Entscheidungsstichwort (Thema)
Vaterschaftsanfechtungsverfahren. Nebenintervention des möglichen Erzeugers
Leitsatz (amtlich)
Im postmortalen Vaterschaftsanfechtungsverfahren nach §§ 621 Abs. 1 Nr. 10, 621a Abs. 1 ZPO, § 1600e Abs. 2 BGB, § 56c FGG ist es dem als Erzeuger des Kindes in Betracht kommenden Mann verwehrt, sich als Nebenintervenient mit dem Ziel der Abweisung der Klage zu beteiligen und gegen die stattgebende Entscheidung Beschwerde einzulegen.
Normenkette
ZPO §§ 66, 621 Abs. 1 Nr. 10, § 621a Abs. 1; BGB § 1600e Abs. 2; FGG § 20 Abs. 1, § 56c
Verfahrensgang
OLG Dresden (Beschluss vom 11.09.2003; Aktenzeichen 22 UF 494/03) |
AG Weißwasser (Beschluss vom 19.06.2003; Aktenzeichen 2 F 205/03) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 22. Zivilsenats - Familiensenat - des OLG Dresden vom 11.9.2003 wird auf Kosten des Rechtsbeschwerdeführers zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 3.000 EUR
Gründe
I.
[1] Der Antragsteller ist am 12.10.1963 während der Ehe seiner Mutter mit dem am 7.9.1970 verstorbenen H. geboren worden. Er hat die Feststellung beantragt, dass H. nicht sein Vater sei. Dabei hat der Antragsteller geltend gemacht, erst im Oktober 2002 erfahren zu haben, sein leiblicher Vater sei B. Mit diesem habe seine Mutter während der Empfängniszeit ein außereheliches Verhältnis gehabt.
[2] Das AG - Familiengericht - hat die Mutter des Antragstellers und B. als Zeugen vernommen. Die Mutter hat ausgesagt, in der gesetzlichen Empfängniszeit vom 16.12.1962 bis 14.4.1963 außer mit ihrem Ehemann auch einmal, nämlich am 14.1.1963, mit B. verkehrt zu haben. Als sie schwanger geworden sei, habe sie sogleich vermutet, dass das Kind von B. abstamme. Dieser hat bei seiner Vernehmung den Verkehr mit der Mutter des Antragstellers eingeräumt, aber bekundet, sich nicht daran zu erinnern, wann dieser stattgefunden habe.
[3] Daraufhin hat das AG mit am 19.6.2003 verkündetem Beschluss dem Antrag mit der Begründung entsprochen, aufgrund der glaubhaften Darstellung der Kindesmutter stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Verkehr mit B. am 14.1.1963 zur Empfängnis geführt habe. Die Kindesmutter habe nämlich ausgeschlossen, dass ihr verstorbener Ehemann der Vater des Antragstellers sei.
[4] Mit am 30.6.2003 beim AG - Familiengericht - eingegangenem Schriftsatz erklärte B., er trete dem Anfechtungsverfahren auf Seiten des verstorbenen H. als Nebenintervenient bei und beantrage, "die Klage abzuweisen". Nach gerichtlichem Hinweis auf den bereits erfolgten Verfahrensabschluss hat B. mit am 23.7.2003 beim OLG eingegangenem Schriftsatz als Nebenintervenient "für den Antragsgegner" befristete Beschwerde gegen den Beschluss vom 19.6.2003 eingelegt, vorsorglich für den Fall der Fristversäumung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und sich u.a. darauf berufen, der Antragsteller habe entgegen seinem Vorbringen die Anfechtungsfrist des § 1600b Abs. 1 BGB versäumt. Das OLG hat das Rechtsmittel als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des B.
II.
[5] Die statthafte (§§ 621e Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
[6] 1. Das OLG ist der Auffassung, B. könne dem Verfahren nicht als Nebenintervenient beitreten und auch nicht in dieser Eigenschaft Rechtsmittel gegen die Entscheidung des AG einlegen. Da der Antragsteller eine Klage auf Anfechtung der Vaterschaft gegen H. nur zu dessen Lebzeiten hätte erheben können, dieser aber bei Antragstellung bereits verstorben gewesen sei, sei das Anfechtungsverfahren als einseitiges Antragsverfahren nach §§ 621a Abs. 1 ZPO, 56c FGG durchzuführen. In diesem Verfahren fehle es aber an einem Antragsgegner, auf dessen Seite B. entsprechend seinem Interesse an einer erfolglosen Anfechtung beitreten könne. Im Übrigen sei B. als potentieller Vater auch nicht wegen Verletzung subjektiver Rechte beschwerdeberechtigt (§ 20 Abs. 1 FGG). Erst durch die Anerkennung oder die gerichtliche Feststellung der Vaterschaft werde eine rechtsbedeutsame Stellung zwischen B. und dem Antragsteller begründet, nicht aber bereits durch die erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft des verstorbenen H. Das AG habe B. deshalb auch nicht zwingend am Anfechtungsverfahren beteiligen müssen.
