Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohnungseigentumssache
Leitsatz (amtlich)
a) Macht ein Wohnungseigentümer einen ihm allein zustehenden Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter geltend, sind die anderen Wohnungseigentümer nicht Beteiligte.
b) Der einzelne Wohnungseigentümer bedarf zur Durchsetzung eines ihm als Einzelgläubiger gegen den Verwalter zustehenden Schadensersatzanspruchs nicht der Ermächtigung durch die Gemeinschaft (Abgrenzung zu BGHZ 106, 222).
c) Teilt der Verwalter einem Wohnungseigentümer zu Unrecht mit, die von diesem beabsichtigte Baumaßnahme bedürfe nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer, muß er die einem anderen Wohnungseigentümer bei der Abwehr der hierdurch veranlaßten Baumaßnahme entstandenen Rechtsverfolgungskosten ersetzen.
Normenkette
BGB § 276; WEG § 21 Abs. 1-2, § 27 Abs. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluß des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 20, vom 27. Juli 1989 wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in dem Verfahren der weiteren Beschwerde hat die Antragsgegnerin zu tragen.
Der Geschäftswert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf 9.760,08 DM festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft, die Antragsgegnerin Verwalterin des gemeinschaftlichen Eigentums. Der Eigentümer einer unter dem Dach des Hochhauses befindlichen Wohnung, R., beabsichtigte, in seine Wohnung einen Kamin einzubauen und zu diesem Zweck durch die Decke und das Dach hindurch einen Schornstein zu errichten. Mit Schreiben an R. vom 15. Oktober 1984 teilte ihm die Antragsgegnerin mit, daß der Kamineinbau in der vorgesehenen Form unter im einzelnen aufgeführten Bedingungen durchgeführt werden könne. Gegen die daraufhin begonnenen Baumaßnahmen wandte sich der Antragsteller mit einem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung. Das Amtsgericht gab dem Antrag mit der Begründung statt, es handele sich um einen Eingriff in das gemeinschaftliche Eigentum, zu dem die Gemeinschaft ihre Zustimmung nicht erteilt habe. Die hiergegen von R. eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos. Nach der von dem Oberlandesgericht getroffenen Kostenentscheidung waren außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Der Antragsteller verlangt nunmehr von der Beklagten die Erstattung der ihm entstandenen Anwaltskosten in Höhe von 9.760,08 DM. Sein Antrag hatte vor dem Amts- und Landgericht Erfolg. Die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin möchte das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg als unbegründet zurückweisen. Es sieht sich hieran jedoch durch den Beschluß des Kammergerichts vom 1. Oktober 1990 – 24 W 2161/90 – (ZMR 1991, 114 f. = WE 1991, 103) gehindert und hat deshalb die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§§ 43 ff WEG, § 28 Abs. 1 FGG).
Das vorlegende Oberlandesgericht hält die Antragsbefugnis des Antragstellers für gegeben und möchte daher in der Sache entscheiden. Demgegenüber hat das Kammergericht in seinem auf weitere Beschwerde ergangenen Beschluß vom 1. Oktober 1990 die Auffassung vertreten, der einzelne Wohnungseigentümer sei auch dann nicht berechtigt, einen aus einer etwaigen schuldhaften Verletzung des Verwaltervertrages herrührenden Schadensersatzanspruch ohne ermächtigenden Beschluß der Gemeinschaft gegen den Verwalter geltend zu machen, wenn der Schaden, wie die Kostenlast eines Vorprozesses, nur im Vermögen des Antragstellers erwachsen ist. Von dieser, die Auslegung von §§ 20, 21 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG betreffenden Rechtsauffassung will das vorlegende Oberlandesgericht abweichen. Dies trägt die Vorlage unabhängig von der Begründetheit des erhobenen Anspruchs, weil das vorlegende Gericht bei Befolgung der abweichenden Ansicht zu einer Sachentscheidung nicht käme, sondern den Antrag als unzulässig abweisen müßte.
III.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 43 Abs. 1 Nr. 2, 45 Abs. 1 WEG, §§ 27, 29 FGG), aber nicht begründet. Der angefochtene Beschluß des Landgerichts läßt keine Gesetzesverletzung erkennen (§ 27 FGG).
