Leitsatz (amtlich)
Zum Ausgleich eines Zuschlags an Entgeltpunkten aus langjähriger Versicherung (sog. Grundrenten-Entgeltpunkte) trotz Geringfügigkeit (Fortführung des Senatsbeschlusses vom 10. Januar 2024 - XII ZB 389/22, FamRZ 2024, 677).
Normenkette
VersAusglG § 18 Abs. 2; SGB VI §§ 76g, 97a
Verfahrensgang
OLG Dresden (Entscheidung vom 30.05.2023; Aktenzeichen 23 UF 246/23) |
AG Döbeln (Entscheidung vom 14.03.2023; Aktenzeichen 3 F 580/22) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 23. Familiensenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 30. Mai 2023 wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.
Wert: 1.000 €
Gründe
A.
Rz. 1
Das Amtsgericht hat die am 6. Oktober 1980 geschlossene Ehe der 1953 geborenen Antragstellerin mit dem 1954 geborenen Antragsgegner auf den am 21. November 2022 zugestellten Scheidungsantrag - insoweit rechtskräftig - geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt.
Rz. 2
Während der Ehezeit (1. Oktober 1980 bis 31. Oktober 2022) haben beide Ehegatten ausschließlich Anrechte in der gesetzlichen Rentenversicherung erlangt. Die Antragstellerin hat 0,0010 Entgeltpunkte mit einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 0,0005 Entgeltpunkten bei einem korrespondierenden Kapitalwert von 3,62 € sowie 23,1911 Entgeltpunkte (Ost) mit einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 11,5956 Entgeltpunkten (Ost) bei einem korrespondierenden Kapitalwert von 80.519,16 € erworben. Daneben hat sie einen Zuschlag von 0,6796 Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung (sogenannte Grundrenten-Entgeltpunkte) mit einem vorgeschlagenen Ausgleichswert von 0,3398 Entgeltpunkten (Ost) bei einem korrespondierenden Kapitalwert von 2.359,55 € erlangt. Der Antragsgegner hat 36,8344 Entgeltpunkte (Ost) mit einem Ausgleichswert von 18,4172 Entgeltpunkten (Ost) bei einem korrespondierenden Kapitalwert von 127.887,94 € erworben.
Rz. 3
Das Amtsgericht hat die interne Teilung sämtlicher gesetzlicher Rentenanrechte der Ehegatten angeordnet. Auf die Beschwerde der DRV Mitteldeutschland (weitere Beteiligte), die sich unter Hinweis auf ihren Verwaltungsaufwand gegen die Teilung des von der Antragstellerin erlangten Zuschlags an Entgeltpunkten (Ost) für langjährige Versicherung wendet, hat das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung insoweit abgeändert und ausgesprochen, dass ein Versorgungsausgleich wegen des „Grundrentenzuschlags“ nicht stattfindet. Mit seiner zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Antragsgegner eine Einbeziehung der von der Antragstellerin erworbenen Grundrenten-Entgeltpunkte in den Wertausgleich bei der Scheidung und damit eine Wiederherstellung der amtsgerichtlichen Entscheidung.
B.
Rz. 4
Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
I.