[7] Das hält der rechtlichen Nachprüfung und den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
[8] 2. Das OLG hat zu Recht angenommen, dass B. nicht beschwerdeberechtigt ist. Die Beschwerdeberechtigung ergibt sich insb. nicht aus einer Befugnis des B. zur Nebenintervention.
[9] a) Im zivilprozessualen Anfechtungsverfahren (§ 640 Abs. 1, 2 Nr. 2 ZPO) kann der als Erzeuger des Kindes in Betracht kommende Mann sich gem. § 66 ZPO als (einfacher, nicht streitgenössischer) Nebenintervenient an dem Rechtsstreit beteiligen und in dieser Eigenschaft Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen (h.M., vgl. Senatsbeschlüsse BGHZ 92, 275, 276 = FamRZ 1985, 61; vom 4.7.2007 - XII ZB 68/04 - zur Veröffentlichung bestimmt, und vom 23.3.1988 - IVb ZB 169/86 - veröffentlicht bei juris; ferner BGHZ 76, 299, 301 ff. = FamRZ 1980, 559 f.; BGHZ 83, 391, 395 = FamRZ 1982, 692, 693; BGH Urteile vom 29.10.1981 - IX ZR 83/80 - FamRZ 1982, 47, 48 und vom 19.2.1987 - IX ZR 33/86 - NJW-RR 1988, 898 f.; OLG Köln FamRZ 2003, 536, 537; OLG Oldenburg FamRZ 2005, 1841 und FamRZ 2004, 1985, 1986; MünchKomm/Coester-Waltjen ZPO 2. Aufl. § 640e Rdn. 3; Zöller/Philippi ZPO 26. Aufl. § 640e Rdn. 9; Staudinger/Rauscher BGB 2004 § 1600e Rdn. 88). In welcher Parteirolle das Kind und der rechtliche Vater nach §§ 1592 Nr. 1, 2, 1593 BGB am Rechtsstreit teilnehmen, ist dabei unerheblich. Der potentielle biologische Vater kann deshalb dem Prozess bei Anfechtungsklagen des Kindes auch auf Seiten des beklagten Mannes beitreten und das Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen, dass die Klage abgewiesen wird (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2007 - XII ZB 68/04 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGH Urteil vom 29.10.1981 - IX ZR 83/80 - FamRZ 1982, 47, 48; OLG Köln FamRZ 2003, 536, 537).
[10] b) Vorliegend war der nach § 1592 Nr. 1 BGB als Vater des Antragstellers geltende H., gegen den (zu Lebzeiten) eine Vaterschaftsanfechtungsklage hätte erhoben werden können, allerdings bereits verstorben. Das Verfahren ist deshalb nach § 1600e Abs. 2 BGB, § 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 56c FGG als einseitiges Antragsverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit durchzuführen. Die von B. beabsichtigte Nebenintervention ist im Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht geregelt. Jedoch sind die Bestimmungen der Zivilprozessordnung im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - soweit ihre Anwendung nicht ausdrücklich vorgesehen ist - entsprechend heranzuziehen, wenn eine Regelungslücke besteht, die eine Anwendung dieser Normen ungeachtet der Besonderheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit zur sachgerechten Verfahrensgestaltung gebietet (BGH Beschluss vom 14.12.1989 - IX ZB 40/89 - NJW 1990, 1794, 1795; OLG Hamm FamRZ 1991, 844 f.; Keidel/Meyer-Holz FGG 15. Aufl. Vorb. §§ 8-18 Rdn. 3 ff.). Vor diesem Hintergrund befürworten Rechtsprechung und Literatur die analoge Anwendung der §§ 66-74 ZPO bei einem rechtlichen Interesse des Beitretenden am Verfahrensausgang nur für sog. echte Streitverfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (vgl. BGHZ 38, 110, 111; BayObLG ZIP 2002, 127, 128; OLG Hamm a.a.O. S. 845.; OLG Schleswig NJW-RR 2000, 43, 44; Bassenge/Herbst FGG/RPflG 10. Aufl. Einl. FGG Rdn. 29), weil sich hier die Beteiligten wie im Zivilprozess mit entgegengesetzten Interessen gegenüberstehen, über die das Gericht zu entscheiden hat (vgl. OLG Hamm FamRZ 1991, 844, 845).
