Leitsatz (amtlich)
1. Über die Art der Sicherheitsleistung (§ 108 Abs. 1 ZPO) ist auch dann nicht nach § 719 Abs. 2 ZPO zu entscheiden, wenn der Beklagte gegen das Urteil, in dem ihm die Sicherheitsleistung vorbehalten ist (§ 713 Abs. 2 ZPO), Revision eingelegt hat.
2. Anordnungen über die Art der Sicherheitsleistung hat auch nach Revisionseinlegung das Gericht zu treffen, das die Sicherheitsleistung bestimmt hatte. In Ausnahmefällen kann aber auch das Revisionsgericht eine solche Anordnung erlassen.
Normenkette
ZPO §§ 108, 713 Abs. 2, § 719 Abs. 2
Tenor
Dem Beklagten G… wird gestattet, die ihm in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 11. Januar 1966 zur Abwendung der Zwangsvollstreckung vorbehaltene Sicherheitsleistung in Höhe von 27.300 DM durch Stellung der selbstschuldnerischen Bürgschaft einer Großbank oder eines öffentlichen Kreditinstituts zu erbringen.
Gründe
Das Oberlandesgericht hat dem zur Zahlung von 21.168 DM nebst Zinsen verurteilten Beklagten nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 27.300 DM abzuwenden. Nach Einlegung der Revision hat der Beklagte beim Oberlandesgericht beantragt, als Sicherheitsleistung eine Bankbürgschaft zuzulassen. Das Oberlandesgericht hat diesen Antrag durch Beschluß vom 17. Februar 1966 als unzulässig verworfen Der Beklagte beantragt nunmehr, der Bundesgerichtshof möge die vom Oberlandesgericht abgelehnte Anordnung treffen. Der Antrag des Beklagten ist mit der sich aus dem Beschlußsatz ergebenden Einschränkung sachlich gerechtfertigt.
Nach § 108 Abs. 1 ZPO kann das Gericht „in den Fällen der Bestellung einer prozessualen Sicherheit” nach freiem Ermessen bestimmen, in welcher Art und Höhe Sicherheit zu leisten ist. Die Zulassung einer Bankbürgschaft als Sicherheitsleistung bedarf einer besonderen Anordnung, wie sich aus Satz 2 der genannten Vorschrift ergibt. Es entspricht einhelliger Auffassung und insbesondere ständiger Übung der Gerichte, daß eine solche Anordnung auch nach dem Erlaß der die Sicherheitsleistung bestimmenden Entscheidung getroffen werden kann (vgl. RG Gruchot 40, 1189; Stein/Jonas/Pohle, ZPO 19. Aufl. § 108 Anm. II 2; Wieczorek, ZPO § 108 Anm. B II b 1). Das Berufungsgericht hält sich hier deshalb für gehindert, über das Begehren des Beklagten sachlich zu befinden, weil bereits Revision eingelegt war, bevor der Antrag auf Zulassung einer Bankbürgschaft als Sicherheitsleistung, beim Berufungsgericht gestellt wurde. Es meint, dieser Antrag verfolge dasselbe Ziel wie ein Antrag nach §§ 707, 719 ZPO; die entsprechende Anwendung dieser Bestimmungen sei daher geboten. Dieser Auffassung vermag der beschließende Senat nicht zu folgen. Von den, vom Berufungsgericht herangezogenen Bestimmungen kommt für die Revisionsinstanz allein § 719 Abs. 2 ZPO in Betracht. Diese Vorschrift betrifft aber nur die Einstellung der Zwangsvollstreckung noch Einlegung der Revision. Mit der Art der Sicherheitsleistung hat sie nichts zu tun. Es kann ihr nicht entnommen werden, daß eine Änderung der Entscheidung über die Art der Sicherheitsleistung nach Revisionseinlegung nur unter den dort bestimmten strengen Voraussetzungen (Glaubhaftmachung eines nicht zu ersetzenden Nachteils) zulässig sei. Ebensowenig ist sie dahin zu verstehen, daß nach Revisionseinlegung überhaupt nur noch eine Einstellung der Zwangsvollstreckung und nicht mehr eine Entscheidung über die Art der Sicherheitsleistung nach § 108 Abs. 1 ZPO in Betracht kommt. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist daher über Anträge auf Ergänzung oder Änderung einer Entscheidung über die Art der Sicherheitsleistung auch dann nach § 108 Abs. 1 ZPO zu entscheiden, wenn gegen das die Sicherheitsleistung anordnende Urteil Revision eingelegt worden ist.
Nach § 108 Abs. 1 ZPO kann „das Gericht” bestimmen, in welcher Art und Höhe Sicherheit zu leisten ist. Gericht im Sinne dieser Vorschrift ist stets das Gericht, das die Sicherheitsleistung angeordnet hat (überwiegende Meinung: vgl. OLG Hamburg, OLG 21, 104; OLG Celle SeuffA 79 Nr. 135 S. 221, 224 = ZZP 49, 222; KG ZZP 49, 225; OLG Celle NdsRpfl 1952, 4; Stein/Jonas/Pohle a.a.O.; Baumbach/Lauterbach, ZPO 27. Aufl. § 718 Anm. 2; einschränkend Wieczorek a.a.O.; a. A. OLG München SeuffA 71 Nr. 261 S. 456 f.; Zöller ZPO 9. Aufl. § 108 Anm. 2). Ob daneben immer auch das Rechtsmittelgericht zuständig ist, wenn gegen das Urteil, das die Sicherheitsleistung angeordnet hat, Berufung oder Revision eingelegt worden ist, bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Der beschließende Senat hält sich im vorliegenden Falle deshalb für befugt, über den Antrag des Beklagten sachlich zu befinden, weil das Oberlandesgericht sich zu Unrecht und in unanfechtbarer Weise (§ 567 Abs. 3 ZPO) einer sachlichen Entscheidung darüber enthalten hat. Die Entscheidung des Senats ist hier insbesondere deshalb erforderlich, weil der Kläger die Zwangsvollstreckung aus dem Berufungsurteil bereits eingeleitet hat. Würde in einem derartigen Ausnahmefall, auch das Revisionsgericht den Erlaß der Entscheidung ablehnen, so könnte dies zu einem Nachteil für den Revisionskläger führen, der ihm billigerweise nicht zugemutet werden kann.
Zur Währung des Sicherheitsinteresses der Klägerin war es geboten, dem im übrigen gerechtfertigten Antrag des Beklagten nur mit der Einschränkung stattzugeben, daß lediglich die selbstschuldnerische Bürgschaft einer Großbank oder eines öffentlichen Kreditinstituts zu, der ihm vorbehaltenen Sicherheitsleistung geeignet ist.
Fundstellen
Haufe-Index 609686 |
NJW 1966, 1028 |