Rz. 5
Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung das Folgende ausgeführt: Bei dem Grundrentenzuschlag handele es sich um ein gemäß § 2 VersAusglG auszugleichendes Anrecht, welches auch ausgleichsreif sei. Vorliegend sei jedoch nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vom Ausgleich abzusehen. Nach § 97 a Abs. 1 SGB VI sei auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung das Einkommen des Berechtigten und seines Ehegatten anzurechnen, wobei die Anrechenbarkeit von Einkommen jährlich zu überprüfen sei. Diese jährliche Überprüfung führe zu einem erheblichen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Zwar könnten diese Daten von der Finanzbehörde automatisiert abgerufen werden, es bedürfe sodann aber der Berechnung, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe es zu einer Anrechnung komme. Zudem müsse die jährliche Einkommensüberprüfung in mehreren Schritten erfolgen. Führe die Einkommensanrechnung unter Berücksichtigung des Einkommens nach § 97 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI zu einem Zuschlag an Grundrenten-Entgeltpunkten, müssten der Berechtigte und sein Ehegatte innerhalb von drei Monaten nach Erlass des Rentenbescheides Auskunft über Einkünfte nach § 97 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI (Kapitaleinkünfte) erteilen und deren Höhe nachweisen. Ergebe eine neue Einkommensprüfung einen veränderten Rentenanteil aus dem Zuschlag an Grundrenten-Entgeltpunkten, sei der Bescheid mit Wirkung für die Zukunft, im Falle einer unterbliebenen oder unrichtigen Auskunft rückwirkend vom Beginn des Zeitraumes der Anrechnung von Einkommen aufzuheben. Ein erheblicher zusätzlicher Verwaltungsaufwand könne daher nicht ausgeschlossen werden. Auch bei Betrachtung des vorliegenden Einzelfalls ergäben sich keine abweichenden Billigkeitsgründe. Zwar seien beide Eheleute bereits Altersrentner, so dass eine wesentliche Änderung der Berechnungsgrundlage der Grundrenten-Entgeltpunkte aufgrund veränderter Einkünfte in den nächsten Jahren eher nicht zu erwarten sei. Eine jährliche Überprüfung nach § 97 a SGB VI habe gleichwohl zu erfolgen. Die Teilung der Grundrenten-Entgeltpunkte würde beim Antragsgegner nur zu einer verhältnismäßig geringen Erhöhung seiner Rente führen. Nach Teilung der übrigen Anrechte im Versorgungsausgleich verfügten beide Eheleute über „reichlich 1.000 € monatlicher Rente“ zuzüglich etwaiger vorehelich erworbener Anrechte, so dass der Ausgleichsbetrag der Grundrente, der einer Monatsrente von rund 12 € entspreche, noch als geringfügig anzusehen sei.
II.
Rz. 6
Dies hält rechtlicher Nachprüfung stand.
Rz. 7
1. Die rechtlichen Ausgangspunkte des Beschwerdegerichts zur Einbeziehung der von der Antragstellerin erworbenen Grundrenten-Entgeltpunkte in den Versorgungsausgleich und zur Ausgleichsreife dieses Anrechts stehen im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.
Rz. 8
Das Anrecht der Antragstellerin aus einem Zuschlag für langjährige Versicherung nach § 76 g SGB VI kann in den Wertausgleich bei der Scheidung einbezogen werden. Es ist im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 VersAusglG auf eine Rente gerichtet, dient der Absicherung im Alter oder bei Invalidität und wird durch Arbeit geschaffen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Höhe des Rentenanspruchs mit der Höhe der erbrachten Beitragszahlungen korrespondiert (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Januar 2024 - XII ZB 389/22 - FamRZ 2024, 677 Rn. 10 ff. und BGHZ 236, 205 = FamRZ 2023, 761 Rn. 11). Das Anrecht ist auch hinreichend verfestigt im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 VersAusglG und somit ausgleichsreif; insbesondere wirkt sich die in der Leistungsphase vorzunehmende Einkommensanrechnung gemäß § 97 a SGB VI von vornherein nicht auf die Bezugsgröße des Anrechts - nämlich Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung - aus und stellt daher die hinreichende Verfestigung des Stammrechts als solches nicht infrage (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. Januar 2024 - XII ZB 389/22 - FamRZ 2024, 677 Rn. 15 und BGHZ 236, 205 = FamRZ 2023, 761 Rn. 19). Ebensowenig aus Rechtsgründen zu beanstanden ist die - für die Rechtsbeschwerde ohnehin günstige - Annahme des Beschwerdegerichts, dass ein Ausgleich der Grundrenten-Entgeltpunkte zugunsten des Antragsgegners nicht als unwirtschaftlich im Sinne von § 19 Abs. 1 Nr. 3 VersAusglG angesehen werden kann.