[11] c) Hingegen kann der als Erzeuger des Kindes in Betracht kommende Mann im postmortalen Anfechtungsverfahren des Kindes schon deshalb nicht entsprechend §§ 66 ff. ZPO auf Seiten des verstorbenen rechtlichen Vaters beitreten, weil dieser - da schon verstorben - im einseitigen Antragsverfahren nach §§ 621 Abs. 1 Nr. 10, 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO, § 1600e Abs. 2 BGB i.V.m. § 56c FGG nicht Partei sein kann. Hier fehlt es an einer mit der zivilprozessualen Nebenintervention vergleichbaren Sachlage, bei der ein Streithelfer sein Interesse daran verfolgt, dass in einem zwischen anderen Personen anhängigen Verfahren die eine oder die andere Partei obsiegt.
[12] Auch erhielte B. durch die Zulassung als Nebenintervenient eine Verfahrensstellung, die ihm sämtliche Befugnisse eines Beklagten im zivilprozessualen Anfechtungsverfahren verschaffen würde. Seine Prozesshandlungen, insb. die Entscheidung, Rechtsmittel einzulegen, könnten dann nicht entsprechend § 67 Halbs. 2 ZPO daran gemessen werden, ob sie den Erklärungen und Handlungen des "unterstützten" - jedoch bereits verstorbenen - Beklagten widersprächen. Zudem müsste für ihn dann - in Ermangelung einer Zustellung der Entscheidung an den unterstützten "Hauptbeteiligten" - eine eigene Rechtsmittelfrist gelten. Eine derart selbständige Verfahrensstellung des biologischen Vaters lässt sich im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht mit einer entsprechenden Anwendung der §§ 66 ff. ZPO begründen, denn er kann im zivilprozessualen Anfechtungsverfahren allenfalls unselbständiger Nebenintervenient sein (vgl. für den Beitritt auf Seiten des Kindes Senatsbeschlüsse BGHZ 92, 275, 276 ff. = FamRZ 1985, 61; vom 4.7.2007 - XII ZB 68/04 - zur Veröffentlichung bestimmt und vom 23.3.1988 - IVb ZB 169/86 - (juris); OLG Oldenburg FamRZ 2005, 1841; OLG Hamm FamRZ 2002, 30 f.; Münch-Komm/Coester-Waltjen a.a.O. § 640e Rdn. 4; Zöller/Philippi a.a.O. § 640e Rdn. 9; Musielak/Weth ZPO 5. Aufl. § 69 Rdn. 5; a.A. Musielak/Borth a.a.O. § 640e Rdn. 2; Stein/Jonas/Schlosser ZPO 21. Aufl. § 640e Rdn. 7).
[13] aa) Eine streitgenössische, nicht den Beschränkungen des § 67 Halbs. 2 ZPO unterliegende Nebenintervention (§ 69 ZPO) setzt voraus, dass nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts die Rechtskraft der im Hauptprozess erlassenen Entscheidung auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zum Gegner von Wirksamkeit ist. Die erfolgreiche Vaterschaftsanfechtung des Kindes lässt zwar die Sperrwirkung des § 1592 Nr. 1 BGB entfallen und ist damit Voraussetzung für ein späteres Vaterschaftsfeststellungsverfahren gegen einen Dritten (§§ 1599 Abs. 1, 1600d Abs. 1 BGB). Dennoch hat die nach § 640h Abs. 1 Satz 1 ZPO für und gegen alle wirkende Rechtskraft der Anfechtungsentscheidung keine Auswirkungen auf ein bestehendes Rechtsverhältnis zwischen dem potentiellen biologischen Vater als Streithelfer des beklagten rechtlichen Vaters und dem klagenden Kind. Die Sperrwirkung des § 1592 Nr. 1 BGB schützt nicht den mutmaßlichen biologischen Vater, sondern dient dem Familienfrieden und dem Wohl des Kindes (vgl. zu § 1593 BGB a.F. Senatsbeschluss BGHZ 92, 275, 278). Auch wenn nach Wegfall dieser Sperrwirkung für ein späteres Vaterschaftsfeststellungsverfahren rechtskräftig feststeht, dass das Kind rechtlich nicht dem bisherigen Scheinvater zuzuordnen ist (Senatsbeschluss vom 4.7.2007 - XII ZB 68/04 - zur Veröffentlichung bestimmt), bleibt der Status des als Erzeuger des Kindes in Betracht kommenden Mannes durch die erfolgreiche Anfechtung zunächst unberührt. Er kann in einem späteren Feststellungsverfahren nach § 1600d Abs. 1 BGB seine eigene biologische Vaterschaft bestreiten, ohne dass die Erforschung der wahren Abstammungsverhältnisse unter Einbeziehung des im erfolgreichen Anfechtungsverfahren als Hauptpartei beteiligten Mannes ausgeschlossen ist (Senatsbeschluss vom 4.7.2007 - XII ZB 68/04 - zur Veröffentlichung bestimmt; BGHZ 83, 391, 394; Senatsbeschluss vom 2.3.1994 - XII ZR 207/92 - FamRZ 1994, 694, 695; MünchKomm/Coester-Waltjen a.a.O. § 640h Rdn. 10; Staudinger/Rauscher a.a.O. § 1600e Rdn. 87; Saenger/Kemper Hk-ZPO 2. Aufl. § 640h Rdn. 5; a.A. MünchKomm/Seidl BGB 4. Aufl. § 1592 Rdn. 59; Musielak/Borth ZPO 5. Aufl. § 640h Rdn. 2; Zöller/Philippi a.a.O. § 640h Rdn. 3; Erman/Holzhauer BGB 11. Aufl. § 1599 Rdn. 5; für das bis 30.6.1998 geltende Recht Stein/Jonas/Schlosser a.a.O. § 640e Rdn. 7).
