Entscheidungsstichwort (Thema)

fehlende Bezeichnung der Parteirollen. Berücksichtigung von weiteren Anhaltspunkten. feste Übung. Reihenfolge der Nennung der Parteien im Berufungsverfahren

 

Leitsatz (redaktionell)

Lässt die Berufungsschrift bei fehlender Bezeichnung der Parteirollen nicht erkennen, welche der beiden in der Berufungsschrift genannten Parteien das Rechtsmittel eingelegt hat, ist die Berufung unzulässig.

 

Normenkette

ZPO § 519

 

Verfahrensgang

OLG Frankfurt am Main (Beschluss vom 04.07.2002)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5. Zivilsenats des OLG Frankfurt am Main v. 4.7.2002 wird auf Kosten der Beklagten verworfen.

Gegenstandswert: 217.131,67

 

Gründe

A

Das LG hat die Beklagte zur Zahlung von 424.672,64 DM verurteilt. Innerhalb der Berufungsfrist ist beim OLG eine Berufungsschrift eingegangen. Diese enthält das Kurzrubrum "In dem Rechtsstreit G. H. & Co. GmbH gegen D. B. AG", das Aktenzeichen des angegriffenen Urteils sowie die Erklärung, dass "namens und in Vollmacht der Beklagten gegen das Urteil des LG v. 6.12.2001, zugestellt am 7.12.2001", Berufung eingelegt werde. Welche der beiden genannten Parteien die Beklagte ist, ist nicht mitgeteilt worden; eine Bezeichnung der Parteirollen fehlt. Eine Urteilsabschrift oder sonstige Unterlagen, aus denen sich die Person des Rechtsmittelführers hätte ersehen lassen, waren nicht beigefügt. Entsprechende Angaben sind innerhalb der Berufungsfrist nicht nachgeholt worden.

Das Berufungsgericht hat den Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Berufung zurückgewiesen und ihre Berufung verworfen. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

B

Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 574 Abs. 1 Nr. 1, 522 Abs. 1 S. 4, 238 Abs. 2 S. 1 ZPO), im Übrigen jedoch unzulässig, weil keine der weiteren Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO gegeben ist.

I.

Das Berufungsgericht hält die Berufung für unzulässig, weil sie nicht formgerecht eingelegt worden sei. Die Berufungsschrift lasse nicht erkennen, welche der beiden in der Berufungsschrift genannten Parteien das Rechtsmittel eingelegt habe.

II.

Diese zutreffende Auffassung bedarf keiner weiteren Entscheidung durch das Rechtsbeschwerdegericht.

1. Bis zum Ablauf der Berufungsfrist muss feststehen, wer Berufungskläger ist. Der Berufungskläger kann auch durch Auslegung ermittelt werden. Hieran sind hohe Anforderungen zu stellen, die andererseits auch nicht zur Förmelei werden dürfen (st. Rspr.; Nachweise bei Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 519 ZPO Rz. 30 a).

2. Das Berufungsgericht knüpft an die ständige Rechtsprechung an. Allerdings meint es, einen Widerspruch zwischen der Rechtsprechung des BVerfG und des BGH zu erkennen. Die Rechtsbeschwerde greift diesen Gedanken auf und vertieft ihn. Der vermeintliche Widerspruch besteht nicht.

Den vom Berufungsgericht und von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Entscheidungen ist durchgehend zu entnehmen, dass bei fehlender Bezeichnung der Parteirollen alle weiteren, innerhalb der Berufungsfrist mitgeteilten Anhaltspunkte zur Identität insbesondere des Berufungsklägers zu berücksichtigen sind. Sowohl das BVerfG als auch der BGH haben im Einzelnen herausgearbeitet, dass unter bestimmten Umständen die Reihenfolge der Parteien im Rubrum der Berufungsschrift die nötige ergänzende Auskunft geben kann. Sind solche besonderen Umstände nicht vorhanden, dann besitzt die Reihenfolge der Parteien im Berufungsrubrum keine Aussagekraft, so dass die Berufung als formell unvollständig zu beurteilen ist, sofern weitere Angaben fehlen. Das ist hier der Fall.

