Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch eines Insolvenzverwalters auf Prozesskostenhilfe zwecks Einziehung einer Forderung des Schuldners bei Möglichkeit der Beseitigung der bestehenden Massekostenarmut bei Stattgabe der beabsichtigten Klage
Leitsatz (redaktionell)
Dem Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe zum Zwecke der Einziehung einer Forderung des Schuldners nicht versagt werden, wenn eine bestehende Massekostenarmut Im Falle des Erfolgs der beabsichtigten Klage beseitigt werden kann.
Normenkette
ZPO § 119 Abs. 1 S. 2, § 522 Abs. 2, § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 577 Abs. 4 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Klägers wird der Beschluss des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Juni 2012 aufgehoben, soweit dem Kläger die beantragte Prozesskostenhilfe versagt worden ist.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 768,26 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Rz. 1
Der Kläger ist Verwalter in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der P.-GmbH (künftig: Schuldnerin). Er focht Mietzahlungen der Schuldnerin an die Beklagte unter anderem nach § 133 InsO an. Nachdem ihm Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, verklagte er die Beklagte auf Zahlung von 54.380 EUR nebst Zinsen. Die Klage hatte vor dem Landgericht Erfolg.
Rz. 2
Die Beklagte hat Berufung eingelegt; der Kläger hat beantragt, die Berufung zurückzuweisen und ihm für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Nachdem die Beklagte ihr Rechtsmittel begründet hatte, hat das Berufungsgericht am 19. Juni 2012 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO den Hinweis erteilt, dass es beabsichtige, die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil durch Beschluss zurückzuweisen. Gleichzeitig hat es die Gewährung von Prozesskostenhilfe für den Kläger abgelehnt und im Hinblick auf die Versagung der Prozesskostenhilfe die Rechtsbeschwerde zugelassen. Die Berufung der Beklagten gegen das angefochtene Urteil hat das Berufungsgericht durch Beschluss vom 14. August 2012 zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Rz. 3
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthaft, weil das Berufungsgericht sie zugelassen hat. Zwar kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht. Das ist hier indes der Fall, weil der Kläger geltend macht, die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe lägen vor (vgl. BGH, Beschluss vom 30. Juni 2010 – XII ZB 80/08, nv Rn. 3 f). Die Rechtsbeschwerde ist auch im Übrigen zulässig (§ 575 Abs. 1 bis 3 ZPO).
Rz. 4
Sie bleibt auch zulässig, obwohl das Berufungsgericht zwischenzeitlich die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückgewiesen hat. Zwar kann Prozesskostenhilfe grundsätzlich nur für ein bevorstehendes oder laufendes Verfahren bewilligt werden. Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Antragsteller rechtzeitig im laufenden Verfahren Prozesskostenhilfe beantragt und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse dargelegt und belegt hat. Dann kann auch noch rückwirkend und nach Abschluss der Instanz Prozesskostenhilfe bewilligt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 30. September 1981 – IVb ZR 694/80, NJW 1982, 446 unter II. 1; vom 7. März 2012 – XII ZB 391/10, NJW 2012, 1964 Rn. 10).
Rz. 5
Der Bewilligung der Prozesskostenhilfe steht ebenso wenig entgegen, dass das Berufungsgericht nach § 522 Abs. 2 ZPO verfahren ist. Dem Berufungsbeklagten kann nach Eingang der Rechtsmittelbegründung Prozesskostenhilfe zur Verteidigung gegen die Berufung nicht mit der Begründung versagt werden, eine Entscheidung über die Zurückweisung der Berufung durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO stehe noch aus (BGH, Beschluss vom 28. April 2010 – XII ZB 180/06, FamRZ 2010, 1147 Rn. 19 ff).
III.
Rz. 6
Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg; sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
Rz. 7
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, dem Antragsteller könne Prozesskostenhilfe nicht bewilligt werden. Zwar sei die Erfolgsaussicht gemäß § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht zu prüfen, weil der erstinstanzlich siegreiche Kläger lediglich Prozesskostenhilfe zur Abwehr der Berufung der Beklagten begehre. Doch lägen die persönlichen Voraussetzungen der Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht vor. Das Insolvenzverfahren hätte bei einer Masse von Null nicht eröffnet werden dürfen, weil eine Masse zur Deckung der Verfahrenskosten nicht vorgelegen habe. Etwaige im Klageweg, nämlich durch Anfechtungsklagen, durchzusetzende mögliche Massemehrungen hätten außer Betracht zu bleiben.
Rz. 8
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Einem Insolvenzverwalter kann Prozesskostenhilfe zwecks Einziehung einer Forderung des Schuldners nicht versagt werden, wenn eine bestehende Massekostenarmut bei Stattgabe der beabsichtigten Klage beseitigt werden kann.
Rz. 9
Schon aus dem vom Beschwerdegericht angeführten Beschluss des Senats vom 16. Juli 2009 (IX ZB 221/08, NZI 2009, 602 Rn. 4) ergibt sich, dass ein Kläger bei Massekostenarmut nur dann keinen Anspruch auf Prozesskostenhilfe hat, wenn die Durchsetzung eines Anfechtungsanspruchs nicht dazu geeignet ist, die Massekostenarmut zu beseitigen. Diese Ansicht hat der Senat durch Beschluss vom 22. November 2012 mit näherer Begründung bekräftigt (IX ZB 62/12, NZI 2013, 79 Rn. 6 ff [BGH 22.11.2012 – IX ZB 62/12]).
Rz. 10
Da vorliegend der Klage erstinstanzlich stattgegeben worden war, musste das Berufungsgericht nach § 119 Abs. 1 Satz 2 ZPO nicht prüfen, ob die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint. Es müssen nur die persönlichen Voraussetzungen der §§ 114, 115, 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegen. Ob dies der Fall ist, hat das Berufungsgericht bislang nicht untersucht; davon ist deswegen für die Rechtsbeschwerdeinstanz auszugehen.
IV.
Rz. 11
Die Sache ist mangels Endentscheidungsreife gemäß § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, das zu prüfen haben wird, ob die Voraussetzungen des § 116 Satz 1 Nr. 1 ZPO vorliegen und die zwischenzeitlich titulierten Ansprüche wirtschaftlich durchsetzbar sind (vgl. BGH, Beschluss vom 22. November 2012, aaO Rn. 13; vom 7. Februar 2013 – IX ZB 48/12, ZInsO 2013, 496 Rn. 6 f).
Unterschriften
Kayser, Gehrlein, Fischer, Grupp, Möhring
Fundstellen