[14] bb) Die Annahme einer streitgenössischen Nebenintervention lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, der potentielle biologische Vater könne sich in einem späteren Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht mehr darauf berufen, das klagende Kind habe die zweijährige Anfechtungsfrist versäumt. Die Ausschlussfrist des § 1600b BGB dient nicht dem Interesse des mutmaßlichen Erzeugers, der Feststellung seiner Vaterschaft oder möglichen Unterhaltsansprüchen zu entgehen (vgl. BGH Beschluss vom 26.10.2006 - III ZR 49/06 - FamRZ 2007, 36). Sie soll vielmehr im Interesse des betroffenen Kindes den Familien- und Rechtsfrieden wahren, indem innerhalb eines vorgegebenen Zeitraumes eine Entscheidung darüber herbeizuführen ist, ob der bestehende Status beibehalten oder geändert werden soll (Senatsbeschluss BGHZ 92, 275, 278; BGHZ 14, 358, 360; vgl. auch BT-Drucks. 13/4899, 87 f.). Auch falls der Antragsteller vorliegend falsche Angaben zu den die Frist des § 1600b Abs. 1 BGB in Lauf setzenden Umständen gemacht und die Entscheidung des AG arglistig erschlichen haben sollte, kann der B. daraus folglich nichts für sich herleiten (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2007 - XII ZB 68/04 - zur Veröffentlichung bestimmt; OLG Hamm FamRZ 2002, 30, 31; OLG Jena FamRZ 2006 S. 1602; OLG Saarbrücken NJW-RR 2005, 1672, 1673; Staudinger/Rauscher BGB 2004 § 1600e Rdn. 87).
[15] d) Dass der als Erzeuger des Kindes in Betracht kommende Mann somit im zivilprozessualen Anfechtungsverfahren als Nebenintervenient Streitstoff zur Wahrnehmung seiner berechtigten Interessen beibringen kann, während ihm im postmortalen Anfechtungsverfahren ein Beitritt verwehrt ist, bedeutet - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - keine Art. 3 Abs. 1 GG verletzende Ungleichbehandlung. Ihre sachliche Rechtfertigung findet die fehlende Möglichkeit zum Beitritt in der besonderen verfahrensrechtlichen Ausgestaltung der postmortalen Vaterschaftsanfechtung, die als einseitiges Antragsverfahren eine Beteiligung des (verstorbenen) rechtlichen Vaters als Hauptpartei nicht kennt.