a) Im Berufungsverfahren ist es allgemein üblich, im Eingang von Schriftsätzen immer dann den Kläger an erster Stelle zu nennen, wenn er auch Berufungskläger ist. Es kommt bei den Oberlandesgerichten nicht vor, dass die Klägerseite an zweiter Stelle genannt wird, wenn sie Rechtsmittelführer ist (BGH, Beschl. v. 19.5.1983 - V ZB 14/83 VersR 1983, 778; Beschl. v. 5.10.2000 - IX ZB 47/00, NJW-RR 2001, 572). Das BVerfG hat diese Rechtsprechung verfassungsrechtlich bestätigt und es im Falle einer für den Kläger eingelegten Berufung als offensichtlich sachwidrig und damit objektiv willkürlich bezeichnet, die im Eingang des Berufungsschriftsatzes an erster Stelle genannte Partei nicht als Kläger und Berufungskläger zu identifizieren (BVerfG, Beschl. v. 26.11.1985 - 2 BvR 851/84, BVerfGE 71, 202).

b) Auf der Beklagtenseite besteht wegen unterschiedlicher Übung bei den verschiedenen Oberlandesgerichten keine vergleichbare Sicherheit. Ist es im Oberlandesgerichtsbezirk allgemein üblich, den Kläger unabhängig von seiner Rolle im Berufungsverfahren stets an erster Stelle zu nennen, dann ergibt sich bei einer für den Beklagten eingelegten Berufung aus der Reihenfolge hinreichend genau, welche der genannten Parteien Beklagter und Berufungskläger ist (z. B. BGH, Beschl. v. 25.9.1975 - VII ZB 9/75, BGHZ 65, 114). Besteht die Gepflogenheit, stets den Rechtsmittelführer an erster Stelle zu nennen, ergibt sich die nötige Klarheit ebenfalls ohne eine besondere Bezeichnung der Parteirolle (z. B. BGH, Urt. v. 8.11.2001 - VII ZR 65/01, MDR 2002, 287 = BGHReport 2002, 217 = NJW 2002, 831 = BauR 2002, 521). Gibt es dagegen keine feste Übung, kann die Reihenfolge nicht den erforderlichen weiteren Hinweis geben, wer Berufungskläger sein soll.

c) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der für die Beklagte eingelegten Berufungsschrift sei nicht zu entnehmen, welche der beiden genannten Parteien Berufungskläger sein solle, stimmt mit der Rechtsprechung überein (vgl. BGH, Beschl. v. 5.10.2000 - IX ZB 47/00, NJW-RR 2001, 572). Nach der Feststellung des Berufungsgerichts besteht beim OLG Frankfurt am Main keine Übung, Berufungskläger und Berufungsbeklagte in der Berufungsschrift stets in einer bestimmten Reihenfolge anzuführen.

d) Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, nach der ohnehin erforderlichen Beiziehung der Gerichtsakte lasse sich der Rechtsmittelführer aus dem Urteilsrubrum ohne weiteres ersehen, verkennt, dass der Berufungskläger innerhalb der Berufungsfrist benannt werden muss und nicht etwa später vom Gericht ermittelt werden soll.

III.

Die zum Wiedereinsetzungsgesuch von der Rechtsbeschwerde vorgetragene Divergenz besteht nicht. Das Berufungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BGH entschieden. Danach gehört es zu den eigenverantwortlich wahrzunehmenden Aufgaben des ein Rechtsmittel einlegenden Prozessbevollmächtigten, selbst sorgfältig zu überprüfen und damit sicherzustellen, dass die Parteirolle in der Rechtsmittelschrift genau angegeben ist (BGH, Beschl. v. 21.4.1993 - XII ZB 51/93; Beschl. v. 31.3.1999 - III ZB 7/99, BGHR ZPO § 233, Rechtsmittelschrift 8, 15).

 

Fundstellen

BGHR 2003, 1372

ZfBR 2003, 759

BrBp 2004, 40

NJOZ 2003, 3004

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