Leitsatz (amtlich)
Die Bestellung einer Reallast, bei der die rückständigen Raten Rang nach dem Recht im Übrigen haben, ist nicht möglich.
Normenkette
BGB §§ 879, 1105, 1107
Verfahrensgang
Tenor
Die weitere Beschwerde gegen den Beschluss der 5. Zivilkammer des LG Münster v. 21.2.2002 wird zurückgewiesen.
Der Geschäftswert der Beschwerde und der weiteren Beschwerde wird auf 10.800 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) war Eigentümer eines im Grundbuch von D. , Bl. 396 eingetragenen Hausgrundstücks. Mit notariellem Vertrag v. 25.10.2001 übertrug er das Grundstück der Beteiligten zu 2), seiner Tochter. Diese verpflichtete sich, ihm v. 1.1.2002 an auf Lebenszeit eine monatliche, jeweils im Voraus fällige, wertgesicherte Rente von 250 EUR zu zahlen. Zur Sicherung dieser Verpflichtung bestellte die Beteiligte zu 2) dem Beklagten zu 1) an dem übertragenen Grundstück eine Reallast. Hierzu wurde Folgendes bestimmt:
"Es ist Inhalt der Reallast, dass Rückstände Rang nach den übrigen aus der Reallast folgenden Ansprüchen (Stammrecht) haben; untereinander haben die älteren Rückstände Rang nach den jüngeren. Abweichend von § 12 ZVG ist deshalb im Falle der Zwangsversteigerung aus der Reallast das Stammrecht in das geringste Gebot aufzunehmen."
Das Grundbuchamt hat den Antrag der Beteiligten auf Eintragung der Reallast zurückgewiesen. Ihre Beschwerde ist ohne Erfolg geblieben. Auf die weitere Beschwerde hat das OLG die Sache dem BGH vorgelegt.
II.
Die Vorlage ist statthaft (§ 79 Abs. 2 GBO).
Das vorlegende OLG Hamm ist der Auffassung, eine Reallast könne mit dem vereinbarten Inhalt nicht in das Grundbuch eingetragen werden. Die rückständigen und die künftig fällig werdenden Einzelleistungen bildeten ein einheitliches Recht. Seine Bestandteile könnten bei der Bestellung der Reallast keinen unterschiedlichen Rang (§ 879 BGB) haben. Die Befriedigungsreihenfolge zwischen Ansprüchen auf wiederkehrende Leistungen und dem Hauptanspruch (§ 12 ZVG) könne zwar durch Vereinbarung abgeändert werden. Das habe aber nur dann Bedeutung, wenn der auf die Reallast entfallende Erlösanteil zur Tilgung der Rückstände und zur Schaffung des Deckungskapitals für die künftigen Leistungen (§§ 92 Abs. 2, 121 ZVG) nicht hinreiche. An der Zurückweisung der weiteren Beschwerde sieht sich das OLG durch die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts v. 11.10.1990 (BayObLG v. 11.10.1990 - BReg.2 Z 114/90, BayObLGZ 1990, 282 = MDR 1991, 154) gehindert, wonach eine Reallast mit dem Inhalt zulässig ist, dass bei der Zwangsversteigerung die laufenden und rückständigen Leistungen, sofern ihre Rangstelle für die Berechnung des geringsten Gebots maßgebend ist, Rang nach dem Stammrecht, unterschiedlich gleichen Rang haben.
Das vorlegende OLG will mithin bei der Auslegung einer das Grundbuchrecht betreffenden bundesrechtlichen Vorschrift, nämlich der Bestimmung über den Inhalt der Reallast (§§ 1105, 1107 BGB), von einer auf sofortige Beschwerde ergangenen Entscheidung eines die Aufgaben des OLG in Grundbuchsachen wahrnehmenden Gerichts (§ 8 EGGVG, Art. 11 Abs. 3 Nr. 1 BayAGGVG) abweichen.
III.
Die von dem Notar, der im Namen der Beteiligten den Eintragungsantrag gestellt hat, schriftlich eingelegte, auf eine Rechtsverletzung gestützte weitere Beschwerde ist zulässig (§§ 78, 80 GBO). In der Sache hat sie keinen Erfolg. Die Reallast ist mit dem vereinbarten Inhalt nicht eintragungsfähig.
