Leitsatz (amtlich)
Bei gemeinschaftlicher Tatbegehung kann nicht nur derjenige Täter eines Verbrechens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG sein, der selbst unmittelbar Zugriff auf eine mitgeführte Schußwaffe oder einen sonstigen Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift hat. Vielmehr kann die vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines Mittäters den übrigen Tätern nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden.
Normenkette
BtMG § 30a Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Bei gemeinschaftlicher Tatbegehung kann nicht nur derjenige Täter eines Verbrechens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG sein, der selbst unmittelbar Zugriff auf eine mitgeführte Schußwaffe oder einen sonstigen Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift hat. Vielmehr kann die vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines Mittäters den übrigen Tätern nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden.
Tatbestand
I.
Das Landgericht Duisburg hat den Angeklagten unter anderem wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitführen einer Schußwaffe (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) in Tateinheit mit unerlaubtem „gewerbsmäßigen” Handeltreiben mit Betäubungsmitteln verurteilt.
1. Nach den Feststellungen wollten der Angeklagte und der gesondert verfolgte P. künftig in den Niederlanden Drogen erwerben und in Deutschland gewinnbringend weiterverkaufen. Sie fuhren in einem vom Angeklagten geliehenen Pkw nach V., um einen Verkäufer zu finden. Auf dem Marktplatz lernten sie einen Dealer kennen, der mit ihnen „gemeinsam … im Pkw des Angeklagten” nach R. fuhr und ihnen dort 1.000 Ecstasy-Tabletten und 200 Gramm Amphetamin verkaufte. Mit diesen Drogen fuhren der Angeklagte und P. nach O. zurück. Auf die Fahrt hatte P. eine geladene Gaspistole mitgenommen, bei der das Gas aus der Laufmündung nach vorne austritt. Er folgte damit unter Zurückstellung eigener Bedenken der Aufforderung des Angeklagten. Dieser wollte aus Sicherheitsgründen eine Waffe dabeihaben, weil ein Kontakt mit einem unbekannten Dealer erst noch geschaffen werden sollte und er einen größeren Bargeldbetrag mit sich führte. Die Pistole lag von Beginn bis Ende der Fahrt im Handschuhfach des Fahrzeugs. Der Angeklagte glaubte jedoch, P. habe die Pistole beim Verlassen des Pkw in V. an sich genommen.
2. Das Landgericht hat einen minder schweren Fall (§ 30 a Abs. 3 BtMG) angenommen, da sich die Pistole „bei dem außerhalb des Fahrzeugs abgewickelten Ankaufsgeschäft” im Handschuhfach befand und bei der „anschließenden Einfuhr keine Funktion mehr haben sollte”, und hat eine Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren verhängt.
3. Auf die Revision des Angeklagten hat der Generalbundesanwalt beantragt, den Schuldspruch in dem geschilderten Fall dahin abzuändern, daß der Angeklagte der Anstiftung zum bewaffneten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln und mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge schuldig ist.
Der 3. Strafsenat möchte – vom Wegfall des tateinheitlich abgeurteilten Tatbestandes der bewaffneten Einfuhr von Betäubungsmitteln abgesehen – den Schuldspruch wegen eines mittäterschaftlich begangenen Verbrechens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bestätigen. Jedenfalls bei der Rückfahrt nach O. …, bei der die Drogen in die Bundesrepublik eingeschmuggelt wurden und die deshalb Teil des Handeltreibens sei, habe P. unmittelbar auf die Pistole Zugriff nehmen können. Dies reiche aus, da bewaffnetes Handeltreiben bereits vorliege, wenn der qualifizierende Umstand bei einem von mehreren Einzelakten verwirklicht sei (BGH JR 1998, 254 f.; BGH NStZ 2000, 433 m. w. N.). Dem Angeklagten, auf dessen Weisung P. die Pistole mitgenommen habe, sei dieses Mitführen der Waffe gemäß § 25 Abs. 2 StGB als Teil des gemeinsamen Tatplans zuzurechnen. Weder Wortlaut noch Zweck des Gesetzes rechtfertigten, von diesen allgemeinen Grundsätzen abzuweichen. An dieser Entscheidung sieht sich der 3. Strafsenat jedoch durch die Rechtsprechung des 1. Strafsenats (BGHSt 42, 368; bestätigt u. a. durch BGH StV 1997, 638) gehindert.