1. Verfahrensfehlerfrei haben die Vorinstanzen die anderen Wohnungseigentümer nicht beteiligt. Zwar handelt es sich um ein Verfahren gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2 WEG (vgl. BGHZ 59, 58), an dem nach § 43 Abs. 4 Nr. 2 die Wohnungseigentümer zu beteiligen sind. Diese Regelung soll jedoch nur sicherstellen, daß aus Gründen der Rechtskrafterstreckung formell auch diejenigen Personen beteiligt werden, die materiell beteiligt sind. Dagegen ist es nicht Sinn der Bestimmung, Personen zu beteiligen, die materiell von dem Verfahren nicht betroffen sein können. Zu Recht ist daher anerkannt, daß in Angelegenheiten, die nur einen begrenzten Kreis von Wohnungseigentümern in ihren rechtlichen Interessen betreffen, auch nur diese zu beteiligen sind (BayObLGZ 1975, 177, 180; Weitnauer, WEG 8. Aufl., § 43 Rdn. 5; Bärmann/Pick/Merle, WEG 4. Aufl. § 43 Rdn. 46; Bärmann/Pick, WEG 12. Aufl. § 43 Rdn. 23; MünchKomm/Röll, BGB 2. Aufl., WEG § 43 Rdn. 14; Soergel/Stürner, BGB, 12. Aufl., WEG § 43 Rdn. 14).
Hier handelt es sich um einen Streit über einen nur dem Antragsteller zustehenden Anspruch. Von diesem Streit werden die rechtlichen Interessen der anderen Wohnungseigentümer nicht berührt. Selbst wenn der Antragsteller unterläge, könnte er die geltend gemachten Anwaltskosten des Vorprozesses nicht von der Gemeinschaft oder anderen Wohnungseigentümern erstattet verlangen, weil sie bei der Durchsetzung eines eigenen Rechts (KG, NJW-RR 1990, 334) angefallen sind. Auch die Kosten des vorliegenden Streitverfahrens können die anderen Wohnungseigentümer nicht belasten. Sie gehören nach § 16 Abs. 5 WEG nicht zu den Kosten der Verwaltung. Allein ein denkbares Informationsinteresse der übrigen Wohnungseigentümer reicht zur Annahme einer materiellen Beteiligung nicht aus. Das Verfahren leidet daher an keinem Mangel, der gemäß § 27 Satz 2 FGG, § 551 Nr. 5 ZPO zur Aufhebung und Zurückverweisung zwänge (BayObLG, NJW-RR 1991, 849).
2. Zu Recht hält das vorlegende Gericht den Antrag auch für zulässig. Dem Antragsteller fehlt nicht die Antragsbefugnis für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch. Die Auffassung des Kammergerichts, der einzelne Wohnungseigentümer dürfe den ihm durch eine Vertragsverletzung des Verwalters entstandenen Schaden ohne ermächtigenden Beschluß der Gemeinschaft nicht geltend machen, geht von der unzutreffenden Annahme aus, die Verletzung des Verwaltervertrages könne nur einen Schadensersatzanspruch der Gemeinschaft erzeugen. Der Senat hat jedoch in dem von dem Kammergericht angeführten Beschluß vom 15. Dezember 1988 (BGHZ 106, 222, 225) ausdrücklich darauf hingewiesen, daß gegenüber dem Verwalter auch „individuelle Schadensersatzansprüche” des einzelnen Wohnungseigentümers bestehen können. Um einen solchen Anspruch geht es hier. Streitgegenstand ist im Unterschied zu der Fallgestaltung, die jener Senatsentscheidung zugrunde lag, nicht ein den Wohnungseigentümern als Mitgläubigern zustehender Ersatzanspruch gegen den Verwalter, sondern eine Forderung, die nur dem Antragsteller erwachsen ist, weil nur er einen Schaden erlitten hat. Für die Durchsetzung eines solchen Anspruchs ist er unzweifelhaft antragsbefugt (BGH, Beschl. v. 12. Juli 1984, VII ZB 1/84, NJW 