Rz. 9
2. Ohne Erfolg wendet sich die Rechtsbeschwerde indessen gegen die Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts, unter den hier obwaltenden Umständen von dem Ausgleich des von der Antragstellerin erlangten Zuschlags an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung im Wertausgleich bei der Scheidung wegen Geringfügigkeit abzusehen.
Rz. 10
a) Die Beurteilung dieser Frage richtet sich im vorliegenden Fall nach § 18 Abs. 2 VersAusglG, weil der Antragsgegner während der Ehezeit kein gleichartiges Anrecht, nämlich keine Entgeltpunkte (Ost) aus einem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, erworben hat. Die von dem Antragsgegner allein erworbenen Entgeltpunkte (Ost) sind nicht von gleicher Art wie der von der Antragstellerin erworbene Zuschlag an Grundrenten-Entgeltpunkten (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 236, 205 = FamRZ 2023, 761 Rn. 25), weshalb in Bezug auf solche eine Differenzbetrachtung nach § 18 Abs. 1 VersAusglG nicht in Betracht kommt.
Rz. 11
b) Ein Ausgleichswert nach § 18 Abs. 2 VersAusglG ist gering, wenn er am Ende der Ehezeit die in § 18 Abs. 3 VersAusglG genannte jeweilige Bagatellgrenze nicht überschreitet. Ist die maßgebliche Bezugsgröße ein Rentenwert, beträgt die Bagatellgrenze 1 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV. In allen anderen Fällen kommt es darauf an, ob der Kapitalwert 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV übersteigt. Maßgebliche Bezugsgröße sind hier Entgeltpunkte aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung, also kein Rentenbetrag, so dass der Kapitalwert heranzuziehen ist. Das Beschwerdegericht hat auf der Grundlage der aus Rechtsgründen nicht zu beanstandenden Versorgungsauskunft der DRV Mitteldeutschland für den von der Antragstellerin ehezeitlich erworbenen Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung einen Ausgleichswert von 0,3398 Entgeltpunkten (Ost) und einen sich daraus ergebenden korrespondierenden Kapitalwert von 2.359,55 € festgestellt. Dieser Wert liegt unter der Bagatellgrenze in Höhe von 120 % der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Abs. 1 SGB IV, die sich bei Ehezeitende im Jahr 2022 auf 3.948 € belaufen hat (vgl. FamRZ 2024, 101). Der demgegenüber vom Beschwerdegericht - insoweit unzutreffend - angenommene Grenzwert von 3.780 € entspricht 120 % der im Jahr 2022 geltenden monatlichen Bezugsgröße (Ost) nach § 18 Abs. 2 SGB IV (3.150 €; vgl. § 2 Abs. 2 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung 2022, abgedruckt in FamRZ 2022, 164), auf die in § 18 Abs. 3 VersAusglG aber nicht verwiesen wird. Es ist vielmehr seit jeher von einer einheitlichen Bagatellgrenze im gesamten Bundesgebiet auszugehen (vgl. KG Beschluss vom 21. März 2019 - 19 UF 67/18 - juris Rn. 20; Wick Der Versorgungsausgleich 5. Aufl. Rn. 589; Erman/Norpoth/Sasse BGB 17. Aufl. § 18 VersAusglG Rn. 9; BeckOGK/Schüßler [Stand: 1. März 2024] VersAusglG § 18 Rn. 59 mwN).
Rz. 12
c) Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen, wobei die Vorschrift dem Gericht einen Ermessensspielraum eröffnet. Die Ausübung dieses Ermessens ist grundsätzlich Aufgabe des Tatrichters. Diese Ermessensentscheidung unterliegt im Rechtsbeschwerdeverfahren einer nur eingeschränkten rechtlichen Kontrolle. Sie ist durch das Rechtsbeschwerdegericht insbesondere daraufhin zu überprüfen, ob das Beschwerdegericht die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen einen unsachgemäßen, Sinn und Zweck des Gesetzes zuwiderlaufenden Gebrauch gemacht hat. Ferner ist nachzuprüfen, ob das Beschwerdegericht von ungenügenden oder verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommenen Tatsachenfeststellungen ausgegangen ist oder ob es wesentliche Umstände unerörtert gelassen hat (vgl. Senatsbeschlüsse vom 22. Juni 2016 - XII ZB 490/15 - FamRZ 2016, 1658 Rn. 6 und vom 2. September 2015 - XII ZB 33/13 - FamRZ 2015, 2125 Rn. 22). Einer Überprüfung nach diesen Maßstäben halten die Erwägungen des Beschwerdegerichts stand.