4. Auf die Anfrage des 3. Strafsenats vom 14. Dezember 2001 (NJW 2002, 1437) hat der 1. Strafsenat am 3. April 2002 beschlossen, daß er an seiner Rechtsansicht festhalte, und dies näher ausgeführt (NJW 2002, 600). Die übrigen Strafsenate haben erklärt, ihre Rechtsprechung stehe der beabsichtigten Entscheidung nicht entgegen (2. Strafsenat: Beschl. vom 20. März 2002 – 2 ARs 68/02; 4. Strafsenat: Beschl. vom 20. März 2002 – 4 ARs 15/02; 5. Strafsenat: Beschl. vom 19. März 2002 – 5 ARs 13/02).
5. Durch Beschluß vom 7. Mai 2002 (StV 2002, 486) hat der 3. Strafsenat die Sache dem Großen Senat nach § 132 Abs. 2 und 4 GVG mit folgender Rechtsfrage vorgelegt:
„Ist bei gemeinschaftlicher Tatbegehung nur derjenige Täter des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, der selbst unmittelbar Zugriff auf die mitgeführte Schußwaffe hat, oder kann die vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines Mittäters auch den übrigen nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden?”.
Der Generalbundesanwalt vertritt die Auffassung, daß die vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines Mittäters den übrigen Mittätern nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden kann.
Entscheidungsgründe
II.
Die Vorlage ist schon nach § 132 Abs. 2 GVG zulässig. Der 3. Strafsenat kann nicht so wie beabsichtigt entscheiden, ohne von der Rechtsprechung des 1. Strafsenats abzuweichen.
III.
Der Große Senat für Strafsachen beantwortet die vorgelegte Rechtsfrage dahin, daß bei gemeinschaftlicher Tatbegehung nicht nur derjenige Täter eines Verbrechens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG sein kann, der selbst unmittelbar Zugriff auf eine mitgeführte Schußwaffe oder einen sonstigen Gegenstand im Sinne dieser Vorschrift hat. Vielmehr kann die vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Bewaffnung eines Mittäters den übrigen Tätern nach allgemeinen Grundsätzen (§ 25 Abs. 2 StGB) zugerechnet werden.
1. Nach dem in § 25 Abs. 2 StGB verankerten Grundgedanken der mittäterschaftlichen Verantwortung ist jeder als Täter zu bestrafen, der aufgrund eines gemeinschaftlichen Tatentschlusses seinen Beitrag als Teil der Tätigkeit des anderen und denjenigen des anderen als Ergänzung seines Tatanteils will (st. Rspr., vgl. BGH NJW 1998, 2149 f. m. w. N.). Daher wird jeder vom gemeinsamen Tatplan umfaßte Tatbeitrag eines Mittäters den übrigen als eigener zugerechnet (BGH NStZ 1990, 130).
Dies gilt allgemein, aber auch für qualifikationsbegründende tatbezogene Merkmale (Cramer/Heine in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 25 Rdn. 85), somit auch für die Bewaffnung eines Mittäters bei § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG, da es sich um ein tatbezogenes Unrechtsmerkmal handelt, das die Gefährlichkeit der Tat näher umschreibt (BGHR BtMG § 30 a Abs. 2 Mitsichführen 6 = NStZ 2000, 431, 432; Franke/Wienroeder, BtMG 2. Aufl. § 30 a Rdn. 21). Solche Merkmale, für die § 28 Abs. 2 StGB nicht anwendbar ist, können grundsätzlich arbeitsteilig mit der Folge verwirklicht werden, daß sich jeder Mittäter die vom gemeinsamen Tatplan umfaßten Tatbeiträge der anderen als Teil seines eigenen Tuns zurechnen lassen muß (st. Rspr., vgl. BGHSt 39, 236, 238 m. w. N.).
