr zur Insolvenztabelle angemeldet. Der jetzige Beschwerdegegner hat die Forderung bestritten. Danach hat die Klägerin das Rechtsbeschwerdeverfahren gegen ihn mit dem Antrag aufgenommen festzustellen, dass ihr im Insolvenzverfahren über das Vermögen der in Liquidation befindlichen Schuldnerin die mit der Rechtsbeschwerde weiter verfolgte Forderung zusteht.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und nach § 575 ZPO auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Klägerin ist begründet. Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht wie zuvor schon die Rechtspflegerin die von der Klägerin beantragte Festsetzung einer Vergleichsgebühr nach § 23 BRAGO, der hier gem. § 61 RVG weiter anwendbar ist, abgelehnt.
Nach § 23 BRAGO erhält der Rechtsanwalt eine Vergleichsgebühr für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vergleichs i.S.d. § 779 BGB. Ein solcher ist hier allerdings entgegen der Ansicht der Klägerin nicht schon deswegen zu bejahen, weil sie mit der Schuldnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem LG ausdrücklich zur Erledigung des Rechtsstreits einen Vergleich abgeschlossen hat. Zu Unrecht beruft sich die Klägerin insoweit auf den Beschluss des BGH v. 26.9.2002 --III ZB 22/02 (BGH, Beschl. v. 26.9.2002 - III ZB 22/02, BGHReport 2003, 96 = MDR 2002, 1395 = NJW 2002, 3713). Danach erfordert zwar die Festsetzung einer anwaltlichen Vergleichsgebühr im Kostenfestsetzungsverfahren aus Gründen der Rechtssicherheit, dass die Parteien einen als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleich nach § 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO haben protokollieren lassen (§§ 160 Abs. 3 Nr. 1, 162 f. ZPO). Das bedeutet jedoch (entgegen der Unterstellung von Kalb, Rpfleger 2004, 376) nicht, dass die --in dem der genannten Entscheidung des BGH zu Grunde liegenden Fall gegebenen --materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Vergleichs i.S.d. § 779 BGB entbehrlich sind.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Nach § 779 Abs. 1 BGB ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird. Der Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis steht es gem. § 779 Abs. 2 BGB gleich, wenn die Verwirklichung eines Anspruchs unsicher ist. Zumindest Letzteres war hier wegen des von der Schuldnerin vorab geforderten Einverständnisses der Klägerin mit einer Ratenzahlung der Fall. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts fehlt es nicht an einem gegenseitigen Nachgeben. An das Nachgeben sind keine zu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt jedes Zugeständnis der Parteien, mag es auch ganz geringfügig sein (BGHZ 39, 60 [62 f.]; Habersack in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 779 Rz. 26; Palandt/Sprau, BGB, 64. Aufl., § 779 Rz. 9, jeweils m.w.N.). Hier hat nicht nur die Klägerin nachgegeben, indem sie der Schuldnerin Ratenzahlung bewilligt hat. Vielmehr liegt auch auf Seiten der Schuldnerin ein Nachgeben vor, obwohl sie sich zur vollständigen Erfüllung der Klageforderung verpflichtet hat.
Das Nachgeben der Schuldnerin ist allerdings nicht schon darin zu sehen, dass sie durch den Abschluss des Vergleichs ihre Zahlungsbereitschaft bekundet hat. Zwar kann nach der Rechtsprechung des BGH das für einen Vergleich erforderliche beiderseitige Nachgeben auch darin bestehen, dass die eine Partei die von der anderen geltend gemachte Forderung im vollen Umfang anerkennt und diese dafür dem Schuldner Zahlungserleichterungen gewährt (BGH, Urt. v. 28.11.1990 --IV ZR 193/89, BGHR BGB § 779 Nachgeben 1; Urt. v. 6.11.1991 --XII ZR 168/90, NJW-RR 1992, 363 [364]). Das gilt jedoch nur dann, wenn die anerkannte Forderung streitig ist. Ist die Forderung dagegen --wie hier wegen ausdrücklichen Verzichts auf eine Klageerwiderung --unstreitig, liegt in dem Anerkenntnis des Schuldners allein kein Nachgeben (OLG Hamburg v. 5.10.1998 - 8 W 242/98, MDR 1999, 189; von Eicken in Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 15. Aufl., § 23 Rz. 12; Fraunholz in Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl., § 23 Rz. 14; Engels, MDR 2000, 1287 [1288]; Lorenz, DGVZ 1997, 129 [130]; jeweils m.w.N.). Anders verhält es sich indessen, wenn Gläubiger und Schuldner --wie hier --einen gerichtlichen Vergleich schließen. In diesem Fall verschafft der Schuldner, der lediglich eine Ratenzahlungsvereinbarung anstrebt, dem Gläubiger mit dem gerichtlichen Vergleich ohne Verzug einen sicheren Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Er könnte zwar den Erlass eines gleichermaßen sicheren rechtskräftigen Urteils letztlich nicht verhindern, jedoch mit prozessualen Mitteln zumindest vorübergehend hinauszögern (vgl. zu dem vergleichbaren Fall der Aufnahme einer notariellen Urkunde, § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO, Schumann/Geißinger, BRAGO, 2. Aufl., § 23 Rz. 17 m.w.N.).
III.
Nach alledem ist der angefochtene Beschluss aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, da diese zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO). Daher ist der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG insoweit aufzuheben, als die von der Klägerin beantragte Festsetzung einer Vergleichsgebühr in der gem. § 11 BRAGO zutreffend berechneten Höhe von 449 EUR nebst Zinsen (§ 104 Abs. 1 S. 2 ZPO) abgelehnt worden ist. Da inzwischen über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist und der Beschwerdegegner die von der Klägerin zur Insolvenztabelle angemeldete Vergleichsgebühr bestritten hat, ist gemäß dem Antrag derKlägerin festzustellen, dass dieser im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eine Vergleichsgebühr i.H.v. 449 EUR nebst Zinsen zusteht.
Fundstellen
Haufe-Index 1332592 |
BGHR 2005, 746 |
FamRZ 2005, 794 |
NJW-RR 2005, 1303 |
JurBüro 2005, 309 |
ZAP 2005, 390 |
AnwBl 2005, 365 |
FPR 2005, 412 |
MDR 2005, 897 |
Rpfleger 2005, 330 |
AGS 2005, 140 |
RENOpraxis 2005, 74 |
RVG-B 2005, 103 |
RVGreport 2005, 263 |