1. Die Möglichkeit, von Vorschriften des Zwangsversteigerungsrechts durch Vereinbarung zwischen Schuldner und Gläubiger, ggf. mit Zustimmung betroffener weiterer Beteiligter des Versteigerungsverfahrens abzuweichen (§ 59, 91 ZVG), scheidet als Grundlage für die Eintragung der Reallast mit dem vereinbarten Inhalt aus. § 12 ZVG, auf dessen Abdingbarkeit sich die Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts stützt, enthält, wie auch die Bestimmungen über die Rangordnung der Rechte im Zwangsversteigerungsverfahren nach Klassen (§ 10 ZVG) und die Rangfolge innerhalb derselben Klasse (§ 11 ZVG), keine Anordnung über den Rang der Rechte nach dem sachlichen Recht. Die Vorschriften regeln die Befriedigungsreihenfolge im Verfahren nach eigenständigen Gesichtspunkten. Auf den Rang der Rechte (§ 879 BGB) nehmen sie Bezug, soweit bestimmte Ansprüche in derselben (vollstreckungsrechtlichen) Klasse zu befriedigen sind (§ 11 ZVG). Gegenstand der Eintragung im Grundbuchverfahren (§§ 13 ff. GBO) ist dagegen die sachlich-rechtliche Einigung der Parteien, deren Inhalt im Falle der Reallast durch §§ 1105 ff. BGB bestimmt wird. Die Eintragungsbewilligung des Grundbuchverfahrensrechts (§ 19 GBO) hat die materiell-rechtliche Einigung, deren Vollzug im Grundbuch das Recht zum Entstehen bringt (§ 873 BGB), nicht eine dem Zwangsversteigerungsrecht zuzuordnende verfahrensrechtliche Absprache zum Gegenstand. Eine von § 12 ZVG abweichende Vereinbarung über die Tilgungsreihenfolge scheidet mithin nicht, wie das vorlegende Gericht meint, deshalb als Grundlage für die Eintragung der Reallast aus, weil § 12 ZVG nur einen Ausschnitt des Zwangsversteigerungsverfahrens (teilweise Tilgung des Rechts aus dem Erlös) zum Gegenstand hat und weil die Vereinbarung ohne Einfluss auf das geringste Gebot ist (dazu Amann, DNotZ 1993, 222 [227 f.]). Vielmehr ist die Vereinbarung als verfahrensrechtliches Geschäft ohne Auswirkung auf den Inhalt des sachlichen Rechts (a. A. Jäckel/Güthe, ZVG, 7. Aufl., 1937, § 12 Rz. 1; unklar Zöller/Stöber, ZVG, 15. Aufl., § 12 Rz. 401: Grundbucheintragung gesetzlich nicht gedeckt, Bezugnahme auf Eintragungsbewilligung müsse genügen).
2. Das sachliche Recht gibt keine Möglichkeit, eine Reallast mit unterschiedlichem Rang für rückständige und noch nicht fällige Einzelleistungen zu begründen. Zum gesetzlichen Inhalt der Reallast bestimmt § 1105 Abs. 1 S. 1 BGB, ein Grundstück könne in der Weise belastet werden, dass an denjenigen, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, wiederkehrende Leistungen aus dem Grundstück zu entrichten sind; auf die einzelnen Leistungen finden nach § 1107 BGB die für die Zinsen einer Hypothekenforderung bestehenden Vorschriften entsprechende Anwendung. Unbeschadet der überkommenen Diskussion zur Rechtsstruktur der Reallast (vgl. Staudinger/Amann, BGB, 2002, Einf. 19 ff. zu §§ 1105 - 12) steht ihr Charakter als einheitliches Sachenrecht nicht in Frage. Die wiederkehrenden Leistungen sind zwar, anders als Hypotheken- oder Grundschuldzinsen, nicht als Erträge einer dinglichen Schuld aufzufassen; ihnen liegt im Regelfalle kein verwertbares Recht zu Grunde. Sie bilden aber in ihrer Summe das einheitliche dingliche Recht ("Stammrecht"); der Zugriff auf das Grundstück wird mit dem sukzessiven Fälligwerden der Einzelleistungen in deren jeweiliger Höhe möglich. Ein unterschiedlicher Rang von Teilen eines Rechts ist im sachlichen Recht nicht vorgesehen. § 879 BGB legt das Rangverhältnis unter "mehreren Rechten", mit denen ein Grundstück belastet ist, fest. Eine Reallast kann mithin nicht mit verschiedenem Rang zwischen ihren Bestandteilen begründet werden.