1985, 912; BGHZ 106, 222, 225; BayObLG, WuM 1989, 532, 533). Die Frage, ob ein einzelner Wohnungseigentümer zur Durchsetzung von Ansprüchen der Ermächtigung durch die anderen Wohnungseigentümern bedarf, stellt sich nur bei Ansprüchen, die den Wohnungseigentümern als Mitgläubigern zustehen. Nur hier kann eine Verwaltungszuständigkeit der Gemeinschaft für die Rechtsverfolgung gemäß § 21 Abs. 1 WEG in Betracht kommen, die es nach der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 106, 222, 227; 111, 148, 150) gebietet, die Durchsetzung eines neben der gemeinschaftlichen Forderung bestehenden Anspruchs des einzelnen Wohnungseigentümers auf die der Gemeinschaft zustehenden Leistung von der Ermächtigung durch die Wohnungseigentümer abhängig zu machen, weil § 21 Abs. 1 WEG insoweit gegenüber § 432 BGB eine Sonderregelung enthält (MünchKomm/Selb, BGB, 2. Aufl. § 432 Rdn. 2; Soergel/Wolf, BGB, 12. Aufl., § 432 Rdn. 3). Ob eine dahingehende ausschließliche Verwaltungszuständigkeit der Gemeinschaft nach § 21 Abs. 1 WEG besteht, ist im einzelnen Fall durch Auslegung auch der übrigen Vorschriften des Wohnungseigentumsgesetzes und anhand der Interessenlage zu ermitteln. Die in der Senatsentscheidung BGHZ 106, 222, 228 angestellte und von Ehmann (JZ 1991, 222) vergröbernd angegriffene Überlegung, es könne im Interesse der Eigentümergemeinschaft liegen, das möglicherweise gute Verhältnis zu einem tüchtigen Verwalter nicht durch querulatorisches Prozessieren zu stören, diente nicht dazu, die gemeinschaftliche Verwaltungszuständigkeit dort zu begründen, sondern betraf nur die weitere Frage, ob eine Durchbrechung der gemeinschaftlichen Verwaltungszuständigkeit entsprechend § 21 Abs. 2 WEG in Fällen jener Art hinnehmbar erscheint.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist somit nicht deshalb unzulässig, weil eine entsprechende Ermächtigung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft fehlt.
3. Der Antragsteller ist für den geltend gemachten Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung auch aktiv legitimiert.
Daraus, daß dem Verwalter nach dem Verwaltervertrag Pflichten gegenüber der Gemeinschaft obliegen, kann entgegen der Annahme des Kammergerichts (ZMR 1991, 114, 115) nicht gefolgert werden. Schadensersatzansprüche wegen Pflichtverletzung müßten stets gemeinschaftliche Forderungen im Sinne von §§ 741, 754 Satz 1 BGB sein. Wie das Gesetz in § 432 Abs. 1 BGB erkennen läßt, sind gemeinschaftlich vielmehr nur solche Ansprüche der Wohnungseigentümer aus dem Verwaltervertrag, die ihrem Inhalt nach unteilbar sind und nur allen Mitgläubigern gemeinschaftlich gegenüber erfüllt werden können. Eine faktisch teilbare Geldleistung kann rechtlich unteilbar sein, wenn aufgrund des Innenverhältnisses zwischen den Gläubigern eine gemeinsame Empfangszuständigkeit besteht (vgl. dazu BGH, Urt. v. 3. November 1983, IX ZR 104/82, NJW 1984, 795, 796; Senatsurt. v. 13. Januar 1984, V ZR 55/83, NJW 1984, 1356, 1357). Das ist hier nicht der Fall. Die dem Antragsteller erwachsenen außergerichtlichen Kosten des Vorprozesses sind ausschließlich ihm zur Last gefallen. Andere Wohnungseigentümer haben insoweit keinen Schaden erlitten. Deswegen kann auch nur er Schadensersatz verlangen.
