Leitsatz (amtlich)
Bei einer unzulässigen Trennung i.S.v. § 145 ZPO kommt eine Berechnung der Rechtsmittelbeschwer aus dem einheitlichen Wert des Verfahrens vor der Trennung nur in Betracht, wenn sämtliche durch die Verfahrenstrennung geschaffenen Einzelverfahren in die Rechtsmittelinstanz gelangt sind.
Normenkette
ZPO §§ 145, 511 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Beschluss vom 19.06.2018; Aktenzeichen 36 S 2816/18 WEG) |
AG München (Urteil vom 30.01.2018; Aktenzeichen 484 C 1997/15 WEG) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des LG München I - 36. Zivilkammer - vom 19.6.2018 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 466,72 EUR.
Gründe
I.
Rz. 1
Der Beklagte ist Mitglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft. Das AG hat den Beklagten zur Zahlung rückständigen Hausgelds von 466,72 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verurteilt sowie festgestellt, dass die Hauptsache i.H.v. 33 EUR erledigt ist. Die von dem Beklagten zuvor mit Schriftsätzen vom 12.5.2015 und vom 8.1.2018 eingereichten Widerklagen hatte das AG abgetrennt. Das LG hat die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.
II.
Rz. 2
Nach Ansicht des Berufungsgerichts beträgt der Wert des Beschwerdegegenstandes 499,72 EUR (Zahlungsverurteilung 466,72 EUR zzgl. Erledigungsfeststellung i.H.v. 33 EUR) und übersteigt deshalb die Berufungssumme von 600 EUR (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) nicht. Die durch das AG abgetrennten Widerklagen seien bei der Berechnung der Berufungssumme nicht heranzuziehen. Die Prozesstrennung sei gem. § 145 ZPO zulässig gewesen, da kein rechtlicher Zusammenhang zwischen der auf Zahlung von Hausgeld gestützten Klage und den von dem Beklagten mit den Widerklagen geltend gemachten Gegenansprüchen bestehe. Ob der Einwand des Beklagten berechtigt sei, die Widerklagen hätten nicht abgetrennt werden dürfen, da sie mangels Zustellung noch nicht "erhoben" worden seien, bedürfe keiner Entscheidung. Fehle es an der Erhebung der Widerklagen, könnten sie jedenfalls nicht für die Berechnung der Berufungssumme herangezogen werden.
III.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig.
Rz. 4
1. Sie ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Zulässig ist sie aber nur, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 ZPO). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Rz. 5
2. Das Berufungsgericht ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht in entscheidungserheblicher Weise von der Rechtsprechung des BGH abgewichen. Einer Entscheidung des Senats zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung bedarf es deshalb unter diesem Gesichtspunkt nicht. Hierfür kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht die Abtrennung der Widerklagen deshalb als unzulässig hätte ansehen müssen, weil das AG - so die auf eine Entscheidung des BGH (Urt. v. 30.10.1956 - I ZR 82/55, NJW 1957, 183) gestützte Ansicht des Beklagten - anstelle der Abtrennung ein Teilurteil über die entscheidungsreife Klage hätte erlassen müssen. Selbst wenn dies der Fall wäre, hätte sich hierdurch die Beschwer des Beklagten nicht um den Wert der Widerklagen erhöht.
Rz. 6
a) Anders als der Beklagte meint, führt nämlich eine unzulässige Trennung i.S.v. § 145 ZPO - hier gem. Abs. 2 der Vorschrift - als solche nicht (gleichsam automatisch) dazu, dass sich die Rechtsmittelsumme aus dem Gesamtstreitwert der getrennten Verfahren errechnet. Eine solche Aussage lässt sich insb. dem Urteil des I. Zivilsenats vom 6.7.1995 (I ZR 20/93, NJW 1995, 3120) nicht entnehmen. Der Entscheidung lag eine willkürliche Trennung des Rechtsstreits in mehrere einzelne Verfahren durch ein Berufungsgericht zugrunde. Im Anschluss ergingen in sämtlichen durch die Verfahrenstrennung geschaffenen Einzelverfahren Urteile des Berufungsgerichts, die von der unterlegenen Partei angefochten wurden, so dass alle Einzelverfahren in die Revisionsinstanz gelangt waren. Bei dieser Sachlage konnten die aufgrund der willkürlichen und damit unwirksamen Verfahrenstrennung ergangenen Urteile des Berufungsgerichts als nur äußerlich getrennte Teile einer und derselben einheitlichen Entscheidung angesehen werden. Maßgebend für den Wert der Beschwer war hiernach die Summe der von der dortigen Klägerin in den jeweiligen Verfahren geltend gemachten Ansprüche (BGH, Urt. v. 6.7.1995 - I ZR 20/93, NJW 1995, 3120; vgl. hierzu auch Beschl. v. 3.7.1996 - VIII ZR 302/95, NJW 1996, 3216). Da eine Prozesspartei nur durch eine rechtskraftfähige Entscheidung beschwert sein kann, kommt bei einer unzulässigen Trennung i.S.v. § 145 ZPO eine Berechnung der Rechtsmittelbeschwer aus dem einheitlichen Wert des Verfahrens vor der Trennung nur in Betracht, wenn sämtliche durch die Verfahrenstrennung geschaffenen Einzelverfahren in die Rechtsmittelinstanz gelangt sind (vgl. BGH, Beschl. v. 3.7.1996 - VIII ZR 302/95, NJW 1996, 3216).
Rz. 7
b) Hier ist aber bislang nur eine Entscheidung über einen Teil des bisher einheitlichen Rechtsstreits ergangen und angefochten worden, nämlich über die Klage, während der abgetrennte Teil (Widerklagen) weiterhin in der unteren Instanz anhängig ist. Ob auch insoweit ein Urteil ergehen wird und welchen Inhalt dieses ggf. haben wird, insb., ob und inwieweit der Beklagte dadurch beschwert werden wird, ist derzeit ungewiss. Deshalb ist es nicht möglich, den von dem hier angegriffenen Urteil des AG nicht erfassten Teil des Streitgegenstandes bei der Berechnung der durch das Urteil geschaffenen Beschwer des Beklagten zu berücksichtigen.
Rz. 8
3. Der Rechtsstreit gibt auch keine Veranlassung, zur Fortbildung des Rechts eine Leitentscheidung zu der Frage der Bestimmung der Rechtsmittelfähigkeit von aus unzulässigen Verfahrenstrennungen resultierenden Urteilen zu treffen. Selbst wenn die Auffassung des Beklagten richtig wäre, dass sich eine wegen bestehender Entscheidungsreife unzulässige Verfahrenstrennung im Ergebnis als Teilurteil nach § 301 ZPO darstellte (vgl. BayObLG, Beschl. v. 22.5.1998 - 2Z BR 77/98, juris Rz. 12, 16), führte dies nicht zu einer höheren Beschwer des Beklagten. Abgesehen davon, dass der Erlass eines Teilurteils hier nicht unzulässig gewesen sein dürfte, liegt eine rechtskraftfähige Entscheidung nur bezogen auf die Klage vor (vgl. BGH Beschl. v. 3.7.1996 - VIII ZR 302/95, NJW 1996, 3216).
Rz. 9
4. Von einer weiteren Begründung wird gem. § 577 Abs. 6 Satz 3 ZPO abgesehen.
Fundstellen
Haufe-Index 13136567 |
NJW 2019, 10 |
FA 2019, 225 |
JZ 2019, 488 |
MDR 2019, 10 |
MDR 2019, 757 |
MDR 2019, 787 |
MietRB 2019, 203 |