Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten zu 2) wird der Beschluß des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 17. Dezember 1999 aufgehoben.
Dem Beklagten zu 2) wird gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt vom 28. Juni 1999 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
Die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil wird ohne Sicherheitsleistung eingestellt.
Gründe
I.
Dem Rechtsstreit liegt ein Arbeitsunfall zugrunde, bei dem ein Mitarbeiter der Beklagten zu 1) verletzt worden ist und der Beklagte zu 2) als Montageleiter für die Baustelle verantwortlich war. Das Landgericht hat durch Urteil vom 28. Juli 1999 beide Beklagte als Gesamtschuldner zur Zahlung einer Regreßforderung gemäß §§ 640 Abs. 1, 641 RVO in Höhe von 473.461,69 DM nebst Zinsen verurteilt. Gegen das beiden Beklagten am 2. Juli 1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte zu 1) am 30. Juli 1999 Berufung eingelegt. Der Beklagte zu 2) hat am 23. September 1999 Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Berufungsfrist sowie die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt.
Zur Begründung hat er vorgebracht, schon vor dem Prozeß habe ihm der damalige Geschäftsführer der Beklagten zu 1) auf seine Frage erklärt, er solle in dieser Angelegenheit nichts unternehmen, die Beklagte zu 1) werde sich darum kümmern. Nach Klagezustellung habe ihm der neue Geschäftsführer der Beklagten zu 1) auf erneutes Befragen erklärt, er stehe zu dieser Vereinbarung. Deshalb sei er davon ausgegangen, daß er selbst keinen Rechtsanwalt beauftragen müsse und dies auch für die Berufungsinstanz gelte. Tatsächlich habe die Beklagte zu 1) im ersten Rechtszug ihren damaligen Prozeßbevollmächtigten auch beauftragt, ihn gerichtlich zu vertreten. Der unmittelbar vor Zustellung des landgerichtlichen Urteils zum Mitgeschäftsführer bestellte Herr H. habe die Angelegenheit des Rechtsstreits „an sich gezogen” und nach erteilter Deckungszusage des Betriebshaftpflichtversicherers die nunmehrigen Prozeßbevollmächtigten mit der Einlegung der Berufung beauftragt, ohne dabei ausdrücklich zu erklären, daß die Berufung auch im Namen des Beklagten zu 2) eingelegt werden solle. Dieser habe erst durch ein Schreiben der Klägerin, in dem sie ihn unter Androhung der Zwangsvollstreckung zur Zahlung der Urteilssumme aufgefordert habe, erfahren, daß in seinem Namen keine Berufung eingelegt worden sei.
Der Beklagte zu 2) hat geltend gemacht, bei dieser Sachlage sei er ohne Verschulden an der Einhaltung der Berufungsfrist gehindert gewesen. Eine Verschuldenszurechnung gemäß § 85 Abs. 2 ZPO komme nicht in Betracht, da die Beklagte zu 1) ihn angewiesen habe, in dieser Angelegenheit keine weiteren Schritte zu unternehmen und sie mit der Übernahme der Prozeßführung auch von ihrem Direktionsrecht Gebrauch gemacht habe.
Das Berufungsgericht hat durch den angefochtenen Beschluß die Anträge auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und auf Einstellung der Zwangsvollstreckung zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen, weil die Beklagte zu 1) die erforderliche Klarstellung gegenüber dem Rechtsanwalt, daß die Berufung auch für den Beklagten zu 2) eingelegt werden solle, unterlassen habe und dieser sich das Versäumnis gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müsse.
Gegen den am 3. Januar 2000 zugestellten Beschluß hat der Beklagte zu 2) mit am 13. Januar 2000 eingegangenem Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt und erneut beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts ohne Sicherheitsleistung, hilfsweise gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 550.300 DM einstweilen einzustellen. Hierzu hat er unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung dargelegt, daß er bei seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nicht zur Sicherheitsleistung in der Lage sei und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde.
II.
1. Das zulässige Rechtsmittel erweist sich in der Sache als begründet.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gemäß § 233 ZPO vor, da der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden an der rechtzeitigen Einlegung der Berufung gehindert war. Er hat durch die von ihm vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen nämlich glaubhaft gemacht, daß er darauf vertrauen durfte, daß die Beklagte zu 1) rechtzeitig einen Rechtsanwalt mit der Einlegung der Berufung auch für ihn beauftragen werde.
Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß die Beklagte zu 1) dies beabsichtigt, tatsächlich jedoch dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten keinen ausdrücklichen Auftrag erteilt hat, die Berufung auch im Namen des Beschwerdeführers einzulegen. Dabei ist unter den Umständen des Streitfalls anzunehmen, daß diesen Rechtsanwalt die Verpflichtung zur Klarstellung traf, ob im Hinblick auf das erstinstanzliche Urteil, durch das beide Beklagten verurteilt worden waren, auch die Berufung von beiden Seiten eingelegt werden sollte, und daß eine solche Klarstellung von seiten des Anwalts nicht erfolgt ist. Ein sich hieraus ergebendes Verschulden des zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten kann jedoch dem Beschwerdeführer nicht zugerechnet werden, weil dieser Rechtsanwalt wegen des fehlenden Rechtsmittelauftrags nicht als sein Bevollmächtigter im Sinne des § 85 Abs. 2 ZPO angesehen werden kann.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts steht der beantragten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch nicht die Zurechnung eines Verschuldens der Beklagten zu 1) entgegen. Das Berufungsgericht will ein solches Verschulden darin sehen, daß die Beklagte zu 1) bei Erteilung des Rechtsmittelauftrags nicht klargestellt habe, daß dieser auch für den Beschwerdeführer gelten solle. Insoweit erweist sich zwar der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts als zutreffend, wonach die Partei außer für eigenes und das Verschulden ihres anwaltlichen Bevollmächtigten auch für das Verschulden eines Nichtanwalts einzustehen hat, dem sie es überlassen hat, einen Rechtsanwalt mit der Führung des Prozesses oder der Einlegung eines Rechtsmittels zu beauftragen (Senatsbeschluß vom 7. März 1995 – VI ZB 3/95 – NJW-RR 1995, 825, 826; BGH, Beschlüsse vom 1. Oktober 1983 – II ZR 122/83 – VersR 1983, 1082 f. und vom 10. Juli 1985 – IV ZB 102/84 – VersR 1985, 1185, 1186). Von daher könnte dem Beschwerdeführer ein Verschulden der Beklagten zu 1) grundsätzlich gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zugerechnet werden.
Ein nach dieser Vorschrift zurechenbares Verschulden ist jedoch unter den besonderen Umständen des Streitfalls zu verneinen. Nach den im Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 10. Juli 1985 (aaO) dargelegten Grundsätzen ist nämlich zu berücksichtigen, daß der den Rechtsmittelauftrag erteilende Mitgeschäftsführer H. erst kurz zuvor bestellt und ersichtlich juristisch unerfahren war, so daß er es unter dem Eindruck der soeben erteilten Deckungszusage des Betriebshaftpflichtversicherers für selbstverständlich halten konnte, daß die Berufung auch im Namen des Beschwerdeführers eingelegt wurde bzw. der dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten erteilte Auftrag zur Prozeßführung für beide Beklagten sich ohne weiteres gegenüber dem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten fortsetzen werde. Wenn insoweit zwischen der Beklagten zu 1) und ihrem zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten ein Dissens aufgetreten ist, von dem auch das Berufungsgericht ausgeht, so schließt dies, wie oben dargelegt, zwar eine Bevollmächtigung dieses Rechtsanwalts aus, ohne jedoch der Beklagten zu 1) zum Verschulden zu gereichen, zumal der Rechtsanwalt in eigener Verantwortung zur Prüfung des Rechtsmittelauftrags verpflichtet war.
Bei dieser Sachlage kommt die Zurechnung eines Verschuldens der Beklagten zu 1) gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 85 Abs. 2 ZPO ebensowenig in Betracht wie ein eigenes Mitverschulden des letzteren an der Fristversäumnis. Insbesondere traf diesen angesichts der Absprachen mit der Beklagten zu 1) keine Pflicht zur Vergewisserung über die Erteilung des Rechtsmittelauftrags in seinem Namen (vgl. BGH, Beschluß vom 19. September 1994 – II ZB 1/94 – NJW 1994, 3102).
2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts vom 28. Juni 1999 war ohne Sicherheitsleistung einzustellen, weil der Beklagte zu 2) glaubhaft gemacht hat, daß er zur Sicherheitsleistung nicht in der Lage ist und die Vollstreckung einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde (§ 707 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Unterschriften
Groß, Dr. Lepa, Dr. Müller, Dr. Dressler, Dr. Greiner
Fundstellen
Haufe-Index 538969 |
NJW 2001, 1946 |
NJW-RR 2001, 427 |
MittRKKöln 2001, 153 |