Tenor

Der Antrag der Klägerin, die Zwangsvollstreckung der Beklagten aus dem Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 1996 einstweilen einzustellen, wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Klägerin ist durch Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 1996 auf die Widerklage der Beklagten verurteilt worden, es zu unterlassen, die aus zehn Ziffern bestehende fortlaufende Numerierung auf den Behältern und/oder Verpackungen der Duftlinien D., M., J., S. und B. sowie den darüber befindlichen Barcode zu anderen Zwecken als der Identifizierung des Herstellungspostens gemäß § 4 Kosmetik-VO aufzuzeichnen, insbesondere bei der Auslieferung an ihre Abnehmer die Nummer der ausgelieferten Artikel den jeweiligen Abnehmern zuzuordnen.

Einem von der Klägerin gestellten Vollstreckungsschutzantrag hat das Berufungsgericht nicht entsprochen. Es hat dazu ausgeführt, die Klägerin habe nicht glaubhaft gemacht, daß die Vollstreckung ihr unersetzliche Nachteile bringe. Sie berufe sich ohne Erfolg darauf, ihre innerbetriebliche Dokumentation werde lahmgelegt. Die Klägerin brauche ihr Nummernsystem und die Aufzeichnungen bei der Herstellung nicht zu ändern, sondern habe es lediglich bei der Auslieferung der bereits gekennzeichneten Waren zu unterlassen, aufzuzeichnen, welche Artikel sie nummernmäßig an welche Abnehmer liefere.

Die Klägerin hat Revision gegen das Urteil eingelegt. Sie beantragt, die Zwangsvollstreckung einstweilen einzustellen. Zur Begründung führt sie näher aus, mit der Durchsetzung des vom Berufungsgericht ausgesprochenen Verbots der „Abnehmerzuordnung” sei es ihr nicht mehr möglich, ihre Abnehmer über Produktmängel aufzuklären, die bei einer falschen Behandlung im Verlaufe des Vertriebs entstehen könnten. Sie werde auch gehindert, gezielte Rückrufaktionen durch Zugriff nur auf die betroffenen Waren oder durch einen räumlich begrenzten öffentlichen Aufruf durchzuführen. Ihr werde zudem die Möglichkeit genommen, Diebstahlsfälle aufzuklären.

Die Beklagte tritt dem Antrag entgegen.

II.

Der Antrag der Klägerin auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist unbegründet.

1. Wird Revision gegen ein für vorläufig vollstreckbar erklärtes Urteil eingelegt, so ordnet das Revisionsgericht auf Antrag an, daß die Zwangsvollstreckung einstweilen eingestellt wird, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht (§ 719 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Eine Einstellung nach § 719 Abs. 2 ZPO wird von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes jedoch als ein letztes Hilfsmittel des Vollstreckungsschuldners angesehen, dem regelmäßig der Erfolg zu versagen ist, wenn der Schuldner andere ihm zu Gebote stehende Möglichkeiten, seine Interessen zu wahren, nicht genutzt hat. Vollstreckungsschutz ist deshalb regelmäßig dann verweigert worden, wenn es der Schuldner versäumt hatte, im Berufungsrechtszug einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen (BGH, Beschl. v. 7.9.1990 – I ZR 220/90, GRUR 1991, 159 – Zwangsvollstreckungseinstellung; Beschl. v. 28.3.1996 – I ZR 14/96, GRUR 1996, 512 = WRP 1996, 743 – Fehlender Vollstreckungsschutzantrag II; Beschl. v. 24.9.1996 – KZR 17/96, ZIP 1996, 1798, 1799 – Remailing; st. Rspr.).

Nicht anders ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes der Fall behandelt worden, daß zwar – wie hier – ein Vollstreckungsschutzantrag gemäß § 712 ZPO gestellt worden war, ihn rechtfertigende Gründe aber trotz Erkennbarkeit und Nachweisbarkeit nicht vorgebracht wurden, und der Antrag aus diesem Grunde keinen Erfolg hatte. Denn auch in einem derartigen Fall verhindert der Vollstreckungsschuldner, wie im Fall der fehlenden Antragstellung, die Prüfung der bereits erkennbaren und nachweisbaren Gründe für die begehrte Einstellung im Berufungsverfahren, in dem regelmäßig nach Anhörung des Vollstreckungsgläubigers aufgrund mündlicher Verhandlung, mithin nach zuverlässiger Sicherung des rechtlichen Gehörs entschieden wird (BGH, Beschl. v. 14.7.1982 – X ZR 10/82, NJW 1983, 455, 456 – Reibebrett; Beschl. v. 8.8.1991 – I ZR 141/91, GRUR 1991, 943 = NJW 1992, 376 – Einstellungsbegründung). So liegt der Fall auch hier.