4. Der Antragsgegner ist zum Ersatz verpflichtet, weil er seine Verwalterpflichten verletzt hat.
Es kann offenbleiben, wie die mit Schreiben vom 15. Oktober 1984 erfolgte Mitteilung der Antragsgegnerin an R. sachlich auszulegen ist. Handelt es sich, wie das Amtsgericht angenommen hat, um eine Zustimmungserklärung der Wohnungseigentümer, wäre diese mangels entsprechender Bevollmächtigung der Antragsgegnerin durch die Wohnungseigentümer unwirksam. Enthielte das Schreiben nur die Mitteilung einer entsprechenden Zustimmungserklärung der Wohnungseigentümer, wäre dies schon mangels eines entsprechenden Beschlusses falsch. Wollte die Antragsgegnerin dagegen, wie das Landgericht meint, nur ihre Rechtsansicht zum Ausdruck bringen, daß die beabsichtigte Baumaßnahme nach § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG nicht der Zustimmung durch die anderen Wohnungseigentümer bedürfe, wäre die Erklärung ebenfalls falsch gewesen. In jedem Fall hat die Antragsgegnerin ihre vertragliche Pflicht zur ordnungsmäßigen Verwaltung und Abwendung eines Schadens von den einzelnen Wohnungseigentümern aus der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums verletzt. Diese Pflicht oblag der Antragsgegnerin jedenfalls auch gegenüber dem Antragsteller, so daß sie ihm den durch die Pflichtverletzung entstandenen Schaden ersetzen muß.
5. Hierzu gehören die Rechtsanwaltskosten, die der Antragsteller zur Abwendung der von der Antragsgegnerin verursachten rechtswidrigen Baumaßnahme auf gewandt hat. Denn sie zählen zu den Nachteilen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die Antragsgegnerin die verletzte Vertragspflicht übernommen hat. Fällt aber der geltend gemachte Schaden nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Pflicht, ist er auch im Bereich der vertraglichen Haftung ersatzfähig (BGH, Urt. v. 30. Januar 1990, XI ZR 63/89, NJW 1990, 2057, 2058). Hieran ändert die Tatsache nichts, daß die Kosten in einem Verfahren entstanden sind, das der Antragsteller selbst eingeleitet hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist eine Ersatzpflicht nämlich auch dann gegeben, wenn der Schaden auf einen Willensentschluß des Geschädigten zurückgeht, sofern dieser durch das Tun des Schädigers „herausgefordert” war und nicht eine ungewöhnliche Reaktion hierauf darstellt. Dieser für den Bereich der deliktischen Haftung entwickelte Grundsatz (BGHZ 57, 25, 29; 63, 189, 192; 70, 374, 376) gilt auch für den vertraglichen Schadensersatzanspruch.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, daß die Baumaßnahmen auf die Pflichtverletzung der Antragsgegnerin zurückzuführen sind. Dies läßt keine Gesetzesverletzung erkennen. Die Rechtsverfolgung des Antragstellers zur Abwehr der Baumaßnahmen einschließlich der hierdurch verursachten Kosten war daher durch das pflichtwidrige Verhalten der Antragsgegnerin „herausgefordert” und stellte auch eine adäquate Reaktion hierauf dar.
Daß der Antragsteller sich auch im Rechtsmittelzug eines Rechtsanwalts zur Verteidigung gegenüber den von R. eingelegten Rechtsmitteln bediente, war zur Rechtsverfolgung erforderlich und deswegen ebenfalls durch die Pflichtverletzung der Antragsgegnerin herausgefordert.
6. Zu beanstanden ist auch nicht, daß das Beschwerdegericht zumindest Fahrlässigkeit für gegeben hält. Denn die Antragsgegnerin hat einen Entschuldigungsgrund nicht dargetan (§§ 282, 285 BGB). Dazu genügt nicht, daß sie Rechtsrat eingeholt hat. Denn die Entscheidung, ob eine Zustimmung der Wohnungseigentümer gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG entbehrlich war, hängt von den gesamten Umständen des Einzelfalles ab (Weitnauer, WEG 8. Aufl. § 22 Rdn. 3 a). Da hier aber gewichtige Gründe für die Zustimmungsbedürftigkeit der Baumaßnahme vorlagen und die Antragsgegnerin zunächst auch selbst eine Zustimmung der Wohnungseigentümerversammlung für erforderlich gehalten hatte, mußte sie trotz gegenteiliger Rechtsauskünfte damit rechnen, daß § 22 Abs. 1 Satz 2 WEG auf die beabsichtigte Baumaßnahme keine Anwendung findet. Dann durfte sie R. aber auch nicht „grünes Licht” für die Baumaßnahme geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG, die Festsetzung des Geschäftswertes auf § 48 Abs. 2 WEG.
Unterschriften
H, L, R, L-L, W
Fundstellen
Haufe-Index 512667 |
BGHZ |
BGHZ, 253 |
BB 1992, 393 |
NJW 1992, 182 |
BGHR |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1992, 1075 |