2. Der Wortlaut des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG steht der Anwendung des § 25 Abs. 2 StGB nicht entgegen. Grundsätzlich orientiert sich die Formulierung von Straftatbeständen an der Begehung durch einen Einzeltäter. Es entspricht dem Wesen der Mittäterschaft, daß nicht jeder Täter alle Tatbestandsmerkmale in eigener Person verwirklicht. Vielmehr stellt § 25 Abs. 2 StGB klar, daß das Handeln eines Mittäters den anderen zugerechnet werden kann. Diese Zurechnung scheidet nur dann aus, wenn dem Wortlaut ausnahmsweise zu entnehmen ist, daß ein bestimmtes Merkmal von jedem Mittäter, auf den die Strafvorschrift angewandt werden soll, persönlich erfüllt sein muß. Dies ist jedoch bei der Formulierung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nicht der Fall.
3. Die nach § 25 Abs. 2 StGB grundsätzlich gebotene mittäterschaftliche Zurechnung entspricht auch dem vom Gesetzgeber mit der Schaffung des Qualifikationstatbestandes des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG verfolgten Ziel. Die Vorschrift ist durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 18. Oktober 1994 (BGBl I 3186) eingeführt worden und soll der besonderen Gefährlichkeit von Fällen des Rauschgifthandels mit größeren Mengen gerecht werden, bei denen die Täter Schußwaffen oder gefährliche Gegenstände mit sich führen und deshalb die Gefahr besteht, daß sie zur Durchsetzung ihrer Interessen davon rücksichtslos Gebrauch machen (BTDrucks. 12/6853 S. 41). Dieses Ziel würde nur sehr eingeschränkt erreicht werden können, wenn lediglich die Waffenträger, nicht aber die – in der Hierarchie des Betäubungsmittelhandels häufig über diesen stehenden – Mittäter erfaßt werden könnten, die an der Tat mitwirken, obgleich die Bewaffnung der anderen Inhalt des gemeinsamen Tatplans ist. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Hintermänner des Drogenhandels erfahrungsgemäß bemüht sind, aus Gründen der Vorsicht nicht selbst mit Gegenständen in Berührung zu kommen, die sie bei einem überraschenden polizeilichen Zugriff der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen (vgl. Weber NStZ 2002, 601, 602).
4. Bei der Vorschrift des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG handelt es sich nicht um ein eigenhändiges Delikt. Die Rechtsprechung stellt bei der Annahme solcher Delikte darauf ab, ob das maßgebliche Unrecht weniger in der Gefährdung des Rechtsguts als in eigenem verwerflichen Tun liegt (BGHSt 6, 226, 227; 41, 242, 243). Weder die Fassung des Tatbestandes noch die genannte Intention des Gesetzgebers, der von der besonderen Gefährlichkeit der Tat ausgeht und insoweit von „Tatmodalitäten” spricht (BTDrucks. 12/6853 S. 41), geben dafür einen Anhalt. Zudem steht bei den Strafvorschriften des Betäubungsmittelstrafrechts der Rechtsgüterschutz derart im Vordergrund, daß der Unwert einer eigenhändigen Verwirklichung des Delikts durch den Täter völlig zurücktritt (Weber NStZ 2002, 601, 602; vgl auch ders., BtMG vor § 29 Rdn. 91).
5. Die Systematik des Gesetzes, insbesondere der Vergleich mit anderen Strafvorschriften, bei denen die Bewaffnung eines Beteiligten zur Annahme eines Qualifikationstatbestandes führt, gebietet den Ausschluß mittäterschaftlicher Zurechnung nicht.