Rz. 13
aa) Welche Kriterien bei der Ermessensausübung im Einzelnen zu berücksichtigen sind, lässt das Gesetz offen. Gesetzesziel ist vornehmlich die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands für den Versorgungsträger, der mit der Teilung eines Anrechts und der Aufnahme eines Anwärters in das Versorgungssystem verbunden sein kann. Aus diesem Grunde sind in erster Linie die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten der Versorgungsträger gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen, wobei § 18 Abs. 2 VersAusglG auch die Entstehung sogenannter Splitterversorgungen vermeiden will, in denen der geringe Vorteil für den ausgleichsberechtigten Ehegatten in keinem Verhältnis zu dem ausgleichsbedingten Verwaltungsaufwand steht. Dabei bleibt aber der Halbteilungsgrundsatz der Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts. Der Ausschluss eines Ausgleichs von Bagatellanrechten zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung findet seine Grenze daher in einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes. Eine solche Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn ein Anrecht mit geringem Ausgleichswert unter Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht ausgeglichen wird, obwohl sich der Verwaltungsaufwand nicht als unverhältnismäßig darstellt oder sonstige mit dieser Vorschrift verfolgte Zwecke nicht oder nur in Ansätzen erreicht werden (Senatsbeschluss vom 10. Januar 2024 - XII ZB 389/22 - FamRZ 2024, 677 Rn. 23).
Rz. 14
bb) Hiergegen ist in jüngerer Zeit unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von § 17 VersAusglG vorgebracht worden, dass nicht jede Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedürfe und es daher der gesetzlichen Konzeption des § 18 VersAusglG als Soll-Vorschrift widerspreche, wenn dem Halbteilungsgrundsatz im Rahmen der nach § 18 VersAusglG zu treffenden Ermessensentscheidung eine überragende Bedeutung beigemessen werde (vgl. OLG Hamm NJW 2023, 1742, 1743 und Beschluss vom 2. September 2022 - 13 UF 17/22 - juris Rn. 10; Erman/Norpoth/Sasse BGB 17. Aufl. § 18 VersAusglG Rn. 8; Norpoth NZFam 2024, 371 und NZFam 2024, 498).
Rz. 15
Dies vermag nicht zu überzeugen. Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 26. Mai 2020 wohl darauf hingewiesen, dass der im einfachen Gesetzesrecht verankerte Halbteilungsgrundsatz (§ 1 Abs. 1 VersAusglG) nur im Innenverhältnis zwischen den geschiedenen Ehegatten Geltung beanspruche, aber darüber hinaus keinen tauglichen Maßstab für den Interessenausgleich im Verhältnis zwischen dem ausgleichsberechtigten Ehegatten und dem Versorgungsträger liefere (vgl. BVerfG FamRZ 2020, 1078 Rn. 92). Diese Erwägungen des Bundesverfassungsgerichts, die im Zusammenhang mit der Hinnehmbarkeit von „Transferverlusten“ bei der externen Teilung betrieblicher Versorgungsanrechte angestellt wurden, können wegen der Verschiedenheit der Sachverhalte zu der hier interessierenden Frage nach dem Stellenwert des Halbteilungsgrundsatzes bei der Anwendung von § 18 VersAusglG nichts beitragen (ebenso Kirchmeier NZFam 2023, 81; wohl auch Siede NJW 2023, 1254 Rn. 28).