[16] Dagegen bestehen auch sonst keine verfassungsrechtlichen Bedenken. B. kann sich insb. nicht auf den aus Art. 103 Abs. 1 GG folgenden Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs berufen, obwohl er - wie ein potentieller Vater im zivilprozessualen Anfechtungsverfahren - ein rechtliches Interesse an der Zurückweisung des Anfechtungsantrags hat. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist das verfahrensmäßige Gegenstück zu der Befugnis, Rechte zu Lasten anderer geltend zu machen (BGHZ 83, 391, 393 f. = FamRZ 1982, 692, 693). Anders als das weit auszulegende, auch bei mittelbaren Beeinträchtigungen gegebene "rechtliche Interesse" nach § 66 ZPO (Zöller/Vollkommer a.a.O. § 66 Rdn. 8) setzt er voraus, dass eine gerichtliche Entscheidung unmittelbar in die Rechtsstellung einer Person eingreift (vgl. BVerfGE 21, 132, 137 = FamRZ 1967, 135; und 65, 227, 233 = NJW 1984, 719; Keidel/Schmidt a.a.O. § 12 Rdn. 141). Damit ist der Anspruch auf rechtliches Gehör an die Person des sachlich Betroffenen gebunden (BGHZ 83, 391, 394 = FamRZ 1982, 692, 693). In die Rechtsstellung des potentiellen biologischen Vaters greift die der Anfechtung stattgebende Entscheidung indessen aus den unter II. 2b) dargestellten Gründen nicht unmittelbar ein; er ist deshalb weder sachlich betroffen noch materiell am Verfahren beteiligt (BayObLG FamRZ 1992, 984, 985 und 1997, 1173, 1174; Keidel/Engelhardt a.a.O. § 56c Rdn. 20; Jansen/Sonnenfeld FGG 3. Aufl. § 56c Rdn. 31; a.A. für das ZPO-Verfahren: Zöller/Philippi a.a.O. § 640e Rdn. 2 i.V.m. § 640h Rdn. 8; Stein/Jonas/Schlosser a.a.O. § 640e Rdn. 7). Deshalb ist der Gesetzgeber auch nicht verpflichtet, dem biologischen Vater durch geeignete Verfahrensvorschriften die Möglichkeit zu verschaffen, dem postmortalen Anfechtungsverfahren zur Wahrnehmung der Interessen des verstorbenen Scheinvaters oder seiner eigenen Interessen beizutreten.
[17] Durch die fehlenden Verfahrensbefugnisse wird B. schließlich nicht in seinem verfassungsrechtlich geschützten Elternrecht verletzt (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG). Auf das Elternrecht kann sich nur berufen, wer bereit ist, gegenüber seinem Kind Pflichten zu tragen (BVerfGE 108, 82, 102 = FamRZ 2003, 816, 819). Das entgegengesetzte Begehren des B., mit einer Beteiligung am Anfechtungsverfahren die Zurückweisung des Antrags sicherzustellen und ein gegen ihn gerichtetes Vaterschaftsfeststellungsverfahren zu verhindern, wird vom Schutzbereich des Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG nicht umfasst (vgl. Senatsbeschluss vom 4.7.2007 - XII ZB 68/04 - zur Veröffentlichung bestimmt).
[18] 3. Im postmortalen Anfechtungsverfahren des Kindes nach §§ 621a Abs. 1 Satz 1 ZPO, 56c FGG werden der als Erzeuger des Kindes in Betracht kommende Mann sowie die Mutter allerdings im Rahmen des nach § 12 FGG bestehenden Amtsermittlungsgrundsatzes (vgl. Jansen/Sonnenfeld a.a.O. § 56c Rdn. 33) in der Regel als Zeugen zu hören sein. Das Gericht kann ihre Aussagen dabei entsprechend § 640d ZPO auch gegen den Willen des anfechtenden Kindes berücksichtigen, wenn sie geeignet sind, der Anfechtung entgegengesetzt zu werden.
[19] Ein eigenes Beschwerderecht des biologischen Vaters ließe sich indessen auch nicht mit einer Verletzung des Untersuchungsgrundsatzes begründen. Beim erfolgreichen postmortalen Anfechtungsverfahren bestimmt sich die Beschwerdeberechtigung nach § 20 Abs. 1 FGG (Keidel/Engelhardt a.a.O. § 56c Rdn. 27); danach muss der Beschwerdeführer durch die Anfechtungsentscheidung in eigenen Rechten unmittelbar betroffen sein (vgl. Senatsbeschluss vom 18.1.1989 - IVb ZB 208/87 - FamRZ 1989, 369, 370; BGHZ 135, 107, 109 f. = NJW 1997, 1855; BayObLG FamRZ 1997, 1173, 1174). Das ist hier nicht der Fall, denn der Status des biologischen Vaters bleibt durch die Anfechtungsentscheidung zunächst unberührt. Zu Recht hat das OLG deshalb die von B. als vermeintlichem Nebenintervenienten eingelegte befristete Beschwerde auch nicht entsprechend § 140 BGB in ein eigenes Rechtsmittel des B. umgedeutet, zumal dieser im Verfahren vor dem OLG mehrfach klargestellt hat, die Beschwerde "nicht im eigenen Namen, sondern für den Antragsgegner" einzulegen.
Fundstellen
Haufe-Index 1801206 |
BGHZ 2008, 90 |