a) Zwar wird in einigen Vorschriften wie § 113 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1, § 244 Abs. 1 Nr. 1, § 250 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB das Qualifikationsmerkmal dahin formuliert, daß der „Täter oder ein Beteiligter” die Waffe bei sich führen müsse, während § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG nur vom „Täter” spricht. Doch gibt dieser unterschiedliche Wortlaut keine Veranlassung, bei § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG die Zurechnung der Bewaffnung über die allgemeinen Regeln der Mittäterschaft auszuschließen. Denn die Fassung der erstgenannten Tatbestände findet ihren Sinn darin, daß die Qualifikation bereits bei der Bewaffnung eines Teilnehmers, also eines Gehilfen oder Anstifters, gegeben ist. Dabei müssen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 2 StGB gerade nicht gegeben sein, es genügt, daß die Bewaffnung des Teilnehmers vom Vorsatz umfaßt ist. Demgegenüber bewirkt die bei § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG gewählte einschränkende Formulierung („der Täter”), daß in einem Fall, in dem ein Rauschgifthändler von einem bewaffneten Gehilfen begleitet wird, die Bewaffnung des Teilnehmers grundsätzlich weder bei diesem noch beim Haupttäter zur Anwendung des Qualifikationstatbestandes des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG führt (BGH NStZ 2000, 431 f.). Anderes kann gelten, sofern der Haupttäter in der Lage ist, auf die Waffe jederzeit auch selbst zuzugreifen oder über ihren Einsatz im Wege eines Befehls zu verfügen. In diesen Fällen ist die Annahme der Qualifikation über mittelbare Täterschaft gerechtfertigt (BGHSt 43, 8, 14 – „Leibwächterfall”).
b) Allerdings hat die Rechtsprechung beim bewaffneten Landfriedensbruch nach § 125 a Satz 2 Nr. 2 StGB das eigenhändige Führen der Waffe für erforderlich gehalten und dies mit dem Wortlaut der Vorschrift („wenn der Täter”), dem Vergleich mit der Formulierung „oder ein anderer Beteiligter” in anderen Vorschriften, der Entstehungsgeschichte und dem Charakter der Norm als Massendelikt begründet (BGHSt 27, 56; so auch Tröndle/Fischer, StGB 51. Aufl. § 125 a Rdn. 3; v. Bubnoff in LK 11. Aufl. § 125 a Rdn. 11 f.; aA Lenckner in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 125 a Rdn. 6; Rudolphi in SK-StGB § 125 a Rdn. 5). Es kann dahinstehen, ob dieser Auffassung uneingeschränkt beizupflichten ist. Auch bei gleichem Wortlaut kann derselbe Begriff in verschiedenen Tatbeständen nach deren Zweck unterschiedlich ausgelegt werden (BGHSt 44, 62, 66). Mit Blick auf die Besonderheit des Landfriedensbruchs als „Massendelikt” kommt dort dem Erfordernis eigenhändiger Begehung im Interesse einer praktikablen Abgrenzung des Täterkreises erhebliches Gewicht zu. Dieser Gesichtspunkt ist für § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ohne Belang.
c) Ein Vergleich mit der Neufassung des § 177 StGB bestätigt dieses Ergebnis. Dort hat der Gesetzgeber mit dem 6. StrRG vom 26. Januar 1998 (BGBl I 164) in Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 4 Nr. 1 neue Qualifikationstatbestände geschaffen, in denen er auf die Bewaffnung des „Täters” abstellt. Daß er hierbei die Zurechnung der Bewaffnung auf Mittäter ausschließen wollte, ist den Materialien nicht zu entnehmen. Dementsprechend wird in den bislang veröffentlichten Stellungnahmen zu dieser Frage eine eigenhändige Bewaffnung nicht für erforderlich gehalten (Tröndle/Fischer aaO § 177 Rdn. 42; Lenckner/ Perron in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 177 Rdn. 26; Renzikowski NStZ 1999, 377, 382 f.).
6. Zu einer einschränkenden Auslegung des Tatbestandes des bewaffneten Handeltreibens (§ 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) dahin, daß eine mittäterschaftliche Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB verneint wird, zwingt auch nicht die Weite des Merkmals des Handeltreibens im Zusammenhang mit der hohen Mindeststrafandrohung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG von fünf Jahren Freiheitsstrafe.