Rz. 16
Bei der Teilung von kapitalgedeckten oder rückstellungsfinanzierten betrieblichen Versorgungsanrechten wird dem Halbteilungsgrundsatz nach § 1 Abs. 1 VersAusglG im Verhältnis zwischen den geschiedenen Ehegatten bereits dadurch Genüge getan, dass dem Ausgleichsberechtigten exakt die Hälfte des nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelten Versorgungsvermögens als Kapitalbetrag zugewiesen wird, sofern die angewendete Berechnungsmethode keine strukturelle Unterbewertung des Anrechts besorgen lässt (vgl. Senatsbeschluss BGHZ 209, 218 = FamRZ 2016, 781 Rn. 38 ff). Fragen nach der Zulässigkeit einer Abweichung von der mathematischen Halbteilung des Anrechts stellen sich bei der externen Teilung nach § 17 VersAusglG daher ausschließlich im Zusammenhang mit dem Verlangen des Versorgungsträgers nach Ausgliederung dieses Kapitalbetrages aus seinem Versorgungssystem und betreffen daher auch nur das Verhältnis zwischen dem Versorgungsträger und dem ausgleichsberechtigten Ehegatten.
Rz. 17
Wird demgegenüber gemäß § 18 VersAusglG vom Ausgleich eines Anrechts mit geringfügigem Ausgleichswert abgesehen, berührt dies unmittelbar auch das Verhältnis der geschiedenen Ehegatten zueinander, weil dem Ausgleichsberechtigten dann gerade nicht - wie in § 1 Abs. 1 VersAusglG angeordnet - die exakte Hälfte des in der Ehezeit erworbenen Versorgungsvermögens zugewiesen wird. Der Halbteilungsgrundsatz soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers grundsätzlich der „bei der Auslegung einzelner Vorschriften und bei Ermessensentscheidungen“ stets zu berücksichtigende „Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts“ bleiben (vgl. BT-Drucks. 16/10144 S. 45). Das muss auch für die Anwendung von § 18 VersAusglG gelten, der in systematischer Hinsicht eine Ausnahme vom (einfach-)gesetzlichen Halbteilungsgrundsatz darstellt. Auf die vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich offengelassene Frage, ob der Halbteilungsgrundsatz - über seine Bedeutung als Rechtfertigungsgrund für den Eingriff in das Versorgungsvermögen des Ausgleichspflichtigen hinaus - weitergehende verfassungsrechtliche Relevanz habe (dagegen etwa Nedden-Boeger FS Dose S. 361, 371), kommt es nicht an.
Rz. 18
cc) Neben dem Halbteilungsgrundsatz sind bei der Ermessensentscheidung nach den Vorgaben des Gesetzgebers aber auch die konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute einschließlich ihrer Versorgungssituation zu berücksichtigen, so dass es im Rahmen der Abwägung unter anderem für einen Ausgleich sprechen kann, dass der Ausgleichsberechtigte dringend auch auf Bagatellbeträge angewiesen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2024 - XII ZB 389/22 - FamRZ 2024, 677 Rn. 23). Bei der zu treffenden Ermessensentscheidung sind auch das Votum der beteiligten Eheleute und des Versorgungsträgers von Bedeutung, so dass ein Absehen vom Ausgleich gerechtfertigt sein kann, wenn die Ehegatten übereinstimmend und eindeutig zum Ausdruck bringen, kein Interesse am Ausgleich von Bagatellversorgungen zu haben, während es umgekehrt für die Durchführung des Ausgleichs sprechen kann, wenn der beteiligte Versorgungsträger ausdrücklich seine Bereitschaft zur internen Teilung eines bei ihm bestehenden Bagatellanrechts erklärt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2024 - XII ZB 389/22 - FamRZ 2024, 677 Rn. 24).
Rz. 19
dd) Diese Grundsätze hat das Beschwerdegericht seiner Ermessensentscheidung rechtsfehlerfrei zugrunde gelegt.
