Entscheidungsstichwort (Thema)
Mord
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Rostock vom 22. September 2000, soweit es ihn betrifft, im Ausspruch über die besondere Schuldschwere mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Schwurgerichtskammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, daß die Schuld besonders schwer wiege (§ 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB). Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner wirksam auf den Ausspruch über die besondere Schuldschwere beschränkten Revision (zur Zulässigkeit der Beschränkung BGHSt 39, 208; 41, 57), mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
Die Begründung, mit der das Landgericht die besondere Schuldschwere im Sinne des § 57 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB bejaht hat, hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zwar obliegt es dem Tatrichter, unter Würdigung aller hierfür erheblichen Umstände die Schuld des Angeklagten im Sinne des § 57 a StGB zu gewichten; das Revisionsgericht darf seine Wertung nicht an die Stelle derjenigen des Tatrichters setzen (st. Rspr.; BGHSt 40, 360, 370; 42, 226, 227; BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 11, 18 jew. m.w.N.). Doch auch nach diesem eingeschränkten Prüfungsmaßstab erweist sich die tatrichterliche Entscheidung als rechtsfehlerhaft.
Das Landgericht hat dem Angeklagten zwar zu Recht angelastet, daß er zwei – hier voneinander unabhängige – Mordmerkmale, nämlich Heimtücke und Habgier, erfüllt hat. Ob dies im konkreten Fall für sich die Bejahung der besonderen Schuldschwere hätte tragen können (vgl. dazu Senatsurteil BGHR StGB § 57 a Abs. 1 Schuldschwere 10, insoweit in BGHSt 39, 208 nicht mit abgedruckt), steht dahin; denn das Landgericht hat hierauf nicht entscheidend abgestellt, sondern diesen Umstand, wie sich aus der einleitenden Wendung: „Hinzu kommt …” (UA 38) ergibt, nur ergänzend herangezogen. Die somit für die Entscheidung tragenden Erwägungen, mit denen das Landgericht die besondere Schuldschwere begründet, weisen aber zwei durchgreifende Rechtsfehler auf:
Das Landgericht hält dem Angeklagten zugute, „daß er geständig war und Aufklärungshilfe geleistet hat”. Das Gewicht der „Reue, die er verbalisiert hat,” schränkt es jedoch mit der Erwägung ein, sie sei „erheblich emotionslos: ≪Der Angeklagte≫ vermittelte den Eindruck, als betrachte er das Geschehene als irgendein geschichtliches Ereignis, angesichts dessen ohnehin nichts anderes übrigbleibe, als zur Tagesordnung überzugehen” (UA 37). Damit hat das Landgericht letztlich eine Vermutung („Eindruck”) zu Lasten des Angeklagten gewertet und dabei verkannt, daß auch für die Gewichtung der Strafzumessungsschuld, die Grundlage auch der Schuldschwerebeurteilung nach § 57 a StGB ist (BGHSt 42, 226, 228 f.), der Zweifelsgrundsatz uneingeschränkt gilt (vgl. Lackner/Kühl StGB 23. Aufl. § 46 Rdn. 32 m.w.N.). Im übigen erscheint es fraglich, ob es überhaupt möglich ist, aus dem Verhalten eines Angeklagten im Verfahren für ihn nachteilige sichere Schlüsse auf seine Einstellung zur Tat ziehen zu können (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 1995 – 4 StR 688/95 – und vom 7. Januar 1997 – 4 StR 601/96). Dafür daß der Angeklagte aufgrund seiner Persönlichkeit möglicherweise nur nicht in der Lage ist, eine emotionale Beteiligung nach außen zu vermitteln, könnte hier sprechen, daß er trotz der „gefühllose(n) Art”, mit der er seinem Schwager wenige Tage nach dem Mord von der Tat berichtete, den Eindruck machte, er habe sich „alles von der Seele reden” wollen (UA 19).
Darüber hinaus lastet das Landgericht dem Angeklagten ebenso wie dem Mitangeklagten an, sie hätten „lange Zeit Gelegenheit (gehabt), sich mit der Bedeutung ihrer Tat vertraut zu machen; Bedenken sind ihnen offenbar nicht gekommen. (…) Selbst die lange Fahrt zum Sterbeort ihres Opfers vermochte die äußerst kaltblütig agierenden Angeklagten nicht aus der Ruhe zu bringen” (UA 38). Damit wertet es zu Lasten des Angeklagten, daß er die Tat überhaupt begangen hat, anstatt von deren Begehung Abstand zu nehmen. Dies verstößt gegen das – auch im Rahmen der Schuldschwerebeurteilung nach § 57 a StGB zu beachtende (BGHSt 42, 226) – Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB (BGH NStZ 1983, 364; StV 1997, 129; Senatsbeschluß vom 1. März 2001 – 4 StR 36/01).
Auf diesen aufgezeigten Rechtsfehlern beruht der den Beschwerdeführer betreffende Ausspruch über die besondere Schuldschwere, weshalb über diesen Teil des Rechtsfolgenausspruchs neu zu entscheiden ist.
Unterschriften
Meyer-Goßner, Maatz, Athing, Solin-Stojanovi[cacute], Ernemann
Fundstellen
Haufe-Index 584455 |
NStZ-RR 2001, 296 |
StV 2003, 18 |