Richtig ist allerdings, daß infolge der weiten Auslegung des Begriffs des Handeltreibens auch Tätigkeiten erfaßt werden, die weit im Vorfeld eines Drogenumsatzes liegen oder bei denen es letztlich nicht dazu kommt, daß Rauschmittel in den Verkehr gelangen (vgl. Weber, BtMG § 29 Rdn. 84 ff. m. w. N.). Da es für den Tatbestand des bewaffneten Handeltreibens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG bereits ausreicht, daß die Merkmale einerseits des Handeltreibens in nicht geringer Menge und andererseits der Bewaffnung erfüllt sind, unterliegen damit der hohen Mindeststrafdrohung des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG auch Verhaltensweisen, bei denen die Waffe weder beim Umgang mit den Drogen oder dem Kaufgeld noch beim Kontakt mit den Geschäftspartnern geführt wird und bei denen es nach Lage der Dinge ausgeschlossen erscheint, daß der Täter in eine Situation kommen wird, die für ihn Anlaß zum Schußwaffengebrauch sein könnte. In solchen Fällen mag es je nach Sachlage an der vom Gesetzgeber als Motiv für die Schaffung dieses Tatbestandes herangezogenen besonderen Gefährlichkeit (BTDrucks. 12/6853 S. 41) fehlen.
Dem kann jedoch nicht durch den Ausschluß mittäterschaftlicher Zurechnung nach § 25 Abs. 2 StGB sachgerecht entgegengewirkt werden. Denn es wäre systemwidrig, der sich aus der Weite des Begriffs des Handeltreibens ergebenden Gefahr einer übermäßigen Ausdehnung des Anwendungsbereichs des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG durch den Ausschluß der mittäterschaftlichen Zurechnung des Mitsichführens einer Schußwaffe oder eines sonstigen Gegenstandes im Sinne dieser Vorschrift zu begegnen. Die weite Auslegung des Begriffs des Handeltreibens gilt nämlich ebenso für Einzeltäter; auch bei deren Umgang mit Betäubungsmitteln kann es an der tatbestandsspezifischen Gefährlichkeit fehlen. Zum anderen würde sich diese mit Blick auf Anwendungsprobleme bei einer einzelnen Begehungsform des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (Handeltreiben) vorgenommene Einschränkung ohne sachliche Rechtfertigung auch auf alle anderen Tatbestandsvarianten, nämlich Einfuhr, Ausfuhr oder Sichverschaffen, auswirken (vgl. Weber NStZ 2002, 601, 602).
Ob eine einschränkende Auslegung in Fällen geboten sein mag, in denen die den Qualifikationstatbestand des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG begründende besondere Gefährlichkeit des – allein- oder mittäterschaftlich begangenen – Handeltreibens mit nicht geringen Mengen nicht gegeben ist (vgl. dazu Lenckner NStZ 1998, 257, 258; Paul NStZ 1998, 222; Zaczyk JR 1998, 256; Paeffgen in FS 50 Jahre BGH, Festgabe der Wissenschaft, Bd. IV S. 725; Hecker NStZ 2000, 208 f.; Nestler StV 2002, 504 f.; Endriß/Malek, Betäubungsmittelstrafrecht 2. Aufl. Rdn. 501), braucht der Große Senat im Rahmen der ihm gestellten Frage nicht zu beantworten.
Im übrigen bietet § 30 a Abs. 3 BtMG die Möglichkeit, ohne tatbestandliche Einschränkung in extrem untypisch gelagerten Fällen, die nicht aus anderen Gründen (z. B. Qualität und Menge des betroffenen Rauschgiftes) die Anwendung des Normalstrafrahmens nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG erfordern, die Verhängung der hohen Mindeststrafe von fünf Jahren zu vermeiden.
Unterschriften
Hirsch, Tepperwien, Tolksdorf, Rissing-van Saan, Nack, Detter, Häger, Maatz, Basdorf, Winkler, Wahl
Fundstellen
Haufe-Index 2559322 |
BGHSt 2004, 189 |
BGHSt |
NJW 2003, 1541 |
EBE/BGH 2003, 124 |
NStZ 2003, 435 |
Nachschlagewerk BGH |
JuS 2003, 1238 |
StV 2003, 282 |