Rz. 20
(1) Soweit es die Belange der Verwaltungseffizienz betrifft, ist zwar im Grundsatz davon auszugehen, dass die Durchführung der Teilung gesetzlicher Rentenanrechte durch Verrechnung der Anrechte und Umbuchung der Ausgleichswertdifferenz auf bestehenden gesetzlichen Versicherungskonten beider Ehegatten bei den Trägern der gesetzlichen Rentenversicherung regelmäßig keinen besonders hohen Verwaltungsaufwand verursacht und aus diesem Grund - von den extremen Ausnahmefällen wirtschaftlich völlig bedeutungsloser Anrechte abgesehen - dem Halbteilungsgebot im Regelfall der Vorrang gebührt (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Januar 2024 - XII ZB 389/22 - FamRZ 2024, 677 Rn. 26 mwN).
Rz. 21
(a) Es ist allerdings in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, ob dieser Grundsatz auch im Zusammenhang mit der Teilung von Grundrenten-Entgeltpunkten Geltung beanspruchen kann, wenn - wie hier - nur einer der beiden Ehegatten diese Art von Anrechten erworben hat.
Rz. 22
Teilweise wird dazu mit dem Beschwerdegericht die Auffassung vertreten, dass für den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung durch die Teilung von Grundrenten-Entgeltpunkten im Hinblick auf das Erfordernis der jährlichen Einkommensfeststellung nach § 97 a SGB VI bei dem ausgleichsberechtigten Ehegatten ein nennenswerter zusätzlicher Verwaltungsaufwand entstehe, der ein Absehen vom Bagatellausgleich nach § 18 Abs. 2 VersAusglG rechtfertigen könne. Demgegenüber wird von einer anderen Ansicht ein für die Abwägung im Rahmen der Ermessensausübung relevanter Verwaltungsmehraufwand der Rentenversicherungsträger unter Hinweis auf die weitgehende Automatisierung der Einkommensfeststellung nach § 97 a SGB VI mittels eines Datenaustausches mit der Finanzbehörde (§ 151 b SGB VI) verneint (vgl. Nachweise zum Streitstand im Senatsbeschluss vom 10. Januar 2024 - XII ZB 389/22 - FamRZ 2024, 677 Rn. 27).
Rz. 23
(b) Der Senat hat die dargestellte Streitfrage mangels Entscheidungserheblichkeit bislang unentschieden lassen können. Sie ist nunmehr im Sinne der erstgenannten Auffassung zu beantworten. Die in der Rentenbezugsphase gemäß § 97 a SGB VI vorzunehmende Prüfung einer Einkommensanrechnung auf einen Rentenanteil aus dem Zuschlag nach § 76 g SGB VI bringt für den Träger der Rentenversicherung einen nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand mit sich, der im Rahmen der nach § 18 Abs. 2 VersAusglG vorzunehmenden Ermessensausübung zu berücksichtigen ist.
Rz. 24
Nach § 97 a Abs. 1 SGB VI wird auf den Rentenanteil aus dem Zuschlag an Entgeltpunkten für langjährige Versicherung das Einkommen des Berechtigten und seines Ehegatten angerechnet. Zum anrechenbaren Einkommen gehören gemäß § 97 a Abs. 2 SGB VI das zu versteuernde Einkommen nach § 2 Nr. 5 EStG (§ 97 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI), der steuerfreie Teil von Renten und Versorgungsbezügen (§ 97 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) sowie Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 97 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI). Wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, können nur die Einkommensarten nach § 97 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI vom automatisierten Abrufverfahren (§ 151 b SGB VI) bei der zuständigen Finanzbehörde erfasst werden (vgl. § 97 a Abs. 2 Satz 2 SGB VI), und diese auch nur dann, wenn die Finanzbehörde ihrerseits Festsetzungsdaten für den Berechtigten und seinen Ehegatten ermittelt hat. Das ist etwa dann nicht der Fall, wenn trotz Steuererklärungspflicht nicht erklärt wurde oder wenn nicht erklärt werden muss, weil der Grundfreibetrag nicht überschritten ist (vgl. Strube NZFam 2023, 584, 588). Daneben besteht das Risiko, dass das automatisierte Abrufverfahren nicht störungsfrei verläuft und deshalb bei den Rentenversicherungsträgern im Rahmen der Einkommensüberprüfung eine händische Sachbearbeitung erforderlich wird. Von vornherein außerhalb des automatisierten Abrufverfahrens stehen die Kapitaleinkünfte nach § 97 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB VI. Kommt es aufgrund der abgerufenen Daten zu einem Leistungsbezug, so wird der Berechtigte gemäß § 97 a Abs. 6 Satz 2 SGB VI aufgefordert, ein etwaiges noch nicht berücksichtigtes Einkommen aus Kapitalvermögen mitzuteilen. Bei positiver Rückmeldung ist der Rentenbescheid erneut zu prüfen und im gegebenen Falle anzupassen. Daneben können stichprobenartige Überprüfungen der Angaben der Leistungsbezieher zu den Kapitaleinkünften veranlasst sein, die in der Weise durchgeführt werden, dass die nach einem Kontenabruf beim Bundeszentralamt für Steuern ermittelten Kreditinstitute um Auskunft ersucht werden (vgl. BT-Drucks. 19/18473 S. 32 f.).