2. Die Klägerin hat, wie das Sitzungsprotokoll vom 22. November 1996 ausweist, erst in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht den Antrag nach § 712 ZPO gestellt. Den Akten läßt sich nicht entnehmen, daß sie diesen Antrag in der Berufungsinstanz schriftlich begründet hat. Die Ausführungen im Berufungsurteil lassen allerdings erkennen, daß sie sich zur Begründung auf ihr Vorbringen im ersten Rechtszug bezogen hat. Dort war bereits hilfsweise ein entsprechender Antrag gestellt und mit Schriftsatz vom 28. November 1995 damit begründet worden, daß die gesamte innerbetriebliche Dokumentation lahmgelegt wäre, wenn die Klägerin weder die eigenen Herstellungsdaten noch die Vertriebsinformationen beitreiben könnte; die innerbetriebliche Dokumentation der Klägerin differenziere nicht zwischen verschiedenen Zwecken der Speicherung, sondern basiere auf einer einheitlichen Speicherung der Herstellerkennzeichnung wie auch der Abnehmer. Allein daraus kann jedoch, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, keine Begründung für einen infolge der Vollstreckung drohenden nicht zu ersetzenden Nachteil entnommen werden. Der Hinweis, die innerbetriebliche Dokumentation werde lahmgelegt, besagt insoweit nichts. Das Berufungsgericht führt zu Recht an, daß das ausgesprochene Verbot die Klägerin nicht zwingt, ihr Nummernsystem und ihre Herstellungsaufzeichnungen zu ändern; zu unterlassen ist lediglich die nummernmäßige Zuordnung bei der Auslieferung an die Abnehmer.

Die Klägerin hat mithin in der Berufungsinstanz keine hinreichende Begründung für ihren Antrag gegeben. Der jetzige Einstellungsantrag stützt sich denn auch auf eine andere Begründung, indem der nicht zu ersetzende Nachteil vor allem – wie eingehend dargelegt – daraus hergeleitet wird, das Verbot der Abnehmerzuordnung nehme der Klägerin sowohl die Möglichkeit zur Aufklärung von Produktmängeln, die auf falsche Behandlung beim Abnehmer zurückzuführen seien, als auch die zur Durchführung gezielter Rückrufaktionen und zur Aufklärung von Diebstählen. Die Klägerin hat damit dem Berufungsgericht die Prüfung der Einstellungsvoraussetzungen – und darauf kommt es maßgebend an (vgl. BGH GRUR 1991, 943 – Einstellungsbegründung) – unter den Umständen, wie sie sie jetzt geltend macht, nicht ermöglicht. Aus ihrem Vorbringen in ihrem jetzigen Einstellungsantrag, sie habe bereits in der Klageschrift auf die Nachteile in Schadensfällen und bei notwendigen Rückrufaktionen hingewiesen, ergibt sich nichts anderes. Diese Begründung ist nicht in Verbindung mit dem im Blick auf die Widerklage gestellten Antrag nach § 712 ZPO, sondern in völlig anderem Zusammenhang gegeben worden, nämlich bei der Frage, ob ein Verstoß gegen § 4 Kosmetik-VO vorliegt. Das Berufungsgericht und die Beklagte haben darin keine Einstellungsbegründung sehen können und sie ersichtlich auch nicht so verstanden.

Davon, daß die nunmehr vorgetragenen Einstellungsgründe bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht erkennbar und nachweisbar waren, kann ohne weiteres ausgegangen werden, so daß die Klägerin auch in der Lage gewesen wäre, diese, wie es erforderlich ist, im Berufungsrechtszug substantiiert vorzutragen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 609433

GRUR 1997, 545

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?