Allerdings hat das Sachenrechtsänderungsgesetz mit § 9 Abs. 3 Nr. 1 ErbbauVO eine vollstreckungsfeste Reallast geschaffen. Dies ist aber aus einem bsonderen Anlass, nämlich der Einführung des Anspruchs des Nutzers gegen den Grundstückseigentümer auf Bestellung eines Erbbaurechts (§§ 3, 32 ff. SachenRBerG), geschehen. Einer über die Erbbauzinsreallast hinausgehenden Regelung hat sich der Gesetzgeber, obwohl die Rechtsstellung des Reallastberechtigten nach §§ 1105, 1107 BGB Anlass zu seinem Tätigwerden war, enthalten (vgl. BT-Drucks. 12/5992, 61, 92 ff.; BT-Drucks. 12/7425, 5 f., 84). Nur der Erbbauzins (nicht Reallasten anderen Inhalts) ist Instrument des Ausgleichs für die dem Grundstückseigentümer aufgezwungene Einschränkung seiner Befugnisse aus § 903 BGB. Einem Bedürfnis, im Vollstreckungsfalle das Grundstück für bis dahin nicht fällig gewordene Raten in Haftung zu nehmen, kann durch Einräumung eines Anspruchs auf Bestellung einer weiteren Reallast für diesen Fall Rechnung getragen werden. Deren Rang ist durch Vormerkung zu wahren (§ 883 Abs. 1 S. 2 BGB).
3. Die Versagung der Eintragung einer Reallast mit gespaltenem Rang verlöre allerdings an Überzeugungskraft, wenn das gleiche Ergebnis, wie das vorlegende Gericht meint, durch anschließende Teilung des Rechts in rückständige und künftige Einzelleistungen erzielt werden könnte. Dies ist indessen nicht der Fall.
a) Dümig (Dümig, ZfIR 2002, 960 [962]) meint, eine Teilung der Reallast in Rückstände und fällige Einzelleistungen sei konstruktiv nicht möglich. Rückständige Raten, die von dem noch nicht fälligen Teil der künftigen Leistungen getrennt würden, hätten (nur noch) eine einmalige Leistung zum Gegenstand, die zum Zeitpunkt der gewünschten Teilung insgesamt zu erfüllen sei. Dies entspreche dem Inhalt der (gekündigten) Hypothek oder Grundschuld und sei mit § 1105 BGB unvereinbar (zum Ausgangspunkt Dümigs, vgl. auch Joost in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 1107 Rz. 3, § 1110 Rz. 4).
b) Nach § 1107 BGB sind indessen die Einzelleistungen aus der Reallast, unbeschadet des Umstandes, dass sie keine Nebenforderungen darstellen, nach den Vorschriften über die Hypothekenzinsen abtretbar. Sie können mithin, jedenfalls für diesen Zweck und gleich gelagerte Fälle (Pfändung, Verpfändung), vom Recht im Übrigen abgeteilt werden. Das Recht auf die noch nicht fälligen Einzelleistungen wird entsprechend §§ 873, 1154 Abs. 3 BGB nach den Grundsätzen des Immobiliarsachenrechts übertragen. Für die bereits fälligen Einzelleistungen gilt dagegen nach § 1159 BGB das Recht der Übertragung von Forderungen, §§ 398 ff. BGB; ihre Abtretung erfolgt somit außerhalb des Grundbuchs (für eine, wohl deklaratorische, Eintragung des schuldrechtlichen Geschäfts: Joost in MünchKomm/BGB, 3. Aufl., § 1159 Rz. 10). Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts ist es zwar möglich, im Zuge der Abtretung der fälligen Hypothekenzinsen zwischen diesen und dem Kapital ein Rangverhältnis herzustellen; in das Grundbuch eintragungsfähig ist dieses aber nicht (RGZ 88, 160 [163]; ihm folgend Mattern, RGRK, 12. Aufl., § 1159 BGB Rz. 3). Jedenfalls zur Frage der Eintragungsfähigkeit tritt der Senat dieser Rechtsauffassung bei.
IV.
Eines Kostenausspruchs bedurfte es nicht (zu den Gerichtskosten vgl. § 131 Abs. 1, § 2 KostO).
Den Geschäftswert der Beschwerden hat der Senat gem. § 131 Abs. 2, § 30 Abs. 1, § 24 KostO unter Berücksichtigung der Wertsicherungsklausel (20v. H.) festgesetzt.
Fundstellen
Haufe-Index 1070869 |
BGHZ 2004, 274 |
DB 2004, 433 |
NJW 2004, 361 |
BGHR 2004, 150 |
DNotI-Report 2004, 5 |
EWiR 2004, 431 |
FGPrax 2004, 7 |
MittBayNot 2004, 189 |
WM 2003, 2427 |
ZfIR 2004, 68 |
DNotZ 2004, 615 |
JuS 2004, 341 |
MDR 2004, 390 |
Rpfleger 2004, 92 |
NotBZ 2004, 277 |
RNotZ 2004, 32 |
ZBB 2004, 152 |
ZNotP 2004, 110 |