Rz. 25
Im Übrigen erschließt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit den bei der jährlichen Einkommensanrechnung nach § 97 a SGB VI entfalteten Tätigkeiten selbst von einem erheblichen laufenden Verwaltungsaufwand für die Träger der Rentenversicherung ausgeht. So wird schon in den Fällen, die eigentlich dem automatisierten Abrufverfahren unterliegen, aus diesem aber - beispielsweise wegen aufgetretener Störungen - ausgesteuert sind, für die händische Überprüfung der Anrechnung von Einkünften nach § 97 a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 SGB VI ein zusätzlicher Erfüllungsaufwand von rund 21 Millionen Euro veranschlagt. Für die händische Auswertung der von den Leistungsberechtigten getätigten Angaben über ihre Kapitaleinkünfte einschließlich der etwaigen Neuberechnung und Neubescheidung der Grundrenten erwartet der Gesetzgeber einen laufenden zusätzlichen Erfüllungsaufwand in Höhe von rund 74 Millionen Euro (vgl. BT-Drucks. 19/18473 S. 32).
Rz. 26
(2) Das Beschwerdegericht hat daher bei seiner Ermessensentscheidung zutreffend in den Blick genommen, dass die Teilung der Grundrenten-Entgeltpunkte bei dem Träger der gesetzlichen Rentenversicherung einen durchaus erheblichen Verwaltungsaufwand erzeugt. Auch die weiteren Erwägungen des Beschwerdegerichts lassen keine Rechtsfehler erkennen. Es hat mit Recht berücksichtigt, dass das Rentenniveau der beteiligten Eheleute durch die Teilung der sonstigen Anrechte im Versorgungsausgleich praktisch einander angeglichen wurde, nachdem die gesetzliche Ehezeit fast das gesamte Erwerbsleben der Ehegatten umfasst hatte. Unter solchen Umständen wird die Einkommenssituation der Ehegatten regelmäßig nicht die Teilung von Bagatellanrechten gebieten (vgl. auch Norpoth NZFam 2024, 371). Sonstige, im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der beteiligten Eheleute gewichtig für den Ausgleich sprechende Gesichtspunkte hat das Beschwerdegericht nicht festgestellt und werden von der Rechtsbeschwerde des Antragsgegners auch nicht geltend gemacht. Das betroffene Anrecht der Antragstellerin aus dem Grundrentenzuschlag war zwar nicht wirtschaftlich bedeutungslos, sein korrespondierender Kapitalwert in Höhe von 2.359,55 € blieb aber gleichwohl deutlich hinter der maßgeblichen Geringfügigkeitsgrenze von 3.948 € zurück. Hinzu kommt letztlich, dass die DRV Mitteldeutschland als betroffener Versorgungsträger keine Bereitschaft zur internen Teilung der Grundrenten-Entgeltpunkte gezeigt, sondern sich unter Hinweis auf ihren Verwaltungsaufwand ausdrücklich gegen den Ausgleich des Anrechts ausgesprochen hat.
Rz. 27
3. Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen.
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